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Rote Fahne Nr.15/99 15.4.99
Der Weg vom kleinbürgerlichen Pazifismus zur imperialistischen Kriegstreiberei
04/99
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Die SPD Bündnis 90/Die Grünen-Regierung ist an der Führung des imperialistischen NATO-Krieges beteiligt, in einer Art, wie viele es nicht einmal der Kohl-Regierung zugetraut hätten. Gegen diesen Kurs gibt es Proteste an der Basis von SPD und Bündnis90/Die Grünen. An vordester Front der imperialistischen NATO-Politik wirken Politiker mit, wie Verteidigungsminister Scharping und Außenminister Fischer, die in den 70er bzw. 80er Jahren Anhänger des kleinbürgerlichen Pazifismus waren. Wie ist diese Entwicklung vom kleinbürgerlichen Pazifismus zur imperialistischen Kriegstreiberei zu erklären, welche Schlüsse müssen daraus gezogen werden?

Die kleinbürgerlich-pazifistische Friedensbewegung in den 80er Jahren

Als Reaktion auf den sogenannten NATO-Doppelbeschluß von 1979, der die Stationierung atomarer Erstschlagsraketen der USA auf westdeutschem Gebiet und den gleichzeitigen Beginn von »Abrüstungsverhandlungen« vorsah, entwickelte sich eine Millionen umfassende kleinbürgerlich-pazifistischen Friedensbewegung. Die 1980 gegründeten Grünen schrieben sich mit ihrer Losung »ökologisch - sozial - gewaltfrei« den kleinbürgerlichen Pazifismus auf ihre Fahnen. Joschka Fischer hielt in den frühen 80er Jahren für die Grünen hitzige Reden gegen den NATO-Doppelbeschluß.

Ziel dieser Bewegung war es, den Atomtod zu verhindern. Sie stellte sich aber nicht die Aufgabe, die Ursachen der Kriege zu beseitigen. Zum kleinbürgerlichen Pazifismus heißt es im 1983 erschienen Buch »Krieg und Frieden und die sozialistische Revolution«: »Er verbreitet die Illusion, es sei möglich, Kriege abzuschaffen, ohne die Klassen abzuschaffen, und verneint damit die Notwendigkeit der proletarischen Revolution und des Sozialismus. Er unterscheidet nicht zwischen historisch fortschrittlichen und reaktionären, zwischen gerechten und ungerechten Kriegen. Er lehnt die Berechtigung von revolutionären Kriegen, von Bürgerkriegen und nationalen Befreiungskriegen, ab.« (S. 126)

Rudolf Scharping begann seine politische Karriere bei der Jugendorganisation der SPD, den Jusos, und vertrat damals pazifistische Standpunkte. 1968 wurde gegen ihn sogar ein Parteiausschlußverfahren eingeleitet, weil er gegen Starfigther-Bomber protestiert hatte. Es wurde freilich nach zehn Monaten aufgehoben, denn die SPD wollte auch solche Kräfte an sich binden, wenn sie nur bereit sind, die reformistische Parteilinie mitzutragen. Und das tat Scharping geflissentlich, der es bei den Jusos bis zum stellvertretenden Vorsitzenden brachte.

