Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Frankreich, hat seinen Sarrazin gefunden
Eric, stürz’ Dich bitte von der Brücke!

12-2014

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Deutschland schafft sich ab, doch Frankreich bringt sich um. Es klingt, als diskutiere man beiderseits des Rheins über die bessere Methode: Soll man sich lieber von der Brücke stürzen, oder lieber den Strick nehmen? Hinter den Worten stehen jedoch Thesen, die zunehmend Einfluss auf die Gesellschaft auszuüben scheinen.

„Deutschland schafft sich ab“ war der Titel des Bestsellers von Thilo Sarrazin. Das Buch erschien 2010 und soll sich innerhalb der ersten beiden Jahre rund 1,5 Millionen mal verkauft haben1. Am 1. Oktober dieses Jahres erschien in Frankreich das Buch Le suicide français („Der französische Selbstmord“) des Fernsehjournalisten Eric Zemmour. Bis zur Mitte des Monats stand es auf den Bestsellerlisten oben, und im Internet stand es auf Platz Eins unter den on-line verkauften Büchern. Und dies trotz eines relativ unhandlichen Formats, 544 Seiten für 22,90 Euro.

Die genauen Verkaufszahlen sind bislang noch unklar. Nach Darstellung des Verlegers Albin Michel wurden zunächst 120.000 Exemplare gedruckt und dann auf Verlangen der Buchhändler hin weitere 80.000 Exemplare nachgeliefert –das wären höhere Erstauflagen als bei Sarrazins Schinken. Allerdings behauptete der Verleger auch, im Zeitraum vom 01. bis 12. Oktober d.J. seien allein 60.000 Bücher über den Ladentisch gegangen; das statistische Institut des Buchhandels, Edistat, spricht hingegen von 31.500 verkauften Exemplaren im selben Zeitraum. Die Erfassung durch Edistat ist allerdings nicht vollständig, sondern misst den Vertrieb an 1.200 repräsentativen Verkaufsstellen, ohne beispielsweise den Online-Buchhandel mit zu umfassen.

Das Institut GfK seinerseits, das seit 2003 eigene Daten erhebt, spricht von 5.000 verkauften Exemplaren täglich um die Monatsmitte Oktober. Damit liege Zemmours Buchtitel im Verkauf vorne, noch vor dem Sensationsbuch von François Hollandes Ex-Freundin Valérie Trierweiler, das am 04. September 14 unter dem ironischen Titel Merci pour ce moment („Danke für diesen Augenblick“) publiziert worden war, und noch vor dem aus Frankreich stammenden diesjährigen Literaturnobelpreisträger Patrick Modiano. Über einen etwas längeren Bemessungszeitraum hinweg behält allerdings die geschasste „Erste Dame“ im Staat, Valérie Trierweiler, mit über 500.000 verkauften Exemplaren, die Nase vorne2.

Hilfe, die Germanen respektive Gallier sterben aus

Vom Inhalt her ähneln Zemmours Thesen in vielerlei Hinsicht denen Sarrazins. Hatte Letzterer ein Aussterben der deutschen Bevölkerung, zu geringe Kinderzahlen, einen Werteverfall sowie eine Überflügelung der Bildungseliten durch soziale Gruppen mit geringerem Intelligenzquotienten geklagt, so geht es bei Zemmour um den Untergang des französischen Nationalstaats, die schädliche Feminisierung respektive das idiotische Verlangen nach Frauenemanzipation, sowie ebenfalls sehr stark umso genannten Werteverfall.

Eric Zemmour sieht einen planmäßig eingeleiteten Niedergang Frankreichs über vier Jahrzehnte hinweg, in den Jahren von 1970 bis 2010. In insgesamt neunundsiebzig Kapiteln knüpft er dabei vermeintliche Zusammenhänge zwischen politischen Ereignissen und kulturwissenschaftlichen und anderen populären Phänomen. Jedes einzelne Buchkapitel beschreibt dabei, so eine kritische Besprechung in der Literaturbeilage des Wochenmagazins Le Nouvel Observateur, „je einen Sargnagel in der Geschichte Frankreichs“.3 Das 1984 durch die Strasbourger Band „Cookie Dingler“ vertonte Lied Femme libérée, eine schnulzige Hymne auf eine als emanzipiert dargestellte Frau, ist aus Zemmours Sicht beispielsweise ein Meilenstein auf dem Weg in die Katastrophe, und er vergleicht den Text mit dem egalitaristische Zwecke verfolgenden „Terror unter der Französischen Revolution“ – Tugendterror und „politische Korrektheit“ zählen, ähnlich wie bei Sarrazin oder der AfD, zu Zemmours Lieblings-Schreckgespenstern.

