Sozialistische  Vaterlandsverteidigung oder Sozialimperialismus?
Der Nichtangriffsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom  23. August 1939

Der komplette Vertragstext im Wortlaut

09/2019

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Die Deutsche Reichsregierung und

die Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken

geleitet von dem Wunsche die Sache des Friedens zwischen Deutschland und der UdSSR zu festigen und ausgehend von den grundlegenden Bestimmungen des Neutralitätsvertrages, der im April 1926 zwischen Deutschland und der UdSSR geschlossen wurde, sind zu nachstehender Vereinbarung gelangt:

Artikel I.

Die beiden Vertragschliessenden Teile verpflichten sich, sich jeden Gewaltakts, jeder aggressiven Handlung und jedes Angriffs gegen einander, und zwar sowohl einzeln als auch gemeinsam mit anderen Mächten, zu enthalten.

Artikel II.

Falls einer der Vertragschliessenden Teile Gegenstand kriegerischer Handlungen seitens einer dritten Macht werden sollte, wird der andere Vertragschliessende Teil in keiner Form diese dritte Macht unterstützen.

Artikel III.

Die Regierungen der beiden Vertragschliessenden Teile werden künftig fortlaufend zwecks Konsultation in Fühlung zueinander bleiben, um sich gegenseitig über Fragen zu informieren, die ihre gemeinsamen Interessen berühren.

Artikel IV.

Keiner der beiden Vertragschliessenden Teile wird sich an irgend einer Mächtegruppierung beteiligen, die sich mittelbar oder unmittelbar gegen den anderen Teil richtet.

Artikel V.

Falls Streitigkeiten oder Konflikte zwischen den Vertragschliessenden Teilen über Fragen dieser oder jener Art entstehen sollten, werden beide Teile diese Streitigkeiten oder Konflikte ausschliesslich auf dem Wege freundschaftlichen Meinungsaustausches oder nötigenfalls durch Einsetzung von Schlichtungskommissionen bereinigen.

Artikel VI.

Der gegenwärtige Vertrag wird auf die Dauer von 10 Jahren abgeschlossen mit der Massgabe, dass, soweit nicht einer der Vertragschliessenden Teile ihn ein Jahr vor Ablauf dieser Frist kündigt, die Dauer der Wirksamkeit dieses Vertrages automatisch für weitere fünf Jahre als verlängert gilt.

Artikel VII.

Der gegenwärtige Vertrag soll innerhalb möglichst kurzer Frist ratifiziert werden. Die Ratifikationsurkunden sollen in Berlin ausgetauscht werden. Der Vertrag tritt sofort mit seiner Unterzeichnung in Kraft.

Ausgefertigt in doppelter Urschrift, in deutscher und russischer Sprache,

Moskau am 23. August 1939.

Für die deutsche Reichsregierung: J. Ribbentrop
In Vollmacht der Regierung der UdSSR: W. Molotow

Quelle: Politisches Archiv des Аuswärtigen Amtes, f 11/0048-0050. Mikrofilm.

Geheimes Zusatzprotokoll

Aus Anlass der Unterzeichnung des Nichtangriffsvertrages zwischen dem Deutschen Reich und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken haben die unterzeichneten Bevollmächtigten der beiden Teile in streng vertraulicher Aussprache die Frage der Abgrenzung der beiderseitigen Interessensphären in Osteuropa erörtert. Diese Aussprache hat zu folgendem Ergebnis geführt:

  • 1. Für den Fall einer territorial-politischen Umgestaltung in den zu den baltischen Staaten (Finnland, Estland, Lettland, Litauen) gehörenden Gebieten bildet die nördliche Grenze Litauens zugleich die Grenze der Interessenssphären Deutschlands und der UdSSR. Hierbei wird das Interesse Litauens am Wilnaer Gebiet beiderseits anerkannt.
  • 2. Für den Fall einer territorial-politischen Umgestaltung der zum polnischen Staate gehörenden Gebiete werden die Interessenssphären Deutschlands und der UdSSR ungefähr durch die Linie der Flüsse Narew, Weichsel und San abgegrenzt.Die Frage, ob die beiderseitigen Interessen die Erhaltung eines unabhängigen polnischen Staates erwünscht erscheinen lassen und wie dieser Staat abzugrenzen wäre, kann endgültig erst im Laufe der weiteren politischen Entwicklung geklärt werden.In jedem Falle werden beide Regierung diese Frage im Wege einer freundschaftlichen Verständigung lösen.
  • 3. Hinsichtlich des Südostens Europas wird von sowjetischer Seite das Interesse an Bessarabien betont. Von deutscher Seite wird das völlig politische Desinteresse an diesen Gebieten erklärt.
  • 4. Dieses Protokoll wird von beiden Seiten streng geheim behandelt werden.

Moskau, den 23. August 1939.

Für die deutsche Reichsregierung: J. Ribbentrop
In Vollmacht der Regierung der UdSSR: W. Molotow

Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, f 19/182-183. Mikrofilm.

Das Zusatzprotokoll wurde bei der Bombadierung der Reichskanzlei 1945 zerstört. Nach über 50 Jahren der Leugnung dieses Dokuments durch die Sowjetunion bzw. durch Russland wurde es 1993 auf Anweisung des russischen Präsidenten Boris Jelzin aus dem KPdSU-Archiv geholt und veröffentlicht.


Quelle: Wikipedia

Damit war es Hitlerdeutschland möglich, Polen am 1. September 1939 zu überfallen, ohne eine militärische Einkreisung durch die Westmächte befürchten zu müssen.

Nachdem die Rote Armee Ostpolen militärisch besetzt hatte, wurde am 28. September 1939 der Nichtangriffsvertrag  durch den "Deutsch-Sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrag" ergänzt.


Quelle: Wikipedia

Die Vertrag schließenden Parteien waren der Auffassung, dass durch ihre Besetzung Polens der polnische Staat aufgehört hatte zu existieren und die Staatsgewalt auf sie übergegangen sei (Artikel III des Vertrages).

Nach diesen Verträgen stand die Sowjetunion dem faschistischen Deutschland als kriegswichtiger Lieferant sowie als Transitland für Rohstoffe zur Verfügung. In einer Reihe von Wirtschaftsabkommen wurden konkrete Vereinbarungen über Menge und Art der Lieferungen getroffen. Nach dem Ende des deutschen Westfeldzuges besetzte und annektierte - wie im Zusatzprotokoll festgelegt - die Sowjetunion nach einem Ultimatum an Rumänien am 26. Juni 1940 das nach dem Ersten Weltkrieg an diesen Staat verlorene Bessarabien und zusätzlich auch den Nordteil der Bukowina.

Als Hitler-Deutschland am 22. Juni 1941 den Nichtangriffspakt mit dem Überfall auf die Sowjetunion brach, anerkannte diese umgehend die polnische Exil-Regierung und schloss mit ihr am 30. Juli 1941 das "Sikorski-Majski-Abkommen" ab.

Darin erklärte sich die SU bereit, mehrere hunderttausend polnische Staatsbürger freizulassen, die während der Zeit der gemeinsamen deutsch-sowjetischen Besetzung aus Polen in die SU deportiert worden waren.

Drei aktuelle Stellungnahmen zu diesen Ereignissen

Bei TREND bisher dazu erschienen: