Betrieb & Gewerkschaft
Statt Abbau gestalten – gewerkschaftlichen Widerstand organisieren
Aufruf an gewerkschaftlich Aktive, gemeinsam für einen Kurswechsel der Gewerkschaften zu kämpfen

Entschließung des 14. Kongresses der Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken

11-2013

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Alles Schönreden hat nicht geholfen. Seit dem großen Krisenschock kommt die kapitalistische Weltwirtschaft nicht mehr wirklich in die Gänge. Aufschwünge in einzelnen Ländern sind kurzzeitig und werden von Einbrüchen in anderen Regionen beeinträchtigt. Auch der Krisengewinnler, die Deutsche Wirtschaft, konnte seine Position zwar ausbauen, aber vor allem zulasten der südeuropäischen Länder. Als Folge ist die EU in eine Schuldenkrise gestürzt, die schon bald nach Deutschland zurückschlagen wird. Das mühsame „weiter so" der Weltwirtschaft wird mit immer neuen Finanzspritzen an die Reichen und mit Schulden bezahlt.

Die Strategie des deutschen Kapitals, sich mit Reallohnverlust, Niedriglohn und der Ausweitung der prekären Beschäftigung (Agenda 2010) für die internationale Konkurrenz zu wappnen, verlangte bereits viele Opfer in den Reihen der abhängig Beschäftigten, vor allem der Erwerbslosen, der von Hartz IV Betroffenen und der RentnerInnen. Jetzt wird die gleiche Politik auch allen anderen Ländern aufgedrückt (EU-Agenda 2020) und auch bei uns wird die nächste Runde Sozialabbau ebenso vorbereitet wie Betriebsschließungen.

Der Kurs der Gewerkschaftsführungen, sich den Forderungen von Kapital und Regierung anzupassen, schien vordergründig aufzugehen. Die Maßnahmen der Agenda 2010 trafen und treffen vor allem die Randbelegschaften, die meist unorganisiert sind sowie die Erwerbslosen. In der Krise konnten die Stammbelegschaften größtenteils mit Kurzarbeit ruhig gehalten werden. Erneut waren es Hunderttausende LeiharbeiterInnen, die auf dem Altar „Stärkung des Standortes Deutschland" in die Erwerbslosigkeit geschickt wurden. Trotzdem traf es auch Teile der Stammbelegschaften traditioneller Kampfbetriebe, was die Gewerkschaften, vor allem die IG Metall, geschwächt hat.

Die Folge der Zusammenarbeit der Gewerkschaftsführungen mit Regierung und Kapital sind neue Angriffe: Werkverträge als besonders „dreckige" Form der Leiharbeit, Forderungen nach Lohnsenkungen auf breiter Front, Sparprogramme in vielen Betrieben, sowie Schließungen und Verlagerungen. Für die öffentlichen Dienste wird die Haushaltsbremse als Hebel genutzt, um Arbeitsplätze und soziale Errungenschaften zu rasieren.

Die Anpassungspolitik führt dazu, dass jede Belegschaft für sich gegen die „Konkurrenz" steht, sei es innerhalb einer Branche, eines Konzerns oder international. Selbst innerhalb einer Belegschaft wurde der Spaltungspolitik des Kapitals wenig entgegengesetzt. Teilweise wurde diese auch von Betriebsräten mitgemacht im Namen des „Hemdes, das einem näher sei als der Rock". Die gewerkschaftliche Grundidee, dass Stärke aus der breitmöglichsten Solidarität kommt, wurde damit unterminiert.

Es gab und gibt aber auch Gegenbewegungen

In Bereichen wie Einzel- und Versandhandel, auf Flughäfen, im Reinigungsgewerbe oder Bereichen des öffentlichen Dienstes, die in der Vergangenheit selten oder nie konfliktfähig waren, haben sich in den letzten Jahren Zehntausende mobilisiert, gestreikt, Tarifverträge und Betriebsräte erkämpft.

Auch im Bereich der IGM gab es in den letzten zwei Jahren sehr gute Warnstreikwellen, an denen sich jeweils Hunderttausende KollegInnen beteiligten. Bezeichnenderweise wurde dieser Ausdruck der Streikbereitschaft nicht für einen Aufruf zum Flächenstreik genutzt, um die Forderungen durchzusetzen.