Zemmour beklagt „die Menschenrechtsideologe“ (le droitdelhommisme) und den Verfall eines starken Staates, in dem allein sich die französische Nation als solche widerspiegeln könnte. Er würde „das Rückgrat der französischen Gesellschaft“ bilden, wäre dieser Staat nicht dadurch auf gefährliche Weise geschwächt, dass er ständig bedenklichen Tendenzen in der Gesellschaft nachgebe und ihnen hinterherlaufe. Als da wären: Feminisierung und Emanzen-Ticks, Homosexuellenemanzipation bzw. –ermächtigung (pouvoir gay), nationalmasochistische „Fremdenfreundlichkeit“ (xénophilie); „nationaler Selbsthass“ und „Halalisierung“, eine Umschreibung für eine vermeintliche muslimfreundliche Überfremdung der Gesellschaft.

Die gefährlichen 3D: Zemour in der dritten Dimension

Zemmour postuliert, seit Mai 1968 seien die „drei D“ dabei, ihren schädlichen Einfluss zu entfalten: dérision, déconstruction und destruction. Also die Lächerlichmachung überkommener Traditionen und Institutionen, die „Dekonstruktion“ und die Zerstörung. In seinem Furor gegen die linksliberalen oder linksradikalen, aber auch in den Eliten angesiedelten Betreiber dieses Zerstörungswerks macht Zemmour dabei auch vor Charles de Gaulle nicht immer halt. Je nach Buchpassage ist 1970 verstorbene General und Präsident mal ein Repräsentant des noch starken französischen Staates, unter dem die Welt noch in Ordnung, mal jedoch auch ein Komplize beim Zerstörungswerk. Hatte doch die Regierung unter de Gaulle 1965 die erstmalige gesetzliche Zulassung eines eigenen Bankkontos für die verheiratete Frau, und 1967 die Erlaubnis der Anti-Baby-Pille durchgewunken. Erstaunlicherweise findet der spätstalinistische frühere Chef der Französischen kommunistischen Partei (von 1972 bis 1994), Georges Marchais, in seinen Augen tendenziell Gnade. Hatte Marchais doch 1979 den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan gerechtfertigt, was bedeutet, dass er sich noch für starke Staaten einzusetzen vermocht. Und wusste Marchais sich doch in bestimmten Phasen in den achtziger Jahren der Einwanderung – im Namen des Schutzes französischer Proletarier vor Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt – zu widersetzen, auch wenn die französische KP diese Politik später wieder verworfen hat.

Stärker noch als Thilo Sarrazin positioniert Eric Zemmour sich offen gegen Migration. So schreibt er, die gesetzliche Zulassung der Familienzusammenführung im Jahr 1975, unter Premierminister Jacques Chirac – die den generellen Einwanderungsstopp für Arbeitskräfte, infolge des ersten Ölpreisschocks, begleitete – sei „ein schwerwiegender Fehler“ gewesen. Allerdings verwechselt Zemmour dabei ganz offensichtlich den Nachzug von Familienmitgliedern französischer Staatsbürger, etwa deren ausländischer Ehegattinnen und –gatten, mit der Familienzusammenführung für ausländische Staatsbürger. Ersterer machte vor fünf Jahren 39 Prozent, die Letztgenannte jedoch nur 9 Prozent der neuen Aufenthaltsgenehmigungen aus. Oder aber er wirft beide zusammen in einen Topf, um die Zahlen aufblähen zu können.

