Das globale ökologische Desaster und die KommunistInnen

Von Frank Braun und Jürgen Suttner, Köln/Siegen, Nov. 2013

12-2013

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Es ist lange her, daß Entwicklung in und um die DKP außerhalb ihrer Reihen so viel Interesse fand wie dieser Tage. Die Existenzkrise der Partei nach dem Niedergang des Realsozialismus und dem Verschwinden besonders der DDR offenbarte eine weltanschauliche und im Resultat dann auch politische Lähmung, die bis heute anhält und die Organisation ebenfalls bis heute faktisch in Frage stellt.

Die Frage nach Gehalt und Form einer zeitgemäßen kommunistischer Identität stellt sich indes für alle KommunistInnen, innerhalb und außerhalb der DKP.1 Nun scheint sich in der DKP bis auf weiteres, wenigstens was die Führungsriege der Partei anbelangt, ein durchaus glaubhafter revolutionärer Anspruch durchgesetzt zu haben und damit eine günstigere Grundlage für die theoretische und auch ganz praktische Arbeit an dieser kommunistischen Identität.

Eines der Themen, zu dem KommunistInnen heute eine überzeugende Analyse und Kritik brauchen, ist das herrschende Mensch-Natur-Verhältnis. Bezogen darauf sehen wir in der DKP deutliche Defizite, und zwar solcherart, daß sich der gegenwärtig noch zaghaft entwickelnde revolutionäre Anspruch schon auf theoretischem Gebiet in Frage gestellt ist, bevor eine kollektive Praxis erproben konnte, was da theoretisch erarbeitet wurde.

Da ist einerseits die parteiinterne Gruppe um Leo Mayer, die in Zusammenarbeit mit dem ihnen nahe stehenden Institut für sozialökologische Wirtschaftsforschung (isw) in der DKP eine sozialdemokratische Antwort auf das globale ökologische Desaster vereinbaren wollen. Da ist andererseits Hans-Peter Brenner, zuständig für die theoretische Arbeit beim Parteivorstand, der bemüht ist, zum herrschenden Mensch-Natur-Verhältnis eine materialistische Analyse zu entwickeln, aber in seinen Schlußfolgerungen dann zu keinen praxistauglichen Konsequenzen gelangt.2

Die einen werden via ‚Wirtschaftsdemokratie’, die anderen via ‚antimonopolistischer Demokratie’ der Notwendigkeit des Bruchs mit dem herrschenden Mensch-Natur-Verhältnis nicht gerecht, was wir im Folgenden zeigen wollen. Beide strategische Zielsetzungen behaupten nämlich Machbarkeit und Wirksamkeit eines anderen Mensch-Natur-Verhältnisses ohne einen Bruch mit den herrschenden kapitalistischen Produktionsverhältnissen.

Wir verstehen unseren Beitrag als Versuch, uns solidarisch an einem ermutigenden praktischen Aufbruch der KommunistInnen in der DKP gegen einen bloß diffusen Antikapitalismus zu beteiligen und wünschen uns, daß darüber ein stetiger Dialog unter den KommunistInnen in Deutschland Platz greift.

1. H.-P. Brenner – hemdsärmlig aber nicht überzeugend

In zwei unmittelbar hintereinander erschienenen Publikationen legte H.-P. Brenner 3 im Sommer dieses Jahres dar, welchen Standpunkt KommunistInnen seiner Ansicht nach in der Ökologiefrage einzunehmen haben, wenn sie sich auf diesem Gebiet als die konsequentesten Verfechter der Interessen der ArbeiterInnenklasse bewegen wollen. Brenner verweist dabei auf die umfangreichen Darlegungen von Marx und Engels schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie zeigten, daß die Gattung Mensch, ohne mit der Natur verbunden zu sein, nicht existieren könne. Der Kapitalismus aber wirke im Resultat wie ein Beschleuniger der Entfremdung von der Natur, da er die natürlichen Lebensgrundlagen zerstöre.

Ob allerdings Brenners ziemlich hemdsärmlig daherkommende Schlußfolgerung eine ausreichende Handlungsanleitung gerade für jene KommunistInnen darstellen, die im ökologischen Bereich ihre gesellschaftliche Arbeit verrichten, ist durchaus zu bezweifeln. Er beendet seinen Artikel in ‚Marxistische Blätter 4-13’ mit einem Verweis auf das Parteiprogramm der DKP von 2006: „Mit der Verelendung des Menschen geht die Zerstörung von Naturbeständen einher, der Lebensgrundlagen künftiger Generationen (...) Das kapitalistische Profitprinzip ist zu einer Gefahr für den Fortbestand der menschlichen Zivilisation geworden.“ Und stellt dann lapidar fest: „Die DKP hat damit deutlich gemacht, noch bevor die Klimafrage zum medialen Superereignis wurde, daß erstens: die Erkenntnisse des wissenschaftlichen Sozialismus über die Bedeutung der natürlichen Existenzbedingungen für die Gattung Mensch ein fester Bestandteil des politischen Selbstverständnisses der marxistischen Arbeiterbewegung sind, zweitens: revolutionäre, antikapitalistische Klassenpolitik und der Kampf für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen eine Einheit darstellen.“ Brenner schließt dann: „Beim Kampf gegen die Klimakatastrophe geht es demnach nicht um abstrakte ‚Menschheitsfragen’. Es handelt sich um antikapitalistische Klassenpolitik.“