Teilweise haben Beschäftigtengruppen mit Spartengewerkschaften wie z.B. der GDL Kämpfe geführt, die ihnen von den traditionellen Organisationen verweigert wurden. Der Versuch von Kapital, Regierung und DGB-Spitze, diese gewerkschaftliche Konkurrenz für den DGB unter dem Slogan der „Tarifeinheit" auszuschalten, ist vor 2 Jahren misslungen. Nicht zuletzt deshalb, weil viele DGB-Mitglieder verstanden haben, dass damit allgemein das Koalitions- und Streikrecht angegriffen wird. Die wahrscheinlich neue Große Koalition plant bereits, diesen Angriff zu erneuern.

Die Kämpfe gegen die Überausbeutung von LeiharbeiterInnen und Werksvertragsbeschäftigten haben ebenso zugenommen wie der Druck des Kapitals, diese Niedriglohnbereiche weiter auszudehnen. Regelungen über Tarifzuschläge oder Branchenmindestlöhne haben die Bewegung nicht wirklich befrieden können. Dieses Jahr konnten erstmals die Tarifverträge für Leiharbeit nicht völlig hinter dem Rücken der Gewerkschaftsöffentlichkeit geführt werden. Viele Gewerkschafter haben sich öffentlich in Unterschriftensammlungen dafür ausgesprochen, keinen neuen DGB-Leiharbeits-Tarifvertrag abzuschließen, um gleiche Bezahlung der LeiharbeiterInnen durchzusetzen. Der erneut schändliche Abschluss macht deutlich, dass, obwohl die überwältigende Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen Leiharbeit ablehnt (siehe Beschäftigtenbefragung), die Gewerkschaftsspitzen grundsätzlich an diesem Konzept festhalten.

Was ist zu tun? Wir schlagen vor:

Erstens: Es ist eine gewerkschaftliche Bewegung gegen Verzicht und Ausverkauf aufzubauen, die sich vor allem auf den Kampf gegen prekäre Beschäftigung und Niedriglöhne konzentrieren muss. Zum zweiten gilt es, Belegschaften und Schichten, die in den Kampf treten, nicht „alleine" jeder für sich, kämpfen zu lassen, sondern sie zu unterstützen, zu vernetzen, den Kampf gemeinsam zu führen. Wichtig ist, die kämpfenden Belegschaften vor faulen Deals und Ausverkauf ihrer Interessen zu warnen.

Deshalb stellen wir neben unsere Forderungen, die wir als Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken in den letzten Jahren entwickelt haben, auch Vorschläge, wie wir dafür kämpfen können:

• Gegen Leiharbeit, Werkverträge und sonstige Formen prekärer Beschäftigung: Streikbruch durch Leiharbeit und Werkvertrag bekämpfen. (Unsere Unterschriftensammlung „Verbot von Leiharbeit und Werksvertragsbetrug" intensivieren und Ergebnis veröffentlichen.)

• Verteidigung des Prinzips der Flächentarifverträge: Keine betrieblichen (Verzichts)-Regelungen, die die gewerkschaftliche Kampfkraft schwächen. Widerstand gegen die Einführung von Einstiegslöhnen und anderen Tarifunterschreitungen. (Der Offene Brief an Huber 2012 - wie auch der an Wetzel 2013 - zeigt, wie wir das aufgreifen können.)

• Kampf gegen Rentenkürzungen und Anhebung des Renteneintrittsalters: Rente mit 60 ohne Abschläge! (Dazu haben wir mit der Rentenbroschüre ein gutes Material zur Verfügung gestellt.

• Wir setzen uns ein gegen die Festung Europa, die Flüchtling fernhalten soll und faktisch massenhaft umbringt. Für gleiche Rechte der MigrantInnen und gegen die diskriminierenden Regelungen des Asylgesetzes! Abschaffung der sog. Residenzpflicht und der Essenpakete.