In jedem Falle aber wirft er mit falschen Angaben nur so um sich. Beispielsweise behauptet er, ein Drittel der Ehen in Frankreich, angeblich „90.000 von 270.000“, werde mit ausländischen Staatsbürgern geschlossen und diesen werde dadurch die französische Staatsangehörigkeit hinterhergeworfen. In Wirklichkeit gab es im vergangenen Jahr in Frankreich 231.000 Eheschlüsse; davon betrafen nur 17.500 oder rund 7,5 Prozent solche Fälle, in denen ein ausländischer Ehepartner perspektivisch die französische Nationalität erwerben kann, und dies auch nur nach einer gesetzlichen Wartefrist von mindestens vier Jahren Ehedauer. Knappe drei weitere Prozent waren Ehen unter ausländischen Staatsangehörigen4.

Zemmour & Vichy

In einem weiteren Punkt unterscheidet Zemmour sich deutlich von Sarrazin. Letzterer versuchte sich nicht darin, etwa die NS-Politik offen zu rehabilitieren, was in Deutschland auch ein politisch vergleichsweise riskantes Unterfangen wäre. Hingegen wirft Eric Zemmour sich in manchen Passagen relativ offen für das Vichy-Regime in die Bresche.

Seine Motive sind dabei nicht im Antisemitismus zu suchen; auch wenn Eric Zemmour auf Seite 263 seines Schinkens bspw. auch behauptet, die französischen Juden seien heutzutage „eine unantastbare Kaste“ geworden, und wenn er auf Seite 383 das angebliche „Talent“ des Theatermachers und antisemitischen Agitators Dieudonné positiv hervorhebt. Dabei geht es im allerdings zuvörderst darum, das „politisch Unkorrekte“ sowie die nationale Einheit zu rehabilitieren, und nicht im Kern um Judenhass.

Zemmour stammt von einer algerisch-jüdischen Familie ab, und ist vielleicht gerade deswegen ein glühender französischer Nationalist, weil die Juden in der nordafrikanischen Siedlungskolonie durch die Kolonialmacht als vergleichsweise privilegierte Gruppe behandelt wurden. Um die einheimische Gesellschaft zu spalten, verlieh Frankreich im unterworfenen Algerien seit 1870 – neben den Christen, also den europäischen Siedlern – auch den ortsansässigen Juden die französische Staatsbürgerschaft, die der Bevölkerungsmehrheit aus Arabern und Berbern jedoch vorbehalten blieb. Dies führte zu einer dauerhaften Herauslösung der jüdischen Bevölkerungsgruppe, die zum Teil seit über zweitausend Jahren und zum Teil seit der Vertreibung aus Spanien 1492 dort lebte, aus der örtlichen Bevölkerung und kettete ihr Schicksal an die französische Kolonialmacht.

Als französischer Etatist und Nationalist, der erklärtermaßen sein Land am liebsten in einer Figur von der Statur Napoléon Bonapartes verkörpert sähe, ist Zemmour unterdessen um eine zumindest teilweise Rehabilitierung des Vichy-Regimes bemüht. Gegen die Vorwürfe „der dominanten (/ herrschenden) Ideologie“, wie er es ausdrückt, nimmt Zemmour dieses und seinen Chef, den Marschall Philippe Pétain, in Schutz. Deswegen greift er auch den US-amerikanischen Historiker Robert Paxton, dessen 1972 auf Englisch und 1973 auf Französische erschienenes Werk „Das Frankreich Pétains“ bahnbrechend war zahlreiche Erkenntnisse aus den Archiven zum Vorschein brachte, heftig an5. Im Gegensatz zu dem, was solche Ignoranten behaupteten, wettert Zemmour, habe das Vichy-Regime „die Juden mit französischer Staatsbürgerschaft beschützt“. Dabei habe es, zugegebenermaßen, „die ausländischen Juden geopfert“, also an die Vernichtungsmaschine NS-Deutschlands ausgeliefert – dies sei jedoch aus Sicht der Staatsräson verständlich. Im Ergebnis sei es Pétain, welcher „95 Prozent der französischen Juden rettete“.

Diese Ausführungen, die in der Nacht vom 05. zum 06. Oktober 14 zu einem heftigen Wortgefecht im Fernsehen zwischen Zemmour und der (französisch-libanesischen) TV-Journalistin Léa Salamé führten6, werden von Historikern und in Fachzeitschriften zerrissen. So weist der Geschichtswissenschaftler François Delpha in einem Aufsatz7 in Erwiderung auf Zemmour darauf hin, dass es nicht das Pétain-Regime, sondern ein Teil des französischen Klerus war, der im Sommer 1942 heftig gegen die Deportationen zu protestieren begann. Dessen Druck wurde allerdings durch Teile des klerikal-reaktionären Regimes in Vichy, das für Kritik aus den Reihen der Kirche empfindlich war, aufgegriffen und weitergegeben.

Am 23. August jenes Jahres wandte sich der Erzbischof von Toulouse, Saliège, auf der Kanzel offen gegen die Judenverfolgungen. Im September ’42 hätte auf Anweisung der Besatzungsmacht hin auch die Deportation der Juden mit französischer Staatsbürgerschaft aus Frankreich beginnen sollen. Doch am 25. September 1942 ordnete Heinrich Himmler deren vorläufige Aussetzung an. Zu dem Zeitpunkt bereitete NS-Deutschland sich darauf vor, auch die bisher allein vom Vichy-Regime verwaltete und ohne deutsche Soldaten verbliebene Südzone Frankreichs militärisch zu besetzen, weil die Landung der Alliierten näher zu rücken schien. Deswegen hatte das Reich vorläufig andere Prioritäten. Da Frankreich auf drei Seiten vom Meer umgeben ist und weil zudem viele Juden in die Résistance gingen, konnte tatsächlich eine deutliche Mehrheit von ihnen gerettet werden.

In einem Interview mit der Tageszeitung Le Figaro vom 07. November 148 erklärt Zemmour dazu, es sei ihm nicht darum gegangen, das Vichy-Regime als solches zu rechtfertigen, sondern er werfe Paxton vor, dass er den Unterschied zwischen Franzosen und Ausländern einebne, indem er dem Vichy-Regime ein solches Vorgehen vorwerfe. Zemmour dazu: „Deswegen können heute die (antirassistischen) Organisationen ,Deportation’ schreien, sobald ein illegaler Einwanderer in sein Herkunftsland zurückbefördert wird.“

Politische Nutzanwendung von Zemmours Tiraden:
Die extreme Rechte wird aktiv

Ein weiterer Unterschied zu Thilo Sarrazin, der mitsamt seiner preußischen Beamtenmentalität bislang bei der SPD unterkommen und seine Mitgliedschaft nicht aufgeben mochte, liegt in der politischen Verortung Zemmours. Bislang blieb er zwar stets parteilos. Und er weigert sich auch, öffentlich durchblicken zu lassen, wem er bei den letzten Wahlen seine Stimme gab. Doch in jüngster Zeit stieg er auch mit offen rechtsextremen Kräften in die politische Arena.

Im März 2011, unmittelbar nach seiner Verurteilung zu 6.000 Euro Geldstrafe und Entschädigungszahlung wegen incitation à la haine raciale – eine ungefähre Entsprechung zum deutschen Tatbestand der „Volksverhetzung“ – infolge von Äußerungen zugunsten von Diskriminierung in zwei Fernsehsendungen9, empfingen ihn noch konservative Abgeordnete im französischen Parlament. Es handelte sich um die Abgeordnetengruppe La Droite populaire vom rechten Flügel der damaligen Regierungspartei UMP. Vier Tage nach dem Urteilsspruch, gegen den er nicht in Berufung ging, wetterte Zemmour damals vor den rechtskonservativen Parlamentariern gegen Bedrohungen für „die Meinungsfreiheit“ und gegen „politische Korrektheit“. Damals griff er im selben Aufwasch auch die „Erinnerungsgesetze“ (welche beispielsweise die – jedenfalls explizite - Holocaustleugnung unter Strafe stellen, seit dem 13. Juli 1990) gleich noch mit an10.

Am 16. Oktober dieses Jahres wiederholte Zemmour ähnliche Tiraden, dieses Mal aber nicht vor einem Publikum von dreißig bis vierzig Abgeordneten, sondern vor, je nach Angaben, „über 500“ oder auch „1.500 Menschen“ in seinem Saal im südfranzösischen Béziers11. Danach standen Besucher eine Stunde lang Schlange, um sich Buchexemplare von ihm signieren zu lassen. Eingeladen hatte ihn dieses Mal allerdings Robert Ménard, der im März 2014 im Namen des rechtsextremen Front National (FN) zum Bürgermeister der Stadt gewählt worden ist und zuvor auf einer Doppelseite in der Rathauszeitung Werbung für Zemmour betrieben hatte. Allerdings hatte es parallel dazu eine antifaschistische Plakatierkampagne gegeben, bei der auf satirischen Plakaten angekündigt wurde: „Gargamel kommt nach Béziers!“ Also der böse Hexer aus den Comics mit den Schlümpfen...12

Neben Teilen seines Diskurses hat Zemmour sich offensichtlich auch in seinen politischen Kontakten radikalisiert. Die beiden Männer, Ménard und Zemmour, kennen sich allerdings seit langem. Beide haben einen familiären Hintergrund im „französischen Algerien“, also in der früheren europäischen Siedlungskolonie in Nordafrika.

Unterdessen wurde durch eine Umfrage für die Tageszeitung Le Parisien am 25. Oktober d.J. bekannt, dass 62 Prozent der befragten Französinnen und Franzosen eine negative Meinung über Zemmour haben, wobei die konservative Wählerschaft allerdings in zwei ähnlich große Hälften gespalten ist. Ebenfalls 62 Prozent erklärten sich über seine Äußerungen zum Vichy-Regime „schockiert“. Auch bei 55 Prozent unter den konservativen Wählern ist dies der Fall. Allein die Wählerschaft des Front National positioniert sich anders; in ihren Reihen erklären sich 69 Prozent davon „nicht schockiert“13. Die politische „Praxis-Anwendung“ aus Zemmours Tiraden, und wer daraus den Nutzen ziehen wird, zeichnet sich also bereits deutlich ab.

Marine Le Pen: moderat neben Eric Z.?

Unterdessen versucht die rechtsextreme Politikerin Marine Le Pen ihrerseits, sich als vorgeblich moderat zu profilieren, indem sie sich von einem radikaleren Eric Zemmour abgrenzt14.

In einem Gespräch mit der Sonntagszeitung JDD, das am 02. November 14 publiziert wurde, beschuldigte sie ihn, eine Verschwörungstheorie zu propagieren. Zemmour seinerseits hatte sich am 13. Oktober in einem Fernsehinterview positiv auf eine Formulierung des Schriftstellers Renaud Camus bezogen, welcher immer wieder von einem Projekt des ,grand remplacement', des ,großen Bevölkerungsaustauschs' spricht.

Camus tritt des Öfteren beim rechtsextremen Bloc identitaire auf - wie in Kürze am 15. November d.J. in Paris bei dessen „Rückwanderungskongress“ -, und wurde am 10. April 14 wegen ,Rassenhetze' gegen Muslime und Migranten (anlässlich des „Anti-Islamisierung-Kongresses“ in Paris vom 18. Dezember 201015) erstinstanzlich zur Zahlung von 4.500 Euro verurteilt16. Und am 21. April 2000 wurde eines seiner Bücher wegen judenfeindlicher Passagen vom Verleger z17urückgezogen. Zwischenzeitlich wurde bekannt, dass der oben erwähnte rechtsextreme Bürgermeister von Béziers, Robert Ménard, in naher Zukunft ebendiesen Renaud Camus mit dem Abfassen eines Buches über „seine“ Stadt beauftragen möchte18.

Zemmour hatte Camus' Formulierung vom ,geplanten Bevölkerungsaustausch' positiv aufgegriffen. Nun erklärt Marine Le Pen dazu: „Das Konzept eines großen Bevölkerungsaustauschs unterstellt einen vorab gefassten Plan. Ich teile nicht diese verschwörungstheoretische Vision. Ich denke auf pragmatischere Weise, dass die Einwanderung seit dreißig Jahren von den Milieus der Großfinanz benutzt wird, um die Löhne zu drücken (...). Parallel dazu denke ich, dass die Politiker sich dank der Einwanderung ein neues Wählerreservoir bilden, weil sie es unter den Arbeitern verloren haben.“ Inhaltlich sagt Madame Le Pen zwar dasselbe wie Camus und mit ihm Zemmour, doch benutzt sie ihre vordergründige verbale Distanzierung, um neben dem hetzerisch auftretenden Fernsehjournalist als gemäßigt dastehen zu können.