Basta !“, könnte man hinzufügen und fragen: Ist das alles, was als Schlußfolgerung zum bisherigen Engagement von diesem Teil der KommunistInnen hierzulande zu sagen ist ? So lang ist es doch nicht her, daß man auch aus den Reihen der DKP hörte, Atomkraftwerke im Realsozialismus seien etwas anders als solche hierzulande und hier wollte man sie sogar in Gemeineigentum überführen ! 4 Tschernobyl – doch wohl ein Atomkraftwerk in Gemeineigentum – bewies dann auf tragische Weise, wie grundfalsch diese Ansicht war und ist. Auch in den kapitalistischen Ländern begründet das Lohnarbeitsverhältnis unter den abhängig Beschäftigten die spontane Tendenz eher zum Bewahrenwollen des Arbeitsplatzes und bestenfalls noch zum Willen, den Wert der verkauften Ware Arbeitskraft ausreichend zu erhöhen. Noch heute liegen wichtige Bastionen etwa der von der französischen KP beeinflußten Gewerkschaft CGT unter den Beschäftigten im Bereich der französischen Nuklearanlagen. Uns ist auch die von ver.di dieser Tage angemeldete und ausgerüstete Demonstration gegen die Hambacher Waldbesetzer und für den schnellen Ausbau der Braunkohleverstromung in gruseliger Erinnerung.5

Und so scheint es um die von H.-P. Brenner genannte „Klassenpolitik (...) für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen“ nicht ganz so einfach zu stehen. Auch nicht, wenn diese Politik bereichernde Attribute wie „revolutionär, antikapitalistisch“ erhält. Wir fragen uns also, was vergibt sich die DKP als Teil des Kollektivs der KommunistInnen das globale ökologische Desaster und dessen globale Korrektur auch zur eigenen Aufgabe zu machen ?

Dies würde freilich bedeuten, sich konsequent etwa gegen die nukleare Verseuchung oder gegen den Wahnsinn des Automobilismus, gegen Verstromung fossiler Energieträger, gegen das hemmungslose Bebauen immer größerer Landflächen zu erklären. Warum äußerte sich die DKP in ihrer Geschichte und derzeit dazu nicht konsequent ? Warum unterließen und unterlassen es viele KommunistInnen einfach, ihre vorgebliche Einsicht in die notwendige Abhängigkeit des Menschen und seines gesellschaftlichen Lebens von der Natur praktisch-politisch umzusetzen ? Antworten auf diese Fragen kommen bei H.-P. Brenner und seiner theoretischen Exegese nicht vor. Stattdessen spricht die weitgehende Abwesenheit von KommunistInnen z.B. bei ‚Castor Schottern!’ für sich.

Die Weigerung, diese Aufgabe wahr zu nehmen, macht dieses Kollektiv von KommunistInnen auf Dauer unglaubwürdig. Das tiefe Empfinden vieler Menschen angesichts der Naturzerstörung kann nicht in positive, kämpferische Energie umgewandelt werden, der Wunsch andere, besserer Lebensverhältnisse zu wollen, kann politisch nicht an Boden gewinnen, wenn die KommunistInnen in dieser Frage zaudern oder sogar loben was besteht. Gerade die theoretische Arbeit muß aufzeigen, was es seit Marx und Engels an neuen objektiven Bedingungen gibt.

2. Unschärfe in der Analyse der ökologischen Krise

Die historische Entwicklung des Mensch-Natur-Verhältnisses wird auch dadurch illustriert, daß in Produktions-, Verteilungs- und Konsumptionsprozessen heute zwangsläufig nicht verwertbare Abfälle entstehen, welche ihr Eigenleben haben. Diese ‚Exkremente’ entstehen schon immer beim Stoffwechselprozeß des Menschen mit der Natur - sie sind Teil dieses Stoffwechsels. Auf einer niedrigen Stufe des Stoffwechsels mit der Natur hatten sie kaum oder nur eine geringe negative Auswirkung, weil die Natur deren Einverleibung quasi gratis regelte. Ein Umstand, der sich jedoch in einer Gesellschaft hochentwickelter Produktivkräfte nicht mehr nur quantitativ, sondern längst auch qualitativ verändert. Bei Marx heißt es: „(...) es erzeugt dadurch Bedingungen, die einen unheilbaren Riß hervorrufen in dem Zusammenhang des gesellschaftlichen und durch die Naturgesetze des Lebens vorgeschriebenen Stoffwechsels (...)“ 6.