Die SPD, die bis 1982 mit der FDP gemeinsam die Bundesregierung stellte, war Anfang der 80er Jahre maßgeblicher Verfechter der Raketenstationierung. Zu dieser Zeit hatte sich Scharping längst zu einem bürgerlichen Politiker gewandelt und übte unter anderem die Funktion des parlamentarischen Geschäftsführers der rheinland-pfälzischen SPD-Landtagsfraktion aus. In diesem Wandlungsprozeß gab er auch seine kleinbürgerlich-pazifistischen Überzeugungen auf und wurde zu einem Verfechter des imperialistischen Pazifismus der SPD. Er bemäntelte die von der SPD mitgetragene Kriegsvorbereitung mit Sätzen wie »Der Frieden wird nicht durch Abschreckung, sondern durch gemeinsamen Handel und Austausch zwischen Ost und West gesichert.« Das Ziel der SPD war es, die kleinbürgerlich-pazifistische Bewegung zu spalten, den NATO-Doppelbeschluß zu unterstützen und die Kriegsvorbereitung zu tarnen. Das mißlang zunächst weitgehend und die Aktivitäten der Friedensbewegung wuchsen an: Von 650000 Beteiligten 1981 auf über eine Million 1982. 1982 wurde mit der CDU/CSU/FDP-Regierung eine neue Geschäftsführerin der Monopole in Bonn an die Regierung gehievt. Die Friedensbewegung wuchs 1983 an und es beteiligten sich 1983 über 2,2 Millionen an Demonstrationen. Die Auseinandersetzungen über den weiteren Weg verstärkten sich. Als die Stationierung unmittelbar eingeleitet worden war, mobilisierte die MLPD breit für den Weg des aktiven Widerstands gegen den Atomtod. Die Führer der kleinbürgerlich-pazifistischen Bewegung wichen vor dieser notwendigen Konsequenz zurück, orientierten statt dessen auf symbolische Aktionen, unverbindliche Umbenennung von Städten und Plätzen in »atomwaffenfreie Zonen« und orientierten die Friedensbewegung auf das Parlament. Der SPD-Vorsitzende Brandt wurde zum Hauptredner der Abschlußkundgebung der Aktionswoche der Friedensbewegung im Oktober 1983 erkoren. Das war die Schlüsselübergabe an den imperialistischen Pazifismus zur Übernahme der Führung der kleinbürgerlich-pazifistischen Friedensbewegung. Der Weg war frei für die Stationierung der NATO-Mittelstreckenraketen.

Der Golfkrieg 1991

Es gelang den US-Imperialisten, für ihren Krieg gegen Saddam Hussein ein UNO-Mandat durchzusetzen. Statt des angekündigten »Zeitalters des Friedens« wurde im Namen der »Völkergemeinschaft« das irakische Volk mit Bomben überschüttet. Die Grünen unterstützten in der dagegen entstehenden Bewegung unter anderem die pazifistische Losung »Kein Blut für Öl«. Danach wäre nicht nur der Krieg der USA und die Kriegsunterstützung durch die BRD zu verurteilen, sondern z.B. auch jeder Krieg der unterdrückten Völker zur Verteidigung ihrer Rohstoffe gegen eine solche imperialistische Aggression. »Am 26. Januar (1991 - d.Red.) beteiligten sich über 200000 Kriegsgegner an der bundesweiten Demonstration in Bonn. Danach ebbten die spontanen Aktionen schlagartig ab. Die überwiegend kleinbürgerlich geprägte Bewegung zerbrach unter dem Einfluß einer von der Bundesregierung gesteuerten demagogischen Kampagne des imperialistischen Pazifismus in den Massenmedien. Sie warf der Friedensbewegung unter den Schlagworten >Antiamerikanismus<, >Unterstützung des neuen Hitlers Hussein< und >mangelnde Solidarität mit Israel< chauvinistische, ja sogar faschistische und antisemitische Motive vor. Gleichzeitig versuchten sie, mit der imperialistischen Propaganda >Durch Krieg zum Frieden< die Massen für ihre Kriegsziele zu gewinnen.« (Dokumente des Berliner Parteitags der MLPD 1991, S. 87/88)

Der Übergang der Grünen zum imperialistischen Pazifismus

Teile der Grünen griffen bereits damals öffentlich die Propaganda des imperialistischen Pazifismus auf. Der Schritt vom kleinbürgerlichen Pazifismus, dem ein ehrliches Bemühen um Erhalt des Friedens zugrunde liegt, zum betrügerischen imperialistischen Pazifismus war damit vorprogrammiert. »Frieden um jeden Preis« sollte zukünftig für die Grünen nicht nur Ablehnung der revolutionären Gewalt bedeuten, sondern auch: Unterstützung des Einsatzes der Bundeswehr. Joschka Fischer wurde zum Vorreiter der Bewegung. Er hatte als erster Grüner als Umweltminister in Hessen Platz auf einem Ministersessel einnehmen können. Schon seit Anfang der 90er Jahre wird berichtet, er wolle Außenminister der BRD werden. Kleinbürgerlich-pazifistische Skrupel vertragen sich aber nicht mit der Vertretung des BRD-Imperialismus auf internationalem Parkett. Sein Übergang zum imperialistischen Pazifismus wurde 1995 augenfällig. Dazu heißt es in dem Buch »Der Kampf um die Denkweise in der Arbeiterbewegung«: »Im Juli 1995 machte Joschka Fischer im Zusammenhang mit dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien den Vorstoß, die BündnisGrünen sollten ihr kleinbürgerlich-pazifistisches Gewaltfreiheitsprinzip fallenlassen und für ein unmittelbares militärisches Eingreifen der imperialistischen Länder eintreten. Der Applaus der Massenmedien für dieses Bekenntnis zur imperialistischen Außenpolitik blieb nicht aus.« (S. 174/175)

