Schweine im Weltall (2) :
Antideutsch-Neokonservative gegen Revolution der Armen... im Iran
Oder: „Grillen mit einem Ali“

von Bernard Schmid

05/07

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Und hier die Fortsetzung unserer allseits beliebten Fernsehserie. Heute: Rund um den Planeten Iran. 

Auf der Suche nach intelligenten Lebensformen im All, und nach unintelligentem Leben auf der Erde: Unser Raumschiff durchfliegt auch heute wieder unendlich Weiten, geistige Tiefen und politisch-moralisch-intellektuelle Abgründe. Schalten Sie auch nächste Woche wieder ein, wenn Sie eine Stimme sagen hören:  „Blob keine Revolution der Armen, sonst droht: Gaaanz schlimme Barbarei.“ (Grübe  auch an François Furet; ach nein, der liegt ja inzwischen unter der Erde.)  

Natürlich, in der neokonservativen Gedankenwelt ist es klar:  Lieber eine US-Militärinvasion und/oder ein autoritäres Regime mit Freiräumen für die wohlhabenden Mittelklassen im Teheraner Norden, als einen Aufstand des Pöbels gegen die Mullahs. Wo kämen wir denn da hin, wenn der Abschaum in einem Land der Dritten Welt auch noch Ansprüche stellt...! So ein Ali hat gefälligst darauf zu warten, dass die US-amerikanischen Befreier und die Frankfurter Schreibtischstrategen in ihrem Gefolge anrücken. Natürlich, um Freiheit & Demokratie zu bringen. Harharhar... 

Und hier der neokonservative Unfug im Originaldokument:

http://www.wadinet.de/blog/?p=219#more-219

Revolutionen und Armut

In der ‚Jungle World’ hat Thomas Schmidinger von Wadi Austria eine längere Reportage über eine kürzlich unternommene Iran Reise verfasst.

Die Reportage endet suggestiv. Beim Grillen mit einem Ali erklärt dieser den Österreichern:  ‚Die Revolution ist 1979 von den Armen getragen worden. (…) Auch jetzt wird eine wirkliche politische Veränderung nicht von den Oberschichten kommen, sondern von jenen, denen es immer noch schlecht geht.’

Ali hat so fürchterlich Unrecht und sitzt doch einem der ganz großen Mythen des 20. Jahrhunderts auf. Arme machen keine Revolutionen, Arme machen bestenfalls Hungerrevolten. Selbt wer die Ereignisse 1979 im Iran als Revolution bezeichnen will, wir kaum umhin kommen, den Verfall des Ancien Regime und die geschickte Propaganda der Kleriker um Khomenei als ebenso wichtiges Element der ‚Revolution’ zu sehen, wie die unselige Unterstützung die die Ayatollahs durch die Linke, die im Nahen Osten meist der Mittelschicht entstammt. Die ‚Armen’ waren in allen Revolutionen bestenfalls Beiwerk, weder Sansculotten noch Mitglieder der amerikanischen ‚Town Halls’ noch Castros Mannen entstammten der mysteriösen Gruppe der Armen.

Der Topos ‚Arme versus Reiche’, beliebt vor allem in antiimperialistischen Manifesten jedweder Couleur, hat mit den historischen Revolutionen nichts zu tun. Schlägt die Revolution, der es anfangs um Freiheit und Bildung neuer Institutionen geht, in die sog. “soziale Frage” um, ist sie vorbei, bzw. transformiert in Terreur: “Wo immer die Lebensnotwendigkeiten sich in ihrer elementar zwingenden Gewalt zur Geltung bringen, ist es um die Freiheit einer von Menschen erstellten Welt vorbei”, schreibt deshalb Hannah Arendt in ihrem wunderbaren Buch “Über die Revolution“.

