aus Newsgroup: cl.gruppen.krisis TO GIVE AND TO TAKE |
1. Gemeinhin erscheint der Tausch als eine
eherne Konstante des Daseins. Er wird nicht gesellschaftlich eingeordnet, sondern leitet sich von einer dunklen "menschlichen Neigung" ab, die als gegeben angenommen wird. 2. Tausch ist zu verstehen als kultureller Zwang der bisherigen Menschheitsgeschichte, er setzt sowohl ein Mehrprodukt voraus, gleichzeitig aber auch dessen Begrenzung. Den Tausch hat es historisch schon sehr zeitig gegeben, aber erst in der buergerlichen Gesellschaft konnte er sich als herrschende Form stofflicher Kommunikation durchsetzen. 3. Ein einfaches Hin und Her ohne verbindliche Form ist noch kein Tausch. Die wechselseitige Hingabe von Guetern wird erst dann zu einem solchen, wenn diese als aequivalente Arbeitsprodukte auftreten. Tausch meint naemlich nicht den beliebigen Wechsel der Produkte, sondern ausschliesslich den durch den Wert bestimmten. Dort, wo Geben und Nehmen als aufeinandergezwungene fetischierte Form des Stoffwechsels auftritt, sprechen wir vom Tausch. Tausch resp. Geschaeft bedeutet also, dass jemanden fuer etwas, das er weggibt, etwas gegeben wird, das er nicht hat. 4. Tausch meint, dass sich das eine im anderen auszudruecken hat. Im Tausch erfolgt also ein Gleichsetzung von Verschiedenem. Die Abstraktion von Arbeit realisiert sich im Tausch. Tauschen heisst, dass menschliche Kommunikation ihre Produkte und Leistungen nur als ein sich wechselseitig Bedingendes in Geben und Nehmen im Besonderen erfuellen kann. Das konkrete Nehmen bedingt ein konkretes Geben. 5. Der Tausch (W-W) ist die Grundform der Warenzirkulation. Durch Hinzutreten des Geldes wird dieser differenziert in ein Kaufen (G-W) und in ein Verkaufen (W-G), wobei es kein Kaufen ohne Verkaufen gibt und umgekehrt. Das Bekommen ist an ein Vorher-schon-Haben gebunden. 6. Im Kapitalismus hat alles permutabel zu werden. Austauschbar zu sein, ist die erste Erwerbsregel. Der kapitalistische Kreislauf ist ein staendiges Permutieren des Waren- und Geldflusses. Freilich staut es sich heute schon. In der Ware sucht der Gegenstand jedenfalls nicht den Konsumenten, sondern den Kaeufer. Das Beduerfnis des Verbrauchers ist ihm nur relevant, wenn dieser sich auch praktisch in die Rolle des Kaeufers versetzen kann, d.h. wenn er zahlungsfaehig ist. 7. Damit die Menschen zu ihren Lebensmitteln kommen, muessen diese produziert, distribuiert und konsumiert werden. Man koennte das eherne Notwendigkeiten des menschlichen Daseins nennen. Jene muessen aber nicht getauscht werden. Der Tausch ist vielmehr gesellschaftlich aufgeherrscht, ein Zusatz, der spaeter aber Ferment bestimmter Epochen werden sollte. Heute erscheint er wie die vorher genannten Kriterien als natuerlich. 8. Die Menschen tauschen sich nicht freiwillig, sondern zwangsweise aus. Der andere auf den Markt, das ist immer ein potentieller Widersacher, ein "Tauschgegner" (Max Weber) Die Existenz zwingt sie Geldbesitzer zu werden, um gesellschaftlich bestehen zu koennen. Ihr Denken muss danach ausgerichtet sein, Geld zu machen. Denn dieses ist erster Mentor in der Gesellschaft, es verteilt Chancen wie kein anderes Ding. Wer es hat, hat. Wer es nicht hat, hat nichts. 9. Die Marktteilnehmer werden dazu angehalten, genaue Marktbeobachter zu sein. Es geht also ueberhaupt nicht um den profanen Akt einer Aneignung bestimmter Gueter, sondern um das Abwaegen, Bewerten, Einschaetzen, Vergleichen von Waren. Quasi instinktiv werden staendig Bezuege hergestellt. Das Benoetigen kann sich nur realisieren ueber das Bezahlen. 10. Die Haltbarkeit der Produkte (oder bestimmter Details) muss tendeziell abnehmen, will die Verwertung sich nicht ad absurdum fuehren. Haltbarkeit ist eine Gegnerin der Wertrealisierung. Sie gestaltet sich nicht anhand technischer Kriterien, sondern entlang der Verwertungsschiene. Was meint: die Produkte sind keineswegs auf der Hoehe der Zeit, sondern bloss auf der Hoehe ihrer Verwertbarkeit. Die heutigen Erzeugnisse werden zusehends auf ihr Ablaufdatum hin produziert. 11. Das buergerliche Individuum steht unter dem Zwang, sich in Wert zu setzen, (sich) zu verkaufen, um kaufen zu koennen. Das bedingt unzaehlige und aufdringliche Spielarten der charakterlichen Maskierung, sei es Bluff oder Fassade, Mode oder Werbung. Anbieten, Anpreisen, Anmachen sind buergerliche Formen der Selbstverstellung. Es geht um Taeuschung im Sinne des Tauschs. 12. Werbung bedeutet stets so etwas wie eine zugelassene Unwahrheit. Sie kann von ihrer inneren Struktur her gar nicht serioes sein, sie gefaellt sich in der masslosen Propaganda ihrer Ware. Werbung reduziert einen Gegenstand oder ein Verhaeltnis auf ihre marktschreierischer Sequenz. Sie kennt nur ein undifferenziertes und aufdringliches Pro. Werbung ist das Gegenteil von Kritik. Sie ist Taeuschung vor dem Tausch. 13. Dass gegeben und genommen werden muss, ist selbstverstaendlich, es ist eine platte und profane Bestimmung menschlichen Lebens. Was ansteht, das ist der Schritt von der negativen Vergesellschaftung, der abstrakten allgemeinen Arbeit, hin zu einer positiven Vergesellschaftung durch konkrete allgemeine Taetigkeiten, die danach fragen, was gewuenscht wird und dementsprechend handelt. Das Beduerfnis gestaltete sich demnach jenseits einer heute allgegenwaertigen In-Wert-Setzung, sie ist eine einfach bestimmte Anforderung, nicht eine doppelt kodifizierte Angelegenheit. Der Wert haette selbstredend als Prinzip ausgedient. Oktober 1998 |