Plauen: Rechtswidriges “police private partnership“

von
Ralf Hering

09/10

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Im sächsischen Plauen hat die Stadtverwaltung eine Sicherheitsfirma mit der Durchsetzung ihrer “verschärften Polizeiverordnung“ beauftragt. Die “Security-Leute“ sollen die “Brennpunkte“ der Stadt kontrollieren und Polizei und Ordnungsamt aktiv bei ihrer Arbeit unterstützen: “Drohende Verwarn- und Bußgelder sowie Platzverweise sollen den City-Zechern und Freiluftpinklern den Spaß verderben“; auch stellten “Punks auf Bänken und in Parks“ ein Problem dar, heißt es hierzu aus dem Rathaus. (freiepresse.de, Plauener Zeitung, 26.08.10)

Bei diesem Modell handelt es sich um 100%ges “police private partnership“ (ppp), einem behördlich-privaten Sicherheitsverbund, welcher für öffentliche Sicherheit und Ordnung sorgen soll. Die Rechtsgrundlage hierfür soll der Vertrag zwischen der Stadt Plauen und der Sicherheitsfirma bilden. Kritiker und Juristen halten derartige ppp-Modelle für rechtswidrig, weil hierbei das Gewaltmonopol, der Art. 33 Abs. 4 Grundgesetz sowie der Datenschutz ignoriert werden.

Der Lobbyverband der Sicherheitswirtschaft, der Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen (BDWS) e.V., vertritt hierzu folgende Meinung: “Sicherheitsaufgaben vs. Gewaltmonopol: Dabei liegt das Gewaltmonopol beim Staat und das ist richtig so. Private Sicherheitsdienstleister haben keine Befugnisse, die über das Jedermannsrecht hinausgehen. Für die Aufgabenerfüllung und auch im Sinne des polizeilichen Präventionsgedankens ist das ausreichend. Schützen durch Präsenz und Deeskalation lautet das Motto. Das Prinzip ist: ’Rausgehen und nach dem Rechten schauen.’“

Der Lobbyverband der Sicherheitswirtschaft, der Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen (BDWS) e.V., vertritt hierzu folgende Meinung: “Sicherheitsaufgaben vs. Gewaltmonopol: Dabei liegt das Gewaltmonopol beim Staat und das ist richtig so. Private Sicherheitsdienstleister haben keine Befugnisse, die über das Jedermannsrecht hinausgehen. Für die Aufgabenerfüllung und auch im Sinne des polizeilichen Präventionsgedankens ist das ausreichend. Schützen durch Präsenz und Deeskalation lautet das Motto. Das Prinzip ist: ’Rausgehen und nach dem Rechten schauen.’“

Lars Legath von der Linkspartei sprach von einer verschärften Polizeiverordnung, mit deren Hilfe künftig vor allem Jugendliche aus der Innenstadt vertrieben werden könnten. Damit bezog er sich auf den Paragraphen acht des Papiers. Danach ist es verboten, mit Rollschuhen, Rollerskates, Skateboards, Fahrrädern oder mit anderen Spiel- oder Sportgeräten auf öffentlichen Straßen und Anlagen umherzufahren, wenn dadurch Personen gefährdet oder belästigt werden.“ (Plauener Zeitung, 26.08.10) 

“Der Kampf gegen Kriminalität und andere Formen ‘abweichenden Verhaltens‘ ist dabei nur ein Aufgabengebiet.“ (Zitat: Harald Olschok in DER SICHERHEITSDIENST, DSD, Verbandsorgan des BDWS e.V., 2/03, S. 25) 

“Olschok rechnet auch damit, dass Wach- und Sicherheitsunternehmen bundesweit weiterhin vom Trend zur so genannten Fremdvergabe etwa von Überwachungsaufgaben profitieren werden. (…) Zudem erwartet Olschok, dass auch die öffentliche Hand Sicherheitsaufgaben weiterhin zunehmend an private Anbieter vergeben wird. Dazu würden klamme Kassen viele Städte und Gemeinden förmlich zwingen, sagte der Sicherheitsexperte.“ (Harald Olschok, Hauptgeschäftsführer des BDWS e.V. in YAHOO! Nachrichten vom 06.07.04 “Mit Sicherheit Wachstum - Wachdienste wollen weiter zulegen“)

