Texte zu Klasse & Partei

Der große Widerspruch
Einheit und Differenz innerhalb der Arbeiterklasse

von Alexander von Plato (1979)

03/2016

trend
onlinezeitung

Vorbemerkung: Die jetzige Führung der DKP ist dabei,  ihre Partei als leninistisch zu etikettieren, nachdem 2006 beschlossen wurde, dass neben Marx und Engels auch Lenin zum Gedankengut der Partei gehöre solle. Bei ihrer Gründung 1968, die mit dem Bundesinnenministerium ausgehandelt worden war, war auf die Bezeichnung "marxistisch-leninistisch" verzichtet worden, um zugelassen zu werden.

Seit Mitte der 1970er Jahre waren die marxistisch-leninistischen K-Gruppen mit Bezug auf die Mao Tsetung Ideen in der BRD und Westberlin im Niedergang. In der letzten Ausgabe veröffentlichten wir einen Text zur Frage der Organisierung der Klasse als Partei, der aus der Auflösungsdebatte der maoistischen KPD 1979/80 stammt. Die Gruppe diskutierte damals breit und gründlich - dh. nicht unbedingt richtig -das marxistische-leninistische Parteiverständnis.

Im Rückblick darauf kann gesagt werden, dass dabei zentrale Fragestellungen behandelt wurden, die heute bei der ml-Umetikettierung der DKP völlig außen vorbleiben. Dies ist umso bedauerlicher, als damit der zunehmenden Marinalisierung der DKP nicht nur nicht entgegen gewirkt wird, sondern diese noch befördert. Wir hoffen, dass die TREND-Leser*innen, die zum Spektrum der DKP gehören, durch diese Texte animiert werden, ihren Blick zu öffnen und ihre Partei als das zu erkennen, was sie ist: ein überregional arbeitender kommunistischer Zirkel, der statt neuer/alter Etikette endlich mal über seine Zirkelgrenzen hinweg Grundfragen von Parteibildung und Parteiaufbau als Klassenpolitik  diskutieren sollte.

Siehe dazu in dieser Ausgabe auch: Die Dialektik von Partei und Massen in der chinesischen Theorie. Es werden weitere Texte aus der Auflösungsdebatte folgen / khs.

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Innerhalb der Entwicklung des Proletariats zur Klasse an und für sich, zur politi­schen Partei, unterscheiden Marx und Engels zwei Entwicklungsphasen. Die erste war eine der Zersplitterung, in der Geheimbünde und die „utopisch" sozialistische Philosophie eine gewisse positive Rolle spielten, die jedoch verloren ging, je mehr sich das Proletariat als „große Partei im historischen Sinne" erhob, je mehr die Zersplitterung innerhalb der Klasse sich aufhob und die Arbeiterklase zum Be­wußtsein ihrer selbst kommt.

Im „Kommunistischen Manifest" schrieben Marx und Engels, daß die Organisa­tion der Proletarier zur Klasse und damit zur politischen Partei jeden Augenblick wieder gesprengt werde durch „die Konkurrenz unter den Arbeitern selbst. Aber sie ersteht immer wieder, stärker, fester, mächtiger."

Innerhalb des sich entwickelnden Klassenkampfes mit der rabiaten Entwicklung der kapitalistischen Industrie, auf der Grundlage des sich verschärfenden Wider­spruchs zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen, werde die Ar­beiterklasse von der Klasse an sich zur (bewußt handelnden) Klasse für sich wer­den. Insbesondere werde die Maschinerie die Unterschiede der Arbeit ausgleichen, ebenso, wie der Lohn auf ein gleich niedriges Niveau gedrückt werde, so daß die Klasse immer besser ihre Interessen wahrnehmen könne in der ökonomischen und politischen Aktion.

Sie konnten deshalb alle Vorstellungen, mittels „Erneuten" die Arbeiterklasse an die Macht zu bomben, ohne die Klasse daran zu beteiligen, ebenso als Ausdruck zurückgebliebener Verhältnisse betrachten, wie Vorstellungen, daß man sich bes­ser mit den Feudalen als mit den Bourgeois verbündet oder am besten überhaupt sich von jeder politischen oder ökonomischen Aktion fernhält. In der Frühphase des Kapitalismus waren rückständige ideologische Auffassungen zumeist Ausdruck der zurückgebliebenen Verhältnisse:

  • Die Arbeiterklasse war noch in Kleinbetrieben organisiert;
  • Sie war eng mit dem Handwerk und den Zunftvorstellungen verbunden — we­nigstens in Teilen, die sich deshalb prinzipiell gegen die Industrialisierung wandten;
  • Sie sahen die Maschinerie auch in den industriellen Betrieben als ihre Konkur­renten, sie sahen sie noch nicht als Ausdruck der kapitalistischen Form der Pro­duktion, in der die Maschine zum Moloch für die Arbeiterklasse wurde;
  • Die Arbeiterklasse war stark vom Kleinbürgertum und dessen demokratischen oder kleinbürgerlich-sozialistischen Vorstellungen beeinflußt, denn mit diesem Kleinbürgertum stand das Proletariat Seite an Seite gegen den Feudalismus;
  • Die Unterschiede innerhalb der Arbeiterklasse, der Berufszweige, die Unter­schiede im Grad der Ausbildung waren in einer größtenteils handwerklich mit-geprägten Gesellschaft natürlich wesentlich größer als im industriellen Kapita­lismus, dessen Maschinerie bestimmte Qualifikationen überflüssig machte, die qualifizierte Tätigkeit einschränkte (wenn auch für einen kleinen Teil neue schuf).
  • Und die Maschinerie brachte einfach auch lokal „viele einander unbekannte Menschen an einem Ort "zusammen, so daß sie das Gemeinsame ihrer Interes­sen besser erkennen konnten. In einer zünftlerisch organisierten oder Manufaktur-Arbeit war dies natürlich weniger der Fall;
  • Die große Maschinerie brachte schließlich diese Menschen nicht nur an einem Ort zusammen, sondern zwang sie auch gleichzeitig zur disziplinierten, aufein-anderbezogenen Arbeit. Auch dies war selbstverständlich in einer vorindustriel­len Arbeit anders.

All dies führte Marx und Engels dazu, die Spaltungen innerhalb der Arbeiterklasse zu Recht erst einmal als Ausdruck zurückgebliebener Produktionsverhältnisse zu sehen. Für Deutschland führten sie zusätzlich in zahlreichen Schriften beißende Kritik an den zurückgebliebenen politischen Verhältnissen, z.B. dem „Aberglau­ben gegenüber dem Staat" ins Feld und kritisierten die Sozialdemokratie, wie En­gels in seiner Kritik am Erfurter Programmentwurf, nicht genügend für eine de­mokratische Form gegen den preußischen reaktionären Uberbau einzutreten.112' Nun hat sich die Geschichte besonders in Westeuropa in der Weise entwickelt, daß man die Spaltung und Konkurrenz innerhalb der Arbeiterklasse nicht mehr allein auf die zurückgebliebenen Verhältnisse, sondern offensichtlich auf neue Erschei­nungen im entwickelten Kapitalismus zurückführen muß.

Daß diese Frage des Verhältnisses von Einheit und Differenz innerhalb der Arbei­terklasse von großer Bedeutung auch für das Verhältnis von politischer Partei zur Klasse insgesamt ist, leuchtet unmittelbar ein. Denn wenn es der Bourgeoisie in den entwickelten kapitalistischen Ländern gelingt, Teile oder sogar große Teile der Arbeiterklasse ökonomisch, politisch und ideologisch an ihre Klassenherrschaft zu binden, wenn es ihr gelingt, die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften — bei großen Widersprüchen - für sich zu instrumentalisieren, dann kann man nicht mehr davon ausgehen, wie zu Zeiten der Bedingungen Marxens, daß die „an­deren proletarischen Parteien" die gleichen Ziele wie die Kommunisten verfolgen. Die tiefe Spaltung der Arbeiterklasse wie der Arbeiterbewegung, die ihren Aus­druck in reformistischen und revolutionären Arbeiterparteien fand, war zu einer Tatsache geworden.

Wie sollten dann aber noch revolutionäre Strategien „unabhängig von bürgerli­chen Einflüssen" diskutiert werden? Kommunisten mußten sich wieder, ähnlich wie in der früheren Zeit der Zersplitterung, organisieren, ohne sich dabei der Täu­schung hingeben zu dürfen, daß ihre Politik bereits mehr als nur der Widerschein der gesamten Arbeiterklasse als revolutionärem Subjekt wäre. Es gab aber in den entwickelten Ländern Westeuropas nicht nur bürgerliche Ar­beiterparteien, es gab nicht nur Gewerkschaften, die das kapitalistische Lohn-system zu ihrem machten, es waren nicht nur ausgefeilte Systeme des Staates zur Unterdrückung und zur ideologischen Beeinflussung geschaffen worden, von der Schule bis zur Zeitung, es gab für die bürgerlichen Arbeiterparteien auch eine materielle Basis: Den Imperialismus mit seiner gewaltigen Ausplünderung anderer Völker der Welt.

All dies war zur Zeit Marxens noch nicht Wirklichkeit; er scheint in einigen Tex­ten, besonders in den „Grundrissen", die Möglichkeiten solcher Entwicklungen an­zudeuten, ebenso wie Engels in seinen Überlegungen zu den verbürgerlichten „stockkonservativen" englischen Gewerkschaften.

Heute können wir jedenfalls nicht mehr davon ausgehen, daß die bürgerliche Ar­beiterpartei SPD die politische Herrschaft des Proletariats möchte: Heute können wir die Gewerkschaften nicht mehr nur kritisieren, daß sie sich nicht zu Zentren des Kampfes um die vollständige Emanzipation der Arbeiterklasse machen, sondern wir müssen die materiellen Ursachen für ihre Wandlung herausfinden. Und es muß eine revolutionäre Partei sich einerseits selbständig organisieren und zugleich für die Einheit der Klasse mit ihr kämpfen, politisch wie ökonomisch. Man könnte sich im Gegensatz zu Rossanda sogar die Frage stellen, ob heute nicht eher wieder Bedingungen vorhanden sind, wie sie Marx für die Anfänge der Arbei­terbewegung schilderte und die solche Organisationen wie den Bund der Kommu­nisten notwendig machten.

In jedem Fall kann man nicht wie Claudin oder Rossanda einerseits die tiefe Spal­tung innerhalb der Arbeiterbewegung und innerhalb der Arbeiterklasse konstatie­ren und zugleich behaupten, man könne zu Marx zurückkehren, ohne die Spaltung der Arbeiterbewegung auch für das Verhältnis von Partei und Klasse, ohne die Frage von Einheit und Spaltung auch für die Organisationsfrage zu theoretisieren, ohne zu bemerken, daß auch Marxens Auffassungen seinen Verhältnissen ent­sprangen. Das wäre der Gipfel des Dogmatismus, den diese Theoretiker sonst ge­neigt sind, bei Marxisten-Leninisten festzustellen.

