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Nicht nur ein Lachen wird es sein, was euch beerdigt!

Heraus zur autonomen 1. Mai Demo
in Wuppertal!
04/99
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Dieses Jahr rufen wir zum 150. Mal zur autonomen 1. Mai Demonstration in Wuppertal auf. Sie ist diesmal in die Kampagne "80 Tage im Mai" eingebettet . Diese erstreckt sich von der 1. April-Demo bis zum Weltwirtschaftsgipfel in Köln am 19. Juni 1999. In diesem Zeitraum werden vielfaltigte Aktionen und Veranstaltungen durchgeführt. (mehr dazu unter www.azwuppertal.partisan.net )

1849 Wir stellen unsere Demonstration in den historischen Zusammenhang der Kämpfe von 1849 in Elberfeld, als es unseren Vorfahren gelang, das Militär zu vertreiben, 35 Barrikaden zu errichten, 93 Gefangene zu befreien, Daniel von der Heydt in Geiselhaft zu nehmen, Waffen zu beschaffen und die Eisenbahnstrecken zu sabotieren. 8 Tage lang war die Stadt in der Hand der Aufständischen. Höhepunkt des Elberfelder Aufstandes war unbestritten die Demolierung des Hauses des damaligen Bürgermeisters Carnap und der kreative Einsatz des gesamten Mobiliars der Familie Carnap als schönste Barrikade in Elberfeld. Diesem Beispiel wollen wir nacheifern. Die alte Parole "Friede den Hütten! Krieg den Palästen" ist und bleibt taufrisch und sozialrevolutionär für alle Zeiten, bis die Herrschaft der Menschen über die Menschen ein Ende hat. Schon damals war vor allem das Konkrete umkämpft, das waren die Gegenstände des alltäglichen Lebens und Uberlebens, dasjenige, was für ein halbwegs menschenwürdiges Leben als unabdingbar galt: ausreichende Nahrung, regelmäßige Arbeit (naja), hinreichendes Einkommen (sehr wichtig), eindeutige Rechte und legitime Ansprüche auf Resourcen, die ein auskömmliches Dasein sicherten. Umkämpft waren auch die sozialen Orte, die Straße, die Kneipen, die Gesellenherbergen und autonomen Zentren. Sie waren zentral als Orte der Kommunikation, als Versanunlungsort zum Austausch von Meinungen, als Tankstelle für Branntwein und Schwelmer Pils, als Ort der öffentlichen Notklage, des öffentlichen Verhöhnens, der kollektiven Rüge für missliebige Personen von Macht und Reichtum, als Tribüne zur Formulierung kollektiver Wünsche, als Ort des nachhaltigen Forderns und Drohens, nicht zuletzt auch der Androhung und auch Ausübung von Gewalt gegenüber Privatpersonen und Obrigkeiten.

Ein wichtiges Kampmittel war damals neben dem Barrikadenkampf die Katzenmusik. "catza musicarum" war der kollektive nächtliche Besuch bei ausgewählten, besonders verhassten Vertretern der herrschenden Klasse mit Musik, Liedgut und Pflastersteinen. In der modernisierten Form in der 1848-Revolution zielten diese symbolischen Strafaktionen gegen lokale Honoratioren, und andere Autoritätspersonen: Bürgermeister, Stadträte, politische Abgeordnete, mißliebige Journalisten und unbeliebte, überzogen hart strafende Richter, "hartherzige" Ärzte, gegen reaktionäre Lehrer und Pfarrer, gegen "geizige", als unbarmherzige geltende Kaufleute und Fabrikanten, Ganz offenkundig waren diese expressiven, häufig äußerst klamaukhaften und buntschillernden Formen politischen Straßentheaters eine angemessene Handlungsform der "kleinen Leute" (M. Gailus)