Übernahme “hoheitlicher Tätigkeiten“ durch private Sicherheitsdienste

In Plauen gehen die Befugnisse der “Hilfs-Sheriffs“ weit über die sog. “Jedermannsrechte“ (Notwehr, Nothilfe u. vorläufige Festnahme bei vorliegen einer Straftat) hinaus. Mit “beobachten, erkennen und melden“ – und somit lediglich das “Auge und Ohr“ der Ordnungsbehörden zu sein - ist die Arbeit der Privaten im Städtchen nicht getan. Der private Sicherheitsdienst stellt Ordnungswidrigkeiten fest und verteilt Buß- und Verwarngelder sowie Platzverweise. Dazu werden die Personalien der Betroffenen festgestellt. Weigern sich die Betroffenen den Weisungen und Forderungen des Sicherheitspersonals nachzukommen, wird mit der Polizei gedroht.
Gerade Personalienfeststellungen und Platzverweise sind aber Eingriffe in die Grund- und Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger, die nach dem Gesetz nur Amts-/Hoheitsträgern vorbehalten sind. Darüber hinaus ist man in einigen Innenministerien der Länder der Rechtsauffassung, dass bereits Streifengänge im öffentlichen Raum hoheitliches Handeln darstellen und deshalb einer Rechtsgrundlage bedürfen. Diese existiere jedoch für private Sicherheitsdienste nicht. Schon häufiger haben die Innenministerien in ihren Schreiben an Städte und Gemeinden auf diesen Punkt hingewiesen.

Kritik am Plauener ppp-Modell

Dies und anderes geht einigen Stadträten beim Plauener ppp-Modell zu weit: Die Sicherheitsleute gingen bisweilen aggressiv und wenig zimperlich vor, mitunter hätten sie sogar Hunde an ihrer Seite, sagt Costantin Eckner (FDP). "Wir sollten uns jedoch um mehr Toleranz bemühen und versuchen, ohne die schwarzen Sheriffs auszukommen.", so der Liberale.

Lars Legath von der Linkspartei sprach von einer verschärften Polizeiverordnung, mit deren Hilfe künftig vor allem Jugendliche aus der Innenstadt vertrieben werden könnten. Damit bezog er sich auf den Paragraphen acht des Papiers. Danach ist es verboten, mit Rollschuhen, Rollerskates, Skateboards, Fahrrädern oder mit anderen Spiel- oder Sportgeräten auf öffentlichen Straßen und Anlagen umherzufahren, wenn dadurch Personen gefährdet oder belästigt werden.

Wer kontrolliert die privaten Kontrolleure?

Das Plauener ppp-Modell, der Einsatz der privaten “Hilfs-Sheriffs“ im Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, gibt Anlass zu Sorge und Kritik. Die Stadt Plauen reicht ihr Gewaltmonopol an eine Sicherheitsfirma weiter, die nun relativ unkontrolliert ihr eigenes – profit- und interessenorientiertes – Ordnungsrecht durchsetzen kann.
Während Beamte und Angestellte der Ordnungs- und Sicherheitsbehörden eine Eingriffsgrundlage bzw. Befugnisnorm benötigen um in die Grund- und Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger einzugreifen, existiert diese “Schutzhürde“ für die Privaten nicht. Wahlweise kann der von der Stadt Plauen beauftragte private Sicherheitsdienst nun die Polizeiverordnung durchsetzen oder auch “unterschwellig“ agieren - Kritiker sprechen bereits von einer “privaten Hausordnung“ für den öffentlichen Raum.

Widerspruch gegen Grundrechtseingriffe (z.B. Platzverweise) durch die Sicherheitsfirma ist übrigens nicht möglich, da es sich hierbei nicht um einen Verwaltungsakt handelt; “Private Ordnungsmaßnahmen im öffentlichen Raum“ existieren im öffentlichen Recht gar nicht!

Somit stellt sich die Frage nach einer (öffentlichen) Kontrolle der Plauener “Hilfs-Sheriffs“: Wer schützt die Bürgerinnen und Bürger vor “Willkür-Maßnahmen“ dieser Sicherheitsfirma?

