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Die "Nelkenrevolution" in Portugal

"Das schrille Konzert der Parteien"
Ein Abriß über die linken& radikalen portugiesischen Parteien

aus:   Arno Münster, Portugal, Jahr 1 der Revolution, Eine analytische Reportage, Westberlin 1975, S.91ff
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Eine Untersuchung des politischen Kräfteverhältnisses nach den Wahlen vom 25. April 1975 kann die Rolle der Parteien nicht außer acht lassen. Sie beherrschen, trotz einer gewissen Einschränkung durch die »Verständigungsplattform« vom 11. April, weiterhin den Vordergrund der gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzung. Nach der antifaschistisch- demokratischen Revolution vom 25. April 1974, zu deren wichtigsten Prinzipien das Verbot der faschistischen staatlichen Einheitspartei »Accion Nacional Populär« (ANP) von Caetano und die Wiederzulassung aller anderen Parteien gehörte, waren sehr schnell über 20 Parteien der Linken, des Zentrums, der Rechten und der außerparlamentarischen revolutionären Linken auf den Plan getreten. 12 Parteien nahmen an den Wahlen zur »Konstituierenden Versammlung« vom 25. April 1975 teil. 6 davon (die PS, PPD, CDS, PCP, MDP und die UDP) sind in ihr mit Abgeordneten repräsentiert. (PS 115; PPD 80; PCP 50; CDS 16;MDP 5; UDP 1); insgesamt 247 Abgeordnete.)1 Charakteristisch für die Parteiensituation in Portugal ist das außerordentlich breite Spektrum der Linksparteien, die relativ große Kampfkraft der PCP, die sehr weit fortgeschrittene Zersplitterung der Gruppierungen und Parteien der revolutionären Linken, die nicht selten zu Sektierertum neigen. In der 4. Provisorischen Regierung vertreten sind lediglich 4 Parteien: die KP, die Soz. Partei, die PPD und die MDP. Jede dieser Parteien stellt einen Minister ohne Geschäftsbereich (Alvaro Cunhal [KP]; Mario Soares [PS], Pereira de Moura [MDP] und Magalhaes Mota [PPD]) sowie ein weiteres von einer Zivilperson besetztes Ministerium (Arbeit: KP; Justiz: PS).

1. Die Kommunistische Partei

Die Gründung dieser Partei - in einer kritischen Phase der II. Internationale - war der Versuch, der reformistischen Sozialdemokratie und der in Portugal sehr starken anarchosyndikalistischen Bewegung eine eigene revolutionäre Organisation des Proletariats nach dem Vorbild der Bolschewik! entgegenzustellen. Offiziell gegründet wurde die Partei am 6. März 1921 in Lissabon; im gleichen Jahr erscheint auch zum ersten Mal ihr Parteiorgan »O Comunista« (Der Kommunist). 1922 tritt die PKP der Kommunistischen Internationale bei. Auf dem i. Parteikongreß im November 1925 wird ein »Aktionsprogramm« verabschiedet, in dem die Kolonialpolitik der portugiesischen Bourgeoisie scharf verurteilt, die Dringlichkeit einer Agrarreform unterstrichen und eine Regierung der Arbeiter und Bauern gefordert wird. Allmählich gelingt es der PKP in den Gewerkschaften Fuß zu fassen und - trotz ihrer noch sehr geringen Mitgliederzahl Anfang der 2oer Jahre - den anarcho-syndikalisti-schen Einfluß zurückzudrängen. Die Unterdrückungswelle nach dem Staatsstreich von General Gomez da Costa am 28. Mai 1926, Voraussetzung für die spätere Machtergreifung Salazars, traf die noch junge und mitgliederschwache Partei schwer. Die Republik wird abgeschafft, die demokratischen und revolutionären Organisationen sind in ihrer Existenz bedroht, Hunderte von Parteimitgliedern - ebenso wie zahlreiche anarchosyndikalistische Gewerkschaftler-werden verhaftet und deportiert. Nach dem mißlungenen Gegenstaatsstreich republikanischer Militärs und Zivilisten vom 7. Februar 1927 wird das Parteihaus der KP ganz geschlossen, die Partei in die Illegalität getrieben. 1929 zählt sie nur noch 29 Mitglieder (!). Zwischen i930und 19 34 gelingt es zwei militanten Arbeitern und Gewerkschaftlern, Bento Goncalves und Manuel Pilar, die Partei allmählich in der Illegalität zu reorganisieren. Sie gewinnt erneut starken Einfluß in den Gewerkschaften, arbeitet gleichzeitig aber auch in der Armee, in der Marine, wo es ihr gelingt, einen militärischen Arm aufzubauen. Am 15. Februar 1931 erscheint zum erstenmal illegal das Parteiorgan »Avante« (Vorwärts). 1931 und 1932 organisiert sie eine Reihe mächtiger Streiks, vor allem unter den Arbeitern der Schiffsbau-Industrie und den Hafenarbeitern von Lissabon sowie in den Glasfabriken von Marinha Grande. Am i. Mai 1931 führt sie im Zentrum von Lissabon eine mächtige Arbeiterdemonstration durch. Als die Arbeiter von Marinha Grande am 18. Januar 1934 aus Protest gegen ein regierungsamtliches Dekret, das die Faschisierung der Gewerkschaften vorsieht, spontan in den Streik treten und die Stadt besetzen, ruft die PCP im ganzen Land den Generalstreik aus. Das Scheitern des Generalstreiks löste eine neue Verfolgungswelle gegen die PCP aus, zahlreiche Mitglieder werden verhaftet, gefoltert bzw. auf die Inseln Sao Tome und Timor deportiert. Zahlreiche Arbeiterführer werden von der PIDE ermordet (u. a. der Vorsitzende der Eisenbahnergewerkschaft Vieira Tome, die Gewerkschaftsführer Ferreira de Abreu, Americo Gomes). Im November 1935 wird Bento Goncalves nach seiner Rückkehr vom VII. Weltkongreß der Komintern in Moskau, zusammen mit allen anderen Mitgliedern des Parteisekretariats verhaftet (er stirbt 1942 an den Folgen der Behandlung im KZ Tarrafal auf den Kapverdischen Inseln). Zwischen 1936 und 1940 werden systematisch alle Mitglieder des Zentralkomitees und der führenden Instanzen der Partei verhaftet. Trotz der perfekten Repression und Bespitzelung kann die Partei - im Gegensatz zu den Anarchosyndikalisten - der vollständigen Vernichtung entgehen. 1936 nehmen zahlreiche portugiesische Kommunisten aktiv auf republikanischer Seite am spanischen Bürgerkrieg teil. U. a. organisiert der militärische Arm der Partei die Revolte der Mannschaften zweier Torpedoboote, die ursprünglich gegen die Republikaner eingesetzt werden sollten. In den Jahren 1939 bis 1940 wird eine Reorganisierung der Partei, die durch die Beschlagnahme ihrer Druckerei Ende 1939 einen schweren Rückschlag erlitten hatte, notwendig. Alvaro Cunhal, dem bisherigen Vorsitzenden des kommunistischen Jugendverbandes, J. Gregorio und M. Guedes gelingt es, die Partei so effektiv zu organisieren, daß sie im Gewerkschaftskampf wieder eine entscheidende Rolle spielt. Mit ihrer Hilfe werden zwischen 1942 und 1944 eine Reihe bedeutsamer und z. T. erfolgreicher Streiks durchgeführt. 1945 ergreift die KP die Initiative zur Gründung der »Antifaschistischen Einheitsbewegung« (MUNAF), die den Kampf der Partei sehr wirksam verstärkt. Auf ihrem IV. Parteikongreß vom Sommer 1946 kann die Partei bereits voller Stolz auf die starke Zunahme ihrer Mitgliederzahl, auch unter der Landbevölkerung des Alentejo, für die sie eine eigene Zeitung (»O Campones«) herausgibt, verweisen. Im gleichen Jahr wird mit Erfolg eine breite antifaschistische demokratische Jugendbewegung (MUDJ) gegründet, der innerhalb weniger Jahre 20000 Mitglieder beitreten. Mit dem Zerfall der Anti-Hitler-Koalition und dem Beginn des Kalten Kriegs verschärfte sich auch die Repression gegen die in der Illegalität operierende KP wieder. Alvaro Cunhal wird 1949, zusammen mit einem anderen führenden Mitglied der PCP, verhaftet. 11 Jahre lang bleibt er hinter die Kerkermauern des Gefängnisses von Peniche verbannt, bis ihm 1960, zusammen mit anderen Mitgliedern seiner Partei, die Flucht gelingt. Im Gefängnis verfaßt er die Schrift »A questiäo agrana em Portugal«2, die den Rang eines marxistischen Standardwerks innehat. Jose Moraira, der Pressebeauftragte der Partei, wird von der PIDE zu Tode gefoltert. Hunderte von Parteimitgliedern werden von der Polizei verhaftet, deportiert, gefoltert oder ermordet. Dennoch halten die Strukturen der Partei dieser Repression stand, und es gelingt ihr im Rahmen ihrer Gewerkschaftsarbeit zwischen 1954 und 1956, eine Reihe harter Lohnkämpfe zu entfesseln. Der Beginn des bewaffneten Befreiungskampfes der unterjochten Völker Angolas, Mozambiques und Guinea-Bissaos wird von der KP Anfang der 6oer Jahre zum Anlaß genommen, ihre Aufklärungs- und Agitationsarbeit für die Kolonialfrage zu intensivieren. Die Forderung nach sofortiger Unabhängigkeit der afrikanischen Völker von der Metropole wird erhoben und eine Desertionskampagne unter den Soldaten gestartet, die ein nachhaltiges Echo findet. Gleichzeitig empfiehlt die Partei jedoch ihren Mitgliedern unter den Soldaten, in der Armee zu bleiben, um dort politisch zu arbeiten. So wirkt sie entscheidend mit an der Entstehung der antikolonialistischen Massenbewegung. Auf dem VI. Parteikongreß der KP 1965 wird nach stürmischen parteiinternen Diskussionen das neue Grundsatzprogramm verabschiedet, das im wesentlichen die von Alvaro Cunhal auf einer Sitzung des ZK 1964 vorgetragenen und in der Schrift »Der Weg zum Sieg« niedergelegten Vorstellungen enthält, die in der Theorie der »demokratischen und nationalen Revolution« für Portugal gipfeln. Darin wird ausdrücklich - im Gegensatz zum Kurs anderer Kommunistischer Parteien Europas - eine antifaschistische Revolution notfalls durch die »bewaffnete Volkserhebung« gefordert. Das Grundsatzprogramm von 1965 bleibt auch in den folgenden Jahren für den Kurs der Partei verbindlich und wird auch nach der Revolution vom 25. April 1974 kaum modifiziert. Seine Leitlinien sind: die Beseitigung der faschistischen Diktatur als Herrschaftsinstrument der großen Monopole, der Großgrundbesitzer und des Imperialismus durch die Allianz aller von Monopolkapital und der Agrarbourgeoisie unterdrückten Schichten, d. h. die antifaschistische Massenfront der Arbeiter, Angestellten, Landarbeiter, Kleinbauern, städtischen Kleinbürger und Intellektuellen, und die Errichtung einer demokratischen, tendenziell sozialistischen Gesellschaft auf der Basis der Liquidierung der Herrschaft der Monopole, der Abschaffung des Latifundiums, der Demokratisierung der Kultur und aller anderen wichtigen Institutionen; der Entwicklung der Produktivkräfte durch Intensivierung der Produktion und Steigerung des Industrialisierungsgrades im Rahmen einer verstaatlichten Wirtschaft; der Verfolgung einer Politik der nationalen Unabhängigkeit, was langfristig den Austritt aus imperialistischen Militärbündnissen (NATO) nötig macht; die Entwicklung friedlicher und normaler Beziehungen zu allen Völkern der Welt.

