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aus *UZ* unsere zeit, Zeitung der DKP, Nr. 51 18. Dezember 1998

IGM Gewerkschaftstag
Gegenmacht statt Sozialparnerschaft
kann der Ausweg sein

von Rolf Knecht

12/1998
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Die IG Metall muß auf die Zeichen der Zeit reagieren. Einflußverlust, Mitgliederschwund und knapper werdende Finanzen zwingen dazu. Nun ist die entscheidende Frage, ob die Ursachen richtig eingeschätzt werden und ob die Vorschläge für eine Besserung der Lage wirksam sein können.

Der 5. außerordentliche Gewerkschaftstag der IG Metall in
Mannheim wollte über seinen vor vier Jahren begonnenen
Organisationsentwicklungsprozeß (OE) Bilanz ziehen. Der
Leitgedanke war, die Stärken der IGM weiterzuentwickeln und
ihre Schwächen zu beseitigen. Um beides zu beurteilen, müßte
das politische Umfeld, in dem sich die Mitglieder bewegen,
realistisch und ohne Wenn und Aber untersucht werden. Das
geschah aber nicht nur mangelhaft, sondern fast überhaupt
nicht.

So war auf dem Kongreß, und auch in vielen Gesprächen unter
den Delegierten, zu bemerken, daß die jetzige politische
Situation sehr widersprüchlich beurteilt wird. Wie bei
anderen linken Organisationen sind, grob gerastert, zwei
Hauptrichtungen vorhanden - die sogenannten Reformer und die
sogenannten Traditionalisten. Und ein großer Teil der
Delegierten bewegt sich sehr unterschiedlich zwischen diesen
Feldern.

Aber selbst die Kolleginnen und Kollegen, die ihre
betrieblichen Projekte in den Vorräumen präsentierten - sie
haben dabei viel Einsatz gezeigt - spüren im täglichen
Geschäft, daß sie zwar hier und da Arbeitsplätze gerettet
haben, aber ihre Ängste damit nicht beseitigt wurden. Ein
typisches Beispiel ist das Projekt bei der Benteler AG. Der
Unternehmer drohte, eine Achsenfertigung nach Spanien zu
verlegen, weil dort billiger gefertigt werden könne. Der
Betriebsrat ergriff die Initiative und hatte gemeinsam mit
der Firmenleitung Wege gefunden, die Produktivität um 15
Prozent zu steigern und Arbeitsplätze zu erhalten. Das mag
ja erfreulich sein, aber haben das nicht schon andere auch
getan? Oder durch ständige Verzichte auf tarifliche
Regelungen "ihren" Betrieb "wettbewerbsfähiger" gemacht ...
und trotzdem entstehen immer wieder neue Ängste um
bestehende Arbeitsplätze.

Das ist die Welt, aus der die Delegierten nach Mannheim
gekommen waren, um Auswege aus ihren zunehmenden
Erschwernissen zu finden. Vom Gefühl her sehnen sich
natürlich viele nach einer möglichst ausgeglichenen sozialen
Welt, und sie hätten auch nichts gegen Unternehmer, die ein
Bündnis im Interesse des Allgemeinwohls mitgestalten würden.
Aber diese sozialpartnerschaftlichen Wünsche werden eben
ständig von den Unternehmern mißbraucht und mit Füßen
getreten, und sie zwingen den betrieblichen Funktionären,
teilweise an der Gewerkschaft vorbei, ihren Willen auf. Das
ist eine der Hauptschwächen dieser Organisation.

Mit dem ständigen Beschwören des "Bündnis für Arbeit", das
solche Handlungen in den Betrieben und Büros legalisiert
hat, werden wieder Hoffnungen auf Reformen zugunsten der
Arbeitnehmer geweckt. Und die Bindungen der Betriebsräte an
"ihr" eigenes Bündnis entfernen sie objektiv von der
Organisation.