Die Armen, denen es um Brot, Arbeit und Strom geht, sind keine revolutionären Elemente. Sie sind bedauernswert und werden zum Kanonenfutter des Terrors, der so vielen Revolutionen folgte. Sie dürfen bestenfalls auf den Schlachtfeldern verbluten und als “Masse” bzw. “Volk” den neuen Funktionären der Revolution akklamieren. Im Nahen Osten geht es wahrhaft nicht darum, die Armen revolutionär zu mobilisieren, es geht um gesellschaftliche Transformation  und die Herausbildung von Institutionen, die es unter anderem ermöglichen sollen, dass Armut sich nicht in Bezug auf den Staat als Wohlfahrtsinstitution definiert.

Deshalb sei hier Hannah Arendt stark gemacht, die die Idee der Freiheit zur zentralen Idee aller Revolutionen erklärt und nicht die “soziale Frage”, die betritt sie die Bühne der Revolution dieser früher oder später den Gar aus macht.  Sollte die politische Veränderung im Iran wirklich von jenen getragen werden, denen es “immer noch schlecht” geht und nicht vornehmlich von jenen neuen urbanen Mittelschichten, Jugendlichen und Frauen, denen es um politische Freiheiten und Individualität geht, gäbe es deshalb für den Iran wenig Hoffnung.

von Thomas von der Osten-Sacken

Der Beitrag wurde am Donnerstag, den 3. Mai 2007 um 13:25 Uhr veröffentlicht und wurde unter Allgemeines, Iran abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.

Eine Reaktion zu “Revolutionen und Armut” 

fuereinendedeskaptalismus
Am 3. Mai 2007 um 15:45 Uhr

Als deutscher Aristokrat und Herrenreiter wie der Baron ist es nur folgerichtig die Armen und Unterklassen zu verachten. Sie riechen ja nicht gut. Wüsste gerne wie Osten-Sackens Vorfahren so ihr Geld verdient haben.  (Ende des Originaldokuments)

ANMERKUNGEN UND ZUSATZDOKUMENTE:

Bezeichnend  ist natürlich auch, wovon  der Frankfurter  Schreibtischstratege („Befreien Sie fünf  Länder  Ihrer  Wahl“) NICHT spricht. Beispielsweise  von einer Unterstützung für die unabhängigen Gewerkschaften, die sich im Iran trotz Repression herauszubilden begonnen haben, ausgehend vom Kampf der Teheraner Busfahrer und ihrer Gewerkschaft Vahed. „Arme sind bedauernswert“, Punktum. Ansonsten mögen sie sich, bitteschön, nur nicht organisieren und gar noch einen Aufstand machen  (sonst dräut die Barbarei am Horizont) - aber auch nicht „auf den Staat als  Wohlfahrtsinstitution“  angewiesen sein, wie es im oben zitierten Text heibt. Ja, was bleibt ihnen denn dann noch als Perspektive? Nun ja, die wunderbare Aussicht darauf, dass Arbeit, pardon, der Markt frei macht (vgl. das Dokument im Teil 3, wo die Rede auf „die Freiheit, der Markt eben auch bietet“ kommt). Und dass die Retter nahen, in Gestalt uniformierter Herrenmenschen.

Dies wird in einem anderen Dokument des hochverehrten Autors    deutlich,  wo er als Perspektive für den Iran ausmalt:  http://www.wadinet.de/blog/?p=82

(...) Ob man auf einen ‘Ayatollah Gorbachev’ hoffen sollte, bleibt die Frage. Ein guter alter Regime Change wäre auch eine Möglichkeit ….

von Thomas von der Osten-Sacken

Der Beitrag wurde am Freitag, den 2. Februar 2007 um 15:47 Uhr veröffentlicht:

