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GELSENKIRCHEN, ANFANG MÄRZ 1999

Die Option der NATO und Bonn
DIE AUßENPOLITISCHE WIEDERHOLUNG DER INNENPOLITISCHEN ZÄHMUNG?

von DIETMAR KESTEN

TEIL I

03/99
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Jüngst fand in Bayerns Hauptstadt die "35. Münchener Konferenz für Sicherheitspolitik" statt. Anwesend waren ca. 200 "Experten" aus Politik, Wirtschaft und Militär. Die deutsche Seite wurde u. a. angeführt von Bundeskanzler SCHRÖDER, Verteidigungsminister SCHARPING, Außenminister FISCHER, dem CDU-Vorsitzenden WOLFGANG SCHÄUBLE u. a. Die Wehrkundetagung, die vom ehemaligen Kanzler-Berater HORST TELTSCHIK - jetzt BMW-Vorstandsmitglied - angeführt wurde, stand ganz im Zeichen des deutschen Mitteleuropamodells.

Um europäische Weltmacht zu werden, ist es zuerst notwendig, einen eigenständigen deutschen Kerneuropa-Vorschlag zu entwickeln, um später die deutsche Schamhaftigkeit zu überwinden und Deutschland in Europa zu verankern. Zunächst mußte FISCHER einen herben Rückschlag einstecken; denn die NATO hält an der Option auf einen atomaren Schlag fest, und ließ verlauten, daß "ein Ver- zicht auf den Ersteinsatz von Nuklearwaffen...ein strategischer Fehler wäre", (1) was WOLFGANG SCHÄUBLE schon fast in Verzückung brachte: Er "sehe keinen Grund, an der NATO-Stategie zu rütteln", verlautete am Rande der Tagung. (2) Europa müsse jetzt in der NATO mehr Verantwortung übernehmen, und nach Auffassung SCHRÖDERs "gehöre unabdingbar die Ausgestaltung einer Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität dazu" (3) und er forderte dazu auf, die "Zusammenarbeit in der europäischen Rüstungsindustrie zu forcieren. Franzosen, Briten und Deutsche sollten dabei vorangehen". (4)

Deutlicher wurde Dasa Chef MANFRED BISCHOFF, der ein gemeinsames Beschaffungsprogramm der NATO, auch "über den Atlantik hinweg" (5) anregte, was im Klartext heißen dürfte, das Europa unter Federführung Deutschlands sich an- schicken muß, sich die Hardware für künftige Machtprojkete zu verschaffen:Sateliten, Großraum-Transporter, Flugzeugträger, mobile gepanzerte Verbäde, kurzum: Die Fä- higkeit zu jeder Zeit, jeden Hinterhof der EU militärisch in schwere Ketten zu legen. Das Modell kommender Strategie-Szenarien? Hatte schon die Bundestagsfraktion der CDU/CSU am 1. September 1994 ihr Stra- tegie-Papier "Überlegungen zur europäischen Politik vorgelegt, und sich damit die Zwangsjacke des Denkens angelegt, in der die "Vereinigten Staaten von Europa" keine Träume mehr zu sein brauchen, so kann SCHRÖDER jetzt die Identität anmah- nen: "Deutschland sei in (solchen) Krisen partnerschaftsfähig geworden, die EU müsse "sich wie ein einziges Land verhalten, damit aufhören "nationale Streitkräfte zu duplizieren" und forderte "politische und militärische Entscheidungsstrukturen". (6) Die Anwesenheit des NATO-Generalsektretärs und der versammelten Außen- und Verteidigungsminister schockte FISCHER keinefalls, der - im Zweifelsfall immer für Deutschlands militärisch gebundene Verteidigungspolitik eintreten dürfte- zu erklären, daß die "europäisch geführte Mission zu einer realen Option werde", und angespro- chen auf den Fall Kosovo meinte, daß "die USA auch mit Bodentruppen beteiligt sein müßten", was SCHÄUBLE noch einmal unterstrich: "Die Europäische Identität könne nur als Pfeiler in der Allianz...wirken".(7)

Es scheint wie geschmiert zu laufen!  Hatte der "große" HELMUT KOHL, der Reichseiniger, die wirtschaftliche und politi- sche Abhängigkeit Europas vom deutschen Kraftraum einst beschritten und ange- wandt (fast alle Länder der EU sind in der Zwischenzeit zu mehr als 40% wirtschaft- lich an Deutschland gebunden), so läuft es jetzt unter SCHRÖDER zum Spielführer Europas auf. Deutschland, so sehen es auch die Verbündeten, allen voran die USA, die selbst nach FISCHER noch gebraucht werden, ist ein Land im Glück, und fast schon gibt es Parallelen wie vor dem BERLINer Kongreß von 1878, als die Staatsmänner Europas das neue Deutsche Reich endlich als Mittelpunkt akzeptierten.

Die guten KOHL-Jahre haben erreicht, was Ex-Kanzler SCHMIDT angesichts des Strategie- Papiers von CDU/CSU von 1994 mit den Worten umschrieb: "Es ist ein Papier...in dem allein Deutschland als dasjenige Land erscheint, das zu allen Fra- gen einen richtigen Kurs hat und das in jedem Falle eine Führungsmacht ist." (8) Deutschland gleicht unter diesen Vorzeichen immer mehr den Jahren nach 1871. Damals war das erste erstrebenswerte Etappenziel deutscher Machtpolitik eine starke Kontinentalstellung, die die neue deutsche "Identität" jetzt im Kerneuropamodell anzustreben scheint.

Es ist nun nicht so, daß die außenpolitischen Strategien von Union und SPD weit auseinanderklaffen. Im Prinzip hatte SCHRÖDER in München eindeutig darauf verwiesen, daß es hierbei keinerlei Differenzen gäbe; denn die Partnerschaftsfähig- keit Deutschlands kann nur die Rückbesinnung auf die ureigenen Interessen sein. Um welche "Rückbesinnung" könnte es sich hierbei handeln? MARGARETH THATCHER hatte das 1993 in einem SPIEGEL-Interview so ausge- drückt: "Ihr Deutschen wollt nicht Deuschland in Europa verankern. Ihr wollte den Rest Europas in Deutschland verankern." (9) Ist also das Ziel ein karolingisches Europa? Die bisherigen Vorstellungen eines Europamodells mit Deutschland als Europapolizisten fußen im wesentlichen auf einige Vorläufermodelle, die aus der Deutschen Geschichte zu entlehnen sind: 1. Das karolingische Europa von KARL DEM GROßEN (10); 2. Das mitteleuropäische Reich von OTTO DEM GROßEN (11); 3. Das deutsche Mitteleuropa der Weltkriege, welches FRIEDRICH NAUMANN in seinem 1915 erschienen Buch "Mitteleuropa" popularisierte. (12) Die "rote Linie" für Europa war eigentlich das karolingische Europa; denn es war der größte Machtkomplex, die größte Zusammenballung seit dem untergegangenen Weströmischen Reich des 5. Jahrhunderts. Als KARL DER GROßE 800 zum Kaiser gekrönt wurde, konnte er auf ein Imperium, das vom Atlantik bis zur Elbe reichte, von Rom bis Budapest, zurückblicken. Geographisch schloß es die Provence, Lothringen, Schweiz und Lombardei, die Toskana, Sardinien, Mähren und Böhmen ein.

Man mag an dieser Stelle darüber spekulieren können, ob das Modell der "Germanischen Roheit" KARLs des GROßEN näher in Betracht gezogen wird, oder ob man auf andere Modelle, die im Detail noch näher ausgeführt werden sollen, zurückgreift. Für einen nicht unerheblichen Teil dürfte das karolingische Europa sehr sympathisch sein, besonders für die sog. "Toskana"-Fraktion der SPD, aber auch für Ex- Kanzler KOHL ("der Weimarer") hatte es etwas für sich, und selbst der Vordenker des "Septemberbeschlusses", WOLFGANG SCHÄUBLE, konnte sich damit anfreunden; denn 1. gab es zu Zeiten KARLs des GROßEN weder Frankreich noch Deutschland, 2. lag der Schwerpunkt der Wirtschaft am Rhein, 3. führte er den Silberpfennig als gemeinsame Währung ein, 4. bestand eine Verpflichtung auf eine gemeinsame Amtssprache (Latain), 5. machte die Ostpolitik des Kaisers einen dermaßen großen Eindruck auf andere Völker, daß sie ihm den Beinamen "König" gaben, 6. pflegte er gute Beziehungen zum Kalifen Bagdads HARUN Al-RASCHID. Für die Paneuropabewegung der frühen 20er und der 50er Jahre war das karolingische Europa das Vorbild schlechthin. KONRAD SEITZ, Ex-Kanzler Amtsminister soll sich zum karolingischen Europa wiefolgt geäußert haben: "Es gilt sofort, den harten Kern zu schaffen: das karolin- gische Europa der sechs Gründungsmitglieder." (13) Mit dem Fall der Mauer dürfte das Modell allerdings unter einigen Vorbehalten stehen, gilt es doch als reines Westmodell und würde die Erben KOHLs wenig zufriedenstellen dürfen.

