Texte
zur antikapitalistischen Organisations- und Programmdebatte

09/11

trend
onlinezeitung

Es gibt einen Überblick über alle bei TREND 2011 veröffentlichten Texte zur Debatte über Organisation und Programm, angeregt durch die "Sozialistische Initiative Berlin" (vormals Berlin-Schöneberg)

Ein Kommentar zum Artikel der 'Gruppe Arbeitermacht' (GAM) im Rahmen der SIB-Diskussion

von Frank Braun

Liebe GenossInnen von der Gruppe Arbeitermacht (GAM),

in Eurer Stellungnahme zur SIB-Initiative erwähnt Ihr auch die SoKo und eine ihrer programmatischen Aussagen zum Thema ‚antikapitalistischer Pol’. Ich selber arbeite in der SoKo und verstehe durchaus, was ihr meint, wenn ihr die relative Begrenztheit von offenen Organisationsmodellen (Netzwerk, Bündnis, etc.) ansprecht. Wohlgemerkt: Relative Begrenztheit !

Denn unser bescheidenes SoKo-Netzwerk, wie andere Netzwerke wahrscheinlich auch, bietet eben doch auch die Möglichkeit über unterschiedliche politische Ansichten hinaus - in strategischen, wichtigen taktischen Fragen und auch in ideologischen Fragen - gemeinsam zu beraten und dennoch eine planvolle antikapitalistische Praxis zu entwickeln. Solidarisches und respektvolles Miteinander ist ein hohes Gut und hilft Bodenhaftung zu behalten, weil du immer wieder erklären mußt, was du zu wissen glaubst.

Leute dagegen, die allzu früh ihren Parteiladen eröffnen, grenzen diese Möglichkeiten des Austauschs mit anderen ein. In der Konsequenz verbohren sie sich oft im eigenen Orgakram und neigen dazu, ihr Grüpplein als den Nabel der Welt zu sehen - vielleicht sogar, ohne daß die Individuen das bewußt wollen. Nicht wahr, liebe GenossInnen von der Gruppe Arbeitermacht (GAM) ?

„Alles zu seiner Zeit !“

Außerdem, was uns in der SoKo seinerzeit auch veranlaßte, uns als antikapitalistisches Netzwerk zusammenzufinden, war ja, daß der überwiegende Teil derer, die sich als antikapitalistische, sozialistische oder kommunistische Linke sehen, in 2007 der allgemeinen PDL-Besoffenheit anheim gefallen war und ganz ‚vergessen’ hatte, neben einem mehr oder minder exklusivem Engagement in dieser Partei einen solchen gemeinsamen antikapitalistischen Attraktionspol außerhalb zu schaffen.

Jenen Attraktionspol eben, der sich nicht ständig der Erpressungsmanöver aus dem Karl-Liebknecht-Amt erwehren muß, weil Gysi & Co. scharf sind auf ‚rot-rot-grün’ und damit einer Bestätigung ihrer reformistischen Option.

Falsch ist, glaube ich, Eure Feststellung, daß die verschiedenen Seilschaften im Umfeld der und in der PDL bereits gescheitert sind. Sie sind gescheitert, wenn das Projekt PDL gescheitert ist. Derzeit fechten die doch unverdrossen um Posten und Pöstchen. Vor allem Gruppen mit trotzkistischer Kanonisierung geben sich auf diesem Gebiet ein Stelldichein. Übrigens hat auch so manche/r Genosse/in aus der DKP zwei Mitgliedschaften und ist froh, wenigstens für ein paar Stunden in der Woche, der eigenen Parteilangeweile entrinnen zu können.

Aber die Schwäche dieser Entristen/Doppelgänger ist ja die Schwäche des Projekts PDL. Denn isl, SAV, Marx21 o.ä. zerlegen sich entsprechend der konjunkturellen Auf- und Abschwünge in der Entwicklung der PDL. Das für sie Fatale ist dabei nur, sie sitzen sich das Gesäß breit, ernten aber nichts antikapitalistisch Substanzielles, sondern nur ein paar Parlamentsmandate. Ich finde den eher auf Breite angelegten Begriff ‚antikapitalistische Organisation’ im ersten Aufschlag der SIB zwar nicht sehr originell, aber doch ganz passend. Wichtig sind dann vor allem die in Folge zu erarbeitenden antikapitalistischen politischen und ideologischen Essentials, für die verbindlich, kollektiv, solidarisch und praktisch eingestanden werden muß.

Meine von Euch angesprochene Genossin, Edith Bartelmus-Scholich, mag sich irren, wenn sie glaubt, nach einer „Theorie der gewaltfreien Konfliktlösung“ suchen zu müssen. Ich kenne Edith wie andere Pazifisten aber als entschlossene antikapitalistische KämpferInnen und mir würde nie in den Sinn kommen, wegen dieser Differenz, die Idee einer gemeinsamen Organisation mit denen zur Disposition zu stellen.

Umgekehrt wird ein Schuh draus ...

Es müssen jene Bedingungen geschaffen werden, die ausreichen, alle, aber auch wirklich alle, die den revolutionären Bruch mit den herrschenden Verhältnissen herbeiführen und keine Mitwirkung am Krisenmanagement akzeptieren wollen, in einen produktiven Dialog zu bringen. Ist es das, was Euch, liebe AutorInnen von der Gruppe Arbeitermacht (GAM), nicht gefällt ? Weil Ihr erklären müßtet, was Ihr zu wissen glaubt ?

Übrigens, ihr argumentiert methodisch ziemlich unsauber - ich glaube gewollt ! Die Feststellung des Scheiterns entristischer Strömungen in der PDL mag ja noch diskutabel sein. Nicht diskutabel ist aber die Tatsache wenn nicht des Scheiterns, so doch aber der, um es milde zu formulieren, der faulenden Stagnation eigentlich aller noch existierenden ‚Parteiläden’ im antikapitalistischen Spektrum, und zwar einschließlich Eures eigenen !

Da zeugt es schon von, sagen wir es so, ‚erheblichem Selbstbewußtsein’, wenn ihr hier im blog Euer eigenes Organisations- und Politikmodell als Vorlage anbietet. Eine Art von ‚Selbstbewußtsein’, die aber nicht wirklich weiterhilft.

Frank Braun, Köln, Mitglied der SoKo, 14.09.2011

Editorische Anmerkung

Den Text erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.