Diese Unterbrechung des Stoffwechsels ist z. B. durch die sich beschleunigende Klimakatastrophe auf eine neu qualitative Stufe gehoben. Und der von Marx prognostizierte „Riß“ stellt sich heute als massive Störung der natürlichen Stoffwechselprozesse dar, welche vorerst noch durch zusätzliche lebendige Arbeit aufgehalten werden kann. Alle Versuche aber, den ‚Exkrementen’ der Produktion, wie etwa Kohlendioxid, eine künstliche Wertform zu verpassen, sind eine Fiktion, denn sie haben keinen Gebrauchswert, da nicht bekannt ist, in welchem Ausmaß und über welchen Zeitraum die Klimakatastrophe wirkt. Sie sind gesellschaftliches ‚Ungut’ und kommen statt dessen als natürliche Destruktivkräfte zur Geltung.

H.-P. Brenner betrachtet dies in seinen theoretischen Beiträgen zur ökologischen Krise nicht und auch, wo er nur die heraufziehende Klimakatastrophe beleuchten will, hält er sich im Ungefähren auf. Er beschreibt den IPCC-Report 7 von 2007 als zu „konservativ“ und stellt fest, der Report schildere „nicht den möglichen GAU, sondern den am niedrigsten einzustufenden Gefahreneffekt“. Gleichwohl vermeidet Brenner aber eine Bewertung der Klimakatastrophe in ihrer gesamten Dimension. Der konservative IPCC-Report hatte ja gerade die kaum kaschierte propagandistische Zielsetzung, eine Verminderung der Emission von Treibhausgasen fördern zu wollen, ohne Behinderung der Kapitalakkumulation.

Während es uns nicht möglich ist, darin jenseits des unverblümt Propagandistischen einen gründlichen Realitätsdrang zu erkennen, stellt sich Brenner in die Pose des Realisten und appelliert lässig: Es müsse doch wenigstens möglich sein, eine „antimonopolistische Energie, Verkehrs- und Steuerpolitik in den wichtigsten Zentren der kapitalistischen Welt“ durchzusetzen. Und im Untertitel zu seinem Referat anläßlich einer Veranstaltung der Marx-Engels-Stiftung hieß es sogar: „Linke Klimapolitik zwischen antimonopolistischem Kampf und sozial-ökologischer ‚Transformation’“.

Es dürften sich schwerlich Beispiele aus den letzten 35 Jahren seit den Bauplatzbesetzungen für das damals geplante AKW in Wyhl (Südbaden) bis heute anläßlich ‚Castor Schottern!’ finden lassen, wo ‚antimonopolistischer Kampf’ als politisches Konzept irgendwo Bedeutung errungen haben soll. Und mit einer strategischen Zielsetzung wie dem antimonopolistischen (Öko-)Kapitalismus sind Teile der Grünen ja schon längere Zeit unterwegs – nicht ausdrücklich, aber ideell schon. Die haben sich dann aber von radikaler Kritik des herrschenden Mensch-Natur-Verhältnisses längst entfernt. Hätten sie es nicht getan, hätten auch sie feststellen müssen, das Anrennen zum Beispiel gegen Klimakrise und Naturzerstörung ist allen Ernstes nur möglich gegen Kapitalinteressen !

Es ist schwerlich möglich, sich den Kampf gegen die Klimakrise nicht als einen vorzustellen, der an die „eigentlichen Wurzeln der Naturzerstörung und –gefährdung gehendes politisches Eingreifen“ geht und nicht als „Bestandteil einer vom Kapitalismus geprägten Lebensform“, wie Brenner es selbst richtig formuliert. Gleichwohl stellt die in den Spiegelstrichen seines Textes gekennzeichnete Aufzählung zur DKP-Energiepolitik nichts anderes dar als eine Einengung auf ‚Energie’ statt auf ‚Klima’. Er reduziert den Kampf gegen die Klimakrise auf Energiepolitik. Die Ursachen der Klimakrise lassen sich aber nicht auf den Energie-, den Transport- und Logistiksektor reduzieren, sondern erstrecken sich auf weite Teile gesellschaftlicher Produktion und Reproduktion - eben auch Landwirtschaft, Wohnungswirtschaft, etc. - der heute vorherrschenden Produktions- und Lebensweise. Wer diese Verkürzung betreibt, verkündet eine Verharmlosung dessen was ist!

