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In Absprache mit den Veranstaltern (Zentralamerikakomitee/ZAK Tübingen) im folgenden eine Zusammenfassung der Protestkundgebung in Tübingen gegen den Luftkrieg gegen den Irak.
IMI@GAIA.de  (Info.stelle Militarisierung eV)

Schluß mit dem Bombenterror!
Kundgebung auf dem Tübinger Holzmarkt, 19.12.1998
Zentralamerikakomitee (ZAK) Tübingen

12/1998
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Heute (Samstag) mittag um 12.00 Uhr versammelten sich auf dem Tübinger
Holzmarkt ungefähr 200 Menschen, um gegen die Bombardements der USA und Großbritanniens gegen den Irak zu protestieren. Aufgerufen hatte das
Tübinger Zentralamerikakomitee (ZAK).

Von allen RednerInnen wurde ein sofortiger Stopp der Angriffe gefordert.
Immer wieder wurde eindringlich darauf hingewiesen, daß nicht Saddam
Hussein sondern die irakische Bevölkerung Opfer der US-Aggression sei.
RednerInnen wie auch die KundgebungsteilnehmerInnen zeigten sich empört
über die Unterstützung dieser völkerrechtswidrigen Aktion durch die rot-
grüne Bundesregierung.

Auf Transparenten war zu lesen:
"SCHLUß MIT DEM BOMBENTERROR!" und
"CLINTON: MAKE SEX, NOT WAR!".

Trotz eines heftigen Regenschauers, der pünktlich mit Kundgebungsbeginn
einsetzte und so pünktlich mit ihrem Ende wieder einem blauen Himmel
Platz machte, daß Verschwörungstheorien wie Pilze aus dem Boden
schossen, sahen Veranstalter wie TeilnehmerInnen die Kundgebung als
Erfolg. Es wurde zumindest ein kleines Zeichen gesetzt gegen die
zunehmende Akzeptanz militärischer Konfliktlösung. Ein Zeichen auch
gegen unsere eigene Sprachlosigkeit. Viele TeilnehmerInnen zeigten sich
dankbar für die Gelegenheit, ihre Empörung und ihren Zorn über diesen
neuen Krieg am Golf zum Ausdruck zu bringen.

Wir dokumentieren im folgenden den Redebeitrag des ZAK, gehalten von
Andreas Foitzik, und die wichtigsten Passagen der Redebeiträge von Eva-
Maria Kustermann (Sprachkurs für Asylsuchende), Felicia Langer
(israelische Anwältin und alternative Friedensnobelpreisträgerin),
Tobias Pflüger (Informationsstelle Militarisierung Tübingen) sowie Heike
Hänsel (Gesellschaft Kultur des Friedens).


ZAK:

Liebe Freundinnen und Freunde, verehrte Damen und Herren,

Ich darf Sie im Namen der Veranstalter zu dieser Kundgebung begrüßen.
Seit vorgestern präsentieren uns die Medien wieder einen vorgeblich
chirurgisch sauberen Krieg. Wir dürfen live verfolgen, wie
hochtechnische, satellitengesteuerte Raketen wie in einem Computerspiel
ihre Ziele suchen. Höre ich die Erklärungen, fallen mir kleine Kinder
beim Sandkastenspielen ein. Der böse Bube wollte nicht nachgeben, also
wird er verhauen. Nur, die kleinen Lichtblitze am Fernsehschirm sind
kein Computerspiel, sondern mächtige Bomben die inmitten einer
dichtbevölkerten Stadt explodieren. Keine Spur von den Schreien der
Menschen, keine Spur von ihrer Angst, ihrer Verzweiflung, ihren
Schmerzen. Kinder, Frauen, Männer sind die Opfer und nicht der böse
Bube, dem diese angebliche "Züchtigungsaktion" gilt.

