Ein Brief
an die Fraktion DIE LINKE in der Bezirksverordnetenversammlung Marzahn-Hellersdorf

von
R
ené Senenko (Hamburg)

10/08

trend
onlinezeitung

hallo,
auf den bei Ihnen veröffentlichten beitrag von dr. dick
"Zwei-Diktaturen-Theorie glorios gescheitert" habe ich heute einen dr. dick unterstützenden brief an die fraktion der Linke im bezirksparlament von marzahn-hellersdorf verfasst, nicht elektronisch, sondern mit der konventionellen post versandt. Vielleicht könnten Sie mein schreiben auf Ihren webseiten veröffentlichen. Beachten Sie bitte dass in meinem brief die zusammenhänge nicht erläutert werden.

Für sich genommen versteht der leser also nicht, um was es geht. Deshalb muss bei veröffentlichung direkt bezug auf dr. dicks beitrag genommen werden, vielleicht durch einen link oder durch eine enstprechende anordnung beider beiträge. Der wortlaut meines briefs siehe nachfolgend.
gruß
rené senenko

Klaus-Jürgen-Dahler
Fraktion DIE LINKE in der Bezirksverordnetenversammlung Marzahn-Hellersdorf
Helene-Weigel-Platz 8
12681 Berlin

Hamburg den 9. Oktober 2008

Peter-Huchel-Straße 

Lieber Klaus-Jürgen Dahnler,

eben erfuhr ich auf Webseiten und durch einen Newsletter von der Ablehnung des Rückbenennungsbegehrens im Fall der jetzigen Peter-Huchel-Straße in Berlin-Hellersdorf. 

Da ich in Hamburg selbst einmal eine Straßenumbenennung angeregt habe und mich seit Jahr und Tag im Vorstand der Willi-Bredel-Gesellschaft mit der Geschichte der Hamburger Arbeiterbewegung und des antifaschistischen Widerstandskampfes in Hamburgs Norden befasse, habe ich den Fortgang der Rückbenennungsinitiative der Peter-Huchel-Straße interessiert verfolgt. Ich halte den Fall wichtiger als er in der Öffentlichkeit allgemein wahrgenommen wird, weil er nicht nur die politische Orientierung der PDL (deren Mitglied im Landesverband Hamburg ich bin) auf der Lokalebene spiegelt, sondern auch rasch zum Präzendenzfall werden kann, - in Ost und West. 

Das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf und eine von ihm eingesetzte Kommission lehnen die Petition des Publizisten und Exilforschers Dr. Antonín Dick mit der Begründung ab, die seinerzeitige Umbennung sei erfolgt, weil der DDR-Kulturpolitiker Alexander Abusch den Redakteur Peter Huchel aus dem Amt verdrängt habe. 

Spätestens mit dem Kenntnisstand nach Prof. Dr. Parkers publizierten Forschungen von 1995 fällt diese damalige Doppelbegründung (Abusch schlecht, weil Huchel gut) in sich zusammen. Ja, böse Zungen könnten argumentieren, Alexander Abusch habe im nachhinein recht gehandelt. 

Bleiben wir sachlich. Die Fakten über Huchels Wirken zur Zeit des Faschismus sind so gravierend, so schlimm dass es an der Zeit ist, Herrn Huchel die Ehre eines Straßennamens wieder abzuerkennen. Es gibt nach dem Kenntnisstand keine Alternative für solch einen Schritt. Ganz offensichtlich hat sich Huchel - nicht wie der Dresdner Rassenhygieniker Rainer Fetscher, der sich weit vor Kriegsende vom NS-Mittäter zum Antifaschisten wandelte und um dessen Straßenname jetzt in Dresden unnötig gestritten wird - bis zur Befreiung unzweideutig der NS-Propaganda verschrieben. Huchel blieb bis zuletzt Nazitäter. Welchen Grund sollte es heute also geben, die Benennung einer Verkehrsfläche nach Huchel beizubehalten? Nach Lage der Dinge hätte bereits nach Bekanntwerden von Parkers Forschungsresultaten der Name Peter Huchels wieder aus dem Straßenbild von Hellersdorf verschwinden müssen. 

Stattdessen ist nun folgende Situation eingetreten. Die Umbenennung von 1992 stellte Abusch und Huchel in ein enges Verhältnis. Wie erwähnt muss Huchel seit vielen Jahren als stark nazibelastet gelten, während Dr. Dicks Expertise ganz offensichtlich eine Rehabilitierung der Lebensleistung von Alexander Abusch verspricht. Da sich heute also das Verhältnis von Täter und Opfer umgekehrt darstellt als im Jahr 1992, sollte - so meine Meinung - Abusch öffentlich eine Wiedergutmachung widerfahren.

Alles andere wären ermunternde Winke für Birthlers Jünger, für Totalitarismusvertreter und Nazis, wäre ein falsches Signal an die junge Generation. 

Sie werden sich fragen, weshalb gerade jemand aus Westdeutschland, wo noch so viele belastete Straßennamen bestehen, sich in dieser Sache zu Wort meldet. Bis vor elf Jahren war die Straße, in der ich wohne, nach dem Tropenhygieniker Peter Mühlens benannt. Prof. Dr. Mühlens war ein Mediziner, der sich nicht zu schade fand, während der Nazijahre Prophylaxeversuche an KZ-Häftlingen von Neuengamme und an psychisch Kranken durchführen zu lassen.

Ich habe seinerzeit die Umbenennung der Straße angeregt. Sie trägt heute den Namen einer einfachen Hamburger Arbeiterin und Kommunistin, die wegen Spendensammelns für die Rote Hilfe von den Nazis zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt worden war und nach dem Tod beider Söhne im Krieg und einer ramponierten Gesundheit noch vor Kriegsende 1944 starb.

Ich bitte Sie dringend, Ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken. Wie sollte man künftighin den Beibehalt des Huchelschen Straßennamens erklären oder gar vertreten, ohne dass dies bei Bürgerinnen und Bürgern, aber auch bei ausländischen Freunden auf Unverständnis stieße?

Mit freundlichem Gruß
René Senenko