Betrieb & Gewerkschaft
Auf jeden Fall muss
Bericht von der Veranstaltung des Solikreises für die von Gewerkschaftsausschlüssen bedrohten KollegInnen bei Daimler Berlin- Marienfelde

von lesender arbeiter

06/10

trend
onlinezeitung

Mehr als 150 GewerkschafterInnen hatten sich am Samstagabend auf einer Veranstaltung mit oppositionellen Gewerkschaftern solidarisiert, denen Sanktionen drohen.  So hat die Berliner IG Metall ein Untersuchungsverfahren gegen Mitglieder aus dem Daimler-Werk in Berlin-Marienfelde eingeleitet, weil diese auf alternativen Listen zur offiziellen IG Metall-Liste zum Betriebsrat kandidiert haben. Die „Alternative offene Liste“ zog mit fünf von 21 Sitzen in den Betriebsrat ein. Hinzu kommt ein Sitz für die Liste „Faire Basis“. Alle IG-Metall-Mitglieder, die auf diesen oppositionellen Listen kandierten, müssen nun mit Funktionsverboten oder gar den Gewerkschaftsausschluss rechnen.

Hakan Göggoz, einer der Betriebsräte der Alternativen, ist davon nicht betroffen. Er hat erst nach seiner Kandidatur seine IG-Mitgliedschaft beantragt, aber noch keine Antwort erhalten. Göggoz berichtet, dass die IG-Metall-Mehrheit den oppositionellen Vertrauensleuten die Bestätigung verweigert. Das Betriebsratsmitglied beim Berliner Siemens-Schaltweg Felix Weitenhagen nannte die Unvereinbarkeitsbeschlüsse der IG-Metall gegen linke Organisationen ein Relikt des Kalten Krieges, das innerhalb der Gewerkschaften zunehmend in die Kritik gerät. Trotzdem sei diese Praxis in der letzten Zeit noch verschärft worden.

Welche Einheit?

Der Journalist und langjährige Gewerkschafter Eckart Spoo setzte sich mit dem Vorwurf auseinander, die Oppositionellen würden die Einheit der Gewerkschaft gefährden. Zur Einheitsgewerkschaft gehören historisch auch sozialistische und kommunistische Positionen. Wenn die IG-Metallmehrheit im Betriebsrätewahlkampf den Oppositionellen Antikapitalismus vorwirft, würde diese Einheit von rechts in Frage gestellt, kritisierte Spoo. Auch der Daimler-Betriebsrat in Untertürkheim Tom Adler wiederlegte den Vorwurf, eine kämpferische Politik schade der Gewerkschaft. Im Gegenteil hätte die IG-Metall überall dort gute Ergebnisse abgeschnitten, wo kämpferische Positionen vertreten wurden. Wo die Gewerkschaft für Co-Management bekannt sei, hätte sie dagegen schlechte Ergebnisse erzielt.

Für kämpferische Politiker

Gewerkschafter aus dem Publikum bekundeten ihre Unterstützung für die Oppositionellen und betonten ihre Forderung nach einer kämpferischen Gewerkschaftspolitik. „Viele Kollegen erklären, dass sie für die Durchsetzung von Lohnkürzungen keine Gewerkschaften brauchen. Für die Verteidigung von Arbeiterrechten aber sehr wohl“, brachte ein IG-Metaller die Stimmung der Basis auf den Punkt. Als eine zentrale Frage sehen die linken Gewerkschafter die Wiederaufnahme des Kampfes um eine Verringerung der Arbeitszeit. Die Forderung nach der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich prangte auf einem Transparent neben dem Podium.

Unterstützung bekommen die Oppositionellen aber nicht nur aus dem Gewerkschaftsspektrum. Der Sprecher des Bündnisses „Wir zahlen nicht für Eure Krise“ Michael Prütz kündigte an, die Gewerkschaftslinken werden am 12. Juni an der Spitze der Krisendemonstration in Berlin gehen, und einen zentralen Redner stellen.
 

Editorische Anmerkung

Wir erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe. Siehe auch den entsprechenden Artikel in der letzten Ausgabe IGM - KollegInnen bei Daimler Berlin von Gewerkschaftsausschluss bedroht