Zum Beitritt der DDR
am 3. Oktober 1990

Kritisches von gestern und heute

ausgewählt von
der TREND-Redaktion

10/2020

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30 Jahre deutsche Einheit: Mehr Mut wagen - für revolutionäre Veränderungen!

Heute vor 30 Jahren trat die Wiedervereinigung Deutschlands in Kraft. Es waren die Massen in der ehemaligen DDR, die die von vielen ersehnte Einheit Deutschlands erkämpft haben. Deshalb feierten die meisten Menschen diesen Tag - die MLPD auch, verbunden mit einer kritischen Bilanz und einem Ausblick auf die Zukunft.

von gos/ms, RF-News

Eine 50-jährige Kölnerin erinnert sich: „Wir waren zu Tränen gerührt. Die unsägliche Mauer, der eiserne Vorhang – alles war weg, beseitigt durch die friedlichen Proteste von Hunderttausenden DDR-Bürgern! Endlich konnten mich meine Verwandten besuchen.“ Ein Tag also zum Feiern, aber auch der Erinnerung daran, wie die Einverleibung der zuletzt bürokratisch-kapitalistischen DDR in den Herrschaftsbereich des deutschen Imperialismus rücksichtslos auf dem Rücken dem Arbeiter und breiten Massen vollzogen wurde.

 

Dieselbe Kölnerin meint: „Die Menschen in Ostdeutschland wurden vom  westlichen Kapitalismus gnadenlos ausgeplündert. Alle sozialen Leistungen meiner Verwandten fielen weg: Statt garantierter Arbeitsplätze – Arbeitslosigkeit. Viele Fabriken wurden dicht gemacht. Westdeutsche Firmen rissen sich nur die Sahnehäubchen unter den Nagel.“ Mit dieser Auffassung steht sie nicht allein. 

Bei ihren Ansprachen zum offiziellen Festakt in Potsdam bemühten sich die Hauptredner Angela Merkel, Frank-Walter Steinmeier und Dietmar Woidke, der Ministerpräsident Brandenburgs, die Leistung der demokratischen Volksbewegung der DDR im Sinne ihres Krisenmanagements umzudeuten. Ihre Reden waren genauso wie viele Medienkommentare der letzten Tage auch eine Reaktion auf die Massenkritik an der trotz Wiedervereinigung aufrechterhaltenen Spaltung zwischen Ost und West.

Merkel beschwört "Zusammenhalt"

Bundeskanzlerin Merkel würdigte den "Mut" der Menschen in der DDR, "die auf die Straße gegangen sind". Ja, dieser Mut war bemerkenswert! Aber was macht Merkel daraus? Angesichts zunehmender Konflikte in der Welt werde Mut auch weiterhin gebraucht - vor allem, um "den Zusammenhalt unserer ganzen Gesellschaft immer wieder einzufordern und dafür zu arbeiten“. 

Den Hunderttausenden, die 1989 für den Sturz des verhassten Stasi-Regimes kämpften, ging es gerade nicht um den "Zusammenhalt" mit der abgehobenen Bürokraten-Clique um Honecker und Co. Ihr Mut war Ausdruck davon, dass die nicht mehr in der alten Weise weiterleben konnten und wollten, dass aber auch die bürokratischen Kapitalisten der DDR in einer tiefen Krise steckten und nicht mehr in der alten Weise weiterregieren konnten. 

Heute gibt es eine beschleunigte Tendenz zur gesamtgesellschaftlichen Krise des imperialistischen Weltsystems. Das ist eine Situation, in der die Arbeiterklasse und die breiten Massen Mut brauchen, Mut zum Kampf für eine revolutionäre Überwindung des Kapitalismus! 