Und das bleibt politisch nicht ohne Konsequenzen: In den „Antworten der DKP auf die Krise“ als Beschlußdokument des 20. Parteitages der DKP 8 ist zum Beispiel nur die Rede von „Klima- und umweltfreundlichen Technologien statt einem Primat der fossilen Energieträger“. Das kann ja nur bedeuten, daß die DKP so recht nicht zum Beispiel für den schnellstmöglichen vollständigen Ausstieg aus der Kohleverstromung kämpfen will. Unvorstellbar für eine Partei mit antikapitalistischem und revolutionärem Anspruch. Die Entmachtung und Vergesellschaftung der großen Strom- und Energiekonzerne macht doch im Kampf gegen die Erderwärmung erst dann einen Sinn, wenn auch der vollständige Ausstieg aus der Kohleverstromung vollzogen wird.

Wie scharf dieser Kampf sein wird, können wir uns vorstellen, wenn ein Ausstiegsplan beschlossen würde, der innerhalb von zehn Jahren den vollkommenen Verzicht auf die Kohleverstromung beinhaltet. Das hätte u.a. zur Folge, daß der Aktienwert der Energiekonzerne ins Bodenlose fallen würde, denn deren Wert bestimmt sich zum großen Teil als Wert ihrer fossilen Energievorräte.9 Wer dann nur gegen das ‚Primat der fossilen Energieträger’ kämpft, kämpft nicht konsequent gegen die Klimakatastrophe und schont die materielle Basis der Energiekonzerne.

Nun haben wir es aber auch nicht nur mit der Klimakatastrophe zu tun. Die anderen ökologischen Krisen im Stoffwechselprozeß mit der Natur, wie die chemische und die radioaktive Vergiftung, der immense Verlust an Biodiversität, der Zusammenbruch des Nitrat- und Phosphorkreislaufs, der schleichende ökologische Kollaps ganzer Ozeane usw., sind in „Antworten der DKP auf die Krise“ 10 und auch bei H.-P. Brenner gar nicht berücksichtigt, geschweige in ihrer ganzen Dimension erfaßt. Je unschärfer aber die Bilanz des bisherigen ökologischen Desasters ausfällt, desto milder gestimmt scheint man in Hinblick auf Reformhoffnungen zu sein, das Ausblenden einzelner Fakten begünstigt die Begründung von bloß kosmetischen Lösungen. Eine kommunistische Strategie gegen die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlage durch das Kapital, muß zwar den Kampf gegen die Monopole als Kristallisationspunkt enthalten, aber diesen Kampf darüber hinaus gegen die zerstörerische Produktionsweise der kapitalistischen Produktionsverhältnisse überhaupt hinaustreiben. Den fossilen und atomaren Energiemonopolen kann nur dann erfolgreich begegnet werden, wenn diese Monopole als den konzentrierten Ausdruck des Kapitals in seinem Zwang zur Verwertung von Mensch und Natur begriffen werden. Vor allem Letzteres ist es, was Herzen und Hirne der Menschen entzünden kann, nicht aber ein akademisches Konstrukt nach der Art ‚Antimonopolismus’.

3. Die Bedeutung des Bruchs mit dem herrschenden Mensch-Natur-Verhältnis und die Programmatik der DKP

Marx schreibt irgendwann Mitte der 1850er Jahre: „Nicht die Einheit der lebenden und tätigen Menschen mit den natürlichen, unorganischen Bedingungen ihres Stoffwechsels mit der Natur, und daher ihre Aneignung der Natur bedarf der Erklärung oder ist Resultat eines historischen Prozeßes, sondern die Trennung zwischen diesen unorganischen Bedingungen des menschlichen Daseins und diesem tätigen Dasein, eine Trennung, wie sie vollständig erst gesetzt ist im Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital.“ 11

So beeindruckend weitsichtig dieser Hinweis ist, so wenig ist er für sich genommen hinreichend für praktische Intervention. Erstens ist seitdem einige Zeit vergangen, zweitens: Was darüber hinaus not tut, ist eine konkrete Analyse, wie das Kapitalverhältnis heute das Mensch-Natur-Verhältnis bestimmt und somit die Lebensgrundlagen der Menschheit insgesamt zerstört. Erst aus der Kritik dieser Verhältnisse in seiner konkreten Verlaufsform können wir eine revolutionäre Praxis entwickeln, welche die Massen auch ergreift. Voraussetzung dafür ist aber wiederum die grundsätzliche Anerkenntnis der besonderen Eigenheit der Produktivkraft Natur.