Generell werden Sicherheitsfirmen durch die zuständigen Ordnungs- und Gewerbeaufsichtsämter kontrolliert. Diese müssen auch Beschwerden bearbeiten. Bei Strafanzeigen (z.B. Körperverletzungsdelikten u. Nötigung) gegen die “Security-Leute“ müsste die örtliche Polizei ermitteln. Dumm nur, dass ausgerechnet Polizei und Ordnungsamt zur Zusammenarbeit mit dem privaten Sicherheitsdienst verpflichtet sind und sie als Teil des ppp-Modells “ihren Hilfs-Sheriffs“ dienstliche “Rückendeckung“ geben müssen.

Der Aufgabenbereich des privaten Sicherheitsdienstes ist ebenso “schwammig“ wie Teile der “verschärften Plauener Polizeiverordnung“. Lars Legath hat auf die Möglichkeit hingewiesen, dass nach der neuen Verordnung beispielsweise spielende Kinder “aus dem Verkehr gezogen werden können“, wenn sich dadurch Jemand belästigt fühlt (§ 8 des Papiers).

Beim Plauener ppp-Modell kommt der Betrachter nicht umher festzustellen, dass – defakto - den Bürgerinnen und Bürgern Rechte genommen werden und im Gegenzug den privaten “Hilfs-Sheriffs“ - unzulässiger Weise – Befugnisse zugesprochen werden. Und damit lässt die Stadt Plauen ihre Bürgerinnen und Bürger “im Regen stehen“, frei nach dem Motto: “Seht selber zu, wie ihr damit klar kommt!“

police private partnership: Die Bürger als ”Versuchskaninchen“

Die Privatisierung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung treibt hierzulande seltsame Blüten. Die Bürgerinnen und Bürger werden zu “Versuchskaninchen“ degradiert und müssen zudem ihr “Versuchslabor“ auch noch selber bezahlen; “police private partnerships“, die den Menschen als ein “Plus“ an Sicherheit “verkauft“ werden entpuppen sich schnell als Mogelpackung: Statt der versprochenen öffentlichen Sicherheit gibt’s “private Ordnung“, Kontrolle und Vertreibung im öffentlichen Raum, wie beispielsweise aus Norderstedt berichtet wird (siehe link im Textanhang). Statt den mittels ppp erhofften Einsparungen von öffentlichen Geldern werden die Steuerzahler doppelt zur Kasse gebeten, wie der Bund der Steuerzahler (BdSt) moniert: Sie müssen zusätzlich zu den Beamten und Angestellten der Sicherheits- und Ordnungsbehörden nun auch noch Sicherheitsfirmen finanzieren.

Aus Sicht mancher Bürgerrechtler besteht die Gefahr, dass die an ppp beteiligte Sicherheitsindustrie ihre Machtposition dazu missbraucht um in Innenstädten und Einkaufsstraßen die Ordnungswünsche ihrer Privat- und Geschäftskunden umzusetzen.

Regelmäßig werden - mit Verweis auf “Hausrecht und Hausordnung“ - in “Shopping-Malls“ und Einkaufszentren “konsumfremde Aktivitäten“ (z.B. Gewerkschaftsaktivitäten u. Betteln) unterbunden. Immer wieder fallen Security-Dienste auf die über den Hausrechtsbereich hinaus für Ordnung sorgen und beispielsweise Straßenbettler, -musikanten und Jugendliche vertreiben. Häufig werden dazu vom Sicherheitspersonal (öffentliche) Befugnisse vorgetäuscht und Betroffenen mit der Polizei gedroht. Der Wunsch privater Sicherheitsdienste im öffentlichen Raum “aufzuräumen“ ist also da.

Für die Allgemeinheit wird es aufgrund der öffentlichen Beauftragungen von Sicherheitsfirmen immer schwieriger zu erkennen was die “Privaten“ dürfen und wo ihre sachlichen und örtlichen Zuständigkeitsgrenzen liegen.
Alleine die Tatsache, dass private Sicherheitsdienste nicht dem Gemeinwohl verpflichtet sind, sondern - fast immer – privatwirtschaftliche “Kundeninteressen“ durchsetzen müssen verbietet die Wahrnehmung von Ordnungsaufgaben im öffentlichen Raum. Fest steht: Wirtschaftliche Abhängigkeitsverhältnisse zwischen privaten Auftraggebern, Sicherheitsunternehmern und Sicherheitspersonal orientieren sich nicht an den Grundrechten der Bürgerinnen und Bürger.