Das zweite, nicht minder interessante, in Vergessenheit geratene Kerneuropamo- dell, stößt mehr und mehr auf Gegenliebe. Es fällt mit der Entstehung Deutschlands zusammen: Das Reich OTTOs I., 962 in der Tradition des karolongischen Europas geschaffen. Es währte bis 1250 und dürfte das erste deutsche dominierende Mitteleuropa gewesen sein.

Vielleicht sogar der Inbegriff der kommenden deutschen Europavorstellung? Es umfaßte Deutschland, Ostfrankreich (Burgund), Norditalien, reichte von Brügge bis Zagreb, vom Marseille bis Lübeck, umschloß Teile der Nord- und Ostsee. Die Nachfolger OTTOs, die Salier- und Staufenkaiser erweiterten es bis Krakau und Riga. Später zersplitterte es allerdings der Reichsfürstenstand durch seine per- manenten Partikularinteressen in zig Stücke. Jenes Mitteleuropa, das hier genannt wird, wurde erst richtig berühmt durch seine eigentliche Endphase mit FRIEDRICH II., (14) der vielleicht bekannteste deutsche Kaiser. Zuvor hatte BARBAROSSA (15) reichlich Gelegenheit, sein staufisches Kai-serreich zu verteidigen. Er zog gegen Frankreich, den Papst, die Lombardei und die Landesfürsten. Daher könnte das ottonisch-staufische Kerneuropamodell (mit Aussicht auf Welterfolg) bei all denjenigen beliebt sein, die den "Ritt nach Osten" noch längst nicht aus ihrem Vokabular verbannt haben, die mit einem starken Europa in die Tradition dieses "Weltkaisertums" treten wollen; ein immer wiederkehrendes Fernziel deut- scher Mitteleuropapolitik. Das ottonisch-staufische Modell hat einen nicht zu unterschätzenden Vorteile.

Der Gründer Deutschlands (OTTO) war Sachse. Sein Name würde die neuen Bundesländer erheblich integrieren; der Nachteil: Der Staufenkaiser BARBAROSSA ver- nichtete den mächtigsten Landesfürsten seiner Zeit, HEINRICH den LÖWEN, (16) der Herrscher von Sachsen und Bayern war. Er dürfte damit noch heute zu den Repräsentanten der konservativen deutschen Ecke gehören. Außerdem ist sehr bedenklich, daß nach dem Untergang des Staufenreiches ein rundes 500jähriges Machtvakuum in der Mitte Europas entstand, um das entsetz- liche Kriege geführt wurde. Es ging aber allemal um die Vorherrschaft zwischen Rhein und Oder.

Das Interessanteste ist eigentlich das 3. Modell, das Deutsche Mitteleuropa aus der Zeit der Weltkriege. Primär stammt es aus der Zeit der Frankfurter Paulskirche von 1848, (17) wurde im Laufe der kommenden Jahrzehnte verifiziert, im 1. imperialistischen Krieg durch den Liberalen FRIEDRICH NAUMANN (18) populär gemacht. In seiner Schrift "Mitteleuropa" publizierte er die Kriegsziele des Kaiserreiches und begründete sie politisch, ökonomisch, und wenn man will, auch moralisch.

Die Konzeption NAUMANNs basiert auf dem ottonisch-staufischen Modell, veränderte aber das zu schaffende Kerneuropa aufgrund der Weltkriegssituation. Sein harter Kern umfaßte nur Deutschland, Österreich und Ungarn, und es gab auch heftigen Widerspruch von den Alldeutschen, den Altpreußen. Doch mit seinem theoretischer Ansatz dürfte er immer noch sehr viele Freunde haben: "Es soll das Neue nicht wie ein Bergsturz kommen, es soll erscheinen, wie ein gutes, lindes Wachstum...denn erst muß der Kern da sein, eher weitere Kris- tallisationen erfolgen können." (19)

NAUMANN forderte weiter, daß bei der Umsetzung dieser Politik, alles nur erdenkliche getan werden müsse, um ein Höchstmaß an politischer Elastizität bezüglich dieser "Heranführung" , zu erreichen. Mit anderen Worten: Es müsse zunächst um eine "wirtschaftliche Durchdringung" der "Anschlußbereiten" gehen.

Übertragen wir das auf die heutige Stellung Deutschlands in Europa, so wird einem schlaglichtartig klar, daß NAUMANNs Konzeption gar nicht mal so abwegig erscheint, wenn zunächst rein ökonomisch argumentiert wird.Seine betriebswirtschaftliche Prämisse lautete: "Wer nicht wächst, verliert!" Das kommt dem Machtstaatsdenken insgesamt, aber eben auch Deutschland sehr entgegen. So ließ er wissen: "Wie Preußen einst den Zollverein schaffen mußte, um nicht klein und allein zu sein, so müssen wir das mitteleuropäische Weltwirtschaftsvolk ins Auge fassen. Das ist der Sinn unserer Geschichte, mag es uns passen oder nicht...Ohne Mitteleuropa fallen wir in die Bewußtlosigkeit zurück." (20) Als Nahziel schwebte ihm ein machtgeschützter Binnenmarkt zwischen Nordsse und Adria vor. Sein Mitteleuropa sollte im Kern deutsch sein, das mit einer eigenen Vermittlungssprache den hinzukommenden Erweiterungsprozeß auszustatten hätte. NEUMANNs Modell hat den großen Vorteil, daß es mit der derzeitigen Europa- politik Deutschlands weitgehend übereinstimmen dürfte. Das kommende Europa Deutschlands kann nur unter Einschluß dieser Drohung entstehen; denn die entscheidende Frage, die es gilt, zu beantworten, lautet: Wie stark ist Deutschland tatsächlich in Europa, kann es aufgrund seiner Überle- genheit, alle bisherigen Tabus brechen, kann es die anderen Staaten wie ein Bulldozer plattwalzen, bringt es genügend Verachtung auf, um die anderen Staaten in die Knie zu zwingen?

Deutschlands Bruttosozialprodukt in der EU beträgt runde 36 Prozent. Das dürfte der Regel nach mehr sein als Frankreich und Großbritannien zusammen erwirtschaften, und mehr als ca. das Dreifache der anderen EU-Staaten zusammen. Darüberhinaus importieren und exportieren die Deutschen mehr als Paris und London, als alle anderen vereinten EU-Länder. In der Ranglistenfolge der größten 100 europäischen Industrieunternehmen ist Deutschland unter den ersten zehn mit 50 Prozent vertreten; vom Gesamtumsatz der ersten 100 (1993: 2, 8 Billionen Mark) hatte es einen Anteil von 30 Prozent, Frankreich dagegen nur 19, die Briten 16. Im Währungskorb für den ECU besetzte Deutschland die Position Nr. 1 mit ca. 30 Prozent. Alle anderen Länder sind weit abgeschlagen; es bestreitet heute schon 50 Prozent des gesamten Osthandels in der EU und übertritt damit bei weitem die Großmächte Frankreich und Großbritannien. Für elf der 14 EU-Partnerländer ist Deutschland der wichtigste Lieferant; Österreichs Handel ist z. B. zu ca. 45 - 50 Prozent an Bonn gebunden. Bonn dagegen ist am wenigsten an andere Länder gebunden. Seine wirtschaftliche Abhängigkeit zu anderen Ländern dürfte nicht mehr als 13 Prozent betragen.

Deutschland will schon längst nicht mehr in der zweiten Liga spielen, sondern endlich in die Bundesliga aufsteigen. Geht es in ihm doch darum, das Europa endlich Gestalt annimmt; es läßt den alten Machtgedanken wieder auferstehen, und markiert auch eine kernige Wende in der deutschen Außenpolitik, die unter HANS-DIETRICH GENSCHER vorbereitet, unter KLAUS KINKEL weiter entwickelt wurde, und nun unter dem fast schon bedauernswerten JOSCHKA FISCHER sanktioniert werden darf. Die Wende: Die deutsche Machtdemonstration, die Überwindung der Sündenvergebung hält Einzug in die europäische Geschichte der letzten 30 Jahre. Steckt man das Feld ab, so kann kein Zweifel daran bestehen, welche Länder die erste, und welche die zweite Geige im künftigen Großeuropa-Konzert spielen werden: Deutschland, Frankreich, Holland, Belgien, Luxemburg könnten ein sog. "Kerneuropa" bilden mit gemeinsamer Währung, gemeinsamer Innen-, Rechts-und Außenpolitik.