Die Erinnerung an die Emanzipationsbewegungen der Vergangeheit wird in den kommenden gesellschaftlichen Auseinandersetzungen eine wichtige Rolle spielen. "Der Klassenkampf, so formulierte W. Benjamin, "ist ein Kampf um die rohen materiellen Dinge, ohne die es keine feinen und spirituellen gibt. Trotzdem sind diese letzeren im Klassenkampf anders zugegen denn als die Vorstellung einer Beute, die an den Sieger fällt. Sie sind als Zuversicht, als Mut, als Humor, als List, als Unentwegtheit in diesem Kampf lebendig, und sie wirken in die Ferne der Zeit zurück. Sie werden immer von neuem jeden Sieg, der den Herrschenden jemals zugefallen ist, in Frage stellen."

1999 Wir haben schon lange die Schnauze voll von dem Normalzustand in diesem Land, wir wollen es nicht ertragen, daß hier vor unseren Augen Menschenrechte eklatant verletzt werden, wie in Gefängnissen und auf Polizeirevieren, daß die Polizei sich das Recht nimmt, kurdische Menschen zu verfolgen, die SchreibtischtäterInnen vom Ausländeramt weiterhin Flüchtlinge ungestraft demütigen und anschließend in Folter und Elend abschieben. Daß ausgerechnet die NATO sich als selbsternannter Retter der Menschenrechte aufspielt und per Bomben auf Belgrad die Menschenrechte beschützt, während zur gleichen Zeit der Bundesgrenzschutz an der Ostgrenze mit Vorliebe auf Kosovo-Albaner eine Menschenjagd veranstaltet, um sie am illegalen Grenzübertritt zu hindern. Das Morden im Kosovo zwänge halt zum Bomben, erklären uns heute die ehemals friedensbewegten Grünen-SpitzenpolitikerInnen. Mit der Bombardierung Jugoslawiens haben sie erfolgreich einen Präzedenzfall geschaffen, mit dem sich trefflich eine neue Weltordnung aufbauen lässt. Aber der moralisch begründete Angriffskrieg der NATO von heute wird augenscheinlich nur dann geführt, wenn die Empörung über "humane Kathastrophen" mit geopolitischen Interessen einhergeht. Ein Minderheitenproblem muß nur entsprechend in- strumentalisiert und medial aufbereitet werden, dann kann die NATO ihre humanitären Kampfer schicken.

Aber der Krieg, den die NATO-Menschenrechtler "zugunsten" der albanischen Zivilbevölkerung veranstalten, hat bisher keine Menschenleben gerettet. Im Gegenteil, dieser Angriffskrieg war der willkommene Katalysator für die Vertreibung und Massakrierung der albanischen Zivilbevölkerung. Die Opposition und die Reste von sozialer Bewegung gegen Milosevic haben unter den Bomben der NATO keine Chance mehr. Der Krieg in Jugoslawien hat komplexe Ursachen. Die mörderische Politik der "ethnischen Säuberungen" basiert auf irrationalem Hass und langjähriger rassistischer Ausgrenzung der albanischen Bevölkerung. Sie ist nicht einfach durch Ausschaltung oder Domestizierung von Milosevic aus der Welt zu schaffen. Eine Lösung liegt eher in der Schaffung von sozialer Gerechtigkeit und einem Leben ohne Not und Elend auch in den Peripherien Europas. (Übrigens, die 20 Milliarden DM, die bis jetzt in den mörderischen High-Tech Krieg geflossen sind, hätten die Lebensumstände der Menschen in diesen Armenhäusern Europas radikal ändern können.)

Unser Widerstand gegen den Balkan-Krieg muß natürlich auch Partei ergreifen: Sie muß Partei ergreifen für die wenigen Menschen aus der Friedens, Frauen- und aus anderen sozialen Bewegungen Jugolawiens, die sich der rassistischen Politik Serbiens in den Weg gestellt haben. Für die Soldaten, die sich weigern, sich an der Vertreibung der albanischen Bevölkerung zu beteiligen und die aus der serbischen Armee desertiert sind.

Schließlich wollen wir an die Generation in Jugoslawien erinnern, die jetzt zum zweiten Mal in ihrem Leben vor deutschen Bombern in Luftschutzkellern Zuflucht suchen muß. Die noch genau wissen, wie die Mörder der deutschen Wehrmacht in Zusammenarbeit mit der faschistischen Ustascha Zehntausende gemordet haben. Wir grüßen mit unserem Widerstand gegen den Nato-Krieg die Überlebenden, insbesondere die Menschen aus den Partisanenverbänden, denen es gelang, Jugoslawien von der Nazibarbarei zu befreien. Sie sollen wissen, das nicht alle in Deutschland dem Krieg zustimmen.

Wir ergreifen weder für die Serbische Regierung, noch für die UCK Partei. Der Kampf gegen jede Form von Rassismus und Nationalismus bleibt das Gebot der Stunde. Wir nehmen aber Partei für die zahllosen Flüchtlinge, die vor dem Bürgerkrieg und den Massakern geflohen sind und die versuchen aus den Armenhäusern und Elendszonen von Mazedonien und Albanien in die reichen Länder zu fliehen. Ihnen gehört unsere Solidarität und hoffentlich gelingt es ihnen an den Grenzen von "Schengenland" und an den Menschenjägern vom BGS vorbei Zuflucht zu finden. Die Frauen und Kinder auf der Flucht und die Männer, die sich durch Flucht und Desertation der Beteiligung an der Gewaltmaschine entziehen, sind die Kriegspartei, auf deren Seite wir stehen.

Im Kampf um offene Grenzen und gegen die Internierung der Flüchtlinge in Lagern, in der Unterstützung der Flüchtlinge bei der Einreise in unsere reichen Länder, beim Grenzübertritt und in der Unterstützung gegenüber den Behörden könnten unsere Aufgaben liegen. Der Aufruf von "kein Mensch ist illegal", eigene Schleusungsstrukturen für den illegalen Grenzübertritt vorzubereiten, könnte ein praktischer Schritt sein, die Strategie der Herrschenden zu untergraben, die Flüchtlinge in den Armenhäusern Europas zu kasernieren und dort zu vernutzen.

Wir können das Geschwätz der rot-grünen Regierung nicht ertragen, Menschenrechte seien unteilbar. In China gibts rotgrünen Rabatt für die wertvollen Geschäftsbeziehungen fürs deutsche Kapital, in der Türkei werden der Bürgerkrieg, die Auslöschung der kurdischen Dörfer, die Vertreibung und die ethnischen Säuberungen honoriert durch Militär- und Polizeihilfe, durch Lieferungen von Panzern und U-Booten. Flüchtlinge werden illegalisiert und massenhaft abgeschoben. Für KurdInnen gilt der Menschenrechtseifer der grünen Juniorpartner nicht. Im Gegenteil: die ersten rot-grünen Waffenlieferungen an die Türkei werden gerade parlamentarisch auf den Weg gebracht. Zur Klarstellung: Wir fordern keineswegs von der oliv-grünen "Menschenrechts"partei die Bombardierung Ankaras, das würde die Konflikte in der Türkei - genau wie im Kosovo- wohl auch nicht lösen, auch können wir von den Grünen als pazifistische Partei schlecht die Bombardierung der deutschen Rüstungsschmieden erwarten. Das müsste die militante Linke dann schon selber tun.

Kein Mensch ist illegal! Bleiberecht für die KurdInnen in der Gemarker Kirche

Die 400 kurdischen Flüchtlinge, die im Wanderkirchen-asyl für ihre Anerkennung als Bürgerkriegsflüchtlinge kämpfen, werden vom Innenministerium NRW immer stärker unter Druck gesetzt, sich in einem für die meisten aussichtlosen, bürokratischen Verfahren("Einzelfallprüfung") vereinzeln zu lassen und ihr Schicksal der Willkür der SchreibtischtäterInnen in den Ausländerbehörden zu überantworten.