• Einschränkungen des Koalitions- und Streikrecht bekämpfen: Gegen den erneuten Versuch von Kapital, Regierung und Gewerkschaftsspitzen, mittels der sogenannten Tarifeinheit unsere Rechte zu beschneiden, eine gemeinsame Front aufbauen. (2011 ist uns dies mit einer breiten Bündnispolitik, einer Konferenz und gutem Infomaterial gelungen.)

• Gewerkschaftliche Einheit und solidarisches Handeln im Kampf gegen das Kapital stärken: Ausbau der demokratischen Entscheidungsprozesse in den Gewerkschaften, insbesondere bei tariflichen Auseinandersetzungen, Aufbau und Stärkung der Vertrauensleutearbeit und von gewerkschaftlichen Betriebsgruppen, Vernetzungen aufbauen, um Konkurrenzdenken abzubauen und solidarische Handeln zu stärken, Stärkung der Klassenstandpunkte durch politische Bildungsarbeit. 

• Gegen Betriebsschließungen: Kampf um jeden Arbeitsplatz gegebenenfalls auch mit Streik, Betriebsbesetzungen und notfalls Übernahme des Betriebes durch die Beschäftigten. Unterstützung der kämpfenden Belegschaften. Andere Betriebe des Konzerns, der Branche (auch international) oder der Region müssen einbezogen werden.

• Um das Kräfteverhältnis zwischen Lohnarbeit und Kapital zu unseren Gunsten zu verändern, braucht es eine radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Entgelt- und Personalausgleich – die 30 Stundenwoche!

• Statt der skandalösen Spiegelfechterei um einen Mindestlohn von 8,50 €, der selbst bei arbeitslebenslanger Vollzeitbeschäftigung spätestens im Rentenalter ein Abrutschen unter die offizielle Armutsgrenze vorprogrammieren würde, braucht es eine Kampagne um einen Mindestlohn von 12,50 €. Um mit einem solchen dauerhaft wenigstens einen Mindestschutz vor Verarmung zu gewährleisten, muss er in Netto ständig automatisch an die Inflationsrate angepasst werden.

• Mit dem Treffen des DGB-Vorsitzenden Michael Sommer mit „Verteidigungs"minister de Maizière und der unsäglichen Position, die Bundeswehr sei ein Teil der Friedensbewegung, wurde eine rote Linie überschritten. Sommer hat sich damit die Richtlinien der Bundeswehr zu Eigen gemacht, nämlich die weltweite Sicherung der Rohstoffe und Märkte - auch mittels Krieg. Es gibt auch auf diesem Gebiet keine Gemeinsamkeit mit den Interessen des Kapitals. Für uns gilt es, die friedenspolitischen Positionen der Gewerkschaften zu verteidigen. Die Gewerkschaften müssen Teil der Friedensbewegung bleiben!

Um diese Ziele zu erreichen, ist eine weitere Vernetzung der linken GewerkschafterInnen dringend notwendig. Gelegentlicher Meinungsaustausch und gemeinsame Empörung reicht nicht, um einen Kurswechsel in den Gewerkschaften zu erreichen. Dieser ist aber dringend nötig, um die Angriffe des Kapitals abwehren zu können und durch solidarische Kämpfe die Interessen der Werktätigen wirkungsvoll zu vertreten.

Mit dem gewerkschaftspolitischen Ratschlag letztes Jahr konnten wir zwar neue Kräfte für die Vernetzung der Gewerkschaftslinken gewinnen. Es gibt aber noch weit mehr GewerkschafterInnen, die für die gleichen Ziele streiten, aber nicht vernetzt sind. Auch sie laden wir zur Mitarbeit ein. Je mehr am gleichen Strang ziehen, desto wirkungsvoller können wir vorwärtskommen. Verhindern wir gemeinsam den Abbau von gewerkschaftlichen Errungenschaften! Organisieren wir solidarisch den gewerkschaftlichen Widerstand gegen die Angriffe des Kapitals!

Bei zwei Enthaltungen und ohne Gegenstimmen am 10. November auf dem Kongress der Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken beschlossen.

Quelle: http://www.labournet.de

Der 14. Kongress der Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken fand am 9./10.11.2013 in Bochum statt. Siehe auch: http://www.trend.infopartisan.net/trd1013/t471013.html