Nach dem Sturz des faschistischen Regimes versuchte die PCP, den Kern dieses Programms in enger Allianz mit der »Bewegung der Streitkräfte« etappenweise zu verwirklichen. Das konservative Hindernis Spinola erkannte sie nur zu gut und trug daher, gestützt auf einen gut funktionierenden organisatorischen Apparat, in den Monaten nach dem 25. April 1974 in entscheidender Weise mit zur Entfaltung der breiten antikapitalistischen Massenbewegung bei. Sie trat sowohl innerhalb wie auch außerhalb der Regierung als die »große Partei der Arbeiterklasse« auf und förderte die klassenkämpferische Organisierung der Arbeiter über die »Intersindical«. Obwohl sie sich klar von Theorie und Praxis der gauchistischen Organisationen abgrenzte, verfiel sie niemals in den Fehler, den »Linksradikalismus« zu ihrem Hauptfeind zu erklären, sondern unterstrich stets, daß der wirkliche Feind der Freiheit, des Sozialismus, rechts steht. So betonte Cunhal im Juni 1974 auf einer Massenveranstaltung seiner Partei in Porto: »Genossen, der wirkliche Feind der Freiheit steht rechts... Es ist die Rechte, die Reaktion und der Faschismus, gegen die wir kämpfen, auf die wir unsere Wachsamkeit richten müssen.«

Sie schuf indirekt auch die subjektiven Vorbedingungen für die Resistance-Handlungen der Arbeiterklasse, die sich sowohl am 28. September 1974 als auch am n. März 1975 bewährten. Gerade die Appelle der PCP, der MDP und der »Intersindical« zur Wachsamkeit vor neuen faschistischen Umtrieben erwiesen sich im Herbst 1974 und im Frühjahr 1975 als ein sehr wesentliches Element bei der Arbeiterbasis.

Die relativ geringe Stimmenzahl von 15% bei den Wahlen zur »Konstituierenden Versammlung« für die PCP ist keineswegs repräsentativ für ihre reale Bedeutung, ihr reales Gewicht in dem gegenwärtigen revolutionären Prozeß. Sie ist nur Ausdruck des relativen Erfolgs der großangelegten antikommunistischen Hetzkampagne der bürgerlichen Parteien (PPD und CDS) unter der nicht aufgeklärten, von Vorurteilen befangenen und zudem noch vom katholischen Klerus3 aufgewiegelten Landbevölkerung. Da es in den vergangenen Monaten gerade die von der PCP verfolgte Politik der engen Allianz zwischen Volkskräften und MFA war, die sich in der außerparlamentarischen Aktion der Massen materialisierte und die den großen revolutionären »Sprung nach vorn« nach dem 11. März ermöglichte, sieht sich die KP in ihrer Taktik vollauf bestätigt. Sie wird daher kaum Bereitschaft zeigen, sich von den bürgerlichen Parteien oder der Sozialdemokratie infolge des Wahlergebnisses einschüchtern oder irritieren zu lassen. Sie wird vielmehr ihre Agitations- und Propagandaarbeit unter den Massen verstärken, stärker noch als bisher den rechtsopportunistischen Kurs der »Sozialisten« kritisieren und versuchen, ihren Einfluß in der Streitkräftebewegung zu konsolidieren und auszubauen, um so schnell wie möglich die begonnene Umwälzung der sozio-ökonomischen Strukturen des Landes vollenden zu können. Aufgrund ihrer sozialen Zusammensetzung, ihres langen, in der Illegalität geführten antifaschistischen Widerstandskampfes und spezifischer Konstituierungsbedingungen ist die PCP-Führung wesentlich stärker als die KPs anderer Länder dem permanenten Druck ihrer weitgehend noch revolutionären Basis ausgesetzt. Dieses Korrektiv durch die militante Basis hat bisher verhindert, daß bürokratische und zentralistische Tendenzen in ihr die Oberhand gewinnen.