Lektor des Buchmanuskripts von Eric Z. war ein führender Mitarbeiter von Marine Le Pen

Am Sonntag, den 09. November 14 berichtet das Wochenmagazin ,L’Express’ auf seiner Webseite darüber, wer – auf freiwilliger Basis - das Lektorat des Buchmanuskripts für Eric Zemmours Opus ,Le Suicide français’ („Der französische Selbstmord“) übernommen hatte19.

Es handelt sich um Philippe Martel; derzeit bekleidet er bei der FN-Vorsitzenden Marine Le Pen ein Amt unter der Bezeichnung directeur de cabinet. Dieser Amtstitel, den man nicht wortwörtlich ins Deutsche übersetzen kann, benennt in staatlichen Institutionen ein Regierungsamt, das man (je nach Institution) als Ministerialamts- oder Präsidialamts-Leiter bezeichnen könnte. Auf der Ebene des Regierungschef bezeichnet der Titel eine Funktion, die ungefähr jener eines Kanzleramts in Deutschland entsprechen würde. Beim Front National benutzt man für innerparteiliche Funktionen oftmals dieselben Bezeichnungen wie bei staatlichen Funktionen.

Philippe Martel war in den Jahren von 1988 bis 1994 ein führender Mitarbeiter des damaligen konservativen Spitzenpolitikers (und späteren Premierministers von 1995 bis 97) Alain Juppé. Letzterer, derzeit Bürgermeister von Bordeaux, ist im Übrigen ein möglicher Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur des konservativ-liberalen Bürgerblocks im Jahr 2017 und Rivale Nicolas Sarkozys. Allerdings darf Juppé als überzeugter Gegner des Front National gelten, den er in seiner Amtszeit als Regierungschef stets bekämpft hat (1996 bezeichnete er die damals von Jean-Marie Le Pen geführte Partei als „rassistisch, antisemitisch und fremdenfeindlich“ und wies jegliches politische Abkommen mit ihm zurück20), und verteidigt tatsächlich gewisse bürgerlich-demokratische Grundüberzeugungen. Ansonsten ist er in erster Linie ein wirtschaftsliberaler Technokrat.

Martel war in den 1990er Jahren vor allem zum Thema ,Europapolitik’ zunehmend in Widerspruch zu Juppé, den man zu 100 % zu den „Europabefürwortern“ zählen darf, geraten. Im März 2014 trat er als Spitzenkandidat des zu den Rathauswahlen im 18. Pariser Bezirk an.21

Anmerkungen

9 Vgl. dazu ausführlich, vom Autor dieser Zeilen: http://www.trend.infopartisan.net/trd0410/t450410.html

10 Vgl. eine damals in der liberalen Pariser Abendzeitung Le Monde publizierte Antwort von Anwalt Arno Klarsfeld (ansonsten ein konservativer Politiker im Umfeld von Nicolas Sarkozy, aber auch Sohn von Beate und Serge Klarsfeld: http://www.lemonde.fr/idees/article/2011/02/28/la-critique-des-lois-memorielles-menee-au-sein-de-l-ump-est-une-derive_1486220_3232.html

11 Erstere Zahl stammt von einer anwesenden Journalistin, letztere Angabe findet sich In der Berichterstattung der liberalen (und Zemmour gegenüber kritisch eingestellte) Pariser Abendzeitung Le Monde, vgl. ihren Artikel: http://www.lemonde.fr/politique/article/2014/10/17/ne-dites-pas-a-eric-zemmour-qu-il-fait-de-la-politique_4507944_823448.html

14 Und wohl auch ein Stück weit von ihrem Vater Jean-Marie Le Pen, der das unten zitierte Konzept der Umvolkung durch einen „großen Austausch“ ebenfalls gerne zitiert und benutzt.

 

Editorische Hinweise

Den Artikel bekamen wir vom Autor für diese Ausgabe.