Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Faschistische „Friedensliebe“ – Oder eher: Vorliebe für das Folterregime Assads
Rechtsextreme agitieren gegen eine hypothetische Intervention in Syrien. Und, gleichzeitig, für die Erhöhung der nationalen Rüstungsausgaben in Frankreich

10-2013

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Es gibt Behauptungen oder Ideen, die sind so falsch, dass nicht einmal das Gegenteil richtig ist. So verhält es sich etwa mit der vermeintlichen Friedensliebe, die in den letzten Tagen und Wochen immer wieder aus rechten und insbesondere sehr rechten Kreisen vorgetragen wurde. Sie wurzelt in Motive, die nichts mit etwaiger Menschenfreundlichkeit zu tun haben. Deswegen ist jedoch das scheinbar spiegelverkehrte Gegenteil, also etwa eine Befürwortung von Luftschlägen über Syrien, noch keineswegs menschenfreundlicher oder notwendig richtig.
 
Eine militärische Intervention in Syrien scheint im Augenblick wesentlich unwahrscheinlicher geworden als noch zu Anfang des Monats, infolge der Verhandlungen zwischen USA und Russland. Nichtsdestotrotz drängten französische Regierungskreise noch bis vor kurzem auch auf eine militärische Option gegen das syrische Regime, und die Option „bleibt auf dem Tisch“, wie Regierungssprecherin Najaud Vallaud-Belkacem vor kurzem formulierte (http://www.lesechos.f). Etwa für den Fall, dass das Regime in Damaskus keine überprüfbaren Schritte zur Abrüstung seiner C-Waffen unternimmt.  
KORREKTUR zum Artikel  Extreme Rechte mobilisiert gegen eventuelle Syrien-Intervention
Vor kurzem war an dieser Stelle in einer Passage fälschlich zu lesen: „Dies (Anm. BhS: die Position der extremen Rechten zum Syrienkonflikt) ist mit einer rechten, nationalistischen Spielart des Nationalismus zu erklären... Richtig muss es natürlich lauten: „...mit einer rechten, nationalistischen Version des NEUTRALISMUS...“

Die Perspektive eines militärischen Vorgehens gegen Syrien hat viele Gegner, die beileibe nicht alle dieselben Motive aufweisen. Die Opposition kommt aus unterschiedlichen Lagern, in Frankreich waren etwa Anfang September, als eine Intervention noch dicht bevorzustehen schien, in einer Umfrage 64 % gegen ein solches Eingreifen (vgl. http://tempsreel.nouvelobs.com ). Nicht alle politischen Kräfte, die für ein bedingtes oder unbedingtes „Nein“ zu Interventionsplänen trommeln, haben da lautere oder - in welchem Sinne auch immer – pazifistische Motive.

Etwa der rechtsextreme Front National, dessen Wählerschaft zu über 80 Prozent eine Militärintervention in Syrien ablehnt und damit den höchsten Anteil an Gegnern unter den stärkeren Parteien aufweist. Die Rechtspartei darf in ihrem harten Kern getrost als neofaschistisch bezeichnet werden, auch wenn sie ihren Diskurs natürlich für die Bedürfnisse der Wählerwerbung angepasst hat – ihr Symbol ist nach vor die züngelnde Flamme in den drei Nationalfarben, die ursprünglich auf ein Symbol der italienischen Neofaschisten zurückgeht, das die Auffahrt der Seele Benitos Mussolinis darstellen sollte. (Vgl. http://forums.france2.fr/

Anlässlich ihres großen Auftritts am Sonntag, den 15. September in Marseille – Auftakt zum Wahlkampf für die französischen Rathauswahlen im kommenden März - wetterte Marine Le Pen über lange Passagen ihrer Rede hinweg gegen die angebliche „Unterwürfigkeit“ der Politik Präsident François Hollandes gegenüber den USA. In Wirklichkeit preschte allerdings Hollande Ende August dieses Jahres zunächst selbst vor, um ein militärisches Eingreifen in Syrien zu fordern, bevor er durch das Votum des britischen Parlament und kurz darauf den taktischen Rückzieher von US-Präsident Obama ziemlich allein im Regen stehen gelassen wurde. Er vollzog also keineswegs nur eine US-amerikanische Positionierung nach. Die Chefin des Front National tobte, Frankreich unter Führung François Hollandes sei „eine Maitresse der USA“, eine gefügige Geliebte, während doch in Wirklichkeit „die Briten standesamtlich mit ihnen verheiratet“ seien. (Vgl. http://www.lemonde.fr/ )

Nun hat ihre Positionierung allerdings mit Pazifismus, oder mit Antimilitarismus, nicht das Geringste zu tun. In ihrer Marseiller Rede forderte Marine Le Pen auch eine stattliche Erhöhung der nationalen Rüstungsausgaben Frankreichs: Deren Anhebung auf ein Niveau von mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts müsse Verfassungsrang erhalten und im Verfassungstext festgeschrieben werden. Allenfalls geht es ihr um eine Abgrenzung von den USA und um eine Annäherung an Russlands Oberdemokraten Wladimir Putin, welcher bei der französischen extremen Rechten – aufgrund seiner Herrschaftsmethoden, aber auch der verschärften Einwanderungspolitik gegen Kaukasier und Zentralasiaten – viele Anhänger besitzt. Und der gleichzeitig eine schützende Hand über seinen Verbündeten in Syrien hält.

Diese Positionierung setzt ferner jene des Front National seit 1991 zu den Waffengängen im Irak fort: Damals, beim ersten Krieg einer von den USA geführten Allianz gegen den Irak unter Saddam Hussein, hatte Jean-Marie Le Pen – der Vater der jetzigen Parteichefin – nicht nur, wie andere Oppositionsparteien (auf der Linken), die Luftangriffe auf das Zweistromland abgelehnt. Im Unterschied zu den progressiven Oppositionskräften hatte er gleichzeitig offen die Annäherung an die Diktatur Saddam Husseins, die wenige Jahre zuvor noch ein herausragender Kunde der französischen Rüstungsindustrie gewesen war, gesucht. Jean-Marie Le Pen besuchte Saddam Hussein zweimal persönlich, im Oktober 1990 und im Frühjahr 1996. Gleichzeitig nutzte er diese Positionierung, die für manche Beobachter zunächst überraschend kam, da Le Pen senior vor allem für antiarabischen Rassismus gegenüber in Frankreich lebenden Einwanderern sowie seine Vergangenheit bei der Fremdenlegion im Algerienkrieg bekannt war, um politische Verwirrung und Konfusion zu stiften. Im Februar 1991 plakatierte seine Partei in Paris: „Le Pen – der Friede. Mitterrand – der Krieg“. Der sozialdemokratische Präsident François Mitterrand ließ Frankreich damals, anders als es 2003 der Fall war, an der Intervention im Irak teilnehmen.

Marine Le Pen agitierte eifrig gegen den „Bellizisten“, also Kriegstreiber, François Hollande (vgl. Vgl. http://www.lefigaro.fr Auch dies ist eine bekannte Redefigur aus der Geschichte der extremen Rechten, die nichts mit Pazifismus zu tun hat, da ihre Vorläufer in Frankreich in den 1930er Jahren lieber Hitler an der Macht sahen als ein kriegerisches Eingreifen gegen ihn befürworteten - und deswegen gegen „Bellizisten“ (damals vorzugsweise solche mit jüdischen Wurzeln) wetterten.

Nicht zu vergessen: Rechte Aktivisten aus dem Umfeld von Marine Le Pen, besonders der frühere rechte Schläger im studentischen Milieu Frédéric Chatillon (vgl. http://www.lesinrocks.com), knüpften in den vergangenen Jahren enge Beziehungen zu Kreisen der syrischen Diktatur (vgl http://www.liberation.fr/) .

Zuneigung zu Putin… und zu Assad

Ungeahnte Friedensliebe erwacht an manchen Ecken und Enden, wo man sie nicht erwartet hätte. Etwa bei den gewöhnlich eher martialisch auftretenden Anhängern des Bloc identitaire, einer rechtsextremen außerparlamentarischen Aktivistengruppe.