2. Die Sozialistische Partei

Im Gegensatz zur Kommunistischen Partei, die seit Jahrzehnten fest in der Arbeiterklasse verwurzelt ist (1973 waren 57% der Parteimitglieder Arbeiter und Angestellte), verfügte die Sozialistische Partei Portugals am 25. April 1974 über keine breite, fest in den Massen verankerte Organisation. Ihre soziale Basis bestand primär aus Intellektuellen und Kleinbürgern und nur einer sehr kleinen Zahl von Arbeitern, die in etwa der Schicht der »Arbeiteraristokratie« zuzurechnen sind. Historisch ging die jetzige Sozialistische Partei Portugals aus der 1972 gegründeten »Associaciäo Socialista Portuguesa« (ASP) hervor, einer sozialdemokratisch orientierten Vereinigung von Angehörigen freier Berufe, Rechtsanwälten, Intellektuellen, Angestellten und Studenten, die im Juni des gleichen Jahres der »Sozialistischen Internationale« beitrat. In den 40er, 5oer und 6oer Jahren hatten die Sozialisten, auf verschiedene kleine Parteien verstreut bzw. individuell in der »Demokratischen Einheitsbewegung« (MUD) und der »Nationaldemokratischen Bewegung« (MND) von Ruy Luis Gomes mitgearbeitet, 1958 die Kandidatur von Humberto Delgado unterstützt und 1960, an der Seite bürgerlich-liberal orientierter Republikaner, an der Ausarbeitung des »Demokratisierungsprogramms der Republik« mitgewirkt. 1964 entstand die »Accäo Socialista Portuguesa« (ASP), die Vorstufe der »Associaciä Socialista Portuguesa«, die im April 1973 schließlich in der BRD in »Sozialistische Partei Portugals« (PSP) umbenannt wurde. Die Mehrzahl der Delegierten lebten im Exil, unter ihnen auch der ehemalige Anwalt und Verteidiger Huberto Delgados, Mario Soares. War die PSP zu diesem Zeitpunkt noch ein Sammelbecken humanistisch orientierter Sozialdemokraten, antikommunistisch orientierter Gewerkschaftler und Linkskatholiken, gelang es der Partei nach der triumphalen Rückkehr von Mario Soares aus dem Exil am 28. April 1974 sehr rasch - unter Propagierung der Ideen eines »freiheitlichen Sozialismus« -, eine Massenbasis zu gewinnen, ihre vom Salazar-Regime lädierte Organisationsstruktur auszubauen und sich innerhalb der Linken als Alternative zur mächtigen Kommunistischen Partei aufzubauen. Ihre Versuche, dabei auch unter der Arbeiterklasse und der bäuerlichen Bevölkerung Anhang zu gewinnen, um ihr Image als kleinbürgerliche Intellektuellenpartei zu korrigieren, waren in dem dynamischen Prozeß 1974 und 1975 teilweise von Erfolg gekrönt. Die Partei profitierte dabei ziemlich opportunistisch von den verbreiteten Vorbehalten gegenüber der als orthodox und »stalinistisch« verteufelten Kommunistischen Partei, von dem traditionellen, d. h. vom Salazar-Regime intensiv propagierten Antikommunismus vor allem der nördlichen Regionen. Nach der offiziellen Grundsatzerklärung der Partei vom Dezember 1974 erstrebt die PSP in Portugal »die Errichtung einer klassenlosen Gesellschaft, in der alle Arbeiter assoziierte Produzenten« sind und in der die »Regierung Ausdruck des Volkswillens und die Kultur Ausdruck der Entwicklung der schöpferischen Fähigkeiten aller ist.« Dies könne nur durch die »Vergesellschaftung der Produktions- und Distributionsmittel und eine den Pluralismus der Initiativen garantierende Wirtschaftsplanung«4 erreicht werden. »Ohne die Fortschritte der bürgerlichen Demokratie leugnen zu wollen« (!), kämpfe die PSP »für eine neue Gesellschaft ohne Lohnarbeit, ohne Entfremdung durch die Arbeit, ohne Ausbeutung des Menschen durch den Menschen«. In der »Tradition des Klassenkampfes für den demokratischen Sozialismus stehend«, bemühe sich die Soz. Partei um eine »Synthese der verschiedenen Strömungen, die für einen freiheitlichen Sozialismus eintreten«.5 Ihr Hauptanliegen ist demzufolge die »Bekämpfung eines neuen etatistischen Dirigismus« und die Garantie des Pluralismus der Initiativen in der neuen portugiesischen Gesellschaft. In dem mit einem großen Personenkult um Mario Soares geführten Wahlkampf der PS wurde daraus: Kampf gegen jede Form der Diktatur, auch gegen die Diktatur des Proletariats und den »kommunistischen Totalitarismus«. Daraus wird die Ambiguität der Politik der portugiesischen Sozialisten gut ersichtlich: sie übernimmt teilweise die Kritik der Ultralinken am Bürokratismus und an mangelnder Basisdemokratie innerhalb des Systems des leninistischen »demokratischen Zentralismus«, legt lautstarke verbale Bekenntnisse zum »freiheitlichen Sozialismus« ab und verschleiert dadurch, daß es der Führung dieser Partei keineswegs um die Errichtung eines authentischen Sozialismus der Arbeiterdemokratie geht, sondern nur um einen Reformkapitalismus des sozialdemokratischen Typus. Er garantiert in der Tat die »Pluralität der unternehmerischen Initiativen«, denkt aber nicht ernsthaft daran, an dem Klassenstandpunkt des Systems zu rütteln. Man malt das Schreckgespenst der »Diktatur des Proletariats« an die Wand, um die Arbeiterklasse zu spalten, die Kommunistische Partei zu schwächen und den Klassenkampf allmählich in die Bahnen des bürgerlichen Parlamentarismus zu lenken und damit zu entschärfen.

Nahezu alle politischen Initiativen der Sozialisten in den Jahren 1974 bis 1975 haben bewiesen, daß sich hinter den verbalsozialistischen Phrasen der Partei eine gefährliche rechtsopportunistische Politik der Klassenkollaboration verbirgt (dem widerspricht nicht, daß es in den unteren Instanzen der Partei, v. a. unter der sozialistischen Jugend, eine authentische und sogar revolutionäre sozialistische Strömung gibt, deren politischer Standort links von der PCP ist; nur ist eben diese Tendenz nicht in der Parteiführung repräsentiert).

Diese nahm von Anfang an eine mißtrauische, wenn nicht feindselige Haltung gegenüber der von der PCP vertretenen Politik der engen Allianz zwischen Volkskräften und MFA ein und machte sogar in den ersten Wochen nach dem 25. April kein Hehl daraus, daß sie es gerne sehen würde, wenn die Militärs bald wieder in ihre Kasernen zurückkehren würden, obwohl es nur allzu offensichtlich war, daß die linken Militärs ein unentbehrlicher Garant der revolutionären Entwicklung im Lande waren. Im September 1974, wenige Wochen vor dem erzwungenen Rücktritt Spinolas, liebäugelte sie (wie die zentristische PPD) mit einer Allianz mit Spinola zur Sprengung des wirksamen, von der Arbeiterklasse mehrheitlich begrüßten Bündnisses zwischen der PCP und der MFA. Im Januar 1975 führte die PS unterstützt von den bürgerlichen Parteien eine heftige Kampagne gegen das Gesetz zur Institutionalisierung der vertikalen Einheitsgewerkschaft, das schließlich - gegen ihren Widerstand - von der MFA-Versammlung und der 3. Provisorischen Regierung gebilligt und verabschiedet wurde. Zwar erwarb sich Mario Soares als Außenminister der ersten drei provisorischen Regierungen (er gehört seit der Märzkrise 1975 dem Kabinett nur noch als »Minister ohne Geschäftsbereich« an) gewisse Verdienste bei der Einleitung und Realisierung des Dekolonisierungsprozesses, gleichzeitig war er jedoch während dieser Periode - v. a. während der Spinola-Ära - verschärfter Kritik von links wegen seiner zu nachgiebigen Haltung gegenüber dem konservativen General ausgesetzt. Auch in der Frage der jetzt überwiegend von der prokommunistischen Linken kontrollierten Massenmedien nahm die PS eine Haltung ein, die die Fragwürdigkeit und Doppelbödigkeit ihres Engagements für den »sozialistischen Pluralismus« unter Beweis stellte, indem sie scharf gegen die Tätigkeit klassenbewußter Gewerkschaftler und der PCP nahestehender Journalisten am Sender Radio Clube Portugues polemisierte. Zu diesem Zeitpunkt war dies Wasser auf die Mühlen der bürgerlichen Kritik an der offiziellen, seit dem 28. September 1974 sehr progressiven Medienpolitik der Regierung. Während des Wahlkampfes für die »Konstituierende Versammlung« schließlich mußte man den Eindruck gewinnen, als sei der Partei von Mario Soares jedes Mittel recht, um der PCP zu schaden. Der Erfolg dieser Kampagne sowohl auf nationaler Ebene (die PS erhielt bei den Wahlen vom 25. April 1975 38% der Stimmen) als auch v. a. unter der überwiegend kleinbürgerlichen Bevölkerung von Lissabon (das Meeting der PS im i. Mai-Stadion zu Lissabon vom 20. April 1975 war von 80000 Menschen besucht) ist daher nicht unbedingt als das Ergebnis überzeugender prinzipienorientierter Aufklärungs- und Parteiarbeit unter den Massen zu werten, sondern vielmehr als Resultat jener Ausmünzung des verbreiteten antikommunistischen Ressentiments und geschickter taktischer Manöver der PS-Führung wenige Tage vor der Wahl (so behauptete Mario Soares, die programmatischen Vorstellungen der Sozialisten seien vollauf identisch mit dem Programm der Streitkräftebewegung!); in gewisser Weise vielleicht auch das Resultat der unbestreitbaren Zugkraft des Wahlslogans der Sozialisten, die das Motto »Construir un pais livre!« (Für ein freies Land!) gewählt hatten. Während der Feiern zum i. Mai 1975 in Lissabon und anläßlich der Besetzung der Zeitung »Republica« durch kommunistische Drucker am 19. Mai 1975, die auf Ablösung der sozialdemokratisch orientierten Journalisten dieser Zeitung bestanden, trat der Gegen

