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aus:  Searchlight 2/99 
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Aufregung um Impeachment hilft Rechtsextremen
03/99
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Es ist wie in Zirkus. Moderne Puritaner in Clownskostümen rennen unkontrolliert durch die Arena und trommeln sich auf die Brust, während der Präsidentenlöwe auf einem dreibeinigen Hocker balanciert. Aber es ist kein Zirkus. Es ist der blutleere Versuch eines Coups durch eine kleine Gruppe Ultrakonservativer, die die letzten kulturellen Rudimente aus den freiheitsliebenden Sixties eliminieren wollen. Pat Buchanan, Weichensteller für weiße nationalistische Konservative, nannte es einmal einen Kulturellen Krieg. Heute nennt man es Impeachment.

Die Verfassung der Vereinigten Staaten sieht eine Absetzung eines Präsidenten wegen "schwerer Verbrechen und unangemessenem Verhalten" vor. Dabei muß zuerst das Repräsentantenhaus ein Impeachmentverfahren beschließen, dann kann der übergeordnete Senat entscheiden, ob der Präsident aus dem Amt entfernt wird. Obwohl auch gegen andere Präsidenten als Clinton ein Impeachmentverfahren eröffnet wurde, hat keiner von ihnen sein Amt verloren. Jetzt haben die
Republikaner im Repräsentantenhaus unter der Führung von unbelehrbaren Südstaatlern für ein Impeachmentverfahren gestimmt. Im Senat hat der Mehrheitsführer Trent Lott aus Mississippi versucht, seinen republikanischen Kollegen einen netteren und freundlicheren Anschein zu geben. Als Searchlight in Druck ging, waren die Beratungen noch im Gange.

Das Impeachmentverfahren gegen Clinton wurde nicht etwa angestrengt, weil er die härtesten Kürzungen im Bereich der Sozialhilfe seit 65 Jahren durchgesetzt hat, oder weil er
Städte der dritten Welt bombadieren ließ, wann immer er es für nötig hielt, die Schlagzeilen der Zeitungen zu ändern, auch nicht, weil er seine Wahlversprechen, gleiche Rechte für
schwule Männer und Lesben zu garantieren, nicht hielt. Nein. Clinton wurde angeklagt, weil er Sex hatte und dann bezüglich seiner Untreue log, gegenüber einem Sonderermittler, dessen vollbezahlter Job es ist, etwas, irgendetwas, zu finden, das es ermöglicht, den Präsidenten aus dem Amt zu entfernen.

Sonderermittler Kenneth Starr verbrachte Jahre damit, Geschäfte mit Ländereien in Arkansas zu untersuchen, den Selbstmord eines Mitarbeiters des Weißen Hauses, die Reiseabteilung im Weißen Haus und die falsche Handhabung von Personalakten. Schließlich stürzte er sich auf Clintons sexuelle Sünden. Starr ist vielleicht nicht der Agent einer fiesen rechten Verschwörung, wie Hillary Clinton behauptet hat, aber er ist sicher ein General in einem kulturellen
Krieg, der zum Teil finanziert wurde von einem der begütertsten Männer der extremen Rechten, von Richard Mellon Scaife.

Scaife ist ein Erbe der Familie Mellon. 1957 galt seine Mutter als eine der acht reichsten AmerikanerInnen, und sein Anteil an dem Vermögen wurde nach dem Tod beider Eltern auf eine
Milliarde Dollar geschätzt. Er hat Millionen für konservative Projekte ausgegeben, so bekam Nixon 1972 eine Million Dollar. Anfang der 70er finanzierte er die Gründung der Heritage
Foundation, die der einflußreichste Think-Tank der Präsidenten Reagan und Bush wurde. Heutzutage teilt er jedes Jahr mehr als 150 Millionen Dollar an ein Spektrum konservativer Institutionen aus.

Alle haben das Ziel, die sozialen Errungenschaften der 60er Jahre zurückzunehmen; Schritte in Richtung Gleichstellung der Rassen, Feminismus und Gleichstellung der Geschlechter und
Rechte für Homosexuelle. Clintons Tage als kiffender, der Einberufung entwischter, kriegsfeindlicher Student machten ihn zu ihrem Hauptziel. Daß Clinton einige Inhalte der Republikanischen Partei übernahm, machte die Ideologen nur noch wütender. So unterstützte Scaife, dem "New York Observer" zufolge, mit 2,4 Millionen Dollar eine vierjährige Untersuchung Clintons durch das konservative Magazin "American Spectator". Viele der Anschuldigungen des "Spectators" tauchten schließlich als Anklagepunkte in der Untersuchung von Starr wieder auf. Starr selbst wurde für einen Posten an der Pepperdine-Universität vorgeschlagen, der von Scaife
finanziell reichlich ausgepolstert worden war. Nur der wachsame Blick der Öffentlichkeit hielt Starr davon ab, diesen Posten anzunehmen, während er immer noch mit öffentlichen Geldern dafür bezahlt wurde, Clinton auszuspionieren.

Die Geldströme, die Scaife in die extreme Rechte gepumpt hat, sind nicht die einzige interessante Geschichte am Rande des Impeachment-Zirkus. Die Heuchelei von Moralisten im Repräsentantenhaus wurde in einer journalistischen Peepshow enthüllt, angeschoben von Internetmaganzinen und Pornographen. Als erstes wurde Helen Chenoweth, Milizenbraut und Kongressabgeordnete der Republikaner aus Idaho, dazu gebracht, ihre Affaire zuzugeben. Ebenso der Kongressabgeordnete Henry Hyde, der Vorsitzende des Repräsentantenhauskommittees war,
welches Clintons Impeachment-Verfahren überwachte. Als nächster entschied sich der Kongressabgeordnete Bob Livingston, ein Republikaner aus Lousiana, von seinem eben angetretenen Posten als Sprecher des Repräsentantenhauses und auch von seinem Sitz im Kongreß zurückzutreten, nachdem seine zahlreichen Affären enthüllt wurden.

Livingston wurde von Mitgliedern des Repräsentantenhauses für den Spitzenposten ausgewählt, nachdem der Kongreßabgeordnete Newt Gingrich in der Wählergunst zurückfiel. (Gingrichs
gescheiterte Strategie war es, die Wahlen 1998 als ein Referendum für Clintons Impeachment zu betrachten.) Als Resultat von Livingstons Rücktritt muß im Verlauf des Jahres 1999 eine Nachwahl stattfinden, um den Sitz von Louisianas erstem Distrikt zu besetzen.

Der erste, der seine Absicht bekannt gab, sich um diesen Sitz zu bewerben, war David Duke, der ehemalige Führer des Ku-Klux-Klan. In früheren Jahren hat Duke sich seine Zeit damit vertrieben, bei Treffen der "National Alliance" zu sprechen und den Posten des Vorsitzenden des Gremiums der Republikanischen Partei in seiner Gemeinde zu bekleiden. Wenn die Vergangenheit einen Hinweis geben kann, hat Duke eine Chance, Livingston zu ersetzen. Sowohl bei seinen Bemühungen, 1990 einen Sitz im Senat zu erlangen, als auch bei seinen Anstrengungen, 1991 Gouverneur zu werden, hielt Duke den ersten Distrikt. AntirassitInnen aus Lousiana erwarten
allerdings nicht, daß diese neue Kampagne von Duke ankommt.

Die Ironie ist trotz allem nicht zu übersehen. Der Versuch, das Impeachment-Verfahren voranzutreiben, hat lediglich Clintons öffentliche Unterstützung verstärkt und die Republikaner Gingrich und Livingston aus dem Amt gedrängt. Nun hat es David Duke - der sich unter seinen Kollegen einen besonderen Ruf für Liebeleien erwarb - aus der rassistischen Unterwelt ins helle Tageslicht der Republikanischen Partei zurückkatapultiert.

Währenddessen ist eine noch finsterere moralische Verirrung mehr oder weniger unbeachtet geblieben.

Lügen der anderen Art

Als die "Washington Post" Senator Lott über den "Council of Conservative Citizens" (Rat Konservativer Bürger) befragte, antwortete er, er habe "kein Wissen aus erster Hand" über die
Politik der Organisation. Lott klang dabei ein wenig wie Clinton, der abstritt, mit Monica Lewinsky Sex gehabt zu haben.

Wie regelmäßige SearchlightleserInnen wissen, ist der "Council of Conservative Citizens" (CCC) ein direkter Nachfolger der weißen Citizens Councils der 60er Jahre, und einige Mitglieder des CCC waren ebenfalls Mitglieder bei diesem Cousin des Klans. Der augenblickliche CCC ist randvoll mit ehemaligen Aktivisten der Populist Party und zweitklassigen Anhängern von David Duke. Die Abteilung des CCC in Washington D.C. wurde von Mark Cotterill geleitet, der sich in Großbritannien in der "National Front" einen Namen machte. Kürzlich gab der CCC ein "Diskussionspapier" heraus, das von Robert A. DeMarais geschrieben worden war, einem führenden Mitglied in William Pierces "National Alliance". Halbjährliche Treffen werden gekrönt von der Anwesenheit der Créme der weißen intellektuellen Nationalisten - Sam Francis, Jared Taylor und Wayne Lutton - und von Politikern wie Senator Lott.

Am 11. April 1992 sagte Lott auf einem CCC-Treffen in Greenwood, Mississippi, daß "die Leute in diesem Raum für die richtigen Prinzipien und die richtige Philosophie stehen". 1996 berichtete ein Reporter in einem Artikel im "Village Voice" über diese freundschaftliche Verbundenheit zwischen
Lott und dem CCC. Außerdem bringt der "Citizens Informer", der Anzeiger des CCC einem Bericht des Southern Poverty Law Centers zufolge regelmäßig eine Kommentar-Kolumne von Lott
heraus.

Das Law Center notierte ebenfalls, daß eine andere Figur aus dem Impeachmentverfahren, der Kongressabgeordnete Bob Barr aus Georgia, letztes Jahr auf einem CCC-Treffen sprach. Barr war
einer der ersten im Repräsentantenhaus, die nach Clintons Impeachment schrien. Heute streitet Barr jede Übereinstimmung mit dem CCC ab. Trotzdem eilte "Spotlight", eine Zeitschrift der "Liberty Lobby", Barr sofort zur Hilfe. "Barrs Verbrechen: die Wahrheit zu sagen" behauptete man dort.

Gegenüber Lotts Ausflüchten war "Spotlight" weniger nachsichtig. "Lott wendet seinen alten Verbündeten vom CCC den Rücken zu", war am 11. Januar in einer Schlagzeile zu lesen. Das Magazin berichtete wie Gordon Baum, der Präsident des CCC, und der Koordinator Bill Lord sich privat mit Lott in dessen Büro in Washington trafen. Die Schlußfolgerung der Liberty Lobby: "Wenn es heiß hergeht, kneifen die Konservativen".

Nachdem Lotts Kontakte mit dem CCC bekannt geworden waren, teilte Lord der Presse mit, daß Senator Lott niemals Ehrenmitglied seiner Gruppe gewesen sei. Allerdings ist Lotts Onkel Arnie Watson ein ordentliches Mitglied des CCC. Watson, ein ehemaliger Senator des Staates Mississippi, erklärte der Presse gegenüber, daß Lott jahrelang Ehrenmitglied des CCC gewesen sei.

Nun wird die amerikanische Öffentlichkeit zu entscheiden haben, ob man es ebenso verdammen sollte, über Verbindungen zu weißen Supremazisten zu lügen, wie darüber, sexuelle Kontakte in einem Nebenzimmer des Weißen Hauses zu haben. Paradoxerweise wird sich die Öffentlichkeit dabei teilweise auf den Kongressabgeordneten Asa Hutchinson stützen müssen, eine Figur aus dem Team der Ankläger des Repräsentantenhauses, das die Vorwürfe gegen Clinton in den Senat brachte.

Hutchinson, ein Republikaner, war 1985 während der Reagan-Ära Staatsanwalt in Fort Smith, Arkansas. Zu der Zeit erreichte er die Verurteilung der "Covenant, Sword and Arm of the Lord" (CSA), einer bewaffneten Gruppe weißer Supremazisten, deren Mitglieder Pfandhäuser ausraubten und Synagogen ansteckten.

Am ersten Tag der Anhörungen im Senat gab Hutchinson ein scharfes Statement der Anklage zum Besten. Die Republikaner sollten in den folgenden Wochen den Fall gegen Clinton voranbringen. Statistiken mögen weiterhin zeigen, daß 60% der Bevölkerung wünschten, daß Clinton im Amt bliebe. Aber die Talkshows im Radio wären voll von Beschwerden über Clinton und den moralischen Niedergang des Landes. Setzt ihn ab, ging die Argumentation weiter, so daß unsere Kinder nicht im Fernsehen etwas über Sex hören müssen. Nicht vergessen: Sex war in den ehemaligen Kolonien immer ein größeres Verbrechen als Rassismus.

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