Ihre Mitglieder und Sympathisanten können nicht wirklich als sensible Pazifisten durchgehen. Doch die jüngst verkündeten, und nach einer außenpolitischen Initiative Russlands (zur Rettung seines Verbündeten in Damaskus) wieder verschobenen, Pläne für ein militärisches Eingreifen der USA und Frankreichs in Syrien empören die „Identitären“ gar sehr. In einer E-Mail-Aussendung vom 11. September 13 forderte der Bloc identitaire daraufhin, Barack Obama müsse den Friedensnobelpreis – welcher ihm 2009 verliehen wurde – umgehend zurückgeben. An seiner statt müsse er an Russlands Präsident Wladimir Putin überreicht werden. Putin ist auch aus anderen Gründen, wegen der „Stärkung des Nationalbewusstseins“ und der Staatsmacht auf russischer Seite sowie der verschärften Einwanderungspolitik gegen Kaukasier und Zentralasiaten, ein Vorbild für weite Teile der extremen Rechten. Auch Marine Le Pen, Vorsitzende des Front National, äußerte aus diesen und anderen Gründen wiederholt Lobeshymnen an die Adresse des russischen Staatsoberhaupts.

Front National: 1991 und 2013

Auch beim Front National wuchert eine, nun ja, Friedensliebe. Ungeahnt ist sie nicht gerade, denn die rechtsextreme Partei hat ihre aufmerksamen Beobachter/innen daran gewöhnt, dass sie bei internationalen Fragen erstens eine anti-interventionistische Position einnehmen kann, und dass sie – zum Zweiten – solche Gelegenheiten zu nutzen verstehen, um politische Verwirrung zu stiften. Unvergessen bleiben die Plakate, die der alte Militarist Jean-Marie Le Pen (1957 folterte er im Algerienkrieg noch persönlich) in Paris im Februar 1991 verkleben ließ: „Mitterrand – der Krieg, Le Pen – der Friede.“ Zu dem Zeitpunkt fanden die Flächenbombardierungen der durch die USA angeführten „Allianz“ im Iraq1 statt, die dessen Regime zum Rückzug aus dem besetzten Ölemirat Kuwait zwingen sollten. Anders als 2003 nahm Frankreich damals, 1991, unter dem „sozialistischen“ (hüstel) Präsidenten François Mitterrand, an den militärischen Operationen gegen den Iraq aktiv teil.

Ein Großteil der politischen Linken ergriff damals, richtigerweise, gegen diese militärische Intervention Position: Einerseits wegen der brutalen Folgen für die iraqische Bevölkerung – während die Diktatur damals nicht angetastet wurde -, und andererseits, weil dabei die Ausrüster gegen die von ihnen erst aufgerüstete waffenstarrende Diktatur Krieg führten. Anders als Syrien (das sein Waffenarsenal überwiegend der UdSSR und ihrem Rechtsnachfolger Russland verdankt) war das iraqische Regime in den 1980er Jahren – im Krieg gegen den Iran - aktiv durch die USA, Frankreich, Westdeutschland u.a. hochgerüstet worden. Doch die Position Jean-Marie Le Pens unterschied sich von jener der Linken u.a. in einem fundamentalen Punkt: Im Unterschied zur Hauptströmung in der Linken ergriff er nicht nur Partei gegen die Bombenflüge und –abwürfe der „Allianz“ im Iraq, sondern auch aktiv zugunsten des dort herrschenden Regimes. (Jean-Marie Le Pen besuchte den iraqischen Präsidenten Saddam Hussein zwei mal, im Oktober 1990 und im Mai/Juni 1996.)

Anders als die bürgerlichen Politiker in Frankreich – die damals, 1991 und anders als zwölf Jahre später, überwiegend zugunsten der Angriffe auf den Iraq eintraten – hielt er also einem befreundeten Folterknecht und, bis dahin, guten Kunden der französischen Rüstungsindustrie eisern die Treue...

Marine und Marion

Auch Marine Le Pen macht heute die Agitation gegen den (angekündigten, jedoch bislang nicht durchgeführten und vielleicht – abgesehen vom eigenen Krieg des Regimes gegen die Rebellion - auch nicht stattfindenden) Luftkrieg über Syrien eine Hauptstoßrichtung ihrer Politik.