satz zwischen PS und PCP eklatant zu Tage. Dieser Widerspruch zwischen dem zwar antifaschistisch orientierten Kleinbürgertum, der jedoch durch den fortschreitenden sozial-revolutionären Prozeß zunehmend verwischt wird, und den revolutionären Kräften der Arbeiterklasse weist eine politisch größere Tragweite auf als die Auseinandersetzungen zwischen antistalinistischen undogmatischen Sozialisten und zentralistisch-bürokratisch gesinnten Repräsentanten der in Portugal überwiegend kommunistisch orientierten Arbeiterbewegung. Die Erkenntnis eben dieses Sachverhaltes ver-anlaßte die meisten Parteien und Gruppierungen der revolutionären Linken, in dem politischen Kampf zwischen der Sozialdemokratie und der KP, sich hinter die militanten kommunistischen Arbeiter und gegen die Sozialisten von Mario Soares zu stellen. Angesichts so vieler demagogischer Züge der Politik der portugiesischen Sozialdemokraten erscheint die scharfe Reaktion der Kommunistischen Partei nur allzu verständlich. Sie wurde in konziser Form von Alvaro Cunhal in einem Interview mit der KPF-Zeitung »L'Humanite« formuliert, in dem er erklärte: »Statt die Einheil mit der KP, der Volksbewegung und der Bewegung der Streitkräfte im Kampf gegen die Reaktion und für die tiefgreifenden demokratischen Reformen, die das Land braucht, zu stärken, geht die Sozialistische Partei plötzlich Bündnisse mit der Rechten ein, löst sie eine antikommunistische Kampagne aus, kritisiert sie die Rolle der MFA und versucht, den revolutionären Prozeß zu bremsen. Die Sozialistische Partei erstrebt für Portugal eine bürgerliche Demokratie des westeuropäischen Typus, d. h. eine Demokratie, die vom monopolistischen Kapitalismus beherrscht ist.«6 Aufgrund dieser unterschiedlichen Vorstellungen vom anzustrebenden Gesellschaftsmodell muß sich die Kooperation zwischen Sozialisten und Kommunisten innerhalb der Provisorischen Regierung äußerst schwierig gestalten. Die Divergenzen hatten nach den Zwischenfällen zwischen kommunistischen Gewerkschaftlern und Sozialisten anläßlich der Feiern zum i. Mai 1975 in Lissabon, bei der Soares daran gehindert worden war, auf dem Meeting der »Intersindical« das Wort zu ergreifen, und den tags darauf erfolgten antikommunistischen Demonstrationen der Sozialisten im Zentrum von Lissabon ein solches Ausmaß angenommen, daß der Revolutionsrat intervenierte und ein Gespräch zwischen Soares und Cunhal anberaumt wurde, bei dem schließlich (am 5. Mai 1975) eine Kooperationsvereinbarung zwischen beiden Parteien »zur Verteidigung der seit dem 25. April 1974 errungenen Freiheiten und Errungenschaften, insbesondere im Bereich der Verstaatlichungen und der Agrarreform«, getroffen wurde. Bei einer weiteren Zuspitzung der Klassenkämpfe, die die PS vermutlich vor eine Zerreißprobe stellen werden, ist jedoch nicht auszuschließen, daß die Partei von Mario Soares erneut eine Allianz mit den Parteien des bürgerlichen Zentrums suchen wird, um sich dem revolutionären Elan der Arbeiterbewegung entgegenzustellen. Als möglicher Koalitionspartner käme die PPD in Frage. In diesem Fall könnte es auch zu einer Spaltung der PS kommen, da der rechtsopportunistische Kurs von Mario Soares und Salgado Zenha nicht die uneingeschränkte Billigung aller Parteimitglieder findet. Schon nach dem Parteikongreß vom Dezember 1974 zeigten sich große Risse und Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Partei, die auf dem linken Flügel der PS zur Abspaltung der »Sozialistischen Volksfront« (FSP) führte.

3. Die »Demokratische Bewegung« (MDP)

Erst seit Anfang 1975 in den Status einer Partei erhoben und in der Provisorischen Regierung mit einem Minister ohne Geschäftsbereich vertreten, wird die MDP oft polemisch als die »zweite« inoffizielle Kommunistische Partei Portugals bezeichnet, da sie Positionen vertritt, die dem »Demokratischen Programm« der PCP durchaus ähnlich sind und sie überdies de facto mit der PCP eng zusammenarbeitet. Sie ging organisch aus den »Demokratischen Wahlkommissionen« (CDE) hervor, die unter dem Salazar- und Caetano-Regime ein Sammelbecken aller antifaschistischen und demokratischen Kräfte und Parteien darstellten. Aufgrund ihrer halblegalen Existenz war es der CDE in den schweren Jahren der faschistischen Diktatur möglich, eine begrenzte aber wirksame Politisierungs- und Mobilisierungsarbeit unter den Massen zu leisten. Sie stand somit in direkter Nachfolge der 1945 mit dem gleichen Ziel gegründeten »Bewegung der demokratischen Union« (MUD) und der - nach dem Verbot der MUD (1948) 1949 gegründeten »National-demokratischen Bewegung« (MND), die es unter den Bedingungen der faschistischen Einparteienherrschaft und des Parteienverbots erlaubte, demokratische Gegenkandidaten (1951 Ruy Luis Gomes; 1958 Humberto Delgado) zu unterstützen, in verschleierter Form Parteiagitation und -propaganda zu betreiben oder (wie 1965 und nach der Wahlfarce von 1969) zum Wahlboykott aufzurufen. An der Spitze der Bewegung standen lange Zeit unabhängige Demokraten bzw. antifaschistische parteilose Persönlichkeiten. Nach der großen Wahlmanipulation 1969 radikalisierte sich die Bewegung. Der Einfluß der KP nahm zu. Als große antifaschistische Massenbewegung leistete sie in den letzten Jahren der Diktatur eine wichtige Aufklärungsarbeit. Sie führte die Kampagne gegen den Kolonialkrieg und für die Desertionsbewegung in der Armee mit an. Ihr pluralistischer Charakter als Massenbewegung verhalf den Wahlkomissionen (CDE)7 in den letzten Jahren der Diktatur zu einer großen Popularität. Nach dem 25. April 1974 nannte sich die Bewegung in MDP um. Sie sah ihre Hauptaufgabe nunmehr in der Verteidigung und Vertiefung der demokratischen Errungenschaften des 25. April, unterstützte die Politik der PCP (d. h. die Strategie der Allianz zwischen progressiven Volkskräften und MFA) und versuchte zugleich, die in ihr traditionell stark vertretenen Kräfte des Kleinbürgertums und der Intelligenz für diese politischen Ziele zu gewinnen. Dadurch geriet sie immer mehr in die Rolle einer Massenbewegung. Nach dem Rückzug der Sozialisten aus der MDP im August 1974 radikalisierte sich die MDP weiter. Am 28. September 1974 ergriff sie die Initiative zum Bau der Volksbarrikaden und erwarb sich dadurch großes Vertrauen unter den Volksmassen sowie große Verdienste bei der Abwehr der reaktionären Verschwörung. Auch am 11. März war die von ihr geförderte Mobilisierung der Arbeiter gegen den reaktionären Putschversuch von großer Bedeutung für dessen schnelle Niederschlagung. Obwohl sie im Wahlkampf nur sehr zurückhaltend auftrat und auf spektakuläre Machtdemonstrationen verzichtete, erhielt sie 4,12% der Stimmen und 5 Sitze in der Konstituierenden Versammlung. Mit ihrem Vorsitzenden Professor Pereira de Moura ist sie mit einer brillanten antifaschistischen Persönlichkeit von großem Prestige in der 4. Provisorischen Regierung vertreten, ein verläßlicher Verbündeter der KP.