Der Imperialismus hat neue Bedingungen geschaffen — auch für die Frage des Verhältnisses von Partei und Klasse — mit einer neuen Qualität. Trotzdem müssen wir uns auch hier fragen, ob man es sich nicht zu einfach macht, wenn man die Spaltung innerhalb der Klasse entweder ausschließlich auf unentwickelte Verhält­nisse oder ausschließlich auf imperialistische Verhältnisse zurückführt. Denn: Marx und Engels haben prinzipielle Ausführungen über die Spaltung, den „Warenfetischismus" und bürgerliche Vorstellungen bei den Produzenten ge­macht, die sie auf grundlegende Widersprüche im Kapitalismus überhaupt zu zurückführten. Die Arbeiterklasse als Klasse ist Totengräber der Bourgeoisie, weil sie ihr in einem Gegensatz gegenübersteht, der nur durch Klassenkampf mit anta­gonistischer Verlaufsform aufgehoben werden kann.

Aber gleichzeitig gibt es in dieser Einheit der Klasse objektive Spaltungsgründe und besondere subjektive Hemmnisse, die Klasseninteressen bewußt zu erkennen. Berühmt hierfür ist vor allem die folgende Stelle aus dem „Kapital": „Im Fortgang der kapitalistischen Produktion entwickelt sich eine Arbeiterklasse, die aus Erziehung, Tradition, Gewohnheit, die Anforderungen jener Produktions­weise als selbstverständliche Naturgesetze anerkennt. Die Organisation des ausge­bildeten kapitalistischen Produktionsprozesses bricht jeden Widerstand, die be­ständige Erzeugung einer relativen Übervölkerung hält das Gesetz der Zufuhr von und Nachfrage nach Arbeit und daher den Arbeitslohn, in einem den Verwer­tungsbedürfnissen des Kapitals entsprechenden Gleise, der stumme Zwang der öko­nomischen Verhältnisse besiegelt die Herrschaft des Kapitalisten über den Arbei­ter. Außerökonomische, unmittelbare Gewalt wird zwar immer noch angewandt, aber nur ausnahmsweise. Für den gewöhnlichen Gang der Dinge kann der Arbeiter den 'Naturgesetzen der Produktion' überlassen bleiben, d.h. seiner aus den Pro­duktionsbedingungen selbst entspringenden, durch sie garantierten und verewig­ten Abhängigkeit vom Kapital."(113)

Ein offenbarer Widerspruch: Auf der einen Seite die Arbeiterklasse, deren Lage sich mehr und mehr ausgleicht, die deshalb zu einem Bewußtsein ihrer Interessen gelangt, und hier auf der anderen Seite ein Bewußtsein, das die Gesetze der kapita­listischen Produktion als „Naturgesetze" anerkennt.

Marx selbst bringt eine Fülle von weiteren Beispielen für ein solches Bewußtsein; z.B.:

Bei der Sklavenarbeit erscheint selbst der Teil des Arbeitstages, worin der Sklave nur den Wert seiner eigenen Lebensmittel ersetzt, den er also in der Tat für sich selbst erarbeitet, als Arbeit für den Meister. Alle seine Arbeit erscheint als unbe­zahlte Arbeit. Bei der Lohnarbeit erscheint umgekehrt selbst die Mehrarbeit oder unbezahlte Arbeit als bezahlt."(114) Auch an den Stellen, in denen Marx über den Lohn in seinen verschiedenen Formen spricht, schreibt er, wie schwer es fällt, hin­ter den Schein zu blicken, den Lohn nicht als Ausdruck der persönlichen Leistung des Arbeiters zu begreifen, sondern als Ausdruck des Werts der Ware Arbeitskraft, der sich gesellschaftlich-durchschnittlich herstellt. Besonders die Formen des Lohns, die sich die Kapitalisten zur Steigerung der Konkurrenz der Arbeiter unter­einander und zur Erhöhung der Leistung erdachten, erschweren dieses Begreifen. Innerhalb einer Warengesellschaft ist alles käuflich und wird von seinem Waren­charakter her gedacht: so auch bei großen Teilen der Arbeiterklasse, die sogar als ,, recht mäßig" empfinden, daß sie selbst als Ware gehandelt werden. Marx hat in verschiedenen Kapiteln des „Kapitals", insbesondere in dem Kapitel über den Warenfetischismus" auf ein solches Denken und seine materiellen Ursa­chen hingewiesen.

Für die Spaltung der Arbeiterklasse untereinander werden ebenfalls vielfältige Ur­sachen benannt:

  • Der unterschiedliche Wert der Ware Arbeitskraft je nach Qualifikation und „Herstellungskosten"eben dieser Ware Arbeitskraft;
  • Die Konkurrenz zwischen jenen, die Arbeit haben und denen, die in der „di­sponibel" gehaltenen Reservearmee auf bessere Konjunktur warten;
  • Der Unterschied zwischen denen, deren Qualifikation durch die Entwicklung der Produktion überflüssig wurde, und denen, deren Qualifikation „up to date" ist;
  • Der Unterschied zwischen Mann und Frau, jung und alt;
  • Die Konkurrenz der Kapitalisten untereinander kann auch zur Konkurrenz der Arbeiter untereinander führen;
  • Der Unterschied zwischen den „Feldwebeln"(Engels) des Kapitals und den ein­fachen Arbeitern;

Es ließe sich eine Fülle von weiteren Beispielen dafür anführen, daß die Konkur­renz und die Spaltung der Arbeiter untereinander objektive, in der Produktion selbst begründete Ursachen hat.

Darüberhinaus gibt der Schein des neutralen Staates Anlaß zu einem Denken, das den Staat nicht als Klasseninstrument der Bourgeoisie begreifen läßt; die Kolonial -Politik ließ in einem gewissen Maße — wie bereits Engels vor Lenin schreibt — die Arbeiterklasse Anteil nehmen an Englands Monopolstellung auf dem Weltmarkt.

Und schließlich gibt es bewußte Bestechungen der Bourgeoisie.

Diese Spaltung der Arbeiterklasse wurde gerade von Marx und Engels in ihren Analysen sehr genau dargelegt.(115)

Auch der Schein und die Wirklichkeit der Gleichheit und der Freiheit im Kapitalis­mus und ihre realen Grundlagen haben erheblichen ideologischen Einfluß und wurden von Marx und Engels ebenfalls analysiert.(116)

Lenin betont in „Der Imperialismus und die Spaltung des Sozialismus" besonders jene Erkenntnisse Engels, in denen er bereits von verbürgerlichten Teilen der Ar­beiterklasse spricht und dies auf Englands Rolle auf dem Weltmarkt zurückführt.(117)

Alle diese genannten Stellen zeigen, daß Marx und Engels in der Frage der prinzi­piellen Notwendigkeit von Spaltungen innerhalb der Arbeiterklasse im und durch den Kapitalismus sehr weitgehende Aussagen machen. Diese Aussagen stehen in einem Widerspruch zu denjenigen, in denen sie — wie zitiert — den Herausbil­dungs-Prozeß der Klasse an und für sich, den Entwicklungsgang der Konstituie­rung der Arbeiterklasse zur politischen Partei, beschreiben. Dieser Widerspruch — so kann man behaupten — ist eben einer, der der kapitalistischen Gesellschaft und der Arbeiterklasse selbst innewohnt: es existiert sowohl Einheit wie Differenz in der widersprüchlichen Einheit Arbeiterklasse.

Genau diese Feststellung scheint unglaublich simpel, in ihr liegt aber die ganze crux des Verhältnisses von Partei und Klasse angelegt. Wer nur die Einheit inner­halb der Klasse gegen die Kapitalistenklasse betont, kann in Gefahr geraten, die Arbeiterklasse zu idealisieren, ihre Widersprüche zu unterstützen, ebenso wie „rückständiges" o&er reformistisches Bewußtsein in der Klasse selbst. Er kann auch von einer scheinhaften Identität zwischen Partei und Klasse ausgehen: die Klasse ist so „revolutionär"wie die Partei selbst, die Partei setzt sich anstelle der Klasse. Er kann sogar dem ökonomischen Prozeß die alleinige Kraft bei der Entwicklung des Klassenbewußtseins zuerkennen, ohne auch das Bewußtsein als Teil dieses Pro­zesses zu begreifen, das sowohl in Identität mit dem objektiven Gang wie auch in Widerspruch zu ihm ist. In einem solchen Falle würde auch die Rolle der politi­schen Praxis ebenso wie der Kampf um die ökonomische Besserstellung vernachläs­sigt werden können, als ohne jeden Einfluß auf die Klasse definiert. Die politische wie ökonomische Aktion müßte sich an den rückständigen Teilen der Arbeiterklas­se orientieren.

Umgekehrt müßten auch diejenigen, die die Spaltung innerhalb der Arbeiterklasse überbetonen und die Rolle der Arbeiterklasse als revolutionäres Subjekt ver­nachlässigen, sich selbst als das revolutionäre Subjekt setzen; die Analyse der ob­jektiven und subjektiven Bedingungen des Klassenkampfes können vernachlässigt werden zugunsten der unmittelbaren politischen Aktion. Oder aber: der ökonomi­schen Entwicklung wird ebenfalls die unmittelbare Kraft der Bewußtseinsbildung zugeordnet, so daß mit jeder Krise zugleich die Entwicklung des revolutionären Bewußtseins in der Klasse erwartet wird. Die Rolle des politischen Überbaus, die Bedeutung der Ideologie würde in beiden Fällen verloren gehen. Wir haben in der Geschichte sehen können, daß es diese beiden grundlegenden Fehler, Einheit oder Differenz innerhalb der Klasse überzubewerten, sie nicht kon­kret zu analysieren, gegeben hat: rechte wie ultralinke Auffassungen, Verschwörer und Aktionisten oder Klassenversöhner und Feinde jeder politischen Aktion oder gar jeder politischen Partei der fortgeschrittenen Teile der Arbeiterklasse überbe­tonen auf die eine oder andere Weise die Differenz oder die Einheit innerhalb der Arbeiterklasse.

Wir haben in dem weiteren Gang der Geschichte feststellen müssen, daß in der Sozialdemokratie der Zweiten Internationale mechanische und ökonomische An­schauungen herrschten: Anschauungen, die von einer Revolutionsstrategie des ste­tigen Anwachsens der revolutionären Potenzen unmittelbar aus den ökonomi­schen Kämpfen und ihren Widersprüchen, unmittelbar durchschlagend aufs Klas­senbewußtsein, ausgingen.118' Hand in Hand mit solchen Auffassungen ging die von der Theorie des ökonomischen Zusammenbruchs des Kapitalismus, ohne die Rolle der Aktion der Massen selbst und die Entwicklung ihres Bewußtseins zu thematisieren. Die Folge war die Politik der „Ermattung" (allerdings nicht die des Gegners, wie Kautsky meinte, sondern der SPD-Führung selbst) und die Hoffnung auf die Revolution als den irgendwann und irgendwie kommenden „großen Klad­deradatsch". Gegen eine solche Theorie des mechanisierten Marxismus durch Kautsky entwickelte sich der Reformismus Bernsteins, den Rosa Luxemburg und Lenin mit theoretischer Kraft verfolgten.

Kautsky mechanisierte den Marxismus, indem er auch hier wiedergegebene Passa­gen von Marx und besonders des späten Engels' vereinseitigte und die Bedingungen vernachlässigte, in denen sich der Marxismus entwickelte, kurz: seiner revolutionä­ren Dialektik beraubte.

Besonders in der Frage des Verhältnisses von Sein und Bewußtsein wird dies deut­lich.

Das widersprüchliche Sein der Arbeiterklasse führt zu einem widersprüchlichen Bewußtsein, und zwar nicht nur als Ausdruck noch unentwickelter kapitalistischer Verhältnisse, sondern auch als Ausdruck prinzipiell im Kapitalismus bestehender Widersprüche, besonders im Imperialismus auf einer qualitativ neuen Stufe. Darum ging es bisher.

Jetzt soll es um die Frage gehen, wie diese widersprüchliche Einheit Arbeiterklasse zum Bewußtsein ihrer selbst kommen soll und kann.

Es handelt sich nicht darum", schreiben Marx und Engels als junge Männer, „was dieser oder jener Proletarier oder selbst das ganze Proletariat als Ziel sich einstweilen vorstellt. Es handelt sich darum, was es ist, und was es diesem Sein gemäß zu tun gezwungen sein wird."(119) Dieses gesellschaftliche Sein der Arbeiter­klasse entspringt den dem Kapitalismus innewohnenden Widersprüchen; das Klas­senbewußtsein entwickelt sich dabei ihren Auffassungen folgend aus diesem, dem kapitalistischen Produktionsverhältnis innewohnenden Widerspruch, aber — und dies ist ein großes „aber" — es besteht nicht in einfacher Identität mit den Produk­tionsverhältnissen, sondern diese sind die Grundlage für das Bewußtsein der Klasse für sich, aber es gibt auch einen relativen Widerspruch zwischen dem Bewußtsein und den Produktionsverhältnissen, obwohl es — in Sprüngen — dazu gezwungen sein wird, sich „diesem gesellschaftlichen Sein gemäß" zu verhalten. Wenn es also Vermittlungsschritte zwischen der Klasse an sich und der bewußten Klasse für sich gibt, dann kommt nicht nur der Produktionsweise bzw. ihrer Analyse große Bedeutung zu, sondern auch den Quellen der Erkenntnis über das gesellschaftliche Sein. Für unser Thema heißt dies weiter, die Frage zu untersu­chen, welche Rolle innerhalb dieses Entwicklungs- und Bewußtwerdungsprozesses der Arbeiterklasse die Praxis und die Aufklärung des Teils der Klasse spielt, die die „Einsicht in die Bedingungen und Resultate der Geschichte" den übrigen Teilen der Klasse voraus hat, und in welcher Beziehung dieser Teil zur Arbeiterklasse im Ganzen steht.

Grundsätzlich gehen Marxisten von der Abhängigkeit der Erkenntnis von der gesellschaftlichen Praxis aus. Dabei hat dieser Begriff eine umfassende Bedeutung, nicht zu vergleichen mit dem Begriff der Aktion oder der Tat bei Blanqui: sowohl die Produktionstätigkeit der Massen, die durch ihre Arbeit den Widerspruch zwi- schen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen zur Entfaltung bringen und die materielle Existenz sichern und ihre Bedingungen erkennen, ist darunter hauptsächlich gemeint, als auch der Klassenkampf und andere politische, wissenschaftliche oder kulturelle Tätigkeiten des Menschen.

So schrieb Marx in den Thesen über Feuerbach vom Frühjahr 1845:

„2. Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme — ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage. In der Praxis muß der Mensch die Wahrheit, i.e. Wirklichkeit und Macht, Diesseitigkeit seines Denkens beweisen
3. Die materialistische Lehre von der Veränderung der Umstände und der Erzie­hung vergißt, daß die Umstände von den Menschen verändert und der Erzieher selbst erzogen werden muß. Sie muß daher die Gesellschaft in zwei Teile — von denen der eine über ihr erhaben ist — sondieren. Das Zusammenfallen des Än-derns oder Selbstveränderung kann nur als revolutionäre Praxis gefaßt und ratio­nell verstanden werden. "

Und in der Vierten These über Feuerbach heißt es dann weiter: „Aber, daß die weltliche Grundlage sich von selbst abhebt und sich ein selbständi­ges Reich in den Wolken fixiert, ist nur aus der Selbstzerrissenheit und Sichselbst-t widersprechen dieser weltlichen Grundlage zu erklären. Diese selbst muß also in sich selbst sowohl in ihrem Widerspruch verstanden als praktisch revolutioniert werden... "120'

In diesen Thesen über Feuerbach zeigt sich bereits, daß Marx das Bewußtsein nicht als Reflex der „weltlichen Grundlage" begreift, nicht als eine Einbahnstraße vom Sein zum Bewußtsein zeichnet, sondern innerhalb der dialektischen Beziehung von Sein und Bewußtsein auch der praktischen Revolutionierung der weltlichen Grundlage durch den Menschen Bedeutung zukommen läßt.

Gegen diejenigen, die die Dialektik aus der Beziehung zwischen materiellem Sein und Bewußtsein zu entfernen gedachten, schrieb der alte Engels in seinem bekann­ten Brief an Bloch:

Nach materialistischer Geschichtsauffassung ist das in letzter Instanz bestimmen­de Moment in der Geschichte die Produktion und Reproduktion des wirklichen Leb ens. Mehr hat weder Marx noch ich je behauptet. Wenn nun jemand das dahin verdreht, das ökonomische Moment sei das einzig bestimmende, so verwandelt er jenen Satz in eine nichtssagende, abstrakte, absurde Phrase. Die ökonomische La­ge ist die Basis, aber die verschiedenen Momente des Überbaus — politische For­men des Klassenkampfes und seine Resultate — Verfassungen..., Rechtsformen, und nun gar die Reflexe aller dieser wirklichen Kämpfe im Gehirn der Beteiligten, politische, juristische, philosophische Theorien, religiöse Anschauungen ...üben auch ihre Einwirkung auf den Verlauf der geschichtlichen Kämpfe aus und bestim­men in vielen Fällen vorwiegend deren Form."

Engels erklärt dann weiter, daß wir unsere Geschichte selbst machen, aber unter sehr bestimmten Voraussetzungen und Bedingungen. Darunter sind die ökonomi­schen schließlich die entscheidenden, aber auch die politischen, ja selbst die in den Köpfen der Menschen spukende Tradition, spielten eine Rolle, wenn auch nicht die entscheidende.

Und zum Schluß erklärt Engels etwas, was allen Dogmatikern besonders zu denken geben sollte: „Daß von den füngeren zuweilen mehr Gewicht auf die ökonomische Seite gelegt wird, als ihr zukommt, haben Marx und ich teilweise selbst verschulden müssen. Wir hatten, den Gegnern gegenüber, das von diesen geleugnete Haupt­prinzip zu betonen, und da war nicht immer Zeit, Ort und Gelegenheit, die übri­gen an der Wechselwirkung beteiligten Momente zu ihrem Recht kommen zu lassen."(121)

Die revolutionäre Dialektik geht nicht nur — belegt durch historische Erfah­rungen — davon aus, daß sich das widersprüchliche Sein auch im widersprüchli­chen Bewußtsein der Arbeiterklasse wiederfindet, sieht nicht nur neben der grund­legenden Bedeutung der Produktionsweise die Rolle der aktiven revolutionieren­den Praxis, sondern auch, daß sich der Klassenkampf und der Bewußtwer-dungsprozeß der Arbeiterklasse selbst in Widersprüchen und Sprüngen voll­zieht.

Innerhalb der gesellschaftlichen Praxis, besonders im Klassenkampf und innerhalb der politischen und wissenschaftlichen Tätigkeit gibt es nun sowohl Einheit wie Widerspruch zwischen den rückschrittlichen, „mittleren"und demjenigen Teil der Arbeiterklasse, der die „Einsicht" in die geschichtlichen Bedingungen den anderen voraus hat. Welche Rolle spielt dieser aktive, fortgeschrittene Teil der Arbeiter­klasse besonders in den Situationen, deren jeweilige historische Widersprüche so zugespitzt sind, daß ein qualitativer Umschlag im Bewußtsein der Masse des Prole­tariats zum bewußt handelnden revolutionären Subjekt gefördert werden kann? Lenin und die Theoretiker, die in seiner Tradition der Begründung einer Kommu­nistischen Partei stehen, insbesondere Mao Tsetung, entwickeln in diesem Zusam­menhang folgendes: damit die Arbeiterklasse zum bewußt handelnden revolutio­nären Subjekt wird auf der Grundlage objektiver Verhältnisse, die dies ermögli­chen, muß die Einheit wie auch der Widerspruch innerhalb der Klasse ihren jewei­ligen organisatorischen Ausdruck finden: Organe der Klasse und der Massen als Ausdruck der Einheit (Räte, Einheitsfront-Organe, Gewerkschaften usw.) und Or­gane der fortgeschrittenen Teile der Arbeiterklasse — revolutionäre Partei, die innerhalb der Klasse für deren Einheit und Interessen kämpft.(122) Beide — die Organe der Klasse wie ihres fortgeschrittensten Teils — stehen in Beziehung miteinander, es wird nicht mechanisch die Klasse durch die Partei er­setzt, sondern die Partei lernt von der Klasse und ihrer jeweiligen besonderen histo­rischen widersprüchlichen Bewußtseinsentwicklung und ist führender Kern und Mittelpunkt im Klassenkampf, bei dem Entwicklungsprozeß der Klasse selbst — in diesem Sinn Teil und Avantgarde der Klasse. Lenin hob die Notwendigkeit einer solchen Partei im Bildungsprozeß der Klasse hervor, um bürgerlichen Einflüssen und spontan rückschrittlichen Vorstellungen entgegentreten zu können, um der bestens gerüsteten Bourgeoisie eine bewußte und disziplinierte „Streitmacht"ent­gegen zu stellen, um in der politischen Aktion und Aufklärung das Klassenbewußt­sein zu fördern, um den Tageskampf mit den langfristigen Zielen für den Sozialis­mus gegen das bürgerliche System insgesamt verbinden zu können, um innerhalb dieser Kämpfe sowohl die Einheit der Klasse zu erreichen, als auch die nächsten Schritte anzugeben und, um an jeder Stelle die Vorbedingungen für den jeweiligen weiteren Kampf um den Sozialismus zu verbessern.

Um dies zu erreichen, müssen sich die fortgeschrittensten Teile des Proletariats an­gesichts der spontan wie auch aktiv durch bürgerliche Organe entstehenden bür­gerlichen Einflüsse unabhängig und selbständig organisieren und zugleich für die Einheit der Klasse gegen ihren Widerpart, die Bourgeois-Klasse, eintreten. Da in der Einheitsfront oder in historischen Bündnissen mit anderen Klassen und Schich­ten (z.B. gegen den Zarismus oder später unter anderen Bedingungen gegen den Faschismus) Kommunisten neben den historisch begrenzten auch die weitergehen­den Ziele verfolgen, ist sowohl eine Politik des Bündnisses und der Einheitsfront wie auch der Selbständigkeit notwendig. Um im Bündnis für weitergehende Ziele und politische Schritte zu wirken, bedarf es der selbständigen, für weitergehende Ziele eintretenden Organisation des Proletariats: Einer Organisation, die sich unabhän­gig von den offen bürgerlichen Einflüssen organisiert, deren Mitglieder historische und gegenwärtige Kenntnisse und theoretische Erfahrungen des Marxismus und des Klassenkampfes besitzen, diszipliniert den jeweiligen Widerspruch zwischen dem weitergehenden Ziel und den jeweiligen Möglichkeiten fassen, als ,,Soldaten der Revolution" den bürgerlichen Unterdrückungsapparaten widerstehen, sich selbständig, aber nicht außerhalb der Klasse und ihres Lebens organisieren, son­dern sich mit der Klasse verbinden.

Da Einheit und Widerspruch innerhalb der Arbeiterklasse wie innerhalb der Bündnisse auf jeweils anderem historischen Stand in neuer Form immer vorhanden sind, da es auf jeweils neuer historischer Stufe immer wieder Sprünge zu neuem Be­wußtsein gibt, ist ein Verhältnis von selbständiger revolutionärer Partei zur Klasse notwendig für die ganze Epoche des Widerspruchs zwischen Bourgeoisie und Prole­tariat vorhanden. Deshalb sind Lenins Theorien einerseits Ausdruck russischer Verhältnisse des Ubergangs von der bürgerlichen zur sozialistischen Revolution, zugleich aber in ihren grundlegenden Aussagen Ausdruck der Einheit und des Wi­derspruchs innerhalb des Bewußtwerdungsprozesses der Arbeiterklasse, wie sie be­sonders während der Spaltung der Arbeiterbewegung im Imperialismus zum Aus­druck kamen.

Lenin und Mao Tsetung haben diese widersprüchliche Einheit für ihre Situation im beginnenden Imperialismus bzw. während einer neudemokratischen Revolu­tion und im Aufbau des Sozialismus zu fassen versucht, haben deshalb sowohl der Einheit der Klasse wie auch ihrer Widersprüchlichkeit, sowohl der Klasse wie ihrer fortgeschrittenen Teile entsprechende Bedeutung zuerkannt, was bei Mao Tsetung in dem Satz mündet: ,,Aus den Massen schöpfen, in die Massen tragen. " Daß eine Kommunistische Partei innerhalb einer gespaltenen Arbeiterbewegung für den Bewußtwerdungsprozeß der gesamten Klasse von Notwendigkeit ist, weil sich dieser Prozeß in Widersprüchen und Umschlägen vollzieht, in denen Kommu­nisten eine besondere Rolle spielen können, scheint mir auch Gramsci zu meinen, wenn ich ihn angesichts der geringen Möglichkeiten, seine Schriften in deutscher Sprache zu studieren, richtig verstehe. Gramsci schreibt im Zusammenhang mit der Frage der Vorhersehbarkeit der Geschichte: ,,/n Wirklichkeit kann man nur den Kampf ,wissenschaftlich' vorhersehen, aber nicht seine konkreten Momente, die nur Ergebnisse kontrastierender, ständig bewegter und nicht auf fixe Quantitä­ten zurückführbarer Kräfte sein können, weil in ihnen Quantität in Qualität um­schlägt. " Das Ziel politischer Aktion müsse es aber gerade sein, die ,,Massen aus ihrer Passivität herauszuholen, d.h. das Gesetz der großen Zahl zunichte zu ma­chen."(123) Um also einen jeweiligen historischen Umschlag zu erreichen in Rich­tung auf das Bewußtsein des grundlegenden Klassenkampfes, in Richtung auf den Sozialismus, bedarf es auch nach der Meinung Gramscis einer Partei der Kommu­nisten, die sich für sich organisieren, aber tief verbunden mit der Klasse und ihren historischen und nationalen Besonderheiten. Marx schrieb selbst in der Einleitung zur ,,Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie": .allein auch die Theorie wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift."(124)

Wie ergreift die Theorie die Massen? In welchen Widersprüchen und Sprüngen? Kann dabei auch - neben der grundlegenden Entwicklung der kapitalistischen Wi­dersprüche, neben der gesellschaftlichen Praxis, besonders der Produktionstätig­keit und dem Klassenkampf des Proletariats - die umfassende Praxis, die politische Aktion, der ökonomische Kampf und die Aufklärung eines fortgeschrittenen Teils der Klasse für sich organisiert, aber mit der Klasse verbunden, helfen? Ilaben dies Marx und Engels (als ,,Zweier-Partei") nicht so getan, ohne sich von der Klasse und ihrer realen Bewegung fernzuhalten?

Marx und Engels lenken zu Recht unseren Blick auf die Einheit der Klasse in ihrer Widersprüchlichkeit, auf ihre Rolle als revolutionäres Subjekt; diese Rolle kann in der Tat nicht von einer Partei eingenommen werden; sie muß und kann ,,nwr"die Interessen der Klasse zum Ausdruck und zum Bewußtsein bringen als führender Kern und Mittelpunkt der Klasse. Marx und Engels betonen mit großer analyti­scher und prognostischer Kraft die notwendige Parteibildung des Proletariats; sie heben die Bedeutung der Kommunisten als diejenigen hervor, die die internationa­len Interessen des Proletariats und dessen Gesamtinteressen vertreten, die der vor­wärtstreibende Teil der Klasse sind und die Einsicht in die Bedingungen des Kampfes voraus haben müssen; sie entwickelten die Notwendigkeit der Schaffung von Klassenorganen, die sie Arbeiterclubs nannten, wir kennen sie als Räte in ver­schiedenen Revolutionen. Und schließlich: Marx und Engels betonten die Notwen­digkeit des Zusammenhangs von politischem und ökonomischem Kampf. All dies war und ist grundlegend für jede Theorie über das Verhältnis von Partei und Klas­se im Kapitalismus. Zugleich bleiben ihre Vorstellungen begrenzt oder ambivalent, was die Organisierung des Verhältnisses von Einheit und Widerspruch innerhalb der Arbeiterklasse anbelangt. Aus ihren sonstigen umfassenden Theorien über die­ses Verhältnis, aus ihren grundlegenden Theorien über den Widerspruch von Sein und Bewußtsein und aus ihrer umfassenden Bestimmung des Begriffs der Praxis haben sie nicht sämtliche Konsequenzen für diese Frage des Verhältnisses von Par­tei und Klasse gezogen.

Angesichts ihrer Verhältnisse ist ihre Hoffnung, auf die Konstituierung der Arbei­terklasse zur politischen Partei ,,im großen historischen Sinne" verständlich. Mit der Spaltung der Arbeiterbewegung spätestens seit dem offenen Einfluß des Reformismus in der Arbeiterklasse mußten hier neue Wege beschritten werden und sie wurden beschritten.

Deshalb ,.zurück zu Marx und Engels", so wie sie angesichts neuer Bedingungen in der revolutionären Arbeiterbewegung aufgehoben wurden, besonders bei Lenin und Mao Tsetung.

Anmerkungen

113) Kapital I., S. 765
 

114) MEW, Bd. 23, S...

 

115) Neben den bisher genannten Stellen seien einige weitere angeführt: MEW, Bd. 16, S. 9, S. 14, S. 196, MEW, Bd. 17, S. 440 ff., MEW, Bd. 19, S. 14, S. 277, S. 543, MEW, Bd. 21, S. 191, S. 254, MEW, Bd. 22, S. 199, S. 310, MEW, Bd. 36, S. 16, S. 125, S. 170, Grundrisse, S. 198 ff., Kapital I., S. 85 f.

 

116) Siehe dazu vor allem: Grundrisse, S. 152-160, S. 545, S. 904-917, Kapi­tal I. S. 73 f., S. 173, S. 189-191, S. 247-249, S. 295, S. 377, (dort wird die jeweilige Rechtmäßigkeit, die sich aus dem Warentausch für Arbeiter und Kapitalist und die daraus folgen­de Antinomie geschildert), S. 700 Kapital, Bd. III, S. 828, MEW, Bd. 19, S. 20 f., MEW, Bd. 20, S. 95 ff., MEW, Bd. 1, S. 347 ff., bes. S. 361-370

 

117) siehe MEW, Bd. 29, S. 358/Bd. 33, S. 524, S. 635/Bd. 35, S. 20, Bd. 35, S. 357/Bd. 37, S. 321, S. 394 f., Bd. 2, S. 637-650 siehe auch Lenin Werke, Bd. 23, S. 109 ff.

118) Solche Auffassungen schleppten sich auch bis hinein in die III. Internatio­nale

119) MEW, Bd. 2, S. 38

120) MEW, Bd. 3, S. 5 f.

121) MEW, Bd. 38, S. 463 f. Vgl. auch ebenda, S. 492 ff. oder ebenda S. 436 ff. oder S. 411 ff.

122) Wobei anzumerken ist, daß bürgerli­che Arbeiterparteien im Imperialis­mus existieren, die einerseits Erschei­nung der bürgerlichen Aktivitäten und Bewußtseinsformen in und gegen die Arbeiterklasse sind, zugleich aber auch Erscheinungen rückschrittli­cher, mittlerer oder sogar fortge­schrittener Strömungen im Proleta­riat selbst.

123 und 124) fehlen.

Editorische Hinweise

Der Text wurde entnommen aus: Zur Beziehung zwischen Partei und Klasse, in: Theorie und Praxis 1/1979, Köln 1979, S. 70-79