Mit der Beschwörung des "Zusammenhalts" mit den Herrschenden will Merkel dagegen verhindern, dass sich die Massen in ganz Deutschland auch am Vorbild der mutigen Volksbewegung der DDR orientieren und den Kapitalismus insgesamt ins Visier nehmen - und nicht nur seine bürokratischen Auswüchse. Dazu muss der "Zusammenhalt" in der Arbeiter- und Volksbewegung gestärkt werden, gegen jede Spaltung - in Ost- und Westdeutsche, in Beschäftigte und Arbeitslose, Deutsche oder Migranten.

"Die" Ostdeutschen nach rechts gerückt?

Allerdings ereignete sich 1989 keine "Revolution", wie zuletzt Linda Teuteberg von der FDP behauptete.1 Die demokratische Volksbewegung der DDR erkämpfte wichtige Freiheiten und die Wiedervereinigung - diese vollzog sich aber auf kapitalistischer Grundlage. 

In verschiedenen Medienberichten wurde dagegen systematisch Skepsis in die Volksmassen in Ostdeutschland geschürt, die angeblich großteils nach rechts gerückt wären. Sicher, die AfD hat in größeren Teilen Ostdeutschlands höhere Stimmenanteile als im Bundesdurchschnitt; das gilt aber auch für verschiedene westdeutsche Städte. Unterschlagen wird gerne, dass 73 Prozent der Menschen in Ostdeutschland erklären, sie sähen im sogenannten "Rechtsextremismus" eine große Gefahr. In der gesellschaftlichen Polarisierung ist in Ost- wie in Westdeutschland der fortschrittliche Stimmungsumschwung die hauptsächliche Seite. 

Was ist mit der großen "Freiheit"?

Viel beschworen wurde in den Festreden bürgerlicher Politiker heute wieder die angebliche "Freiheit" im heutigen Deutschland. Das ist aber eine der Lebenslügen der Wiedervereinigung! Sicherlich gibt es in Deutschland verschiedene wichtige erkämpfte demokratische Rechte und Freiheiten. Sie werden aber systematisch eingeschränkt, bis hin zu zeitweisen Demonstrationsverboten unter dem Vorwand des Corona-Gesundheitsschutzes. 

Und die wirkliche "große Freiheit" heute - das ist die Freiheit für das allein herrschende internationale Finanzkapital, Menschen auszubeuten, zu entlassen, die Umwelt zu zerstören und so weiter. Die bürgerliche Demokratie suggeriert, dass alle Staatsgewalt vom Volke aus geht - und sichert mit einem ganzen System des Betrugs und der Manipulation die Herrschaft einer kleinen Minderheit über die Mehrheit. Sahen 2017 noch 53 Prozent der Ostdeutschen diese "Demokratie" als beste aller Staatsformen an, so ist es heute noch ein Drittel. 

Lehren für die Zukunft

Unter anderem Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble wiederholte zuletzt die Behauptung, die gesamte Geschichte der DDR sei die eines sozialistischen „Unrechtsstaats“.2 Damit wird die DDR mit der faschistischen Gewaltherrschaft des Hitler-Regimes gleichgesetzt, um jede differenzierte Diskussion zu unterdrücken. Völlig ausgeblendet wird, dass in den Anfangsjahren der DDR großer Enthusiasmus beim Aufbau einer antifaschistisch-demokratischen Ordnung herrschte. Die Stasi-Diktatur unter Honecker hatte auch nichts mit Sozialismus zu tun. Sozialismus bedeutet ja gerade breiteste Demokratie für die Volksmassen, bei Unterdrückung all jener, die Kriege und die alte Ausbeuterordnung wieder einführen wollen. 

Die MLPD feiert den heutigen Tag im Geiste der Arbeitereinheit, des Kampfs gegen den Antikommunismus und für eine sozialistische Alternative. Die MLPD hat mit einem System der Selbstkontrolle und unabhängigen Kontrollkommissionen Lehren gezogen, wie der Sozialismus zukünftig gesichert und weiterentwickelt werden kann.

Quelle: https://www.rf-news.de/2020/kw40/30-jahre-deutsche-einheit-der-mut-der-demokratischen-volksbewegung-und-die-zukunft