In dieser Hinsicht sieht es programmatisch bei der DKP nicht überzeugend aus.12 Aus Naturproduktivkraft wird im DKP-Programm wahlweise „Naturbestände“ oder „Erde“, die als „lebensfähiges Ökosystem“ erhalten werden sollen. Diese eher passive Rolle, die der Natur damit zugeschrieben wird, widerspricht dem, was dereinst Marx bereits grundlegend analysierte. Der sieht nämlich Naturproduktivität als Voraussetzung der menschlichen Produktivkraft überhaupt. Er unterscheidet dabei zwischen Arbeitsprozeß und Produktionsprozeß und in jedem Produktionsprozeß wirken Arbeitsprozesse und Naturprozesse miteinander und aufeinander ein.13 So leitet und befördert der gesellschaftliche Produzent den Überschuß aus der Naturproduktivität für seine Zwecke.14 Wird aber die Produktivkraft der Natur gemindert, muß der Mensch diese Minderung durch eigene Arbeitskraft ersetzen. Wird die Naturproduktivkraft zerstört, so wird auch die Existenz der Menschen zerstört.

Wer bei diesen Abhängigkeiten die Natur als passiven ‚Naturbestand’ begreift, scheint hinterrücks eine Theorie der ‚Arbeit als Quelle allen Reichtums’ einführen zu wollen. Es wird so offensichtlich, daß in den Dokumenten der DKP die dialektische Beziehung von Naturproduktivität und Arbeitsproduktivität nicht verstanden wird. Daher fehlt der Partei auch, mindestens in ihrer Programmatik, jeglicher positiver Bezug dazu, wie durch Entfaltung der menschlichen Tätigkeit auch die Naturproduktivität in ihrer Reichhaltigkeit entfaltet werden kann, wie, kurz gesagt, der Kommunismus eben auch die positive Auflösung des Widerstreits zwischen dem Menschen und der Natur ist. 15

Der Widerspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital im herrschenden Produktions- und Reproduktionsprozeß zeigt nicht unmittelbar an, wie ihm die Trennung von der Natur zugrunde liegt. Die Kapitalseite betrachtet die Natur ohnehin als passiven Gegenstand mit mehr oder weniger Nützlichkeit. Abhängig Beschäftigten tritt Natur - wie alle anderen Waren - dann als fremde Macht gegenüber. Der Lohnarbeiter „rechnet die Arbeit nicht selbst in sein Leben ein (...) Sie ist eine Ware, die er an einen Dritten zugeschlagen hat. Das Produkt seiner Tätigkeit ist daher auch nicht der Zweck seiner Tätigkeit. Was er für sich selbst produziert, ist der Arbeitslohn.“ 16

So wie den LohnarbeiterInnen das Produkt ihrer Arbeit nicht Zweck der Tätigkeit ist, ist die Kapitalseite gleichgültig gegenüber ihrer stofflichen Grundlage. Das interessiert nur, soweit sie befähigt wird, ihr Kapital zu akkumulieren, oder, wie Brecht formuliert: Es interessiert dem Kapital nicht der Reis, sondern nur sein Preis !

Um dem Sinken der allgemeinen Profitrate entgegenzuwirken, ist das Kapital gezwungen, sich stetig auf erweiterter Stufenleiter zu reproduzieren. Dies gelingt aber nur, wenn es auch seine stoffliche Grundlage quantitativ und qualitativ erweitert - dies ist der Grund für die ständig umfangreichere Einverleibung von Natur und damit der ständig fortschreitenden Zerstörung der menschlichen Lebensgrundlage.

Marx hatte herausgefunden, daß das Kapital ihm eigene Hindernisse hat, um seine Maschinerie auf verbesserter Grundlage zu reproduzieren.17 Diese Tendenz hat sich im Monopolkapitalismus immer stärker manifestiert. Das Monopolkapital und sein Staat hat soviel Maschinerie aufgehäuft und der Staat die zugehörige Infrastruktur, so daß eine erweiterte Reproduktion des Monopolkapitals nur quantitativ und nur im Sinne der vorhandenen Maschinerie möglich ist - diese Entwicklung kommt besonders bei den Energie- und Automobilmonopolen zum Ausdruck. Gerade die Monopole müssen ihre materielle so gestaltete Reproduktionsbasis beständig umwälzen, dabei bieten sich ihnen eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder eine vollständige Ersetzung der materiellen Basis oder deren Zerstörung mittels kriegerischer Unternehmungen ! 18

Dies treibt das Monopolkapital zu einem immer aggressiveren Vorgehen - es ist verfaulender Kapitalismus. Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse stehen im zeitgenössischen Stadium des Kapitalismus in heftigem Widerspruch zueinander. Und dann, so Karl Marx in seiner ‚Kritik der Politischen Ökonomie’: „(...) Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein (...)“, 19 weil die hemmenden kapitalistischen Produktionsverhältnisse abgestreift und die bereits im Schoß der alten Gesellschaft schlummernden Produktivkräfte nach Maßgabe gesellschaftlicher Erfordernisse zum Durchbruch drängen. So Marx zu seiner Zeit. KommunistInnen heute können nicht dabei stehen bleiben und müssen sich vor Forderungen unkritischer Entfesselung der gesellschaftlichen Produktivkräfte in Acht nehmen.