Scharping hatte sich nach seiner Amtszeit als Regierungschef in Rheinland-Pfalz zum Kanzlerkandidaten und Parteivorsitzenden der SPD gemausert. In einer Grundsatzrede verkündete er auf dem Mannheimer Parteitag der SPD 1995: »>Dem Frieden eine Heimat< - (...) Dafür steht die SPD seit über 130 Jahren. Wir haben nie Krieg über unser Volk gebracht ...« Er hatte längst keine Illusionen mehr in die SPD-Politik, sondern wartete mit einer glatten Lüge auf. Natürlich war ihm die Zustimmung der SPD zu den Kriegskrediten im I.Weltkrieg geläufig. Er propagierte »friedenserhaltende« Bundeswehreinsätze als scheinbaren Gegensatz zu offenen Kampfeinsätzen, womit der Vorbereitung von Bundeswehreinsätzen durch die Kohl-Regierung der Weg geebnet wurde. »Wenn dieser Friede (in Bosnien, die Redaktion) einer militärisch gesicherten Garantie bedarf, dann soll sich Deutschland daran beteiligen, nicht im Sinne von Kampf ...« Salbungsvoll schloß er seine Rede mit den Worten: »Die Sozialdemokratie wird gebraucht für eine friedliche Entwicklung in Europa und im eigenen Land.«

Die SPD-Bündnis 90/Die Grünen-Regierung und ihre imperialistische Machtpolitik

Die meisten Führer der früheren kleinbürgerlich geprägten Friedensbewegung hatten Hoffnungen in einen Regierungswechsel genährt und mehr oder weniger offen für die Wahl von SPD oder Bündnis 90/Die Grünen mobilisiert. Im Koalitionsvertrag versprach diese »Deutsche Außenpolitik ist Friedenspolitik«. Während dort noch von »Beachtung des Völkerrechts« und »Gewaltverzicht« die Rede war, bricht die Bundesregierung nun reihenweise Artikel des Grundgesetzes, Strafgesetzes und Völkerrechts. Als Geschäftsführerin der Monopole betreibt sie mit den Kampfeinsätzen der Bundeswehr Kriegspolitik. Zugleich muß die SPD als Hauptstütze der Monopole in der Arbeiterbewegung und zusammen mit Bündnis 90/ Die Grünen in verschiedenen Protestbewegungen versuchen, diese für ihre Politik zu gewinnen. Der imperialistische Pazifismus wird nicht mehr nur für die psychologische Kriegsvorbereitung eingesetzt, sondern auch als Mittel der psychologischen Kriegsführung. Z.B. wird der Begriff »Krieg« für die Bombardierungen Jugoslawiens vermieden, statt dessen von »Friedenseinsatz« gesprochen.

Die Kriegspolitik wird maßgeblich getragen von Fischer als Außenminister und Scharping als Verteidigungsminister. Fischer erklärte: »Es gibt keine grüne Außenpolitik, nur eine deutsche«. Zugleich verkauft auch er die Kriegseinsätze noch als fortschrittlich, internationalistisch und antifaschistisch. »Der Kriegseinsatz der NATO dient der Rehabilitierung Deutschlands, denn ein Deutschland, das an der Seite der Westalliierten kämpft, ist definitiv nicht mehr das der Nachkriegszeit.« Fischer ist zunächst am Ziel seiner bürgerlichen Träume angelangt - Außenminister und Kanzlerstellvertreter. Prophetisch zitierte er allerdings bereits bei seinem Amtsantritt den Luther-Spruch: »Mönchlein, Mönchlein, du gehst einen schweren Weg.« Als ob er es geahnt hätte ...

Seit der Wende in der politischen Entwicklung im Februar 1999 stößt die Regierung an jeder wesentlichen Frage auf Widerspruch bis massiven Widerstand der Bevölkerung. Dies drückt sich aktuell besonders in der Entwicklung des aktiven Widerstands gegen den NATO-Krieg aus, der seit den Ostermärschen einen Aufschwung nimmt. Beide Regierungsparteien stecken in einer schweren Parteienkrise. Von den Delegierten des SPD-Parteitags am 12. April stimmten nur 76 Prozent für Schröder als neuen Parteivorsitzenden; noch nie erhielt ein Parteivorsitzender der SPD ohne Gegenkandidat sowenig Stimmen. Scharping hielt die Grundsatzrede für die Zustimmung des Parteitags zu den Kriegseinsätzen. Um dafür eine Mehrheit zu erhalten, verkaufte Schröder sie als Friedensaktion: »Die Luftschläge, die die NATO macht, die von uns mit beschlossen sind, diese Aktionen haben nur ein einzige Ziel, eine friedliche Lösung für den Kosovo zu bringen.« In der Kritik an Schröder verlangte die Juso-Vorsitzende Nahles, man müsse »die militärische durch eine politische Logik« ersetzen. Tatsächlich ist der NATO-Krieg aber die Fortsetzung der zuvor betriebenen imperialistischen Politik mit anderen Mitteln und imperialistische Friedensdiktate sollen auf den Krieg folgen. Standpunkte der imperialistischen Kriegstreiberei und des imperialistischen Pazifismus wirken in der SPD zusammen und durchdringen sich.

Gleichzeitig erklärte Schröder: »Wer aus grundsätzlichen pazifistischen Erwägungen gegen jegliche Militäraktion ist, der muß und der wird auch weiterhin in der SPD seine politische Heimat haben.« Mit dieser Methode will er kleinbürgerlich-pazifistische Mitglieder weiterhin an die SPD binden, wenn sie nur bereit sind, bei aller Kritik doch den Kurs der Parteiführung als entscheidenden Rahmen anzuerkennen.

Nicht zufällig konzentriert sich der Protest vieler SPDler und Grüner gegen Scharping und Fischer. Beide traten vor Jahren mit einem kleinbürgerlich-pazifistischen Anspruch an und betreiben nun imperialistische Machtpolitik, wobei systematisch über die wahren Ziele dieser Politik getäuscht wird. Dieser Entwicklung liegt eine Gesetzmäßigkeit zu Grunde, die im Buch »Der Kampf um die Denkweise in der Arbeiterbewegung« anhand der Grünen auf den Punkt gebracht wird: »Der Aufstieg ehemals kleinbürgerlicher Politiker in die herrschende Klasse ging einher mit einer Veränderung ihrer kleinbürgerlichen Denkweise in eine bürgerliche Denkweise, wozu sie ihre Schwankungen, ihre moralischen Skrupel ablegen mußten. (...) Das kleinbürgerlich-illusionäre, vielfach noch subjektiv ehrliche Streben der Führer der Grünen nach >gesellschaftsverändernden Reformen< verwandelte sich in einen vorsätzlichen bürgerlichen Betrug.« (S. 170) Beide verkörpern heute die Monopolpolitik von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Deshalb ist auch das Wesen dieser Monopolpolitik noch nicht bezeichnet, wenn manche Mitglieder der Grünen oder der SPD einzelne Bestandteile der Regierungspolitik ablehnen. Denn sie hat insgesamt einen volksfeindlichen Charakter. Dagegen wird eine kämpferische Opposition nur wirksam sein als gesellschaftsverändernde Kraft, die sich aus der ideologisch-politischen und organisatorischen Umklammerung der Regierungparteien löst. Wer eine grundlegende Alternative sucht, muß sich mit der Perspektive des echten Sozialismus auseinandersetzen. Das dürfte zu den wichtigsten Schlußfolgerungen dieser »Geschichte« gehören.

(pw/dk)

Quelle: www.mlpd.de

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