Als am 3.November 1918 in Kiel die
Novemberrevolution begann, hatten die Menschen 4 Jahre imperialistischen Krieg mit
Millionen Toten, Hunger, Elend und Leid hinter sich. Zigtausende waren als Krüppel in die
"Heimat" zurückgekehrt, wo sie nun als Bettler und Hausierer um ihr tägliches
Überleben kämpfen mußten. Während Krupp, Thyssen und andere sich die Taschen gefüllt
hatten, mußten die arbeitenden Menschen den Krieg zahlen.
Ein Jahr zuvor - 1917 - hatte die Große Sozialistische Oktoberrevolution gezeigt, wie man
den Krieg, den Hunger beseitigen kann: Indem man das Kapital entmachtet und enteignet und
die Arbeiterklasse die Macht ergreift. Eine der ersten Amtshandlungen der revolutionären
Regierung Lenins war die Verkündung eines einseitigen Waffenstillstands, die Beendigung
des Krieges gewesen. Dies war ein Signal für die unter dem Krieg leidenden Massen in ganz
Europa gewesen. Und das erste Jahr der revolutionären Regierung in der Sowjetunion zeigte
den Menschen eine grundlegende Perspektive für den Weg zu einer neuen Gesellschaft.
In Deutschland hatte die ehemals revolutionäre Sozialdemokratische Partei 1914 den
Kriegskrediten im Reichstag zugestimmt. Karl Liebknecht hatte dagegen gesprochen und
gekämpft. Mit anderen revolutionären Genossinnen und Genossen schloß er sich zunächst
der USPD an, die sich als linkssozialdemokratische Partei von der SPD abgespalten hatte.
Als klar wurde, daß die USPD keine revolutionäre Politik wollte, gründete Karl
Liebknecht mit Rosa Luxemburg und anderen den Spartakusbund, der eine revolutionäre
Partei schaffen sollte.
Unter dem Druck des Elends des Krieges, aber auch unter dem Einfluß von USPD und
spartakusbund hatte sich auch in Deutschland eine revolutionäre Massenbewegung
herausgebildet.
In einem Schreiben des sächsischen Innenministeriums an alle Kreishauptmannschaften
heißt es:
"315 IIc Eilt sehr! Geheim! Dresden, d. 8.4.17
Den Kreishauptmannschaften wird nicht entgangen sein, daß sich in der
Arbeiterbevölkerung namentlich in der letzten Zeit eine sich immer mehr steigernde
Erregung bemerkbar macht, die zu ernsten Besorgnissen Anlaß gibt. Die Ursachen der
Stimmung dürften, abgesehen von der langen Dauer des Krieges, in der Hauptsache
zurückzuführen sein auf den Mangel an Brot, Kartoffeln und Kohlen, die politischen
Umwälzungen im russ. Reiche, deren einwirkungen auf unruhige Köpfe unverkennbar sind,
auf das allmähliche Bekanntwerden der schweren ausschreitungen in außersäschsischen
Gebieten wie Hamburg und Magdeburg, die ansteckenden Einfluß auf niedere Massen
auszuüben drohen, sowie auf die Aufhetzung der Arbeiterkeise durch Frauen der unteren
Stände..."
Überall in Deutschland gab es Streiks, Demonstrationen für Brot, gegen den Krieg.
Am 16.4.17 forderten zehntausende Arbeiter auf einer Versammlung in Leipzig:
"1.Ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit billigen Lebensmitteln und Kohlen.
2. Erklärung der Regierung zur Friedensbereitschaft ohne Annexionen.
3. Aufhebung des Belagerungszustandes und der Zensur.
4. Aufhebung der Beschränkung des Koalitions-, Vereins- und Versammlungsrechts.
5. Aufhebung des schändlichen Zwangsgesetzes.
6. Befreiung der wegen politischen Vergehen Festgenommenen und Niederschlagung aller
politischen Strafverfahren.
7. Einführung des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts in allen
Körperschaften des Staates und der Gemeinden.
8. Einführung von Arbeiterräten nach russischem Vorbild."
In den Jahren 1917 und 1918 kam es mehrfach in Armee und Flotte zu Meutereien. Die
reaktionäre kaiserliche Armeeführung ging mit äußerster Brutalität dagegen vor. Viele
Soldaten und Matrosen wurden ermordet oder ins Zuchthaus gesteckt.
Am 28. Oktober 1918 erging an die in Kiel liegende Flotte der Befehl, zu einem angeblichen
Manöver auszulaufen. Doch die Matrosen hatten einem geheimen Funkspruch der Generalität
erfahren, aus dem hervorging, daß die Flotte noch einmal bis zum Untergang des letzten
Schiffes gegen die englische Flotte kämpfen sollte. Die Generäle wollten mit der sich
abzeichnenden Niederlage alle Matrosen mit in ihren Untergang reißen. Doch die Feuer
wurden von den Heizern gelöscht. Daraufhin wurden die Heizer und andere
meuternde Matrosen zu Hunderten verhaftet! Die meuternden Mannschaften auf den
Kriegsschiffen beugten sich aber nicht. Im Gegenteil! Täglich weitete sich die Meuterei
aus und fand Unterstützung durch die Arbeiter der großen Werften. In Kiel waren
Versammlungen an der Tagesordnung. So war es auch am 3. November, dem Ausbruch der
Novemberrevolution. Die Versammlung erweiterte sich zu einer Demonstration. Kurz vor ihrem
Ziel endete sie im Kugelhagel. Acht Tote und 28 Verletzte waren am Abend nach dem
Feuerüberfall zu beklagen. Aber bereits am folgenden Tag wurde aus der Meuterei der
Matrosen ein bewaffneter Aufstand, von dem nun auch die an Land liegenden Marineeinheiten
erfaßt wurden. Zur gleichen Zeit begann der Streik der Arbeiter der Germaniawerft und der
Torpedowerkstätten.
Jedoch geschah an diesem vierten November etwas, das sich später noch verhängnisvoll auf
den weiteren Verlauf der Revolution, und das nicht nur in Kiel, auswirken sollte. Eiligst
von der SPD-Zentrale im Einvernehmen mit der kaiserlichen Regierung geschickt, traf Gustav
Noske in Kiel ein . Er setzte sich augenblicklich an die Spitze der Erhebung. Sein Ziel
war es, sie ihres revolutionären Inhalts zu berauben.
Noske ließ sich von seinen sozialdemokratischen Freunden an die Spitze des Kieler
Arbeiter- und Soldatenrates wählen, um sofort die revolutionären Matrosen nach hause zu
schicken. gleichzeitig half er mit bei der Organisierung von reaktionären Freikorps und
der Wiedereinsetzung der Offiziere.
Am 7 . und 8 . November ergriff die Revolution fast alle wichtigen Städte und
industriellen Gebiete in Deutschland. Überall bildeten sich Arbeiter- und Soldatenräte,
in denen in der Hauptsache die Sozialdemokratie aber oft auch die USPD und die
Spartakusgruppe den entscheidenden Einfluß besaßen.
Fast ganz Deutschland war seit dem dritten November von der Revolution überflutet worden.
Nur die Hauptstadt fehlte noch. In Berlin saßen die Regierung mit ihrem gewaltigen
Militärapparat und die Führungen der Sozialdemokratischen Partei und der Gewerkschaften,
die gemeinsam alle Anstrengungen unternahmen, einen Aufstand zu verhindern und der
Revolution im Lande ein rasches Ende zu bereiten. Mit Hilfe ihres Machtapparates und ihrer
Verwaltungsbürokratie war es ihnen bisher gelungen, der Revolution vor den Toren der
Stadt Halt zu gebieten.
Auf Vorschlag der Spartakusgruppe wurde am 8 . November beschlossen, die werktätigen
Massen und die Soldaten am 9 . November zum Generalstreik und zum bewaffneten Aufstand
aufzurufen. Am neunten November formierte sich der erste Demonstrationszug. Den Soldaten,
die sich ihm entgegenstellen wollten, rief man zu: "Brüder, schießt nicht auf
uns!"