Anlässlich ihres großen Auftritts am Sonntag, den 15. September 13 in Marseille – vgl. dazu nebenstehenden Artikel – wetterte Marine Le Pen über lange Passagen ihrer Rede hinweg gegen die angebliche „Unterwürfigkeit“ der Politik Präsident François Hollandes gegenüber den USA. (In Wirklichkeit preschte Hollande Ende August d.J. zunächst selbst vor, um ein militärisches Eingreifen in Syrien zu fordern, bevor er durch das Votum des britischen Parlament und kurz darauf den taktischen Rückzieher von US-Präsident Obama ziemlich allein im Regen stehen gelassen wurde. Er vollzog also keineswegs nur eine US-amerikanische Positionierung nach.) Die FN-Chefin tobte, Frankreich unter Führung François Hollandes sei „eine Maitresse der USA“, eine gefügige Geliebte, während doch in Wirklichkeit „die Briten standesamtlich mit ihnen verheiratet“ seien2.

Marine Le Pen agitierte eifrig gegen den „Bellizisten“, also Kriegstreiber, François Hollande3; auch dies eine bekannte Redefigur aus der Geschichte der extremen Rechten, deren Vorläufer in Frankreich in den 1930er Jahren lieber Hitler an der Macht sahen als ein kriegerisches Eingreifen gegen ihn befürworteten und deswegen gegen „Bellizisten“ (damals vorzugsweise solche mit jüdischen Wurzeln) wetterten. Angeblich sei Hollande „noch unterwürfiger gegenüber Obama, als seinerzeit Tony Blair gegenüber George W. Bush“ – ein Vergleich, der wahrscheinlich schwer zu toppen ist.

Auch aus arabischen politischen Kreisen wurden dieser Tage gegenüber dem Verfasser argumentiert, Marine Le Pen habe doch in der Sache Recht, und die Linke dürfe ihr „nicht das Terrain des Antiimperialismus überlassen“ (so ein befreundeter Algerier). Und in vermeintlich linken Kreisen wird Marine Le Pen ebenfalls inhaltlich Recht gegeben. Anfang September 13 wurde etwa auf der orthodox-kommunistischen, stalinistischen Webseite Canempechepasnicolas (der Titel spielt auf ein Lied aus der Zeit der Pariser Commune an) argumentativ eine Lanze für die verschwörungstheoretische Webseite Réseau Voltaire gebrochen.

Rot-braunes Gesocks

Dieses, „rebellisch“ auftretende aber in Wirklichkeit vor allem antisemitische, rot-braune „Netzwerk“ hatten die Reaktion diverser „Kriegsgegner“ zusammengestellt. Am 02. September 13 publizierte es dabei einen Text von Marine Le Pen über Syrien. Die stalinistische „Historikerin“ Annie Lacroix-Riz – auch in antifaschistischen Kreisen früher wegen eines Buches über die französische Unternehmerschaft unter der Besatzung 1940-44 beliebt geworden, selbst wenn ihre Ausführungen um das Thema (die um einen angeblichen Geheimclan kreisen, den sie als „die Synarchie von 1941“ bezeichnet) bereits eine manifeste Affinität eher zu Verschwörungstheorien denn zu Kapitalismuskritik und Antifaschismus aufweisen – argumentiert eifrig dafür. „Wenn Marine Le Pen sagt ,eine Sache ist weiß’“, führte die fanatische Anhängerin eines Parteikommunismus alter Prägung – der jetzige ist ihr zu schlapp – bei Canempechepasnicolas aus, „dann kann ich nicht ,schwarz’ sagen“. Also habe auch eine Äußerung von Marine Le Pen unter denen von Kriegsgegner/inne/n ihren berechtigten Platz, sofern die Politikerin sich nun einmal inhaltlich korrekt zur Frage verhalte.