4. Die »Demokratische Volkspartei« (PPD)

Mit 26,4% der Stimmen erhielt die »Demokratische Volkspartei« (PPD) bei den "Wahlen zur »Konstituierenden Versammlung« vom 25. April 1975 80 Sitze und stellt somit die zweitstärkste Fraktion nach den Sozialisten.

Obwohl sie sich offiziell zu einer »sozialdemokratischen« Position bekennt, die ebenso wie die PS die Notwendigkeit einer »verfassungsmäßigen Garantie des Pluralismus« unterstreicht, handelt es sich bei der PPD um eine ausgesprochen bürgerliche Partei. Im Mai 1974 von der »technokratisch-liberalen« Fraktion der Bourgeoisie ins Leben gerufen, die mit dem Caetano-Regime in Widerspruch geriet, nicht weil es die Arbeiterbewegung unterdrückte, sondern weil seine Unbeweglichkeit den ehrgeizigen Zielen des »aufgeklärten« modernisierten Kapitalismus entgegenstand, verband sie von Anfang an ihr Eintreten für »Demokratie, Fortschritt und soziale Reformen«8 (worunter sie ähnliches versteht wie der rechte SPD-Flügel in der BRD) mit einem Antikommunismus, der den der PS noch in den Schatten stellt. In der i. Provisorischen Regierung, in der sie neben der PCP, der PS und der MDP vertreten war, bestand ihre Funktion darin, alle revolutionären Initiativen zu bremsen und die von Ministerpräsident Palma Carlos und General Spinola repräsentierte bourgeoise Linie zu stärken mit dem Ziel, den mißliebigen kommunistischen Koalitionspartner möglichst schnell kaltzustellen. Sie unterstützte ausdrücklich Spinolas Plan einer Verfassungsreform sowie sein Projekt einer Volksbefragung in den Kolonien. Sie identifizierte sich weitgehend mit den Positionen des rechten Ministerpräsidenten Palma Carlos und wäre gewiß nicht verbittert gewesen, wenn Spinolas reaktionäre Mobilisierung der »schweigenden Mehrheit« Ende September 1974 erfolgreich gewesen wäre. Nach dem Scheitern dieses Manövers versuchte sie sich geschickt der neuen Lage anzupassen, indem sie verbal ihre Verbundenheit mit der Bewegung der Streitkräfte beteuerte und ein rechtssozialdemokratisches Reformprogramm entwickelte, dessen Kern die Propagierung eines staatsinterventionistischen Reformkapitalismus ist, der durch Investitionen die portugiesische Wirtschaft wieder ankurbeln, den Produktionsapparat modernisieren, reformistische Gewerkschaften in den künftigen modernen liberalen bürgerlichen Staat integrieren soll. Sie ist deutlich am Vorbild der westdeutschen und der schwedischen Sozialdemokratie orientiert, verwirft »alle radikalen, extremen Lösungen« und plädiert für »schrittweise« Reformen, die allmählich die »großen Veränderungen, die das Land nötig hat«, realisieren sollen. Zu ihren Mitbegründern zählten Liberale wie Sa Carneiro, der 1972 in spektakulärer Form aus Protest gegen Caetanos Politik sein Abgeordnetenmandat niederlegte. Mit Hilfe des Industriekapitals gelang es der Partei, allmählich auch eine Basis unter dem reformwilligen, aber zuriefst antikommunistischen Kleinbürgertum sowie unter den Kleinbauern des konservativen Nordens zu gewinnen, was z. T. ihren relativ großen Wahlerfolg in jener Region erklärt. Inwieweit die PPD ihre Finger in dem reaktionären Putschversuch vom 11. März mit im Spiele hatte, ist ungeklärt. In den Wochen vor dem Putschversuch entfesselte die PPD zusammen mit der ihr nahestehenden Zeitung »Expresso« eine heftige antikommunistische Kampagne, die u. a. die Sprengung des Parteikongresses in Porto durch linke Demonstranten sowie die Verwüstung ihrer und der christdemokratischen Parteilokale in der Nacht vom n. auf den 12. März 1975 durch aufgebrachte antifaschistische Demonstranten zur Folge hatte. Die Tatsache, daß nach der Niederschlagung des reaktionären Putschversuchs zwar die Christlich-Demokratische Partei (PDC), die konservative Partei des Großkapitals, nicht aber deren Schwesterpartei, das »Demokratisch-Soziale Zentrum« (CDS) verboten und die PPD - trotz ihrer undurchsichtigen Rolle vor den Ereignissen des 11. März - nicht aus der Regierung ausgeschlossen wurde, wurde v. a. in den Kreisen der revolutionären außerparlamentarischen Linken als eine Inkonsequenz der Regierung interpretiert.

5. Die Parteien und Gruppen der radikalen revolutionären Linken

Zugleich Produkt der in den 6oer Jahren sich manifestierenden Krise innerhalb der kommunistischen Weltbewegung, des Gegensatzes Moskau-Peking sowie der Krise des »Reformismus« zur Zeit einer eindeutigen Verschärfung der Klassenkämpfe, waren die Jahre 1970 bis 1974 eine Periode, in der die radikale nicht-reformistische Linke auch in Portugal ihre Positionen ausbauen und einen gewissen Einfluß unter den radikalisierten Schichten der Arbeiterklasse, der Bauernschaft, der Soldaten und des Kleinbürgertums gewinnen konnte. Nach der Revolution vom 25. April 1974 schalteten die meisten dieser Organisationen ihre Arbeit in die Legalität um, behielten jedoch weitgehend ihre militärische Infrastruktur bei, die es ihnen ermöglicht hatte, im Rahmen der FNLP Sabotageakte und Aktionen der Stadtguerilla gegen das faschistische Regime durchzuführen (Aktionen gegen Polizeikomissariate, Attentate auf PIDE-Agenten, Sabotage von Kriegsschiffen, die in die Kolonien auslaufen sollten usw.).

Charakteristisch für diese Gruppen ist ihre große Zersplitterung, der manchmal abstrakte Dogmarismus, der sie z. T. stark innerhalb der Arbeiterbewegung isoliert hat, aber auch die große Dynamik und spontane Mobilisarionsbereitschaft dieser Militanten, die in den Krisenmomenten nach dem 25. April an der Seite der von der MDP und der »Intersindical« mobilisierten Arbeiter entscheidend mit zur Niederschlagung des reaktionären »golpe militar« beigetragen haben.

Eindeutig dominierend innerhalb dieser radikalen Linken sind die (maoistisch) marxistisch-leninistisch orientierten Gruppen, eine zweite Fraktion stellen die Gruppen bzw. Parteien der linken revolutionären Sozialisten, die dritte Fraktion wird von den spontaneistisch orientierten Gruppierungen gebildet.9 Von den insgesamt 7 erfaßbaren ml-Gruppen (AOC10, OCML", CARP-ML12, MRPP, PCR-ml13, PUP14 und UDP15) sind jedoch in dem augenblicklichen soziairevolutionären Prozeß nur zwei bedeutsam: die »Uniäo Democrarica Populär« (UDP) und die »Bewegung zur Reorganisierung der Partei des Proletariats« (MRPP). Der UDP gelang es sogar, bei den Wahlen zur »Konstituierenden Versammlung« 0,8% der Stimmen und einen Parlamentssitz zu erringen.

a) Die MRPP

Die »Bewegung zur Reorganisation der Partei des Proletariats« (MRPP) entstand im September 1970 als der Versuch einer Reihe aus der PCP ausgetretener bzw. ausgeschlossener Militanten, der »kleinbürgerlichen revisionistischen Führung der KP«, die ihrer Ansicht nach die »Arbeiterklasse demobilisiert und auf kleinbürgerliche, klassenfremde Ziele« - wie z. B. das »antimonopolistische demokratische Programm« Cunhals - orientiert hat, den »Embryo einer revolutionären proletarischen Partei« entgegenzustellen, aus der einst die große »revolutionäre Partei des portugiesischen Proletariats« hervorgehen sollte. Ihren Kern bildeten jene ausgeschlossenen Mitglieder der PCP, die die von Alvaro Cunhal in dem Buch »Weg zum Sieg« (Rumo a vitoria) entwickelten Vorstellungen als »revisionistisch« und »kleinbürgerlich« ablehnten und 1964 die »Frente de Accao Populär« (FAP) (Volksaktionsfront) gründeten, die sich als »anti-revisionistische Alternative« zur »opportunistischen Führung der KP« verstand. Ziel ihrer politischen Arbeit war die Wiederherstellung des von der PCP angeblich vernachlässigten Bündnisses zwischen Arbeitern und Bauern - und die Konstituierung der »Neuen Partei des Proletariats« - immer in ultradogmatischer Abgrenzung von der »Partei des Verräters Cunhal«. In den Jahren der Caetano-Diktatur beteiligten sich ihre Mitglieder aktiv am antifaschistischen Kampf, führten Sabotage-Aktionen durch, versuchten spontane Streiks zu organisieren und für den Aufbau der Partei Einfluß in der Arbeiterschaft zu gewinnen. Unter Caetano war die MRPP - ebenso wie die anderen revolutionären Gruppen und die PCP - scharfen Verfolgungen ausgesetzt. Zahlreiche Mitglieder wurden verhaftet; am 12. Oktober 1972 starb ein führendes Mitglied der Partei, Jose Ribeiro Santos, unter der Folter. Im Gegensatz zur PCP lehnte sie jede Beteiligung an den Wahlen 1973 ab und rief zum »revolutionären Wahlboykott« auf. Aufgrund ihrer sektiererischen dogmatischen Linie gelang es der MRPP, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, nicht, wirklich in den Volksmassen Fuß zu fassen. Ihre soziale Basis bestand fast ausschließlich aus revolutionären Studenten kleinbürgerlicher Herkunft, einigen wenigen Arbeitern, Bauern und Soldaten, die durch antikolonialistische Agitation gewonnen wurden. Die Fetischisierung der Partei, ihre Unfähigkeit zu praktischen Bündnissen, die alleinige Ausrichtung der Arbeit nach dem Willen, sich auf jeden Fall von der »revisionistischen« PCP abzusetzen und die dabei auftretende Selbstüberschätzung der eigenen Organisation steuerte die MRPP nach der antifaschistischen Revolution vom 25. April 1974 in eine noch sektiererische Position.

Unfähig zu erkennen, daß es innerhalb der Bewegung der Streitkräfte eine reale progressive und sogar revolutionäre Strömung gibt, die sich als Bündnispartner der Arbeiterbewegung in der demokratischen Revolution anbot, denunzierte sie auch nach dem 25. April weiter den angeblich »reaktionären Charakter der Militärdiktatur«, als hätte sich seit der Entmachtung und Vertreibung Caetanos nichts geändert. Auch setzte sie ihren fanatischen ideologisch-politischen Kampf gegen die PCP, die als »revisionistischer Verbündeter der Militärdiktatur« qualifiziert wurde, verbissen fort. Zwar erwarb sie sich in den 6 Monaten der Spinola-Ära das Verdienst, durch die Organisierung militanter antikolonialistischer Demonstrationen in den Monaten Juni und Juli 1974 Druck auf die Regierung im Sinne einer schnellen Beendigung des Kolonialkriegs und einer rapiden Dekolonisierung ausgeübt zu haben, das dadurch erworbene Prestige unter der Arbeiterbewegung wurde jedoch durch ihren ultrasektiererischen Kurs nach dem 28. September 1974 und den Ereignissen vom ii. März 1975 wieder verspielt. Indem sie die von den revolutionären Kräften der MFA mit Unterstützung der Arbeiterbewegung nach dem n. März eingeleiteten revolutionären Maßnahmen in ihrer Presse (»Luta Popular«, Volkskampf) als »sozialfaschistischen Staatsstreich« bezeichnete, gegen die Verstaatlichungen in ihrer jetzigen Form Stellung nahm und eine großangelegte Kampagne gegen die angeblich drohende »Gefahr des Sozialfaschismus« Startete, isolierte sie sich zunehmend von den Massen, verlor stark an Einfluß in den Betrieben und erwies sich als unfähig, die Dialektik des gegenwärtigen sozialrevolutionären Prozesses zu erkennen. Ihr dogmatisches Beharren auf dem »Alleinvertretungsanspruch« in Sachen proletarischer Partei, ihre Unfähigkeit zur Erkenntnis, daß sich die Bewegung der Streitkräfte in den gegenwärtigen Klassenkämpfen im Sinne der Erkämpfung wichtiger Positionen für die Arbeiterbewegung instrumentalisieren läßt, ihre Unfähigkeit zur Realisierung von Bündnissen und ihre Ablehnung der Einheitsfront machte sie objektiv in den letzten Monaten zu einem Faktor der Spaltung der Arbeiterklasse. Sie setzt sich daher immer mehr dem Verdacht aus, ihre gegenwärtige Politik ausschließlich den Prämissen der Außenpolitik der Volksrepublik China unterzuordnen (die keine diplomatischen Beziehungen mit Portugal unterhält), was für die Einschätzung der nationalen Klassenkämpfe, in denen die von ihr so gehaßte PCP eine wichtige, ja entscheidende Rolle spielt, verhängnisvolle Folgen haben kann.16

b) Die »Einheitsliga für die revolutionäre Aktion« (LUAR)

»Die LUAR«, so heißt es im Manifest dieser Organisation, die 1967 von Herminio Palma Ignacio gegründet wurde, »ist eine revolutionäre Bewegung, die in dem dynamischen anti-kapitalistischen Kampf in unserem Lande an der Seite der Arbeiter für ihre Emanzipation, für den Aufbau einer sozialistischen klassenlosen Gesellschaft ohne Ausbeuter und ohne Ausgebeutete eintritt und die in diesem Kampf auch die Erfahrungen der verschiedenen revolutionären Kämpfe in der augenblicklichen Phase der Weltentwicklung berücksichtigt.«17

In den 60er Jahren war die LUAR durch eine Reihe spektakulärer Enteignungsaktionen von Banken sowie durch andere direkte Widerstandsaktionen hervorgetreten, die sich an den Stadtguerillaaktionen lateinamerikanischer Revolutionäre orientierten (u. a. einen Überfall auf die »Banco de Portugal« in Figueira da Foz 1967). Seit dem 25. April versucht sie mit Hilfe einer spontaneistischen Konzeption - aufgrund derer sie die traditionellen Parteien der Arbeiterbewegung mit Mißtrauen beobachtet - durch Initiierung von Land- und Hausbesetzungen und andere direkte antikapitalistische Aktionen, die den unmittelbaren Interessen der am meisten ausgebeuteten Schichten des städtischen und ländlichen Proletariats entsprechen, die Ansätze im Proletariat zur spontanen Selbstorganisation zu stimulieren, um auf diese Weise die Entstehung möglichst vieler autonomer Organe der Arbeitermacht zu ermöglichen. Das ist ihrer Ansicht nach die Voraussetzung für den Aufbau einer sozialistischen revolutionären Gesellschaftsordnung von der Basis her. Die Kritik an der KP und der »Gewerkschaftsbürokratie« verbindet sie mit einer Radikalisierung der Basis gegenüber dem »Apparat«. Gleichzeitig verstärkt sie von der Basis her die Kritik an dem antimonopolistischen Programm der PCP (ohne dessen progressive Züge zu leugnen), dem vorgeworfen wird, sich an neokapitalistischen Entwicklungskriterien zu orientieren und mit der kapitalistischen Ideologie der Produktivitätssteigerung nicht gebrochen zu haben. Die LUAR unterstreicht, daß der Aufbau der sozialistischen Gesellschaft sich nicht nur »auf die Verstaatlichung der Produktionsmittel beschränken darf«, sondern daß es »zur Errichtung einer Gesellschaftsordnung im Interesse der Befriedigung der wesentlichen Bedürfnisse des Menschen« nötig ist, auch radikal mit der kapitalistischen Philosophie der industriellen Entwicklung und der Produktivitätssteigerung zu brechen. Da die Entfremdung ein Produkt der industriellen Warenproduktion ist, muß deren Aufrechterhaltung nach der Vergesellschaftung der Produktionsmittel auch unter den Bedingungen einer sozialistischen Gesellschaft des staatsinterventionistischen Typus zur Fortsetzung der Entfremdung führen.18

c) Die Bewegung der Sozialistischen Linken (MES)

Im Gegensatz zu den maoistischen Gruppierungen ist die Bewegung der Sozialistischen Linken nicht durch Abspaltungen von oder Ausschlüssen aus der PCP hervorgegangen, sondern eine autonome Bewegung, die 1970 aus dem Bedürfnis nach einer wirksameren Koordination verschiedener revolutionärer Initiativen auf Betriebs- und Gewerkschaftsebene, im Bereich der Universitäten und der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit der demokratischen Opposition bei den »Wahlen« 1969 entstanden ist. »Sie ist keine Partei«, erklärt uns Jose Diaz, Mitglied des Politbüros seiner Organisation, »im üblichen Sinne, sondern eine Bewegung, die aus den konkreten Arbeiter- und Studentenkämpfen der letzten Jahre organisch hervorgegangen ist.« Mit ihrem undogmatischen, revolutionären, v. a. auf die Einheit der antikapitalistischen Kräfte zielenden Programm kann sie in mancher Hinsicht mit der französischen PSU verglichen werden. Von der Prämisse ausgehend, daß die Befreiung der Arbeiterklasse in erster Linie das Werk der Arbeiter selbst sein muß, versteht sich die MES als eine politische Bewegung, die »ihren Teil zur Schaffung einer breiten antikapitalistischen Massenbewegung beiträgt, deren Ziel die Ergreifung der ökonomischen und politischen Macht durch das Proletariat und der Errichtung der klassenlosen kommunistischen Gesellschaft ist« (J. Diaz). Ähnlich wie die LUAR, die FSP und andere Organisationen der revolutionären Linken sieht sie daher das Hauptziel ihrer Arbeit in der Schaffung von »poder populär«, von Organen der Volksmacht, die die Ablösung der kapitalistischen Herrschaftsstrukturen und den Aufbau der sozialistischen Gesellschaft ermöglichen sollen. Der Analyse der MES zufolge hat die antifaschistische Revolution vom 25. April 1974 das portugiesische Volk zwar einen großen Schritt vorwärts in seinem Kampf um Freiheit und Demokratie gebracht, er bedeutete jedoch keineswegs das Ende der kapitalistischen Herrschaft und die soziale Emanzipation der Arbeiterklasse; er eröffnete lediglich bessere Perspektiven für den antikapitalistischen Kampf nach dem Abschütteln der verhaßten faschistischen Herrschaft. Die Vereitelung der reaktionären Versuche, ein autoritäres Regime mit scheindemokratischer Fassade zu schaffen (am 28. September 1974 und am 11. März 1975) hat diese Perspektive der Kämpfe des Proletariats noch mehr verbessert. Die Verstaatlichung der Banken und der Versicherungen, des Transportwesens sowie einiger Großunternehmen sowie der fortschreitende Dekolonisierungsprozeß in Afrika hat die Machtpositionen des Finanz- und Industriekapitals sowie des Imperialismus schwer erschüttert und gleichzeitig einen sozio-ökonomischen Transformationsprozeß eingeleitet, der gute Ausgangsbedingungen für die endgültige Überwindung des kapitalistischen Systems schafft. Doch um zu verhindern, daß sich lediglich der juristische Titel des Eigentums an Produktionsmitteln ändert (im Rahmen des Verstaatlichungsprogramms), ohne eine gleichzeitige qualitative Änderung für die Arbeiter, sei es unbedingt notwendig, den Grad der Eigenorganisation der Arbeiter zu erhöhen und im Rahmen der Umwandlung der kapitalistischen Großbetriebe die Arbeiterkontrolle einzuführen. Der Kampf der LIP-Arbeiter19 wird hier als beispielgebend und richtungsweisend angeführt. Dies bedeutet jedoch keineswegs eine Ablehnung einer zentralen sozialistischen Wirtschaftsplanung. »Die Existenz eines verstaatlichten Wirtschaftssektors in Verbindung mit einer effektiven Arbeiterkontrolle im Rahmen einer (neuen) Wirtschaftspolitik, die in wirksamer Weise den Herrschaftsapparat des Monopol- und Finanzkapitals bricht«20, d. h. die Kombinierung des etatistisch-zentralistischen mit dem direkten basis-demokratischen Element muß vielmehr, den programmatischen Vorstellungen der MES zufolge, das Ziel der portugiesischen Arbeiterbewegung im Kampf um eine neue demokratische Wirtschaftsordnung sein. Der beste Weg dorthin scheint der MES - ebenso wie der LUAR - eine noch größere Basismobilisierung und die schrittweise revolutionäre Erkämpfung der Arbeitermacht in den Fabriken und einer neuen sozialistischen Legalität zu sein, die die Abschaffung jeglicher Unternehmerwillkür und aller arbeiterfeindlichen Gesetze der Vergangenheit, die Vollbeschäftigung und das Verbot von Aussperrungen und Entlassungen garantiere. Entschieden antiimperialistisch und internationalistisch orientiert, fordert die MES ferner die aktive solidarische Unterstützung der Befreiungsbewegungen in den ehemaligen Kolonien, v. a. der MPLA von Angola und der FRELIMO, den Austritt Portugals aus der NATO und die Auflösung der ausländischen (amerikanischen) Militärbasen.

Sie glaubt, daß dieser Kampf für ein sozialistisches Portugal der Arbeiter- und Bauernmacht nur dann erfolgreich gegen die Bourgeoisie und die Reaktion geführt werden kann, wenn die Arbeiterklasse ihn in größtmöglicher Einheit und solidarischer Verbundenheit zusammen mit den revolutionären Kräften der MFA führt. Aus diesem Grunde kritisiert sie die sektiererischen und ultradogmatischen Positionen mancher maoistischer Gruppierungen (wie z. B. der MRPP) ebenso wie die klassenversöhnlerische Politik der Sozialdemokratie, in der sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt (insbesondere nach dem Ausgang der Wahlen vom April 1975) eine große Gefährdung für die Perspektiven des sozialrevolutionären Prozesses sieht. Die größten Erfolgschancen sieht sie in einer möglichst breiten, in der Praxis sich konstituierenden antikapitalistischen Einheitsfront, die eine offensive Politik gegen das Kapital einschlägt und durch die Vereinigung aller lokalen isolierten Kämpfe und anti-kapitalistischen Initiativen den progressiven Aufbau der Volksmacht ermöglicht. Die im April 1975 von der MES gegründete Zeitung trägt den Titel »Poder Popular«, »Volksmacht«.

d) Die »Revolutionäre Partei des Proletariats - Revolutionäre Brigaden. (PRP-BR)

Die PRP-BR ging 1971 aus der 1962 in Algier gegründeten »Nationalen Volksbefreiungsfront« (FPLN) hervor. Die »revolutionären Brigaden« wurden zunächst nach dem Bruch mit der KP von der FPLN aufgestellt, um ökonomische Sabotage- und bewaffnete Aktionen zur Bekämpfung des faschistischen Regimes in Portugal durchzuführen. U. a. wurden von den Mitgliedern der BR Munitionsdepots gesprengt, und für Afrika bestimmtes Kriegsgut wurde von ihnen z. T. in riskanten Operationen vernichtet. Später verselbständigten sich die BR von der FPLN und gründelen in Portugal die »Revolutionäre Partei des Proletariats« (Revolutionäre Brigaden, PRP-BR), die sich große Verdienste in militanten Aktionen des antifaschistischen Widerstands erwarb. Eindeutig links von der PCP stehend, setzt sich auch die PRP-BR für die revolutionäre Einheit der Arbeiterklasse ein, kritisiert jedoch gleichzeitig in scharfer Form die Positionen der Trotzkisten (LCI) und der MES (die sie polemisch als »Anhängsel« der »revisionistischen KP« bezeichnet), auch die Position der MRPP, deren Orientierung an der Sozialfaschismus-These und deren einzig gegen die PCP ausgerichteten Kampf (der diese Bewegung unfähig macht, ihre Aktionen am Hauptwiderspruch zu orientieren) sie verwirft. »Der Revisionismus ist nicht der Hauptfeind«, erklärte der Generalsekretär der PRP-BR, lsabel do Carmo in einem in der Lissaboner Zeitung »Diario de Noticias« im März 1975 erschienenen Interview. Ähnlich wie die LUAR sieht die PRP-BR in der maximalen Mobilisierung der Basis gegen die »Arbeiterbürokratien« sowie in der sukzessiven Schaffung proletarischer Machtorgane die Hauptaufgaben revolutionärer Politik im gegenwärtigen vorrevolutionären Prozeß. Aus diesem Grunde unterstützt sie die Arbeit der revolutionären, nicht-sozialdemokratischen Arbeiterkomissionen in den Betrieben, deren Delegierte direkt von der Basis gewählt werden, alle militanten Streiks und Arbeiterkämpfe zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der mehrwerterzeugenden Klasse, Land- und Hausbesetzungen sowie die Organisierung der Soldaten in revolutionären Soldaten- und Marinekomissionen. Ihre Militanten gründeten u. a. Ende März 1975 in Lissabon in einem besetzten Gebäude die »proletarische Universität«, die, in studentischer Selbstverwaltung, Arbeitern offensteht und in der nun Lehrveranstaltungen und Seminare über den Marxismus, den Imperialismus und die Geschichte der Arbeiterbewegung stattfinden. Darüber hinaus unterstreicht die PRP-BR die Notwendigkeit der Auflösung der gegenwärtigen Armee und ihrer Ersetzung durch eine Volksmiliz von bewaffneten Arbeitern und die Verbindung von bewaffneten Arbeitern und revolutionären Soldaten und Offizieren, - da eine bürgerliche Armee mit hierarchischen Befehlsstrukturen kein verläßlicher Garant der revolutionären Entwicklung sein könne.

Hinsichtlich der ökonomischen Probleme der Übergangsgesellschaft tritt die PRP-BR für eine Sozialisierung in Etappen ein, deren erste Phase die Vergesellschaftung der großen Produktionsmittel darstellen soll, nach deren Konsolidierung in einer 2. Phase auch die kleinen und mittleren Produktionsmittel vergesellschaftet werden sollen. Die sozialisierten Betriebe sollen kollektiv durch Kommissionen verwaltet werden, die aus von der Basis gewählten Delegierten bestehen. Das zu schaffende System einer zentralen Staatlichen Produktions- und Bedürfnisplanung soll so elastisch gehalten werden, daß dabei die Autonomie der Basissektoren nicht gefährdet wird. Bezüglich der Landwirtschaft unterstützt die PRP-BR die Umwandlung der Latifundien in Staatseigentum und die Zusammenlegung der Minifundien (in Nordportugal) zu Produktionsgenossenschaften (Kooperativen), wobei alle Investitionen im Agrarsektor zum Abbau der Arbeitslosigkeit und zur Produktivitätssteigerung beitragen sollen. In ihrem Grundsatzprogramm vom April 1975 hat die PRP-BR zum Ausdruck gebracht, daß sie die Lösung der anstehenden Probleme der Übergangsgesellschaft im heutigen Portugal nur für möglich hält, wenn:

  1. »sich die gesamte werktätige Bevölkerung für die Entwicklung des Landes und das Überleben eines sozialistischen Systems einsetzt -was nur unter der Bedingung zu erreichen ist, daß jedem einzelnen bewußt wird, daß die Produktionsmittel Eigentum aller sind und daß sie kollektiv verwaltet werden;
  2. die imperialistische Blockade und die Abhängigkeit Portugals durch eine enge Bindung an die Dritte Welt und besonders die früheren portugiesischen Kolonien... überwunden wird...;
  3. die Bevölkerung kollektiv die Notwendigkeit akzeptiert, einen Zeitabschnitt durchzustehen, der für alle von wenig Überfluß gekennzeichnet ist;
  4. 4. wenn das gegenwärtige Heer durch die Schaffung eines revolutionären Heeres... abgelöst wird.«21

An den Wahlen zur »Konstituierenden Versammlung« vom 25. 4. 1975 hat die PRP-BR sich nicht beteiligt; sie rief vielmehr ihre Anhänger zur »revolutionären Wahlenthaltung« bzw. zur Abgabe ungültiger Stimmzettel auf. Zentrales Organ der PRP-BR ist die wöchentlich erscheinende Zeitung »Revolucao«.

Anmerkungen

1) Cf. »Le Monde«, 30. 4. 197$.

2) Sao Paulo/Brasilien/1968.

3) So hatte u- a. der Bischof von Porto wenige Tage vor den Wahlen dazu aurgerufen, unter keinen Umständen die marxistischen Parteien zu wählen.

4) zitiert nach »Declaracao de principios. Programa e Estatutos do Partido Socialista aprovado no congresso du PS em dezembro de 1974«, S. 3.

5) a.a.O., S. 4.

6) Cf. »L'Humanite«, 5. 2. 1975 und "Le Monde«, 7. 2. 1975. - Die größtmögliche Unterstützung bei dieser Politik erfährt die PS Portugals natürlich durch die europäische Sozialdemokratie, v. a. die SPD und die SPÖ. Die Ermutigung zu dieser Politik seitens der SPD überbrachte der SPD-Vorsitzende Willy Brandt anläßlich seiner Portugal-Reise im Oktober 1974 (Rede In Porto).

7) »Comissiones Democraticas Electorales« (Demokratische Wahlkommissionen).

8) Cf. PPD »Lmhas para un programa«, Lissabon Mai 1974; und PPD »O que somos, o que näo somos«, Lissabon September 1974.

9) Die Trotzkisten verfügen mit der »Liga Comunista Internacionalista« (LCI), der portugiesischen Sektion der IV. Internationale, über eine zahlenmäßig zwar schwache, aber aufgrund ihrer theoretisch fundierten Arbeit dennoch wirksame Organisation.

10) »Alianza Obrera Campesina« (Arbeiter- und Bauernallianz), wurde am 18. März 1975, zusammen mit der MRPP, vom Revolutionsrat suspendiert.

11) »Organizacäo Comunista Marxista Leninista«, eine nur sehr kleine, in der Arbeiterklasse nicht sehr stark verankerte stalinistische ml-Gruppe. Gibt den »Grito do povo« (Schrei des Volkes) heraus (Monatszeitung).

12) »Comite de apoio a reconstrucäo do partido marxista-leninista« (relativ unbedeutend).

13) Kommunistische Partei Portugals (Marxisten-Leninisten, mitgliederschwache orthodoxe und stalinistische ml-Partei).

14 Partido de Unidade Populär (Partei der Volkseinheit), kleine Splitterpartei der ml-Bewegung; gibt die Zeitung »A Verdade« (Die Wahrheit) heraus.
15) Uniäo Democratica Populär (Demokratische Volksunion); ml-Partei mit einem gewissen nicht zu unterschätzenden Anhang innerhalb der Industriearbeiterschaft Lissabons, der Studenten und Soldaten; vertritt der MRPP ähnliche Positionen (Sozialfaschismus-These, »Revisionismuskritik«), ist jedoch weniger stalinistisch und bürokratisch als diese. Nahm im Gegensatz zur MRPP, die die Wahlen vom 25. 4. 75 als »Wahlfarce« bezeichnet und zum »revolutionären Wahlboykott« aufgerufen hatte, an den Wahlen zur »Konstituierenden Versammlung« teil, wo sie einen Abgeordneten stellt.

16) Die MRPP wurde am 18. März 197 5, zusammen mit der Christlich-Demokratischen Partei (PDC) und der »Alianza Obrera-Campesina« (AOC) vom Revolutionsrat verboten. Dieses Verbot, das von den anderen Formationen der revolutionären Linken und auch von der Sozialistischen Partei, die sich während des Wahlkampfs im übrigen die »Sozialfaschismus-Theorie« von der MRPP »auslieh«, mißbilligt wurde, könnte dieser Partei wiederum zu einer »Märtyrerrolle« verhelfen, die ihren begonnenen Auflösungsprozeß aufhalten könnte.

17) Cf. »Manifesto da LUAR, Por um socialismo revotucionario de base«, Lissabon August 1974.

18) Cf. hierzu Bernd Rabehl, »Marx und Lenin«, Berlin (W), 1973 VSA, S. 29-31.

19) Cf. hierzu Arno Münster, »Der Kampf bei LIP. Arbeiterselbstverwaltung in Frankreich«, Berlin (W), Rotbuch Verlag 1974.

20) Cf. »MES . Programa politico«, Lissabon 1975, S. 100.

21) Cf. »O Seculo illustrado«, Lissabon, 5. 4. 1975. (Übersetzt vom Verfasser.)

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