Stadtumbau & Stadtteilkämpfe
Berlin: Volksentscheid
Beschluss für ein Vergesellschaftungsgesetz von Grund und Boden

Vorläufiger Beschlusstext

11/2018

trend
onlinezeitung

Stand 25. Oktober 2018

Eine soziale Wohnungsversorgung in Großstädten wie in Berlin setzt in der Fläche dauerhaft gebundene Wohnungen zu leistbaren Mieten voraus. Wer auch Haushalten mit geringen Einkommen anständige Wohnungen zur Verfügung stellen will, muss unterdurchschnittliche Mieten sicherstellen. Dieses Ziel ist mit privaten Bauträgern und privaten Wohnungsunternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht, die eine mindestens durchschnittliche Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals erwarten, nicht zu realisieren. Die Erfahrung zeigt, dass auch mit Steuerungsinstrumenten wie die der Mietpreisbremse oder durch Vorkaufsrechte zugunsten der öffentlichen Hand die Wohnungsversorgung für Haushalte mit geringem Einkommen nicht hinreichend sichergestellt werden kann.  

Zur Sicherstellung des in Art. 28 der Verfassung des Landes Berlin garantierten Rechts auf angemessenen Wohnraum wird der Senat von Berlin daher aufgefordert zur Erarbeitung eines Gesetzes zur Überführung von Immobilien sowie Grund und Boden in Gemeineigentum zum Zwecke der Vergesellschaftung nach Art. 15 Grundgesetz. 

Reichweite und Ausnahmen

Das Gesetz soll für Wohnimmobilien in Berlin sowie der Grundstücke, auf denen sie errichtet sind gelten, sofern diese durch einen Eigentümer in einem Umfang gehalten werden, der im Gesetz als vergesellschaftungsreif definiert wird. Als Schwelle für diese Vergesellschaftungsreife wird eine Richtgröße von 3000 Wohnungen oder mehr zu einem bestimmten Stichtag vorgeschlagen. Alle Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht gleich welcher Rechtsform, die Wohnungen über dieser Schwelle in ihrem Bestand haben, werden von der Vergesellschaftung erfasst. Wohnungsunternehmen, deren Töchter und nachgeordnete Wohnunternehmen mit Wohnimmobilien in Berlin gelten dabei als ein Wohnungsunternehmen. Soweit ein Wohnungsunternehmen eine bedeutende Beteiligung an einem dritten Wohnungsunternehmen hält, ist der Wohnungsbestand des dritten Wohnungsunternehmens in Berlin hinzuzurechnen. Eine bedeutende Beteiligung soll nach diesem Gesetz vorliegen, wenn diese eine Schwelle von 20 vom Hundert der Stimmrechte oder des Kapitals erreicht. Ein unbebautes Grundstück im Eigentum des Wohnungsunternehmens gilt insoweit als Wohnung.  

Ziel des Gesetzes ist die Überführung in Gemeineigentum zum Zwecke der Vergesellschaftung. Ausgenommen sind daher Unternehmen, die bereits kollektives Eigentum der Bewohner*innenschaft sind, vermittelt über einen Verein oder nicht, sowie demokratisch verwaltet sind. Zu den Ausnahmen gehören z.B. Genossenschaften. Außerdem sollen Grundstücke und Wohnimmobilien von Unternehmen im mehrheitlichen Eigentum der öffentlichen Hand von der Vergesellschaftung europarechtskonform ausgenommen werden.  

Entschädigung

Entschädigungshöhe

Die Höhe der Entschädigung ist gesetzlich zu regeln. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten unter besonderer Berücksichtigung des Sinns und Zwecks sowie der Entstehungsgeschichte des Art. 15 GG zu bestimmen. Die §§ 95, 194 Baugesetzbuch finden deshalb keine entsprechende Anwendung, die Entschädigung nach Marktwert wird damit ausgeschlossen.  

Entschädigungsmodalitäten

Die Entschädigungssumme wird zu 20% durch das Land Berlin mittels Eigenkapitaleinlage in die zu gründende Anstalt öffentlichen Rechts (AöR), die die vergesellschafteten Bestände verwaltet (siehe Abschnitt „Verwaltung“), gedeckt, die restlichen 80% aus den Mitteln der AöR. Für die dafür notwendigen Kredite leistet das Land Berlin gegebenenfalls Bürgerschaften. 

Verwaltung – Form des Gemeineigentums

Das entstandene Gemeineigentum wird als Anstalt öffentlichen Rechts verwaltet. Deren Grundsätze sind gesellschaftliches Eigentum; demokratische Verwaltung durch Mieter*innen, gewählte Vertreterinnen und Vertreter der Stadtgesellschaft unter Mitbestimmung der Angestellten. In ihrer Satzung soll festgehalten sein, dass die Bestände der AöR nicht privatisiert werden.  