In Wirklichkeit handelt es sich natürlich um politische Idiotie sondergleichen. Und die Position Marine Le Pens hat weder etwas mit Antiimperialismus, noch das Geringste mit Antimilitarismus zu tun: Frankreich ist ein imperialistischer Staat, man denke nur an die neokolonialen Interventionen des Landes in weiten Teilen Afrikas, und Marine Le Pen fordert den Ausbau und nicht die Verringerung dieser Rolle – nur in stärkerer Eigenständigkeit gegenüber den USA. In ihrer Marseiller Rede vom 15. September 13 fordert sie auch eine stattliche Erhöhung der nationalen Rüstungsausgaben Frankreichs: Deren Anhebung auf ein Niveau von mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts müsse Verfassungsrang erhalten und im Verfassungstext festgeschrieben werden4.

Gegen Qatar

Ihre Nichte, die 23jährige Abgeordnete und Jurastudentin Marion-Maréchal Le Pen, ging in diesen Tagen demonstrieren. Am Montag, den 09. September 13 nahm sie an einer Protestkundgebung vor der Botschaft des Golfstaats Qatar in Paris teil5. Ihre Schärpe, durch die Mitglieder der französischen Nationalversammlung und andere Mandatsträger sich bei öffentlichen Auftritten zu erkennen geben, trug sie allerdings nicht bei sich. Gegenstand der Kundgebung war es, gegen die qatarische Rolle in Syrien zu protestieren, im Namen der Notwendigkeit, die örtlichen Christen zu schützen.

Aufgerufen dazu hatte ursprünglich zunächst die Webseite des Observatoire de la christianophobie – diese „Beobachtungsstelle für Christenfeindlichkeit“, als Antwort auf Vorwürfe der Diskriminierung von Muslimen unter der umstrittenen Bezeichnung Islamophobie konzipiert, ist eine rechtsextreme Initiative gegen so genannte „Inländerbenachteiligung“. Mit Bezug auf den Mittleren Osten mobilisiert sie derzeit lautstark für eine Unterstützung des syrischen Regimes, das als Schutzmacht für die Christen im Lande dargestellt wird – ähnlich hatte die extreme Rechte bereits bezüglich des Regimes von Saddam Hussein, dessen Vizepräsident Tarik Aziz ein Christ war, argumentiert. Als vermeintliche einzige Alternative zu dem Regime wird ein militärischer Sieg von Al-Qaida und verwandten Kräften präsentiert.

Zum Gegenstand ihrer Kritik machte auch Marion Maréchel-Le Pens Tante, Parteichefin Marine Le Pen, die Golfmonarchie Qatar. In der dritten Septemberwoche erregte sie durch ihre Formulierung von „Frankreich, diese(r) Geliebten dickbäuchiger Emire“ – wozu das Land durch die derzeitige Regierung heruntergebracht werde – erhebliches Aufsehen. (Vgl. u.a. http://www.lemonde.fr/)

Rechtsextreme und Linke: unterschiedliche Motivationen gegen einen Militärschlag

Mit den (eher spärlichen) linken Demonstrationen gegen eine mögliche US-amerikanische und französische Intervention in Syrien - die es seit Ende August auch gegeben hat, die aber bislang schwach blieben - hatte die Kundgebung vom 09. September 13 sich (zum Glück) nicht vermischt. Zu offensichtlich unterschiedlich waren die Ausgangspunkte. Regimenahe Syrer unter ihren Fahnen nahmen allerdings an ihr teil.

Sowohl Regimeanhänger als auch Rechte unterschiedlicher Couleur kamen auch zu den ersten Anti-Interventions-Kundgebungen wie jener in Paris am 29. August 13. Sie war zwar von Linken oder Linksnationalisten geprägt, aber Pro-Assad-Leute mischten sich darunter, während die rechtsextreme verschwörungstheoretische Webseite Le Cercle des volontaires ausführlich live von der Kundgebung berichtete. Ein Teil der Linken zog daraus inzwischen die Schlussfolgerung, solchen Kundgebungen entweder fern zu bleiben oder auf einer klaren räumlichen Trennung zu Anhängern des syrischen Regimes ebenso wie zu französischen Nationalisten zu beharren. Als einzige Möglichkeit, inhaltliche Grenzlinien zu ziehen, betrachten viele radikale Linke – die gegen einen Militärschlag eintreten – inzwischen Aufrufe, in denen explizit der politische und militärische Sieg der syrischen Opposition gegen das Regime gefordert wird, bei gleichzeitiger Präferenz für ihre progressiven Teile. Eine Intervention der USA und Frankreichs wird hingegen, mit Recht, als schlechtes Mittel dafür betrachtet.