Davon sind auch die 27 Flüchtlinge betroffen, die seit Ende November 98 in der Gemarker Kirche Zuflucht vor der deutschen Abschiebemaschinerie gefunden hatten. Bereits in den ersten Kontakten mit den jeweiligen Ausländerbehörden wurde klar, daß in den nächsten Wochen und Monaten viele der Kurdlnnen aus der Gemarker Kirche wieder akut gegen ihre Abschiebung kämpfen und damit um ihr Leben fürchten müssen!

Die Ohnmacht und die Wut, aber auch Hoffnungen auf eine Duldung oder eine Anerkennung im Zuge der Einzelfallprüfung, lassen gerade jetzt in diesen Wochen die Situation für die Flüchtlinge zu einer Zerreißprobe werden. Die Angst vor einer drohenden Raumung und Abschiebung haben die Flüchtlinge an die Grenze der psychischen Belastbarkeit gebracht. Auch für uns als UnterstützerInnen hat sich seit dem Tag ihrer Zuflucht in der Gemarker Kirche viel verändert. Anstatt wie früher "nur" aus einer abstrakten antirassistischen Motivation gegen die herrschende Asyl- und Flüchtlingspolitik anzukampfen - fast ohne persönlichen

Bezug zu den Betroffenen dieser Politik -, haben diese nun Gesichter bekommen; es stehen konkreten Menschen vor uns, mit einer konkreten Geschichte und mit ihren Schicksalen.

Was uns allen kopfmäßig vermeintlich schon lange klar war, bekommt ein Gesicht und viele erleben erstmalig mit, was es heißt, den bürokratischen Verfahren und der Gewaltmaschine von Ausländerämtern und Polizei ausgeliefert zu sein. Aber auch die Herren und Damen vom Ausländeramt bekommen Gesichter, ihre "Arbeit" wird äußerst transparent, jede Demütigung, jede Drohung und jeder Versuch die Menschenjäger loszulassen, wird auf einmal aufmerksam verfolgt. Das Unrecht ist nicht mehr anonym und versteckt sich nicht allein hinter Gesetzen, Ministerien und Gefangnismauern, sondern es tritt als deutscher Beamter in die Öffentlichkeit. Die Kirchenzuflucht hat schon jetzt dafür gesorgt, daß der politische Preis für eine gewaltsame Raumung des Wanderkirchenasyls hoch ist. Und daß zur Zeit an klamniheimliche Abschiebeaktionen im deutschen Morgengrauen nicht zu denken ist.

Deswegen: Nutzen wir Zeit!

Auf die Barrikaden!

Wir rufen gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse in Jugoslawien, Kosovo und Kurdistan zu vielfältigen, verantwortlichen und gezielten Aktionen auf. So beabsichtigen die FreundInnen des Bergischen Barrikadenkampfes sich streng an das historische Vorbild von 1849 zu halten und bis zum 19. Juni 99 im Großraum Bergisch Land mindestens 35 Barrikaden an politisch relevanten Stellen zu errichten. Die politischen Angriffslinien und Objekte liegen auf der Hand bzw. auf der Straße. Neben der aktuellen Kriegspolitik und der Flüchtlingsfrage werden wir uns auch verstärkt um die Aufmärsche der Faschisten kümmern müssen., die am 1. Mai in Bremen und am 22. Mai in Köln terminiert sind. Auch hierbei könnten Barrikaden wertvolle Hilfsmittel sein. Und nicht zuletzt rufen wir zu einer Beteiligung am Gipfelsturm gegen den EU und Weltwirtschaftsgipfel auf.

In diesem Sinne: Nicht nur ein Lachen wird es sein, was euch beerdigt! Heraus zur autonomen 1. Mai Demo in Wuppertal!

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