Nun, seine Hoffnungen bezüglich des Iran auf einen „Ayatollah Gorbatschow“ zu setzen, also auf einen von oben her eingeleiteten allmählichen Wandel im Inneren des Systems, wäre tatsächlich keine emanzipatorische und progressive Perspektive. (Auch wenn ein solcher Versuch des Systems, zwecks Erhöhung seiner Überlebenschancen  sich zu reformieren und minimale        Freiräume zu bieten, möglicherweise eine Krise einleiten könnte, die andere Kräfte in der iranischen Gesellschaft für sich nutzen könnten.) Aber was Thomas von der Osten-Sacken unter einem „guten alten Regime Change“ versteht, ist wiederum offenkundig und  schliebt unzweideutig einen militärischen Überfall (angeführt durch die US-Administration, eventuell zusammen mit anderen Verbündeten) auf das Land explizit mit  ein. So hatte Thomas von der Osten-Sacken in den Jahren 2002/03 monatelang voller Vorfreude dem Angriff auf den Iraq publizistisch entgegengefiebert, und ihn just unter eben demselben Label des „Regime Change“ abgefeiert. (Vgl. beispielswiese: http://www.jungle-world.com/seiten/2003/15/651.php

Zur  Erläuterung sei ferner noch hinzugefügt, dass unser hochgeschätzter Schreibtischstratege  an  anderer Stelle ausführt: << http://www.wadinet.de/blog/?p=92:

Mit einem irakischen Freund pflegte ich früher zu scherzen, dass einzig Monarchien im Nahen Osten (mit Ausnahme des saudischen Königshauses) für ein Minimum an Zivilität und Fortschritt sorgen. Queen Rania beweist einmal mehr, wie wahr dieser vermeintliche Scherz ist. Das progressivste an Jordanien, meinte dieser Freund, sei sein Königshaus. Tja, recht hat er wohl. 

 

Long live the Queen.

von Thomas von der Osten-Sacken

Der Beitrag wurde am Samstag, den 10. Februar 2007 um 17:40 Uhr veröffentlicht

Aufgrund dieser diversen Ausführungen lässt sich wohl erahnen, welche politische Perspektive unseren  Antideutsch-Neokonservativen für die Zukunft des Iran (wo sie nur leider bislang niemand herbeigerufen hat) vorschwebt. Beispielsweise eine solche: Die Wiedereinführung der Schah-Monarchie wäre doch auch eine ganz nette Angelegenheit. OK, sagen wir idealerweise im Rahmen einer konstitutionellen Monarchie, die nicht ganz so despotisch ausfällt wie jene  des 1978 aus guten Gründen durch  Massenkämpfe davongejagten Schah Reza Pahlevi (unbeschadet dessen, dass die Khomeney-Fraktion späterhin  ein mindestens ebenso übles Regime  errichten konnte!). Unter seinem  Sohn vielleicht, oder einem anderen Familienmitglied? Eine feine Sache. Jedenfalls falls den Mittel- und Oberklassen im Teheraner Norden ihre bürgerlichen Freiheiten garantiert würden – die sie sich freilich  schon unter dem heutigen Regime mehr oder minder herausnehmen,  denn wer über hinreichend Geld verfügt, kann auch heute hinter verschlossenen Türen (!) rauschende Partys feiern. De facto fliebt auch heute dort der Alkohol in Strömen, auch wenn nach dem Khomeney-Strafgesetzbuch  dessen  Genuss mit Peitschenhieben bestraft  wird. Aber wer einen Haufen Geld und eine riesige Wohnung hat, macht  auch heute  dort in der Regel im Privaten ziemlich Vieles, was in der Öffentlichkeit strikt verboten ist. Verlierer sind, wie so oft, jene, die keine riesigen Appartements für Partys besitzen,  sondern  mit mehrköpfigen Familien in zwei Zimmern hausen, etwa im Teheraner Süden.

Aber diese armen Teufel sollen blob nicht rebellieren, sonst droht der Umschlag der Freiheitsrevolution (auf den Bajonetten der Befreier) in einen übel riechenden sozialen Aufruhr. Und  da  müsste man sich doch glatt in Frankfurt /Main die Nasenlöcher zuhalten...                    

 

Editorische Anmerkung

Der Artikel wurde uns vom Autor am 13.5.07 zur Verfügung gestellt.

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