Stadtumbau & Stadtteilkämpfe
Miete neu denken
Zwei Bemerkungen zu Karl-Heinz Schuberts Kritik des Mietshäuser Syndikats

von Guenther Sandleben

04-2014

trend
onlinezeitung


Vorbemerkung:
In der letzten Ausgabe erschien von Karl-Heinz Schubert der 1. Teil einer Kritik am Mietshäuser Syndikat. Im zweiten Teil sollte aufsetzend auf einer Diskussion des Textes im "Arbeitskreis Kapitalismus aufheben" (AKKA) ein politisches Fazit  gezogen werden. Mittlerweile wurden Stellungnahmen zu Karl-Heinz Schuberts Text angekündigt. Diese möchte er in den Teil 2 einarbeiten. Wir beginnen daher mit der Veröffentlichung der ersten Stellungnahme von Guenther Sandleben, die gerade eben bei uns eingegangen ist. / red. trend

Dass es im Kapitalismus keine „nichtkapitalistischen Inseln geben kann“ und dass Wohnprojekte, selbst wenn sie einen emanzipatorischen Anspruch haben, in dem kapitalistischen Prozess integriert bleiben und sich streng ökonomisch betrachtet kaum von der üblichen Kapitalverwertung von Mietshäusern unterscheiden, hat Karl-Heinz Schubert in seinen „Thesen zur ökonomischen Funktion und Struktur des Mietshäuser Syndikats (MhS)“ nachgewiesen. Die vom MhS behauptete „Kapitalneutralisierung“ erweist sich samt aller Emanzipationsversprechungen als Illusion.

Einige Unklarheiten und Ungenauigkeiten weist dieser wertvolle Artikel dennoch auf.

I.

Unter Punkt 3 schreibt Schubert: „Wohnen(!) ist zweifellos eine Klassenfrage“. Ist damit gemeint, dass sich im Wohnen die Lebensweise einer Klasse lediglich ausdrückt oder meint er, dass Wohnen ein Klassenverhältnis konstituieren würde. Dann wäre aber zu klären gewesen, durch welche Elemente eine solche Klassenbildung hervorgebracht wird.

Auf ein solches Element könnte der sich anschließende Satz hinweisen: „Die meisten, die vom Verkauf ihrer Ware Arbeitskraft leben, schaffen es im Regelfall nur Wohnraum zu mieten“.

Im nachfolgenden Satz wird darauf aufmerksam gemacht, dass Lohnabhängige gelegentlich Wohnraum kaufen würden, statt ihn zu mieten. Wie kann der Kauf oder das Mieten einer Sache, die als Wohnraum dient, ein Klassenverhältnis begründen. Ist Autofahren auch eine Klassenfrage, nur weil das Auto geliehen oder gekauft wird?

Weiter heißt es: „Für die Inhaber von Immobilien, die diese vermieten - ob als Wohn- oder Gewerberaum - ist die Mietsache dagegen Gewinn(!) generierendes Leihkapital(!).“

Wo steckt hier „die Klassenfrage“? Es wäre zunächst einmal nachzuweisen, inwieweit die als Leihkapital fortgegebene Mietsache ein Klassenverhältnis schaffen kann. Oder spezieller: Welche Elemente für die Konstitution der Klasse der Lohnabhängigen geliefert werden, wenn Wohnraum vermietet wird.

Falls Schubert mehr auf den „Gewinn“ als klassenbildendes Element abstellen sollte, wäre Folgendes zu bedenken: Auch ein Kühlschrank, der gekauft wird, verschafft dem Verkäufer einen Gewinn, ohne dass man mit diesem Kauf und schon gar nicht mit der Nutzung des Kühlschranks ein Klassenverhältnis verbinden würde. Werden die Kühlschrank-Käufer übervorteilt und dadurch zu einer unterdrückten Klasse, nur weil sie in ihrem Kaufpreis die Gewinne des Verkäufers realisieren helfen? Falls das ernsthaft gemeint ist, würde die Klassenfrage zu einer Angelegenheit der Zirkulationssphäre, von der Marx meinte, dass dort u. a. „Freiheit und Gleichheit“ herrschten und „rechtlich ebenbürtige Personen“ sich durch einen „gemeinsamen Willensakt“ die jeweils andere Ware aneigneten?

II.

Soweit die Klassenfrage, die ungeklärt bleibt. Noch ein zweiter Punkt: Die heutigen politökonomischen Debatten leiden unter einer ungenauen und verschwommenen Begriffsbestimmung. Vor allem werden die verschiedenen Bestimmungen und Funktionsweisen des Kapitals nicht klar genug voneinander unterschieden. Fehleinschätzungen sind dann vorprogrammiert.

Zu einer nicht immer exakten Begriffsbildung neigt auch Schubert u. a. dort, wo es um die kapitalistische Verwertung der Mietsache geht.

Unter Punkt 3 schreibt er: „Stofflich(?) fungieren Immobilien als konstantes fixes Kapital. Dazu nehmen sie die Gestalt von Fabrikhallen, Verkaufsräumen und Lagerhallen und auch Wohnungen(?) an.“

Der Begriff „konstantes fixes Kapital“ macht nur Sinn, wenn er auf den kapitalistischen Produktionsprozess bezogen wird und zwar auf die wertbildende Seite dieses Prozesses, auf den Verwertungsprozess. In diesem Verhältnis fungiert die Immobilie gerade nicht „stofflich“. Schwerwiegender ist aber Folgendes: Nur wenn die Mietsache als produktives Kapital, etwa als „Fabrikhalle“ – wie Schubert schreibt – eingesetzt wird, fungiert sie im Produktionsprozess als „konstantes fixes Kapital“. Falsch wird es aber, wenn man diese Kapitalbestimmung auf die Mietsache als solche überträgt. Für den Nutzer der Wohnung stellt seine Wohnung ebenso wenig Kapital dar wie der Kühlschrank, den er für seine konsumtiven Zwecke nutzt. Diese persönliche Konsumtion sollte nicht mit der Produktion verwechselt werden. Die Mietsache und ebenso der Kühlschrank erhalten nur dann die Bestimmung des konstanten fixen Kapitals, wenn sie im kapitalistischen Produktionsprozess tatsächlich eingesetzt werden. Der Kühlschrank an sich ist ebenso wenig Kapital wie die Fabrik- oder Lagerhalle.

Schuberts Formulierungen laden dazu ein, das Kapital als etwas Dinghaftes, als einen langlebigen Gebrauchsgegenstand zu interpretieren.