Wir wollen uns nicht daran gewöhnen, daß ein selbsternannter
Weltpolizist kriegspielen kann und die Welt schaut zu und nickt. Schon
vor fast acht Jahren waren wir entsetzt von der Selbstherrlichkeit und
Brutalität dieses Krieges Nord gegen Süd. Wir haben auch damals den
Bildern der Medien nicht getraut und wissen heute, wie berechtigt unser
Mißtrauen war. Gerade mal 7% der eingesetzten Waffen, so ein
norwegischer Report, waren diese "chirurgischen" zielgenauen Waffen, die
oft genug ihre Ziele auch verfehlen. Der große Rest waren die aus so
viel Kriegen bekannten Flächenbomben, die nichts als zerstören wollen,
ohne Rücksicht auf Verluste.

Eva-Maria Kustermann, die seit vielen Jahren im Schlatterhaus
Deutschkurse für Flüchtlinge gibt, wird uns nun ein paar Eindrücke über
die Reaktionen von Flüchtlingen aus der Region am Golf geben, mit denen
sie im Sprachkurs zusammenarbeitet.

(Der Originaltext lag nicht vor, deshalb eine Zusammenfassung)

Eva-Maria Kustermann berichtete sehr eindrucksvoll von der Situation,
als sie am Donnerstagmorgen in den Sprachkurs kam. Kurdische und
irakische Flüchtlinge, die gerade im Folge des letzten Golfkrieges
verstärkt fliehen mußten, waren entsetzt über die Bombardements und in
großer Sorge um Bekannte und Verwandte. Sie seien alle keine Freunde
Saddam Husseins, doch würde dieser Angriff auch nicht Saddam Hussein
treffen. Ein Flüchtling, so Eva-Maria Kustermann, berichtete als
Augenzeuge von der Öffnung des 1991 angeblich aus Versehen getroffenen
Großbunkers, der zum Massengrab geworden war. Heute versuchten die
Flüchtlinge telefonisch etwas zu erfahren über das Schicksal der
Menschen, um die sie sich sorgen. Doch zum Telefonieren reicht die
gekürzte Sozialhilfe der Flüchtlinge praktisch nicht.


ZAK:

Wir finden uns damit nicht ab, daß es langsam schon nur noch mit einem
Achselzucken zur Kenntnis genommen wird, wenn weltweit Konflikte immer
schneller militärisch nach dem Recht des Stärkeren gelöst werden.
Was sehen wir:

· Eine Großmacht, die Massenvernichtungswaffen herstellt, und ein 3.Welt-
Land, das das gleiche tut.
· Wir sehen einen Präsidenten, der über Monate nur mit sich selbst und
seinem politischen Überleben beschäftigt war, ohne wirkliche
Anstrengungen, eine nicht-militärische Lösung zu suchen.
· Wir sehen auf der anderen Seite einen Diktator, der schon immer ein
Schweinehund war. Für die US-Regierung war das kein Problem, solange
es ihr Schweinehund war. Da wurde er noch hochgerüstet - ohne
Rücksicht auf Menschenrechte oder eine Bedrohung der Region.
Inzwischen vom Freund zum Feind geworden wird er im Namen der gleichen
Menschenrechte zum Angriffsziel.
· Wir sehen also zwei Herren, denen dieser Krieg zum Machterhalt dient.
Die Menschen im Irak sind die Opfer beider Herren. Keine Träne um
Saddam, sollten ihn die Bomben doch noch treffen. Doch die Bomben
werden die anderen treffen, nicht ihn. Und sie werden die Menschen
ihrem Despoten in die Arme treiben. Der gemeinsame Feind eint. Das
ist im Irak nicht anders als in den USA, Großbritannien oder sonst wo.

Schluß mit dem Bombenterror. Stoppt die Angriffe auf Zivilisten!

Als nächstes wird nun die israelische Menschenrechtsanwältin Felicia
Langer ihren Zorn über diesen völkerrechtswidirgen Staatsterror zum
Ausdruck bringen.


Felicia Langer:

"Ich verurteilie aufs schärfste den amerikanisch-britischen Angriff
gegen den Irak. Der Angriff ist völkerrechtswidrig. Es gibt für ihn
keine UNO-Mandat. (...)

Es ist wahr, daß Saddam Hussein ein menschenverachtender Diktator ist,
da ist er nicht der einzige, und wenn er provoziert hat, ist dies keine
Legitimation eines militärischen Angriffs. Der Angriff ist eine
unverhältnismäßige völkerrechtswidrige Reaktion, die man nicht
rechtfertigen kann. Sie ist in Europa auch außerhalb Rußland völlig
umstritten. (...) Der italienische Ministerpräsident d'Alema sagte, er
sei mit der amerikanischen Ethik, wonach böse Jungs bestraft werden
müssen, nicht einverstanden. Leider ist die deutsche rot-grüne Regierung
völlig einverstanden und hat ihre bedingungslose Treue zu Amerika
demonstriert. Schade!

"Es bleibt noch mehr zu tun, und das werden wir in den kommenden Tagen
erledigen", sagte der US-Verteidigungsminister Cohen. So schlicht und
einfach, als ob die Bomben und Raketen keine tödliche Waffe wären. Und
gestern war er schon zufrieden, weil man mehr Raketen als im während des
Golfkrieges abgefeuert hat. Und Clinton hat an einer Party teilgenommen,
während die Bomben auf Bagdad gefallen sind. Das ist die Moral des
Weltpolizisten! Und der Dollar steigt und die Aktien auch! Das irakische
Volk wird geopfert, weil ein Diktator das eigene Volk zur Geisel nahm.

Wir sind nicht viele Leute heute hier und überall, aber unsere Stimme
ist die Stimme der Vernunft und der Menschlichkeit, die Stimme des
Gewissens, gegen die Arroganz der Macht und gegen den politischen
Opportunismus.

Stoppt die Bomben! Das ist unser Appell. Das Völkerrecht ist unteilbar!"


ZAK:

Präsident Clinton gibt vor, das Interesse der freien Welt zu vertreten,
und bleibt doch im Verdacht, sein eigenes Süppchen zu kochen. Dabei ist
nicht unser Problem, daß er seine Interessen als nationale Interesse
ausgibt, sondern daß er seine "nationalen" Interessen uns als die
Interessen der Menschheit ausgeben will. Daß er dabei nicht einmal auf
ein Mandat der UNO wert legt, sagt alles. Gegen diese Militarisierung
der Außenpolitik wenden wir uns, egal ob das die US-Politik gegen den
Irak betrifft, oder deutsche Außenpolitik im Kosovo.

Die Reaktion der rot-grünen Bundesregierung ist ein Skandal. Es wird
inzwischen nicht mal mehr der Anschein eines Reformprojektes aufrecht
erhalten. Kontinuität um jeden Preis. Frankreich oder Italien haben
gezeigt, daß trotz Bündnistreue eine eigenständige kritische Position
möglich ist. Schröder und auch Fischer kriechen dagegen auf eine
widerliche Art den Aggressoren hinterher.

Diese Kritik ist Thema des Beitrags von Tobias Pflüger, der für die
Informationsstelle Militarisierung Tübingen, kurz IMI, spricht.

Tobias Pflüger:

"Was derzeit im Irak passiert ist ein barbarischer Akt! Jede neue
Angriffswelle der Truppen der USA und Großbritanniens ist stärker als
die vorherige. Wir kritisieren diesen neuen Golfkrieg aufs Schärfste!
Hört endlich auf mit den Bombardierungen!

Nach dem kurz vorher noch abgeblasenen Angriff am 13. November 1998
sprach das Pentagon von einkalkulierten 10.000 Toten. Derzeit ist die
Rede von ca. 50 Ziviltoten. Neben den USA und Großbritannien hat auch
das irakische Regime, der irakische Diktator Saddam Hussein, kein
Interesse, das wahre Ausmaß der Folgen des Bombardements zu zeigen.

Getroffen wurden z.B. auch Kasernen und Fabriken. Es war beispielsweise
die Rede von der Vernichtung der republikanischen Garden. Doch auch
Soldaten sind Menschen! Es ist damit zu rechnen, daß es Tausende von
toten Soldaten gegeben hat. Hört endlich auf mit den Bombardierungen!

Warum wurde der Irak bombardiert?

