Texte
zur antikapitalistischen
Organisations- und Programmdebatte

12/11

trend
onlinezeitung

Es gibt einen Überblick über alle bei TREND 2011 veröffentlichten Texte zur Debatte über Organisation und Programm, angeregt durch die "Sozialistische Initiative Berlin" (vormals Berlin-Schöneberg)

Vorbemerkung red. trend:  Im SIB-Blog war in den letzten Wochen eine völlig unstrukturierte Debatte ausgebrochen. K.-H. Schubert (TREND) kritisierte diese Entwicklung am 28.11.2011 mit scharfen Worten unter dem Titel "Schluß mit der Prinzipienreiterei":

"Da das „Na endlich –Papier“ statt diskutierbarer programmatischen Positionen fast nur feuilletonistische Beschreibungen von derzeitigen Klassenverhältnissen und Mutmaßungen über den subjektiven Faktor enthält, wurde versucht diesen Mangel mit der Nennung von fünf Prinzipien auszugleichen. Ganz offensichtlich, um nicht mit jeder/m über alles diskutieren zu müssen.

Das positive Element an diesem Papier – nämlich für eine strömungsübergreifende Debatte unter antikapitalistischen Kräften jenseits der Linkspartei zu motivieren, die die Gründung einer neuen antikapitalistischen Organisation befördert – wird spätestens nach dem 13.11. in diesem Block mit einer unerträglichen, hohlen Prinzipienreiterei(*) kaputt gemacht. Von der sprachlichen Form, in der dies geschieht ganz zu schweigen. Es ist einfach nur noch lächerlich zu lesen, was hier so an Blasen(**) abgesondert wird, während inhaltliche Angebote, die sich auf die hiesigen Klassenverhältnisse beziehen, als reformistisch diffamiert werden.

Wer „subjektive Revolutionäre“ zusammenschließen will, sollte zunächst einmal akzeptieren, dass dieses Selbstbild bei jeder/m Einzelnen Bestand hat, anstatt mit einem willkürlichen Griff in die theoretische Mottenkiste eine ideologische Demontage des/der Anderen zu unternehmen."

Am nächsten Tag, den 29.11.2011 veröffentlichte die SIB auf ihrem Blog:

Zum Stand der Programm- und Organisierungsdebatte
Erklärung der Sozialistischen Initiative Berlin (SIB) vom 28.11.2011

1. Die Programm- und Organisierungsdebatte hat – im Prinzip erfreulicherweise – erhebliche Geschwindigkeit bekommen.

2. Wir bedauern, daß wir in der aktuellen Diskussion über den „revolutionären Bruch“, den Leninismus, die sowjetische Geschichte usw. längere Zeit nicht annährend in der ganzen Breite unserer Mitglieder und als Gruppe bisher gar nicht eingreifen konnten. Eine frühere Beteiligung hätte vielleicht einige polemische Überschärfen und das Verrennen  der Diskussion auf bestimmten Nebenstrecken vermeiden helfen.

3. Wir bedauern ebenfalls, daß wir zunächst von den AutorInnen des „Bochumer Programms“ zu Stellungnahmen zu ihrem Programm und weiteren Texten und nun von Systemcrash zu Stellungnahmen zu Äußerungen aus dem Bochumer AutorInnenkreis gedrängt werden.  Dies überfordert allein schon unsere Arbeitskapazitäten. Wir sehen unsere Rolle in dieser Debatte aber auch politisch nicht in der eines (realsozialistischen) „Zentralkomitees“  oder einer solchen „Zentralen Kontrollkommission“. Wir können und wollen nur für uns sprechen und sagen, welche Mindestanforderungen unseres Erachtens an ein etwaiges Organisierungsprojekt zu stellen sind, sowie was darüber hinaus unsere Vorschläge sind, sowie schließlich – im Rahmen unserer Arbeitskapazitäten – auf Vorschläge von  anderen antworten.

4. Wir halten an unseren fünf im „Na endlich“-Papier benannten Schmerzgrenzen fest.  Dies heißt nicht, daß wir nicht auch bereit wären, über diese fünf Schmerzgrenzen zu diskutieren. Aber der blog soll vor allem der Verständigung jener Gruppen und Einzelpersonen aus einem breiten marxistischen, (post)autonomen und  (post)antiimperialistischen sowie anarchistischen Spektrum, das diese fünf Essentials teilt, dienen – und zwar mit dem Ziel einer Klärung, welche weiteren Fragen vor einer eventuell Organisationsgründung beantwortet werden sollten und wie sie zu beantworten  wären. – Die SAV hat in der Berliner Veranstaltung am 3.5. in der Werkstatt der Kulturen  zurecht festgestellt, daß allein auf der Grundlage unserer fünf Essentials keine Organisationsgründung möglich ist.  

5. Wir stellen fest, daß bspw. in Form eines Papiers von Avanti – Projekt undogmatische Linke eine Stellungnahme zur Frage des revolutionären Bruchs vorliegt, die weitaus konkreter als unsere Kurzformel ist, und schließen uns dieser an:

„Alle geschichtliche Erfahrung lehrt, dass das Kapital seine Macht nicht kampflos preisgibt, nur weil etwa die Bevölkerungsmehrheit es so will. Deswegen gehen wir von der Notwendigkeit einer Revolution aus, [...].“
„Ob eine künftige Revolution – friedlich oder überwiegend friedlich – verläuft, darüber  lässt sich heute nur spekulieren. Letztlich wird es sowohl auf die Macht und Stärke der revolutionären Bewegung als auch auf die verbliebene Stärke der alten Machteliten ankommen. Sicher ist nur, dass die gesellschaftliche und ökonomische Macht des Kapitals  gebrochen werden muss. Dies ist in jedem Fall eine Machtfrage, die nicht einfach durch die Gewinnung einer parlamentarischen Mehrheit entschieden werden kann, da alle Erfahrung zeigt, dass die Regeln der bürgerlichen Demokratie nur noch wenig wert sind, wenn die Profite bedroht sind.“ (Avanti)

6. Wir möchten auch alle GenossInnen, die sich bisher an der Diskussion beteiligen, bitten  zu erläutern, wie sie zur Frage des revolutionären Bruchs stehen. Wir sollten klären, wie weit unsere Gemeinsamkeiten bisher reichen, und alle an der Diskussion beteiligten GenossInnen sollten wissen, woran sie in dieser Frage sind.

7. Wir sind logischerweise auch weiterhin bereit, mit dem Bochumer AutorInnenkreis  über deren Programmentwurf und die Kritik, die von SIB-Mitgliedern daran geäußert wurde, zu diskutieren. Wir möchten die AutorInnen einladen zu diesem Zweck, zu einem bilateralen Gespräch und/oder einer Veranstaltung nach Berlin zu kommen. Wir wären aber auch bereit, zu diesem Zweck nach Bochum oder in eine andere Stadt zu kommen.

8. Wir streben eine Organisationsgründung und kein weiteres Netzwerk an. Sollte aber eine Organisationsgründung auf der Grundlage unserer fünf Essentials, deren gemeinsamer inhaltlicher Konkretisierung und Ausfüllung sowie weiterer gemeinsamer Inhalte, Forderungen und strategischer Vorstellungen (noch) nicht möglich sein, so sind wir – nach Ziehung einer Zwischenbilanz der Diskussion zu gegebener Zeit – bereit, auch losere Kooperationsformen als eine gemeinsame Organisationsgründung zu prüfen und ggf. zu vereinbaren.

9. Für die weitere Diskussion im blog möchten wir zwei Vorschläge zur Diskussion stellen:

a) Wir möchten vorschlagen, den blog auf eine Moderierung der Kommentare durch die jeweiligen Artikel-AutorInnen umzustellen.(1) Dies soll nach unserer Vorstellung nicht zu einer Reduzierung der politischen Bandbreite der veröffentlicht werdenden Kommentare führen. Wenn die einzelnen Kommentare aber immer erst durch die jeweiligen Artikel-AutorInnen freigeschaltet werden müssen, so würde dies eine Verlangsamung der Diskussion bedeuten, was hoffentlich zu weniger hektischen und emotionsgeladenen Formulierungen einladen und mehr GenossInnen ermöglichen würde, der Debatte lesend und schreibend zu folgen. Die Geschwindigkeit der letzten Tage scheint uns einen tendenziell  GenossInnen mit wenig freier Zeit (auch GenossInnen der SIB selbst) ausschließenden  Charakter zu haben.

b) Vor einiger Zeit wurden 20 Kontroversen, die bisher angesprochen wurden, zusammengestellt.  Wir möchten vorschlagen, die Diskussion in nächster Zeit auf die Kontroversen zu den sechs Punkten, die in den letzten Tage besonders auf Interesse stießen, zu konzentrieren und diese jeweils spezifisch (d.h.: in getrennten threads des blogs) zu diskutieren:

K 2: Exklusiver oder vorrangiger Antikapitalismus? Oder aber: Umfassende Revolutionierung  aller Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse?
K 6.b): Strategien – Gradualismus oder revolutionäre Politik?
K 6.d): Anarchistische und/oder marxistische Strategie?
K 7.d): Org.charakter – „entschiedenster, immer weitertreibender Teil“ DER oder Serviceeinrichtung  FÜR soziale Bewegungen?

sowie

K 7.e): Org.charakter – innerorganisatorische Demokratie
K 8.c): Reizwörter – Diktatur des Proletariats.

Neu zu der Diskussion hinzukommende GenossInnen und Gruppen sind aber gerne eingeladen, auch weiterhin umfassende Diskussionspapiere zur Debatte beizusteuern.

10. Wir möchten alle an der Diskussion beteiligten GenossInnen bitten, Persönliche und Politische Erklärung sowie Ankündigungen, unter bestimmten Bedingungen nicht mehr mitzumachen, auf das unumgängliche Maß zu beschränken.

Sozialistische Initiative Berlin – 28.11.2011

Anmerkungen

1) D.h., daß GenossInnen, die Artikel schreiben, sich danach regelmäßig wieder in die blog-Verwaltung einloggen, neue Kommentare sichten und diese freischalten müßten. Redaktionell-politische Entscheidung sollen damit – wie bereits im Haupttext gesagt – nicht verbunden sein. Der Vorschlag zielt allein darauf, eine gewisse Verlangsamung der Abfolge der einzelnen Kommentare  zu erreichen.

Editorischer Hinweis

Quelle: http://arschhoch.blogsport.de/?p=168