Gerade das ökologische Desaster zeigt uns, im Schoß dieser herrschenden Produktionsverhältnisse wurden und werden fortwährend ganze Systeme destruktiver Technologien mit Natur zerstörenden Potentialen generiert – auch dies ist Ausdruck der Entwicklung der Produktivkräfte.

Daraus folgt, daß der Bruch mit den herrschenden Produktionsverhältnissen einher gehen muß mit der Revolutionierung des herrschenden Mensch-Natur-Verhältnisses. Dies bleibt gesellschaftliche Aufgabe während der gesamten Übergangsperiode zur klassenlosen Gesellschaft – eine geradezu kulturrevolutionäre Aufgabe. Die ökologische Frage ist nicht bloß Zugabe für programmatische Texte im Sinne der politischen Bewerbung des Umweltklientels. Eine positive Vision bezüglich des Mensch-Natur-Verhältnis muß wesentlicher Teil des Profils der KommunistInnen sein. Wir gehen davon aus, daß der real existierende Sozialismus u.a. auch deswegen scheiterte, weil seine führenden VertreterInnen dies nicht verstanden.

4. ‚Wirtschaftsdemokratie’ – bleiben auch sozialdemokratischer Ladenhüter im Angebot ?

Um es gleich vorweg zu nehmen: Wir sind der Auffassung, daß das strategische Konstrukt der DKP in Gestalt von ‚antimonopolistische Demokratie’ ohne die klare Erkenntnis von der Notwendigkeit des Bruchs mit der Diktatur des Kapitals geradezu das Eintrittsbillet abgibt für die ‚Wirtschaftsdemokraten’, den Strategen eines ‚dritten Weges’ um Leo Mayer und der älteren Führungsriege der DKP. Alles, was weiter oben zu den eklektischen Aussagen der DKP zur ökologischen Krise geschrieben wurde, gilt in noch weit verschärfterer Form dem politischen Portfolio von Leo Mayer und seinen speziellen Bündnispartnern vom Institut für sozialökologische Wirtschaftsforschung (isw).

Mayer und seine Verbündeten erscheinen dem Beobachter von außen tatsächlich als Erneuerer kommunistischer Identität, weil sie, zumindest was die ökologische Faktenlage betrifft, detaillierter und scheinbar geschmeidiger auf Erscheinungsformen des herrschenden zerstörerischen Mensch-Natür-Verhältnisses eingehen. Das gelingt denen u.a., weil H.-P. Brenner, wie oben gezeigt, nur so mangelhaft argumentiert. Ihm, H.-P. Brenner, ist jedoch trotz aller Kritik nicht abzusprechen ist, daß er sich in seinem theoretischen Ansatz um die Beschreibung eines kommunistischen Profils bemüht. Für die DKP-intern in der Minderheit befindlichen Strömung um Mayer gilt dies ganz und gar nicht.

Erstens ist für sie die Frage nach einer kommunistischen Identität nicht mehr aktuell, wozu schon einiges an Kritik in der DKP selbst geschrieben und besprochen wurde; zweitens aber landet Mayer bei ziemlich fragwürdigen Schlußfolgerungen, wenn er zum Beispiel im August diesen Jahres am Ende eines Referats herbeisehnt: „(...) eine gesellschaftliche und politische Kraft zu formieren, der zugetraut wird, dieses alternative Projekt zu realisieren. Denn zu einer realistisch erscheinenden Alternative gehören nicht nur die richtigen Forderungen, sondern auch eine politische Kraft, der zugetraut wird, gemeinsam mit ihr die Verhältnisse verändern zu können.“ 20

An anderer Stelle gibt er erläuternde Auskunft: die denkbaren Formen von „alternative(m) Projekt“, reichen „von der Modifizierung des bisherigen Wachstumsmodells mit autoritär- staatlichen Maßnahmen über einen Grünen Kapitalismus und Green New Deal bis zu einem sozialen und demokratischen Weg aus der Krise mit einer sozialistischen Perspektive – heute am weitesten ausgearbeitet im ‚Regierungsprogramm’ von SYRIZA.“ 21

Einmal abgesehen davon, daß von einer „sozialistischen Perspektive“ bei SYRIZA überhaupt nicht die Rede sein kann – weder ist da die Eigentumsfrage noch die Frage nach der Gestaltung der Verfügungsgewalt über dieses Eigentum ernsthaft angegangen -, gibt es keinen Grund, weshalb sich KommunistInnen, bei ihrer Kritik an den herrschenden Produktionsverhältnissen und dem herrschenden Mensch-Natur-Verhältnis freiwillig auf das Niveau von diffus antikapitalistisch orientierten Gruppierungen reduzieren lassen sollten. Im Gegenteil, sie tun gut daran, diese Kritik laut und vernehmlich zu äußern.

Mayers Freunde aus dem isw stehen ihm in seiner Zielsetzung solidarisch bei. Es heißt am Ende einer isw-Zeitschrift zur Ökologiefrage: „Von allen Kapitalismusvarianten wäre mir die grün-soziale die Beste, weil in ihr die dringlichsten Umwelt- bzw. Klimaprobleme zumindest angegangen und verringert werden können. Sie ist das ‚kleinere Übel’ im Vergleich zu einer ungebremsten, kriegerischen, autoritären Raubbau- und Katastrophenvariante.“ 22

Damit sich genau diese Auffassung vom kleineren Übel nicht beständig neu durchsetzt, ist - in der Ökologiefrage wie auch sonst - die authentische, zeitgemäße, autonome, radikale Identität der KommunistInnen geradezu lebensnotwendig. Sollen die Malediven erst absaufen, bis wir den ‚Green new deal’ als Mogelpackung kritisieren dürfen ?

Als gewissermaßen reichlich bescheiden empfinden wir diese Spezialkommunisten - manche auch ehemalig -, da sie sich eine Verlaufsform kommunistischer Politik nurmehr als Teil einer diffus antikapitalistischen Bewegung und auf dem Gebiet der Ökologie nurmehr das ‚kleinere Übel’ vorstellen können. Beides hat mit kommunistischer Identität nichts zu tun. Solcherart Vorstellungen sind vielleicht gerade hinreichend für mehr oder minder begrenzte Protestbündnisse, eine strategische Orientierung, die über die kapitalistischen Produktionsverhältnisse und über das herrschende Mensch-Natur-Verhältnis hinaus reicht, bieten sie nicht. Aber billiger können wir es ihnen und uns nicht machen, geringfügiger kann unseres Erachtens das Maß der Dinge nicht sein, das liegt geradezu in der Natur der Sache.

Die Gruppe um Leo Mayer läßt seit 2010 in Gestalt ihrer ‚Politischen Thesen’ einen Verschlag zirkulieren. Es heißt dort ganz im Geist diverser ‚kleinerer Übel’: „Die Demokratisierung von Betrieb und Gesellschaft, von Staat und supranationalen Institutionen sowie die Ergänzung der repräsentativen Demokratie durch Elemente direkter und partizipativer Demokratie sind Mittel zur Einschränkung der Macht der Banken und Konzerne und gleichzeitig Weg im Emanzipationsprozeß der arbeitenden Menschen. Demokratisierung ist Weg und struktureller Bestandteil eines alternativen Konzeptes und einer sozialistischen Perspektive.“ 23

Die gute, alte sozialdemokratische ‚Wirtschaftsdemokratie’ soll es also richten: Parfüm gegen Luftverpestung und Kernseife im Wahlkampf ! Wir können uns nicht vorstellen, daß in einer kommunistischen Organisation mit einer Programmatik wie dieser friedlich koexistiert werden kann.

5. Schlußfolgerungen und Vorschläge

Die in diesem Text angerissenen Fragen sind keineswegs erschöpfend beantwortet. Unser Textfragment soll wenigstens einen Beitrag dazu leisten, die begonnene Diskussion weiter zu führen und eine kommunistische Praxis gegen die Umweltzerstörung generieren zu helfen.

Wir sind uns darüber im Klaren, daß wir mit unserem Beitrag einen Totalverriß der DKP-Positionen in der Ökologiefrage abliefern. Gleichwohl gehen wir davon aus, daß der gegenwärtig mehrheitsfähige ‚frische Wind von links’ in der DKP eine ausreichende Grundlage bieten kann, um zu diesem Thema für KommunistInnen eine Perspektive auszuarbeiten.

  • Den Verantwortlichen beim Parteivorstand der DKP möchten wir vorschlagen, eine bundesweite Arbeitsgruppe zum Thema „Das globale ökologische Desaster und die KommunistInnen“ einzurichten und zu unterstützen, welche über einen Zeitraum von maximal einem Jahr, brauchbare und angemessene theoretische Grundlagen für die Rolle der KommunistInnen in der Ökologiebewegung erstellt. Wir würden uns - auch als Nicht-Mitglieder - gerne daran beteiligen, wie wir überhaupt meinen, daß diese Arbeitsgruppe auch für sachkundige Nicht-Mitglieder offen sein soll.