Dieser Krieg hat sehr viel mit der innenpolitischen Situation in den USA
zu tun. Eine jordanische Zeitung brachte die Situation auf den Punkt:
"Irakische Kinder müssen für eine Sexaffäre sterben!" Präsident Bill
Clinton wollte das laufende Amtsenthebungsverfahren in Sachen Lewinsky
hinauszögern (...) Ehrlich gesagt, inzwischen wäre es mir ganz recht,
wenn es eine Amtsenthebung dieses US-Präsidenten geben würde!

Der Zeitpunkt des Bombardements wurde bewußt gewählt. Die Bombenabwürfe
sollten vor dem Fastenmonat Ramadan stattfinden. Doch auch die Tage vor
dem Ramadan gelten als heilig, und jetzt hat der Fastenmonat begonnen,
aber es wird weiter gebombt. Das ist übler Zynismus.

Ein Anlaß für die Bombardements war der vorgelegte Bericht des Chefs der
UNSCOM-Mission Richard Butler, den er zuerst Medien zuspielte und dann
erst Kofi Annan, dem UNO-Generalsekretär übergab. In dem Bericht war
nach allgemeinen Verständnis nichts substantiell neues. Der Irak zeige
sich kooperativ bei der Zerstörung fast aller vermuteten Waffenplätze.
Fast alle Auflagen waren erfüllt worden. Probleme gab es bei der
Durchsuchung der Parteizentrale der Baath-Partei. Die internationale
Atomenergiebehörde IAEO sprach von einem "kooperativen Verhalten" des
Irak, alle Auflagen im Zusammenhang mit vermuteten Atomwaffen seien
erfüllt worden.

Richard Butler und die US-Regierung wollten offensichtlich kein
positives Ergebnis, sie wollten Unterwerfung. Der Satz von Clinton in
seiner Rechtfertigung: "Saddam hat nicht gehorcht", spricht dazu Bände.

Es geht hier nicht wirklich um die Umsetzung von UNO-Beschlüssen. Der UN-
Sicherheitsrat tagte gerade zum Punkt Irak, als die Bomben fielen. Die
UNO wird von den Regierungen der USA und Großbritanniens mißachtet,
absichtlich geschwächt und entmachtet. Die USA spielen sich zum
Weltpolizisten auf. Diese neue Weltordnung darf nicht um sich greifen!

Das Ganze hat sehr viel mit einem Termin zu tun, der zeitgleich
stattfand: Der Herbsttagung der NATO. Dort geht es um die neue Strategie
der NATO. Der Ersteinsatz von Atomwaffen ist dort nur ein Punkt unter
anderen, wesentlicher sind die Veränderungen für die konventionellen
Streitkräfte. Die NATO soll noch stärker als bisher zu einem
Interventionsbündnis ausgebaut werden. Wie jetzt schon bei den Truppen
der USA, Großbritanniens und Frankreichs soll dabei der weitere Ausbau
schneller Eingreiftruppen im Vordergrund stehen. In Deutschland sind das
dann "Krisenreaktionskräfte". Auch die neue rot-grüne Bundesregierung
will diese Truppen noch weiter ausbauen. Dazu darf es nicht kommen, dem
müssen dringend etwas entgegensetzen!

Mein Eindruck ist: Die USA und auch Großbritannien geben vor, die
anderen NATO-Staaten begrüßen, unterstützen oder bedauern, aber alle
halten die Bombardements für irgendwie notwendig.

Rolle der neuen Bundesregierung ist erschreckend! Leider muß ich die
neue rot-grüne Bundesregierung schon wieder kritisieren nach der
Diskussion mit dem grünen Bundestagsabgeordneten Winni Nachtwei am
Dienstag. Zuerst bedauerte die neue Bundesregierung das Bombardement
gegen den Irak, dann sprach Bundeskanzler Gerhard Schröder von
"Solidarität mit der Staatengemeinschaft und unseren Verbündeten", die
Grünen bedauerten, aber zeigten weitestgehend Verständnis.

Sind das die im Koalitionsvertrag genannten "gemeinsamen Werte und
gemeinsamen Interessen" mit den USA? Immer wieder hieß es: Saddam
Hussein sei allein schuld. Nein! Wer Waffen wirft, ist dafür selbst
verantwortlich!

Es tut mir leid das sagen zu müssen, aber die neue Bundesregierung macht
sich zum Lakaien der imperialen Politik der USA!

Angelika Beer von den Grünen bezeichnete die Bombardements als
riskant, bedauerlich aber verständliche Reaktion. Nein! Dieser neue
Golfkrieg ist nicht verständlich, er ist schändlich und wir verurteilen
ihn!

Erich Kästner fragte in solchen Situationen immer: Wo bleibt das
Positive? Ein Teil der Medien läßt sich nicht wie beim 2. Golfkrieg 1991
total hinters Licht führen! Zum Teil gibt es eine kritische
Berichterstattung.

Im jetzigen Golfkrieg werden wieder neue Waffen getestet. Die alten
Waffen wurden exportiert, auch von deutschen Kriegswaffenfirmen, auch in
den Irak. Waffen sind die Voraussetzung zum Kriegführen. Wir verurteilen
jeden Kriegswaffenexport!

Was ist zu tun?
1. Die Bombardements müssen sofort eingestellt werden!
2. Die Sanktionen gegen den Irak müssen dringend aufgehoben werden!
Die Bevölkerung leidet darunter, nicht der Diktator und seine
Clique.
3. Wir dürfen uns nicht auf die (neuen) Regierenden
verlassen, sonst sind wir verlassen!
Wir müssen uns selbst wieder mehr um Außen-, Militär-, und
Friedenspolitik kümmern und uns einmischen!
4. Notwendig ist nun Protest und Widerstand gegen die
Kriegsmaschinerie und gegen diejenigen, die wieder mal nur aufs
Militär setzen!"


ZAK:

Wir haben gesehen, eine Politik, die konsequent an friedlicher
Konfliktlösung orientiert ist, können wir uns von dieser Regierung nicht
erwarten. Eine Bewegung von unten ist heute notwendiger denn je. Die
Arbeit, die die IMI in den letzten Jahren gemacht hat, ist ein Beispiel
für die Notwendigkeit, auch hier in der Bundesrepublik sich gegen die
Militarisierung der Außenpolitik zur Wehr zu setzen.

Auch die Gesellschaft Kultur des Friedens gehört zu den Gruppen hier in
Tübingen, die allen Konjunkturen getrotzt hat, und konsequent nach
Möglichkeiten einer friedlichen Konfliktlösung sucht. Heike Hänsel, die
nun als letzte Rednerin zu uns sprechen wird, war im letzten Golfkrieg
vor acht Jahren in einem Friedenscamp in der Region. Heute stellt sie
einen offenen Brief an die Bundesregierung vor.


Heike Hänsel begründet, warum der Offene Brief gestartet wurde
und verliest ihn dann:


Gesellschaft Kultur des Friedens, Am Lustnauer Tor 4, 72074 Tübingen,
Tel. 07071/52200 Fax 07071/24905 e-mail: Culture_ofPeace@GAIA.de

An
Bundeskanzleramt, Adenauer Allee 141, 53113 Bonn, Fax 0228-56 2357
Auswärtiges Amt, Adenauer Allee 99-103, 53113 Bonn, Fax 0228-17 2845

Tübingen, den 19. Dezember 1998

Offener Brief an die Bundesregierung

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, sehr geehrter Herr Außenminister,

wir verurteilen den Bombenangriff der USA und Großbritanniens auf den
Irak und fordern Sie auf, sich für ein sofortiges Ende dieser Aggression
einzusetzen. Das eigenmächtige Handeln der USA, ohne eindeutiges Mandat
des UN-Sicherheitsrates für eine militärische Durchsetzung der UN-
Resolution 687 (1991), ist völkerrechtswidrig. Der UN-Generalsekretär
Kofi Annan, der diesen Tag als einen "traurigen Tag für die Vereinten
Nationen" bezeichnet hat, wird damit zum Statisten degradiert.
Zahlreiche Mitgliedsländer darunter Rußland, China und Frankreich haben
gegen dieses Vorgehen protestiert. Wir fordern Sie auf, sich dem
französischen Protest anzuschließen und einer Aushöhlung der Autorität
der Vereinten Nationen entgegenzuwirken. Die Entscheidungsprozeduren des
UN-Sicherheitsrates müssen eingehalten werden.