Die Polizei hat schon lange ihre Vorbehalte gegenüber privaten Sicherheitsdiensten aufgegeben und kooperiert heutzutage bundesweit mit diesen. Für einzelne Städte und ganze Bundesländer existieren zahlreiche Kooperationsverträge zwischen der Polizei und dem BDWS.

Für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet das, dass ihnen bei Konflikten mit privaten Sicherheitspersonal hinzugezogene Polizeibeamte nicht mehr “neutral“ gegenüberstehen.

Als Problematisch für die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Sicherheitsindustrie erweist sich auch folgender Punkt: Sicherheitsfirmen leben von Kriminalität und Ordnungsproblemen – je mehr desto besser für’s Geschäft. Häufig gehen die Meinungen der Polizei und des Sicherheitsgewerbes hierüber weit auseinander. Bereits in der Vergangenheit hatte sich die Polizei darüber beklagt, dass die Branche – aus Profitstreben – bewusst Angst und Unsicherheit in der Bevölkerung verbreitet.

In Bad Godesberg hat kürzlich die “Citystreife“ der Firma DTH-Security “Alarm geschlagen“. Die Polizei konnte jedoch eine veränderte Sicherheitslage und einen Anstieg der Kriminalität in Bad Godesberg nicht bestätigen und kritisierte die öffentlichen Aussagen der Sicherheitsfirma hierzu. (General-Anzeiger Bonn, 18.08.10)

Von police private partnerships, von Sicherheitsfirmen die als Vertragspartner der Polizei und gegen Bezahlung für öffentliche Sicherheit und Ordnung sorgen, ahnte man vor über 30 Jahren noch nichts. Um so erstaunlicher ist dazu die Aussage des Hamburgische Rechtsproffessor Hoffmann-Riehm aus dem Jahr 1977. Er dachte damals laut über die Zukunft des Sicherheitsgewerbes nach und meinte: "Vielleicht könnte es in Zukunft eine 'große Familie' privater Sicherheitsdienste geben, einen 'Clan', der Schutz verspricht, aber Macht meint"!

Textquellen/Links:

Hilfs-Sheriffs auch nächstes Jahr in der City (freiepresse.de, Plauerner Zeitung, 26.08.10)
http://www.freiepresse.de/NACHRICHTEN/REGIONALES/VOGTLAND/PLAUEN/7457419.php

Norderstädt: Vertreibung durch Pütz Security (trend onlinezeitung 09/10)
http://www.trend.infopartisan.net/trd0910/t030910.html

Streit um Schwarze Sheriffs (Infoarchiv Norderstädt, 25.08.10)
http://www.infoarchiv-norderstedt.org/dataview.action?categoryId=news&articleId=1282771859081

Kein Ort für Jugendliche (taz Nord, 01.09.10)
http://www.taz.de/1/nord/artikel/1/kein-ort-fuer-jugendliche/

Kriminalität in Godesberg: Ein Problem, zwei Meinungen (General-Anzeiger Bonn, 18.08.10)
http://www.general-anzeiger-bonn.de/index.php?k=loka&itemid=10490&detailid=775033


Mehr Informationen zum Thema:

Die private Stadtpolizei (Indymedia, 22.05.10)
http://de.indymedia.org/2010/05/281971.shtml

Staat und Sicherheitswirtschaft: Gemeinsam gegen das Gewaltmonopol der Bundesrepublik (trend onlinezeitung 12/04)
http://www.trend.infopartisan.net/trd1204/t021204.html


Mit Sicherheit in der Krise? (Neues Deutschland, 28.08.10)
http://www.neues-deutschland.de/artikel/178438.mit-sicherheit-in-die-krise.html  

Sicherheit im städtischen Raum
Sicherheitsbranche zwischen Niedriglohn und Law-and-Order-Praktiken (Telepolis, 28.08.10)
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33209/1.html

Die private Stadtsicherheit... (trend onlinezeitung 08/04)
http://www.trend.infopartisan.net/trd0804/050804.html
 

Editorische Anmerkungen

Den Artikel erhielten wir Autor für diese Ausgabe.