IGM-Vorsitzender Klaus Zwickel betonte in seinem Referat,
daß die IGM an die Spitze derer gelangen will, die eine
Reform der "Arbeitsgesellschaft" wollen. Und hier ist ein
Beispiel, wie man schon in Begriffen, ob gewollt oder nicht,
vernünftige Gedanken mit Nebel überzieht. Der Begriff
"Gesellschaftsordnung" wird bewußt vermieden. Wenn Zwickel
aber sagt, daß die Arbeitnehmer nach Visionen suchen: "Eine
gesellschaftliche Reform- und Zukunftsdebatte muß
schließlich auch grundlegende wirtschafts- und
gesellschaftspolitische Alternativen zum Thema machen" -
dann muß er den Funktionären auch Mut machen, zu
traditionellen Aussagen der Arbeiterbewegung zurückzufinden.

Die Wortführer von Reformen in der IGM wollen die
Erkenntnisse, daß es einen Grundwiderspruch zwischen Kapital
und Arbeit gibt, einer verstärkten Sozialpartnerschaft
opfern. Natürlich - wenn beim Widerstreit um die politischen
Zukunftsaussichten der IG Metall, der unter den Mitgliedern
existiert, Unternehmensberater zur Wegfindung herangezogen
werden, muß eine notwendige Gesellschaftskritik auf der
Strecke bleiben.

Mit "Projektarbeit" eine "kundenorientierte" Gewerkschaft zu
organisieren, damit ist in den Auseinandersetzungen mit dem
Kapital kein Blumentopf zu gewinnen. In den Mitgliedern
"Kunden" zu sehen - diese Formulierung war bei den
Projektvorstellungen oft zu finden - das ist ein Weg, der
absolut nicht dazu beiträgt, mehr Mitglieder zu gewinnen, zu
aktiverer Mitarbeit zu bewegen oder gar dazu, nach Auswegen
aus ihrer schwieriger werdenden Situation zu suchen. Warum
bleibt man nicht bei dem traditionellen Begriff "Betreuung".
Denn wenn es Kunden gibt, muß es auch Produzenten und Waren
geben. Und wer ist wer, oder sind die "Kunden" nicht dann
gleichermaßen "Produzenten" ihrer immer neu zu erkämpfenden
"Ware"?

Wie allgemein bekannt sein dürfte, sind viele Mitglieder
oder noch zu werbende Menschen momentan zu Recht, aber auch
aus Unkenntnis über gesellschaftliche Gegebenheiten,
unzufrieden mit der Gewerkschaft. Verzichten können sie auch
ohne sie. Eine Delegierte aus Bayern brachte es in kurzen
Worten auf den Punkt: Macht ordentliche Tarifverträge, und
sie meinte sicher auch aktiven Widerstand, und wir gewinnen
auch wieder Mitglieder.

Als Klaus Zwickel dem Bundeskanzler Schröder zurief, daß er
"den Aufbruch wagen" soll, löste dies keine Aufbruchstimmung
bei den Delegierten aus. Zu tief sitzen die Verzichte und
das Zurückweichen der letzten Jahre. Aber die
Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter wissen alle, daß neue
Tarifverträge nicht nur "notfalls auch gegen Widerstand", so
Klaus Zwickel, durchzusetzen sind, sondern "notfalls" nur
dann, wenn es der Gewerkschaft ernst ist mit dem "Ende der
Bescheidenheit". Dabei wäre es die Aufgabe der IG Metall,
alternative Vorstellungen zu entwickeln und den Mitgliedern
zur Begutachtung vorzulegen.

Leider ist die gewerkschaftliche Linke momentan zu
geschwächt, als daß sie eine solche Initiative auf dieser
Tagung hätte ergreifen können. Allerdings waren Tendenzen zu
positiven Mehrheiten vorhanden - z. B. erkennbar bei der
Wahl von J. Peters zum zweiten Vorsitzenden, am Beifall für
den Kollegen Schmitthenner für seine kritischen Worte zu den
Tariffonds oder in der Auseinandersetzung um die
Gesellschaftspolitik als Aufgabe der IG Metall.

Wenn man berücksichtigt, daß viele Aussagen von Klaus
Zwickel eine große politische Hilflosigkeit offenbarten,
wenn es um die weitere Zukunft ging, wäre es an der Zeit,
daß die Linke aus ihrer scheinbar vorhandenen Erschöpfung
herausfindet und wieder aktiver eine kämpferischere
Gewerkschaft organisiert. Es geht wirklich darum, sie vor
einem Absturz zu bewahren.
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