Läßt NAUMANN grüßen? Ist das die erste Etappe zur europäischen Weltmacht, wird der Großmächtetest reaktiviert, der Kerneuropavorschlag konkretisiert? Dieses "Kerneuropa" hätte einen Anteil von ca. 30 Prozent der gesamten EU-Fläche, es würde 45 Prozent der Bevölkerung stellen, 60 Prozent des Sozialproduktes und 60 - 70 Prozent des Exports. Deutschland würde darin - alle anderen Länder wären eingebunden - Weltwirtschafts- macht Nr. 1; mit einem Anteil von 17 Prozent des Welthandels läge es weit vor den USA (ca. 12 Prozent) und Japan (9 Prozent), Frankreich und England tauchen hierbei schon gar nicht mehr auf. SCHRÖDERs "europäische Identität" und "Ausgestaltung"? Träfe das zu, dann würde schon sehr bald die EU unter deutscher Hege- monie stehen. Die "Germanisierung" Europas und eine breite politische Akzeptanz kann nicht mehr generell von der Hand gewiesen werden; denn in einem solchen neuen "globa- len" Staat, lassen sich sich schnell nationale, nationalliberale, nationalsoziale Ideen realisieren; sie decken viele Volksschichten ab und können auf der gesamten kulturellen Ebenen, der Ideologie und der Politik einschneidend veränderbar wirken. (21)

Anmerkungen

(1) Süddeutsche Zeitung, 8. Februar 1999, S. 5.

(2) Ebd.

(3) Ebd. S. 4.

(4) Ebd. S. 5.

(5) Ebd.

(6) Ebd. S. 4.

(7) Ebd. S. 4.

(8) HELMUT SCHMIDT/EBERHARD JÄCKEL/EDZARD REUTER: "Was wird aus Deutschland", Stuttgart 1994.

(9) Zitiert nach WOLFGANG MICHAL: "Deutschland und der nächste Krieg", Berlin 1995, S. 44.

(10) KARL DER GROßE: 742 - 814; fränkischer König (768 - 814); Kaiser (800); Sohn und Nachfolger PIPPINS III; politische Heiligsprechung durch FRIEDRICH I. BARBAROSSA; erster Feldzug gegen die Sachsen (772); unterwarf nach Hilfe- ruf des Papstes die Langobarden; König der Langobarden und PATRICIUS ROMA- NORUM (774); Unterwerfung der Sachsen (777); Aufstand der Sachsen unter Herzog WIDUKIND (778); Neuregelung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse (779 - 781); Münzreform, Blutgericht zu Verden (782); Unterwerfung der Sachsen und Taufe WIDUKINDs (785); diplomatische Beziehungen zum Kalifen von Bag- dad HARUN AL-RASCHID (786); erster Feldzug gegen die Awaren (791); letzte Aufstände der Sachsen (792 - 804); Synode in Frankfurt, Stellungnahme gegen Ikonoklasmus in Byzanz (794); Kaiserkrönung in Rom durch den Papst (800); Eroberung Barcelonas (801 - 803); Vernichtung des Awarenreichs (803); letzter Aufstand der Sachsen niedergeworfen; Küstenwacht gegen beginnende Norman- neneinfälle (804); Krieg mit Byzanz um Italien; Frieden von Aachen (812); ließ Sohn LUDWIG I. (DER FROMME) sich selbst in Aachen zum Mitkaiser krö- nen (813); Tod (814). Die Wirkung KARLs des GROßEN bestand u. a. in der Erneuerung des abendländi- schen Kaisertums mit dem größten Machtkomplex seit dem Untergang des West- römischen Reiches, dessen Nachfolge er zuletzt beanspruchte. Er knüpfte kulturell und zivilisatorisch an die Antike ("karolingische Renaissance") an; führte Latain als Verwaltungs- und Kirchensprache ein. Der "karolingische Mi- nuskel" war die Einheitsschrift; es gab eine Münzreform, und noch keine feste Reichshauptstadt, jedoch bevorzugte Residenzen (Aachen, Ingelheim, Frankfurt), die wirtschaftliche und politische Kristallisationspunkte wurden. KARL DER GROßE machte auf die östlichen Nachbarn einen dermaßen großen Eindruck, daß sie ihm den Beinamen "Karol", "Kröl" und "Krull" gaben (König).

(11) OTTO DER I. (DER GROßE): 912 - 973; deutscher König/römischer Kaiser (936/962 - 973); Sohn und Nachfolger HEINRICH I.;in Aachen gekrönt und gesalbt; auf Thron KARLs des GROßEN (936); Unterwerfung Böhmens (950); 1. Zug nach Italien (951/52); Aufstand des LIUDOLF gegen Italienpolitik (953/54); Herzog von Lothringen (953); Ungarneinfall (954); Sieg über die Ungarn auf dem Lechfeld bei Augsbur, und Wenden an der Recknitz (955); 2. Zug gen Italien (961); Kaiserkrönung in Rom (962); 3. Italienzug (966 - 972); Tod 973.

(12) Vgl. FRIEDRICH NAUMANN: "Mitteleuropa", Berlin 1915.

(13) MICHAL: S. 45.

(14) FRIEDRICH II.: 1149 - 1250; König von Sizilien/deutscher König/Kaiser (1208/12/15/20 - 1250); Sohn und Nachfolger HEINRICH VI. und der KONSTANZE: Deutscher König (1196); nach Tod HEINRICHs VI. (1197) durch Doppelwahl in Deutschland beiseite geschoben, unter Lehns-Vormundschaft von Papst INNOZENZ III. (1198); Neuwahl als deutscher König mit päpstlicher Protektion als Gegenkönig zu OTTO IV. (1212); Krönung als König (1215); Kaiser 1220); regierte die meiste Zeit in Sizilien (1220 - 1235, 1237 - 1250); 5. Kreuzzug (1227/9); Bannung durch den Papst (1227); Mainzer Landfrieden (1235); Sieg über die lombardischen Städte bei Cortenuova (1237); Konflikte mit Papst/Lombarden (1239 - 1250); 2. päpstlicher Bann (1239); von Papst INNOZENZ IV. durch das Lyoner Konzil als abgesetzt er- klärt (1245); behauptete sich bis zu seinem Tod (1250). FRIEDRICH II. gilt als die eigentliche Figur des deutschen Kyffhäuser-Mythos, die später erst mit der Person des in Deutschland stets bekannteren und populä- reren FRIDERICH I. (BARBAROSSA) verschmolz.

(15) FRIEDRICH I. (BARBAROSSA); ca. 1122 - 1190; deutscher König/Kaiser (1152/55 - 1190); Urenkel HEINRICH IV; Herzog von Schwaben (1147); Teilnah- me am 2. Kreuzzug (1147 - 1149), nach KONRADs III. Tod König (1152); Konflikt mit Papst auf Reichstag in Besancon über Weigerung, Kaisertum als päpstliches Lehen anzunehmen (1157), Herzog von Böhmen, Roncalische Ge- setze (1158), blutige Rache an Mailand (1162); erreichte Heiligsprechung KARLs des GROßEN (1165); schwere politische Rückschläge gegen den 2. lombardi- schen Städtebund und Malariaseuche im kaiserlichen Heer (1167); Bündnis mit Rum-Seldschuken gegen die Byzanz (1173); Niederlage bei Legano gegen lom- bardischen Städtebund (HEINRICH DEN LÖWEN) -1176; Neuauflage des Kon- flikts mit Welfen-Staufer; Friede von Venedig mit Papst ALEXANDER III; Waffen- stillstand mit lombardischen Städtebund und normannischem Königreich (1177); Sturz und Verbannung HEINRICH DES LÖWEN (1180); Friede von Konstanz mit lombardischen Städten (1183); Friede mit Sizilien (1184), führende Teilnah- me am 3. Kreuzzug (1189); ertrunken im Saleph, Grab in Tyros (1190).

(16) HEINRICH DER LÖWE: 1129(30) - 1195; Herzog von Sachsen (1142 - 1180) und Bayern (1156 - 1180); aus der Familie der Welfen; Herzog von Sachsen (1142); Teilnahme am Wendenkreuzzug (1147); Herzog von Bayern (1156); Gründung von München (1158) und Lübeck (1159); besiegte Abroditen (1160 - 1164), eroberte Rügen (1168 - 1171); 1176 verweigerte BARBAROSSA (vgl. Anm. 15) Hilfe im Italienfeldzug von Legnano; in kaiserlicher Acht (1179); Sturz und Ver- bannung (1180); Zerschlagung des Machtkomplexes Sachsen und Bayern; Ende der traditionellen Stammesherzogtümer in Deutschland, unterwarf sich (1181); in England in Verbannung (1182 - 1185/1188/89); kehrte nach Deutschland zurück (1189); 1189/90 scheiterten seine Versuche zur gewaltsamen Wiedereroberung seiner Gebiete (1189/90, 1191/92); mit HEINRICH VI. wenigstens äußerlich aus- gesöhnt (1194); stirbt 1195. Nicht uninteressant dürfte sein, daß HEINRICH DER LÖWE Förderer der deutschen Ostkolonie im nördlichen Abschnitt war.

(17) FRANKFURTER PAULSKIRCHE: 1848/49 Tagungsort der Frankfurter Nationalversammlung. Frankfurter Nationalversammlung, gilt als gesamtdeutsches verfassunggebendes Parlament, das 1848/49 in der Paulskirche zu Frankfurt am Main tagte; nach der Märzrevolution 1848 hervorgegangen aus freien Wahlen (18. 5. 1848). Die Nationalversammlung wollte eine gesamtdteutsche Verfassungentwerfen und ei- nen deutschen Nationalstaat schaffen, der die preußischen und österreichischen Sonderinteressen bei Erhaltung der staatlichen Vielfalt Deutschlands aufheben sollte. Am 28./29.6. 1848 schuf die Frankfurter Nationalversammlung mit der Wahl des Reichsverwesers Erzherzog JOHANN von ÖSTEREICH eine provisorische Regie- rung, der jedoch eine wirksame Exekutivgewalt fehlte. In der Septemberrevolution ließ die gemäßigt-liberale Mehrheit der Nationalversammlung einen Aufstand der radikalen Linken durch preußische und österreichische Truppen niederschlagen (18.9. 1848) und verhalf so den alten Ordnungsmächten zum entscheidenden Erfolg. Sie einigte sich u. a. auf umfassendes Gesetz über die Grundrechte des Volkes (Unverletztlichkeit der Wohnung etc. 27.12. 1848). Am 8.3. 1849 wurde der preußische König FRIEDRICH WILHELM IV. zum Kaiser eines kleindeutschen Reiches gewählt (290 Stimmen bei 248 Enthaltungen). Mit seiner Weigerung, die Erbkaiserkrone anzu- nehmen, war die Nationalversammlung gescheitert. Die Maiaufstände zur Durchset- zung der Verfassung in Sachsen, Baden und der Rheinpfalz wurden niedergeschlagen.

(18) FRIEDRICH NAUMANN (1860-1919); Politiker; war zunächst Gemeindepfarrer (Langenberg bei Hohenstein-Ernstthal); seit 1890 Vereinsgeistlicher der Inneren Mis- sion in Frankfurt a.M. und Mitarbeit im Evangelisch-sozialen Kongress; gründete 1896 den Nationalsozialen Verein (1903 aufgelöst), der (im Ergebnis erfolglos) im Rahmen eines "sozialen Kaisertums" die Verbindung des nationalen und sozialen Gedankens und die Gewinnung der Arbeiterschaft für Staat und Nation anstrebte; war 1907 bis 1912 und 1913 bis 1918 MdR (bis 1910 für die Freisinnige Vereinigung, da- nach für die Fortschrittliche Volkspartei); 1918 Mitbegründer, 1919 Vorsitzender der Deutschen Demokratischen Partei; 1919 in die Weimarer Nationalversammlung ge- wählt. Wichtige Werke: "Mitteleuropa" (1915); "Der Kaiser im Volksstaat" (1917).

(19) MICHAL: S. 47f.

(20) MICHAL: S. 48.

(21) Im zweiten Teil des Artikels möchte ich mich mit den Auffassungen des stellvertretenden US-Außenministers STROBE TALBOTT zur NATO und Europa auseinandersetzen.

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