Ihrerseits hat die extreme Rechte keinerlei Schwierigkeiten, sich positiv auf das Folter-, Panzer- und Giftgasregime in Damaskus zu beziehen, wie zehn und zwanzig Jahre zuvor auf jenes in Baghdad6.

Ablehnend zu einem militärischen Eingreifen Frankreichs in Syrien äußern sich in jüngsten Umfragen durchschnittlich circa 50 Prozent der sozialdemokratischen Wählerschaft, 60 bis 70 Prozent der konservativen und wirtschaftsliberalen – ihre Partei, die derzeit in der Opposition stehende UMP, ist in der Interventionsfrage stark gespalten –, doch über 80 Prozent der rechtsextremen.

Aus verwandten Gründen wie die extreme Rechte machen auch Kräfte am rechten Rand der Konservativen gegen einen, bislang hypothetischen, Syrien-Einsatz Frankreichs und der USA mobil. Die rechtskatholische Abtreibungsgegnerin und frühere Ministerin Christine Boutin etwa organisierte mit ihren Gefolgsleuten am 03. September 13 in Paris ebenfalls eine Kundgebung zum Thema. Und Strukturen der rechts dominierten Protestbewegung gegen die Homosexuellenehe, die das ganze erste Halbjahr 2013 hindurch in Frankreich aktiv war – Ausläufer der Bewegung dauern bis heute an -, fanden sich seit August rund um das neue Protestthema „Syrienkrieg“ wieder zusammen7. La convergence des luttes, also das „Zusammenlaufen der Kämpfe“, um gemeinsam über gesellschaftliche Alternativen jenseits von Teilbereichskonflikten nachzudenken: Die politische Linke versuchte stets seit 1968, diese Idee in Protestbewegungen hineinzutragen. Derzeit arbeitet die Rechte aller Schattierungen aktiv daran.

Anmerkungen

1 Anmerkung: Der Verfasser dieser Zeilen benutzt systematisch die Schreibweise, die in der internationalen Lautschrift üblich ist und einer einigermaßen exakten Transkription aus dem Arabischen entspricht. Die verbreitete deutsche Umschrift „Irak“ ist nämlich schlicht falsch: „q“ und „k“ bezeichnen im Arabischen zwei unterschiedliche Buchstaben, die man vielleicht besser nicht miteinander verwechseln sollte (qalbi bedeutet „mein Herz“, und kalbi hingegen „mein Hund“). Das „q“ steht dabei für einen Gutturallaut – einen hinten in der Kehle ausgesprochenen, dem „k“ ähnlichen Laut - , den es in dieser Form im Deutschen nicht gibt, wohl aber im Arabischen und Hebräischen. Im englischen Sprachraum wird deswegen richtigerweise die Schreibweise „Iraq“ benutzt. Derselbe Buchstabe taucht auch in Namen wie „Qatar“ und „Al-Qaida“ auf. Deswegen sollte auch hier die dummdeutsche Schreibweise mit „K“ besser vermieden werden. Ähnlich verhält es sich mit „Bagdad“, im englischsprachigen Raum richtigerweise eher „Baghdad“ transkribiert: Die Lautkombination „gh“ entspricht einem Buchstaben des arabischen Alphabets, welcher nicht wie „g“, sondern als nicht gerolltes „r“ (wie in Paris, französisch ausgesprochen) gesprochen wird.

4 Vgl. ebenda

5 Vgl. dazu mit Abbildungen: http://www.citizenside.com/fr/photos/

6 Zur Schreibweise vgl. Fußnote Nummer 1.

7 Vgl. dazu ausführlicher, als es an diéser Stelle aus Platzgründen dargestellt werden kann, unter: http://www.lemonde.fr/

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe.