Editorial
Legitimationsverluste

von Karl Mueller

03/2018

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Das politische Personal der bürgerliche Klasse der BRD ist gegenwärtig nur noch mit erheblichen personellen und sachlichen Verenkungen in der Lage, sich der Form nach im Interesse des "ideellen Gesamtkapitalisten" regierungsfähig aufzustellen, d.h. die "schwarze Null" weiterhin gegen die proletarischen Massen in Anschlag zu bringen und durchzusetzen. Bei dieser Gemengelage durften (ge-)enttäuschte Juso-Genoss*innen mit ihrem NoGroKo-Zwergenaufstand noch ein bisschen Demokratie spielen. Summa summarum  resultierte aus dem politischen Operetten-Winter 2017/18, dass die bürgerlichen Parteien einen erheblichen Legitimationsverlust bei ihrem Wahlvolk einfahren mussten.

 

Während in den GroKo-Verhandlungen bei der SPD der letzte sozialdemokratische Lack abplatzte, mutierte  die LINKE endgültig hier im Lande zur wahren und einzigen Sozialdemokratie - gleichsam zur Erbin des Godesberger Programms der SPD von 1959.   Für Lafontaine, das sozialdemokratische Urgestein der Linkspartei,  und seine deutschtümelnde Ehegattin Wagenknecht bildeten die GroKo-Ereignisse sogar den Weckruf, um von der Linkspartei als künftige Hauptaufgabe das Projekt "linke" Sammlungsbewegung für die Gründung einer neuen "sozialdemokratischen" Volkspartei einzufordern.

 

In der Linkspartei waren entristisch agierende trotzkistische Kräfte über diesen Vorschlag wenig erfreut. So ein Projekt barg die Gefahr in sich, dass ihr politisch-programmatischer Einfluß in der Linkspartei endgültig der Marginalisierung anheim fallen würde. In der auf der Bundesmitgliederversammlung der AKL am 18.02.2018 in Hannover beschlossenen Resolution zur GroKo, heißt es daher folgerichtig: "Die Bildung einer „linken Volkspartei“ würde die politische Linke nicht stärken, sondern schwächen."

 

In der neuesten Ausgabe der Sozialistischen Zeitung (SoZ) hingegen wird die Sammlungsbewegung - "Potere al Popolo" (PaP – Die Macht dem Volk), die im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen in Italien die dortige politische Bühne betreten hat, durch ein entsprechendes Interview hofiert. Anders als von Lafontaine / Wagenknecht konzipiert, hat die "Die Macht dem Volk" keine Wurzeln in der italienischen Sozialdemokratie, sondern ist ein Sammlungsprojekt aus dem reformistisch autonomen Spektrum.

 

Manfred Müller schickte uns eine lesenswerte (Grundsatz-)Kritik an dem Konzept "Sammlungsbewegung". Mit Blick auf das "linke" Sammlungsprojekt "La France Insoumise", zeigt er, dass solche Projekte für die Aufhebung des Kapitalismus als strategisches Ziel nichts taugen, sondern den Kapitalismus nur affirmieren: "Neben die „verkürzte Kapitalismuskritik, tritt die „globalisierungskritische“ Betonung des Nationalstaats, an dessen Grenzen wieder die Warenströme, die Finanzströme und auch die Migration kontrolliert werden sollen." Von daher kann "La France Insoumise" selbst für eine linkssozialdemokratisch agierende Linkspartei keine Blaupause sein. Denn:

" Solange es der LINKEN nicht gelingt, in den Betrieben und den Gewerkschaften als identifizierbare gesellschaftliche Opposition sichtbar zu werden und entsprechend in die betrieblichen und gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen einzugreifen, endet jede Debatte um „Sammlungsbewegungen“ oder „Machtoptionen“ zwangsläufig in der nächsten Sackgasse oder Spaltung."

Auf der Website der maoistischen Gruppe "Jugendwiderstand" fanden wir die Austrittserklärung von Hannah Bruns, einer führenden Linkspartei-GenossIn aus NRW, die wir dokumentieren, da sie sozusagen die politisch-voluntaristische Kehrseite zu den Bemühungen bildet, mithilfe der Linkspartei den Kapitalismus überwinden zu wollen.

 

Wenn die 24jährige Hannah Bruns ihre Linkspartei-Erfahrungen und ihre Hinwendung zu revolutionärer Politik wie folgt begründet:

"Die Ideologie des Proletariats gibt uns keine komfortablen Antworten und es ist ihr egal ob die Revolution in die Lebensentwürfe und Karrieren meiner ehemaligen Parteigenossen passt. Sie setzt uns die Politik als Befehl. Diese Politik bedeutet für uns hier in Deutschland aktuell dem Wiederaufbau einer wahren kommunistischen Partei zu dienen, damit wir wieder ein Hirn und ein Herz haben. 

dann ist dies mehr als juvenile revolutionäre Ungeduld. Es ist quasi eine exemplarische Bankrotterklärung im Hinblick auf den Zustand der revolutionären Theorie in der BRD. Dass diese nicht in der Linkspartei zu haben ist, bedarf keiner tieferen Ableitung.  Dass aber das sozialrevolutionäre bundesdeutsche Zirkelwesen strategisch-programmatisch so unattraktiv ist, dass einer vom Reformismus enttäuschten jungen GenossIn nichts anderes einfällt, als sich einer Gruppe anzuschließen, die die Organisierung des Metropolen-Proletariats nach einem Aufstandskonzept aus Ländern der "Dritten Welt" anstrebt, wenn "das Proletariat siegt, wenn es kämpft, unter Führung seiner Partei, welche eine militarisierte Kriegsmaschine und Kaderpartei ist und kein Wahlverein.", sollte zu denken geben.

 

Hannah Bruns individueller, aber gleichsam exemplarischer Schritt, sowie die Gründung von etlichen Zirkeln in den letzten Jahren, die eine kommunistische Partei neu aufbauen wollen, ohne dass diese zuvor eine ideologische Auseinandersetzung mit den in der BRD agierenden kommunistischen Parteizirkeln geführt haben, stellen objektiv einen Legitimationsverlust für die Parteizirkel dar. Sollten diese es mit der "Revolution" ernst meinen, dann sollten sie über ihr politisches Ansehen bei denen, die ihre Enkel sein könnten und die die kommende Generation der Revolutionär*innen bilden, einmal gewissenhaft nachdenken. Und nicht nur das - eine ideologische Auseinandersetzung mit diesen Kräften sollte auch auf ihrer Tagesordnung demnächst zu finden sein.

 

Durch das von der MLPD initierte "Internationalistische Bündnis" und deren Praxisfelder müsste es eigentlich Gesprächpunkte mit diesen "Jugendorganisationen" geben - die internationale Solidarität für Afrin verlangt geradezu danach.

 

Bei der DKP versiegt hingegen meine Hoffung. Ein Blick auf die in dieser Ausgabe veröffentlichten drei Parteidokumente lässt eher vermuten, dass die Partei-Selbstzerlegung mit Blick auf deren 22. Parteitag im März 2018 weiter voranschreitet.

 


 

Infopartisan- bzw. TREND-Daten vom 1.3.2018