Die Anstalt verfolgt keine Gewinnerzielungsabsicht. Ihr Ziel ist die Versorgung der Stadtbevölkerung mit Wohnraum zu leistbaren Mieten.  

Für die Struktur der oben benannten AöR wird folgendes Modell vorgeschlagen, welches die Besetzung des Verwaltungsrates, Grundsätze guter Arbeit, die Einrichtung von Gesamt- sowie Gebietsmieter*innenräten, sowie Ermöglichung von Selbstverwaltung umfasst:  

Ziele und Grundsätze

Eventuelle Überschüsse aus der Vermietung verbleiben im Unternehmen und dürfen nicht an den Landeshaushalt abgeführt werden. Sie sollen der Schuldentilgung, Instandhaltung, Modernisierung und der Erweiterung des gemeinwirtschaftlichen Wohnungsbestandes durch Neubau und Ankauf von Wohnungen und Baugrundstücken dienen. Zur Erfüllung der Aufgaben dürfen Rücklagen gebildet werden.  

Verwaltungsrat

Zur Umsetzung der Ziele soll ein Verwaltungsrat als oberstes und letztentscheidendes Gremium der AöR eingerichtet werden. In diesem müssen Angestellte, Mieter*innen und Vertreter*innen der Stadtgesellschaft zu gleichen Teilen vertreten sein, gegenüber den Vertreter*innen des Senats sollen sie die Mehrheit im Verwaltungsrat stellen. 25 von Hundert der Mitglieder des Verwaltungsrats besitzen ein Vetorecht beim Verkauf von Beständen der AöR. Für die genaue Verteilung soll sich an folgendem Beispiel orientiert werden:

  • 5 Vertreter*innen der Mieter*innen, gewählt von den Bewohner*innen

  • 4 Vertreter*innen der Beschäftigten der AöR

  • 4 Vertreter*innen der Stadtgesellschaft, gewählt von allen in Berlin gemeldeten Bewohner*innen gleich welcher Staatsangehörigkeit.

  • 1 Vertreter*in der Senatsverwaltung für Finanzen

  • 1 Vertreter*in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen

Die Amtszeit des Verwaltungsrates beträgt 4 Jahre. Alle gewählten Vertreter*innen sind in separaten Wahlgängen für diese Amtszeit zu bestellen.  

Gute Arbeit

Die AöR ist auf Grundsätze guter Arbeit zu verpflichten, die schriftlich festgehalten werden müssen. Sie sollen unter anderem beinhalten:

Tarifbindung, Verbot von Tarifflucht, Erledigung der Kernaufgaben einschließlich Hausmeistertätigkeiten und Kleinreparaturen mit festangestelltem Personal, Verbot sachgrundloser Befristungen, Einrichtung eines Personalrates analog zum Bundespersonalvertretungsgesetz.  

Gesamt und Gebietsmieter*innenräte

Für die AöR ist ein Gesamtmieter*innenrat einzurichten. Aufgrund der Größe der AöR sind zur regionalen Vertretung der Mieter*innen ebenfalls Gebietsmieter*innenräte zu bilden.  

Selbstverwaltung

Weitergehende Modelle der Selbstverwaltung auf Ebene der Hausgemeinschaft sollen auf Wunsch derselben ermöglicht werden.  

Inkrafttreten

Die Erarbeitung des Gesetzesentwurfs durch den Senat muss nach 9 Monaten ab Veröffentlichung der Annahme des Beschlusses per Volksentscheid abgeschlossen sein. Der Gesetzesentwurf ist innerhalb von 12 Monaten nach Beschluss in das Abgeordnetenhaus einzubringen.

Das Gesetz zur oben benannten Vergesellschaftung muss Regelungen enthalten, die den Senat zu folgendem verpflichten:

  • Übergangsfristen bis zur Umsetzung des Gesetzes werden ausgeschlossen.

  • Die für die Umsetzung des Gesetzes erforderlichen personellen und sachlichen Mittel sind bereitzustellen.

  • Ebenso sind die erforderlichen Verwaltungsvorschriften, Anstaltsordnungen und Satzungen zu erlassen.

Editorische Hinweise

Die Kampagne wurde im April 2018 gestartet und geht jetzt in die nächste Runde: Der Beschlusstext für das Volksbegehren zur Enteignung von Deutsche Wohnen & Co ist als Entwurf fertig! Und wird nochmal überarbeitet.

Die Initiatoren sind: "... einige Leute vom Mietenvolksentscheid, Kotti & Co,weitere Mieterinitiativen,Mieter*innen der Deutschen Wohnen, die Interventionistische Linke, Mitglieder von verschiedenen Parteien und andere".

Quelle: https://www.dwenteignen.de

Siehe auch: Es fährt ein Zug nach nirgendwo
                 Ein Kommentar von
Rainer Balcerowiak