Setzen Sie sich Herr Fischer endlich aktiv für Ihre Aussage ein, daß es
ohne eindeutiges UN-Mandat keine militärischen Interventionen geben
darf. Der Arroganz der USA und Großbritanniens, sich zu Vollstreckern
von Strafaktionen der Weltgemeinschaft zu ernennen, muß viel
entschiedener entgegengetreten werden. Auch nach einem Ende des
Militärschlags darf dieses Vorgehen, eigene Interessen ohne Rücksicht
auf internationales Recht durchzusetzen, nicht ohne rechtliche und
politische Folgen bleiben. Wir fordern eine Verurteilung der USA und
Großbritanniens für dieses militärische Experiment.

Der Bombenangriff auf Bagdad und andere irakische Städte stärkt nur den
politischen Rückhalt Saddam Husseins in der eigenen Bevölkerung und im
arabischen Raum, Leidtragende ist wie bereits im Golfkrieg 1991 die
Zivilbevölkerung. Auch die seit 7 Jahren verhängten
Wirtschaftssanktionen treffen vorallem die Menschen im Irak und nicht
das diktatorische System.

Eine Woche nach den weltweiten Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, wird das Recht auf Leben der
irakischen Bevölkerung der zynischen Machtpolitik Saddam Husseins und
der anglo-amerikanischen Regierungen geopfert. Der vermeintliche
Fortschritt in der weltweiten Umsetzung der Menschenrechte wird dadurch
zunichte gemacht und eigenmächtigen militärischen Aktionen weltweit Tür
und Tor geöffnet. Von einem umfassenden und nachhaltigen Friedensprozeß
im Nahen Osten sind wir wieder weit entfernt.
Wir fordern ein Ende der weltweiten Militarisierung der Außenpolitik und
eine Stärkung der Vereinten Nationen und ihrer zivilen Instrumente.

Mit freundlichen Grüßen, Gesellschaft Kultur des Friedens


ZAK:

Zum Abschluß der Kundgebung möchte ich noch einige Grußadressen
erwähnen, die wir erhalten haben. Freunde aus den USA haben uns
berichtet, daß sie auch dort bereits am Donnerstag an Demonstrationen
teilgenommen haben. Sie wiesen darauf hin, wie wenig es der US-Regierung
um die Menschen im Irak geht. 30.000 Dollar Strafe muß eine humanitäre
Gruppe in den USA zahlen, weil sie das Embargo umgangen und irakischen
Kinder Spielzeug geschickt hat. Statt Spielzeug bekommen diese Kinder
nun Bomben und Raketen!!

Einen Brief haben wir von dem PDS-Bundestagsabgeordneten Winni Wolf und
seinen Mitarbeitern erhalten. Sie erklären sich mit unserer
Protestkundgebung solidarisch und kritisieren mit uns die "zutiefst
unmoralischen Bombardements". Sie fordern:
"Sofortigen Stopp der Bombardements - für eine friedliche Lösung des
Konflikts! Keine logistische und sonstige Unterstützung der
Militäraktion durch die Bundesrepublik Deutschland!
Sofortige Beendigung des Wirtschaftsboykotts gegen den Irak!"

Die MLPD verteilt eine Presseerklärung ihres Zentralkomitees, in der sie
u.a. den Stop der Bombardements, die Aufhebung des Embargos sowie die
Auflösung der Nato sowie der Krisenreaktionskräfte der Bundeswehr
fordern.

Liebe Freundinnen und Freunde,

der schlimmste Feind des Menschen ist die Gewöhung. Wir haben an uns
selbst gemerkt, wie leicht einem die Empörung über das alltägliche
Unrecht abhanden kommt. Diesen Gefallen dürfen wir denen nicht tun, die
selbstherrlich unsere angeblichen Interessen in der Welt vertreten.
Unsere Solidarität gilt den Opfern der US-Intervention in Irak.
Unser Zorn denen, die uns Computerspiele zeigen und dabei unbeteiligte
Menschen treffen.

Schluß mit dem Bombenterror!
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