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Gegen das Schweigen im Fall
des "Vertrauensdozenten"  Bernd Rabehl

"Offener Brief"
an die  Hans Boeckler Stiftung
05/99
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Offener Brief

An die
Hans Boeckler Stiftung
- Geschaeftsfuehrender Hauptvorstand -
z.H. Nik Simon, Heide Pfarr
Bertha von Suttner Platz 3

D- 40277 Duesseldorf

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Offenbach, den 15.04.1999

Bitte um Stellungnahme der HBS zu Bernd Rabehl
- Erinnerung -

Werte KollegInnen,

Ende Februar hatten wir Euch bereits zwei laengere Berichte (FR, express 2/ 99) zu der mit nationalrevolutionaeren, nationalistischen, fremdenfeindlichen, voelkischen und rassistischen Argumentationen bzw. argumentativen Versatzstuecken durchsetzten Rede Bernd Rabehls vor der schlagenden Burschenschaft Danubia geschickt. Zur Erinnerung: Diese Rede wurde auch von der Jungen Freiheit, einem ausgewiesenen Organ der sogenannten Neuen Rechten, das sich explizit an akademische Kreise wendet, verbreitet. Wir hatten Euch in dieser Angelegenheit - unter Verweis darauf, dass dies am OSI bzw. der FU Berlin, der Wirkungsstaette von Bernd Rabehl, durchaus moeglich ist - um eine Stellungnahme gebeten. Dieser Bitte seid Ihr bislang nicht nachgekommen.

Wir hatten Euch angeschrieben, weil Bernd Rabehl in der Funktion eines Vertrauensdozenten in der HBS taetig ist und in diesem Zusammenhang - von der Begutachtung bis zur Betreuung - nicht nur fuer zahlreiche Studierende ein Ansprechpartner ist, sondern Studierende sich darueber hinaus nolens volens in einem Verhaeltnis der funktionalen Abhaengigkeit zu ihm befinden.

Es ist nicht auszuschliessen, dass Bernd Rabehl die ihm sehr dringlichen Fragen des Verhaeltnisses zur "Nation", zu "Partisanenstroemen", zur "angeblichen Multikultur" und zur Notwendigkeit des Durchbrechens diesbezueglicher "Denkverbote" auch und gerade in seiner Funktion als "Wissenschaftler" - und als solcher tritt er ja wohl fuer die Stiftung auf - thematisiert. Auf den notwendigen Zusammenhang von Wissenschaftlichkeit, zu deren Kriterien bekanntlich Wahrheit zaehlt, gesellschaftspolitischer Einbindung von Wissenschaft und individueller Verantwortung brauchen wir an dieser Stelle nicht laenger einzugehen. Da sich Wissenschaftlichkeit und politisches "Interventionsbeduerfnis" in seinen Positionen in einer Weise durchdringen, die sich sowohl mit den Grundsaetzen der HBS nicht vertraegt, als auch dem Vertrauensverhaeltnis zwischen ihm und von ihm zu betreuenden Studierenden, die seine Behauptungen nicht teilen, nicht dienlich ist, halten wir es nach wie vor fuer geboten, dass die HBS hierzu Stellung nimmt.

Sehr verwundert sind wir daher, dass die HBS auf diese Anfrage bislang nicht einmal reagiert hat, sondern es vorgezogen hat, den Skandal auszusitzen.

Wie uns von StipendiatInnen aus Berlin mitgeteilt wurde, hat auch ihre Anfrage in der gleichen Angelegenheit zu keiner eigenstaendigen expliziten Stellungnahme gefuehrt: Die Stiftung zog es vielmehr vor, um die politischen Implikationen einen Bogen zu schlagen und den Brief der BerlinerInnen schlicht an Bernd Rabehl weiterzuleiten - auf dass dieser ausgerechnet mit seinen eigenen StipendiatInnen direkt verhandele. Die Stiftung beschied des weiteren, dass die ganze Angelegenheit eine Frage der "freien Meinungsaeusserung" sei und zog es dann vor zu schweigen. Da sich diese "freie Meinungsaeusserung" jedoch mit den Positionen einer Gewerkschaftsstiftung nicht vertragen duerfte, darf das Recht auf freie Meinungsaeusserung allerdings keinesfalls dazu fuehren, dass eine politische Auseinandersetzung umgangen wird.