Bereits am Mittag des 9 . November war Berlin in den Händen des revolutionären
Proletariats. Auf dem Schloß wurde an dem Mast , an dem sonst die Kaiserfahne wehte die
rote Fahne gehißt! Kaiser Wilhelm II mußte abdanken und floh nach Holland. Die
Hohenzollernmonarchie, die jahrhundertelang in und über Deutschland geherrscht hatte, war
vom Ansturm der Arbeiter und anderen Werktätigen hinweggefegt worden.
In ganz Deutschland hatte die Revolution gesiegt. Die Regierungsgewalt übernahm ein Rat
von Volksbeauftragten aus Führern der SPD und USPD.
Dem Sturz des Kaisers folgte die Absetzung aller anderen Könige, Herzöge und Fürsten in
Deutschland. An den Fronten herrschte Waffenruhe. Über den Friedensschluß wurde
verhandelt. Das alles hatten die Volksmassen erkämpft. Jedoch war die Macht der Monopole
bisher nicht angetastet worden. Großgrundbesitzer, das Kapital, die kaiserlichen Beamten
- sie alle waren noch da. Und an der Spitze des Staates standen rechte Sozialdemokraten
zusammen mit rechten Vertretern der USPD, die diesen Staat, der bald Weimarer Republik
genannt wurde, im Sinne der alten herrschenden Kräfte regenerierten und nicht im Sinne
der Arbeiter und der übrigen Werktätigen.
Über dieses Bündnisder Herrschenden mit der SPD schrieb der Chef der Obersten
Heeresleitung (OHL) Groener später:
"Das Offizierkorps konnte aber nur mit einer Regierung zusammengehen, die den Kampf
gegen den Radikalismus und Bolschewismus aufnahm. Dazu war Ebert bereit, aber er hielt
sich nur mühsam am Steuer und war nahe daran, von den Unabhängigen und der
Liebknecht-Gruppe über den Haufen gerannt zu werden. Was war demnach näherliegend, als
Ebert, den ich als anständigen, zuverlässigen Charakter und unter der Schar seiner
Parteigenossen als den staatspolitisch weitsichtigsten Kopf kennengelernt hatte, die
Unterstützung des Heeres und des Offizierkorps anzubieten?
...Ebert ging auf meinen Bündnisvorschlag ein. Von da ab besprachen wir uns täglich
abends auf einer geheimen Leitung zwischen der Reichskanzlei und der Heeresleitung über
die notwendigen Maßnahmen. Das Bündnis hat sich bewährt."
In der Novemberrevolution zeigte sich auch die Schwäche der revolutionären Bewegung in
Deutschland. Es gab keine starke Kommunistische Partei. Zwar hatten die deutschen
Revolutionäre tapfer gegen den Verrat der Sozialdemokratie und gegen den
imperialistischen Krieg gekämpft. Sie hatten es aber versäumt, rechtzeitig eine mit den
Massen verbundene Partei aufzubauen, wie das in Rußland unter Lenin geschehen war.
Diese Schwäche machte sich in der Novemberrevolution dramatisch bemerkbar. Während die
Massen die Revolution erkämpften, fehlte eine klare Führung. Fast überall konnten daher
Sozialdemokraten und rechte USPDler das Heft an sich reißen und die Revolution Schritt
für Schritt zurückdrängen.
Am 30.12.1918 kam endlich der Gründungsparteitag der KPD in Berlin zusammen. Karl
Liebknecht und Rosa Luxemburg standen an der Spitze der neuen Partei.
Das Kapital erkannte schnell die Gefahr. Die SPD-Regierung und die Heeresleitung
vereinbarten die Ermodung von Karl und Rosa. In ganz Berlin wurden Plakate mit der
Aufforderung zum Mord an den beiden geklebt. Am 15.Januar wurden dann beide von Soldaten
gefangengenommen und beim Abtransport verhaftet. Ihre Leichen wurden im Lanwehrkanal
versenkt. Mit diesem Mord hatten SPD und das Militär der Revolution zunächst den Kopf
abgeschlagen.
Doch Karl und Rosa hinterließen das von ihnen noch geschaffene Werkzeug der Revolution:
die KPD.....Nachbemerkung: Die trend-Redaktion wird im Laufe dieser Ausgabe noch weitere Texte zum
Komplex "80 Jahre KPD" veröffentlichen. |