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aus: Jungle World vom 10.3.1999

Unter den Platten nur Heide

Hellersdorfs Bündnisgrüne haben Probleme mit der Ausländerpolitik ihrer Partei 

Von Marina Mai

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Nein, natürlich haben die Bündnisgrünen in Hellersdorf "keine Einwände gegen das beabsichtigte Gesetz" zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts, "weil das ja von der Partei so getragen wird", aber man hat ja auch eine eigene Meinung, und da, so die bündnisgrüne BVV-Fraktionssprecherin Maria Hartwig, habe sie doch "Bedenken, wenn hier leichtfertig und ohne sich über die Konsequenzen im klaren zu sein, neues Recht geschaffen wird". 

Worin die Bedenken konkret bestehen, mochte die aus Erfahrung nicht besonders klug gewordene Fraktionssprecherin nicht verraten: "Ich werde von Journalisten immer mit Sätzen zitiert, die ich mir vorher nicht genau überlegt habe." Frau Hartwigs Bedenken hatten immerhin Konsequenzen, denn als die PDS in der Bezirksverordnetenversammlung einen Antrag einbrachte, die BVV solle sich zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrecht bekennen, lehnten sowohl die SPD als auch die Grünen den Antrag im Ältestenrat der Kommunalvertretung ab.

Die SPD fand, daß bundespolitische Themen in der BVV nichts zu suchen hätten. Und ihre stellvertretende Fraktionsvorsitzende Christiane Uhlich erklärte, mit der erleichterten Einbürgerung von Ausländern und der doppelten Staatsbürgerschaft habe niemand in ihrer Fraktion Probleme, aber: "Unser Bezirksverband wird sich an geeigneter Stelle zu diesem Thema positionieren. Das ist aber nicht die BVV." Und Frau Hartwig fiel dann doch noch ein, daß durch eine mögliche Diskussion des PDS-Antrages in der BVV die Bezirksverordneten "von der Diskussion kommunaler Themen abgehalten" würden, außerdem wolle man keine unnötigen Polarisierungen herbeiführen, "die wir der CDU nicht zumuten können".

PDS-Fraktionschef Klaus-Jürgen Dahler, selbst Mitarbeiter einer Beratungsstelle für Vietnamesen, zog daraufhin den Antrag seiner Fraktion zurück: "Wir wollen den beiden Fraktionen Zeit geben, das Thema noch einmal zu diskutieren."

Die bündnisgrüne Bezirksgruppe in Hellersdorf ist mit 17 Mitgliedern die kleinste in Berlin und der Bankert der Landespartei. In Gremien und Fachbereichen der Landespartei ist sie nicht vertreten. An Diskussionen würde sich die Bezirksgruppe nur beteiligen, wenn es um das Verhältnis zur PDS ginge, weiß der Landessprecher der Grünen, Andreas Schulze: "Da die Hellersdorfer ihre Positionen bisher nie offen dargelegt oder in Anträge gepackt haben, konnten wir uns nicht mit ihnen auseinandersetzen."

Die aus dem Ostteil der Stadt stammende Abgeordnete Jeanette Martins hat die Hellersdorfer Bezirksgruppe aufgefordert, ihre Positionen endlich offenzulegen: "Nur dann können wir sie diskutieren." Daß die Hellersdorfer sich jetzt aus den Bemühungen des Landesverbandes ausklinken, für eine erleichterte Einbürgerung zu werben, ist für Schulze und Martins "inakzeptabel".

Dennoch werben Landesvorständler für einen besonnenen Umgang mit der Hellersdorfer Bezirksgruppe. Denn die Plattenbaubezirke im Osten der Stadt sind strukturschwache Gebiete für ihre Partei und ein schlechter Nährboden für grünalternatives Milieu. Im Bundeswahlkampf wurden dort Wahlkampfgelder vorrangig eingesetzt - doch der gewünschte Effekt, durch Stände und Wahlkampfzeitungen auch neue Mitglieder zu werben, schlug völlig fehl.

Die Bündnisgrünen in Hellersdorf kommen mehrheitlich aus der Ökobewegung. Einige von ihnen haben schon im Kulturbund der DDR zusammengearbeitet und sich damals gegen die Verunreinigung der Seen durch Badegäste aus den nahe gelegenen Plattenbaugebieten engagiert. Sie wohnen fast alle im Siedlungsgebiet Kaulsdorf/Mahlsdorf und nicht in den Hellersdorfer Plattenbauten. Migranten konnten sie in dieser Einfamilienhaussiedlung kaum als Nachbarn, eher als ungebetene Badegäste erleben.

Vorherrschende Themen der Hellersdorfer Bündnisgrünen sind auch heute noch Ökologie und Denkmalschutz. Andere Themen werden kaum besetzt. Davon profitiert vor allem die PDS, bei der sich die jungen Leute engagieren. So hat sich vor einem Jahr eine Schüler-Antifa im Bezirk gegründet. PDS-Fraktionschef Dahler: "Die Kids erklärten erst lauthals, daß sie auf kommunaler Ebene lieber mit den Bündnisgrünen als mit uns zusammenarbeiten wollten. Vier Wochen später klopften sie doch bei uns an." 

Mit den Positionen ihrer Partei zur Ausländerpolitik haben Hellersdorfer Bündnisgrüne grundsätzliche Probleme. Frank Lißek, der die grüne Partei am Runden Tisch gegen Rechts vertritt, kann mit dem Bekenntnis seiner Partei zur Zuwanderung nicht mitgehen: "Wer wirklich politisch verfolgt ist, der darf kommen. Aber Deutschland muß sich doch nicht alle Probleme der Welt auf den Hals holen, zum Beispiel mit ausländischen Kindern, die klauen." Das führe zu "berechtigtem Unmut, beispielsweise von deutschen Jugendlichen, die keine Lehrstellen bekommen".

Andere Staaten würden ihre Grenzen besser schützen und hätten geringere Probleme. "Wenn verschiedene Kulturen zusammentreffen und jeder andere Wurzeln hat, wie in Kreuzberg, dann wird es immer Probleme geben." Der Mann weiß, wovon er redet, schließlich mahnt er im Hauptberuf bei der Telekom säumige Kunden und ärgert sich, wie er sagt, über die vielen türkischen Schwarz-Telefonierer.

Deutschland solle, so Lißek, lieber Entwicklungshilfe leisten, statt Menschen aufzunehmen. Im Bundestagswahlkampf wollte er seine ausländerpolitischen Positionen gern in die Wahlkampfzeitung schreiben - aber so weit mochten dann auch seine grünen Genossen nicht gehen.

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