Diese Auseinandersetzung halten wir nicht nur aus "innerorganisatorischen" Gruenden fuer dringend geboten, sondern weil mit den Positionen von Bernd Rabehl zentrale gesellschaftspolitische Probleme angesprochen werden. Dies betrifft insbesondere seinen durchgaengigen Bezug auf einen voelkisch unterlegten Nationalismus. Der Nationalismus - gleich welcher Provenienz und Auspraegung - erkennt den Primat des Nationalen fuer die Begruendung des Handelns an. Zu was dies fuehrt, liess sich in der juengsten Vergangenheit und an aktuellen Auseinandersetzungen feststellen:

  • Kampagnen wie denen der CDU gegen die doppelte Staatsbuergerschaft, mit denen auch Wahlen gewonnen werden, liegen u.a. fremdenfeindliche Ressentiments, Ausgrenzungen, Vorurteile gegen die "Multikultur" etc. zugrunde, wie sie auch Bernd Rabehl bemueht.
  • Geradezu idealtypisch scheint die Uebereinstimmung zwischen den Rabehlschen Horrorszenarien ueber kriminelle, auslaendische "Partisanentrupps" und der medialen Berichterstattung ueber die Protestaktionen eines Teils der KurdInnen anlaesslich der ungeklaerten Umstaende der Verhaftung Oecalans vorzuliegen, mit der das gesamte Anliegen einer politischen Loesung des Kurdenkonflikts diffamiert wurde.
  • Nationalistische und rassistische Motive kennzeichnen die politische Orientierung rechtsextremer Jugendlicher. Sie ist bekanntlich unter gewerkschaftlich organisierten Jugendlichen haeufiger anzutreffen als unter Nicht-Organisierten.

In einer solchen gesellschaftspolitischen Situation darf eine Stiftung wie die HBS, die den gewerkschaftlichen Standards der internationalen Solidaritaet und der Demokratie verpflichtet ist, nicht schweigen! Schon einmal in der Geschichte hat das weitgehende Schweigen der Gewerkschaften zu den Praemissen und Konsequenzen einer autoritaeren Krisenloesung im nationalen Rahmen zu einer Katastrophe gefuehrt. Die bedingungslose Unterzeichnung eines Paktes fuer Arbeit, also die Akzeptanz eines "nationaloekonomischen" Handlungs- und Verteilungsrahmens, war eine der Voraussetzungen fuer die Politik der Aggression nach aussen und der Vernichtung im Inneren.

Bernd Rabehl knuepft ungebrochen an die Konstruktion einer deutschen Volksidentitaet an, in der 'der Andere' notwendig als Fremder gesetzt ist. Von dort ist es nur noch ein kleiner Schritt zu Carl Schmitts innerstaatlicher Feinderklaerung. Dass der ADGB bei aller Anbiederung an die "nationalsozialistische Erneuerung" am 2. Mai 1933 endgueltig zum inneren Feind erklaert und zerschlagen wurde, und die Vertretung der Lohnabhaengigen-Interessen fortan durch die DAF erfolgte, sollte der HBS in diesem Zusammenhang wohl zu denken geben.

Deshalb appellieren wir nochmals dringend an Euch, zu dem Fall Rabehl Stellung zu nehmen. Andernfalls muessen wir davon ausgehen, dass die Stiftung hinter Bernd Rabehl mitsamt seiner freien Meinung stehen bleiben moechte.

Mit kollegialen Gruessen
Die express-Redaktion und die UnterzeichnerInnen*

*) Es wird gebeten diesen Brief zu unterzeichnen und an die Böckler-Stiftung zu schicken.

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