  • Gleichwohl verlangt die Sache, um die es hier geht, auch ein zeitnäheres Arbeitsresultat, weil die Positionierung der DKP in der Ökologiefrage vom Grundsatz her bloß eklektisch, nicht aktuell und damit überhaupt nicht ‚antikapitalistisch, revolutionär’ (H.-P. Brenner) ist: Es sollte eine Beschlußvorlage vorbereitet werden, die eine positive Aussage für die Mobilisierung von KommunistInnen für den Bruch mit dem herrrschenden Mensch-Natur-Verhältnis und ein stärkeres Engagement in der Ökologiebewegung zum Ausdruck bringt.

  • Der Parteivorstand der DKP sollte im Spätherbst 2014 eine Konferenz zu diesem Thema ausrichten und sich dabei wesentlich auf die Kräfte der bundesweiten Arbeitsgruppe stützen können.

Anmerkungen

1 Wenn wir im Folgenden von KommunistInnen sprechen, dann sehen wir die GenossInnen der DKP als ein Teil dieses Kollektivs. Wir gehen davon aus, daß es weitaus mehr - vor allem aktive - KommunistInnen außerhalb der DKP gibt als innerhalb. Die MLPD dürfte, was deren Aktivistenstamm betrifft, hierzulande inzwischen dabei die stärkste Gruppierung darstellen. Diese Feststellung ist nicht gleichbedeutend mit qualitativer Wertung. Einer verächtlichen Wertung allerdings nach der Art Brenners, der die MLPD eine „alt-maoistische Sekte“ nannte, können wir uns nicht anschließen. Die MLPD kämpft z.B. bei Opel in Bochum an führender Stelle, die DKP nicht – für uns ein gewichtiger Unterschied.

2 Vgl. dazu H.P.Brenner, stellv. Parteivorsitzender der DKP, in ‚Marxistische Blätter’ 4-13: „Die Mensch-Natur-Relation“ sowie die Niederschrift eines Referats anläßlich einer Veranstaltung der Marx-Engels-Stiftung unter dem Titel „Marxismus, Ökologie und Klassenkampf“ unter http://news.dkp.de/2013/06/marxismus-oekologie-und-klassenkampf/).

3 ebenda

4 Vgl. dazu aus dem Mannheimer Programm der DKP von 1978. Dort hieß es noch: „Für vorrangig erachtet die DKP die Verstaatlichung und demokratische Kontrolle der Großbanken und Versicherungskonzerne, der Energie- und Stahlkonzerne, der Atom- und Rüstungsindustrie“. (Dietz-Verlag, Berlin 1979)

6 aus Marx/Engels, Das Kapital Bd. III, MEW Bd. 25, S.821

9 Darum wird ja auch von Staats wegen von der Kohle als „Brückentechnologie“ gesprochen, was konkret nichts anderes bedeutet, als eine „Brücke“ zu bilden, um den Strommonopolen die Basis ihrer Gewinnmaximierung aufrecht zu erhalten.

10 siehe 8)

11 aus Marx, Grundrisse der Kritik der Politischen Ökonomie, Dietz Verlag 1974, S. 389

12 siehe Programm der DKP von 2006 unter http://news.dkp.de/dokumente/parteiprogramm/

13 siehe auch bei Marx/Engels, Das Kapital Bd. 2, MEW Bd. 24, S. 241

14 siehe auch bei Marx, Grundrisse der Kritik der Politischen Ökonomie, Dietz Verlag 1974, S. 234/235

15 siehe auch bei Marx, Ökonomisch-Philosphische, MEW Bd. 40, S. 536

16 aus Marx/Engels, Lohnarbeit und Kapital, MEW Bd. 6, S.400

17 siehe auch bei Marx/Engels, Das Kapital Bd. 2, MEW Bd. 24, S. 170-172

18 bspw. muß die Erdöl verarbeitende Industrie bei Strafe ihres Untergangs an die Umwälzung ihrer materiellen Basis gehen, weil die Erdölvorräte zu ihrem Ende kommen.

19 aus Marx, Vorwort Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW Bd. 13, S. 9

20 vgl. dazu „Zum Charakter der gegenwärtigen Krise“ unter http://www.kommunisten.eu/index.php?option=com content&view=article&id=4624:zum-charakter-der-gegenwaertigen-krise&catid=109:20-parteitag-2013&Itemid=272

21 ebenda

22 vgl. ‚ISW-Report 91’ unter dem Titel „Grüne Wende – neue Farbe oder neues System“ unter http://www.isw-muenchen.de/report910.html

23 siehe unter http://www.kommunisten.de/index.php?option=com_content&view=category&id=100&Itemid=236

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Text von den Autoren für diese Ausgabe.