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aus *UZ* unsere zeit, Zeitung der DKP, Nr. 52 vom 25. Dezember 1998

Auf halbem Wege

von Georg Fülberth

12/1998
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Die "junge Welt" meldet aus Berlin, im Bundesvorstand der PDS habe Dieter Klein angeregt, in das Parteiprogramm einen Satz aufzunehmen, wonach im äußersten Fall der Beteiligung Deutschlands an internationalen Militäreinsätzen zugestimmt werden könne. Aus der Sache sei aber vorerst nichts geworden.

Immer wenn wir auf ein neues Phänomen stoßen, sollten wir nach dessen innerer Logik fragen. Die Menschen sind keine Esel, und deshalb haben sie sich selbst bei ihren Eseleien meist etwas gedacht. Was war es diesmal?

Dieter Kleins Vorschlag könnte die Überlegung zugrundeliegen, man müsse möglichst frühzeitig etwaige Hindernisse für eine Koalition mit der SPD auf Bundesebene im Jahr 2002 aus dem Weg räumen. Da werde außenpolitische Zuverlässigkeit gefragt sein. Sein taktisches Problem besteht jetzt allerdings darin, daß er eine Antwort auf eine Frage gegeben hat, die noch nicht gestellt wurde, und daß dies nicht mehr ungeschehen zu machen ist.

Hätte die PDS sich zum Militärproblem ausgeschwiegen oder weiterhin solche Einsätze prinzipiell abgelehnt, wäre ihr das zur Zeit von niemandem übel genommen worden. Das paßt halt zu einer Partei, die von Schily bespitzelt wird. Falls nun eine Diskussion in der PDS ausbricht und Truppeneinsätze grundsätzlich abgelehnt werden, haben die Alten Kameraden vom Noske-Flügel der SPD ihren Spaß: Sie werden behaupten, mit einem solchen Chaoten-Haufen dürfe man nicht koalieren. Auf dem Landwege kann man auf halbem Wege stehenbleiben, nicht aber dann, wenn man einen Fluß durchqueren will. Irgendwann muß man sich für eines der beiden Uferentscheiden.

In der Logik einer künftigen Regierungsbeteiligung läge es, den von Dieter Klein vorgeschlagenen Kurs konsequent fortzusetzen. Das hieße: Verankerung seines Satzes im neuen Programm. Solange die PDS Opposition ist, kann sie ihn nach der Beschlußfassung ja wieder vergessen. Bei Bundestags-Abstimmungen über konkrete Einsätze hat sie immer noch die Möglichkeit, abzulehnen. Begründung: Der jeweilige Krieg entspreche nicht den strengen Kriterien der Partei des demokratischen Sozialismus. Fragt die SPD im Koalitionsfall nach, kann man dennoch auf den Passus im Programm verweisen. Dann erinnert man sich eben wieder an ihn.

Taktisch geschickter wäre es allerdings, erst einmal abzuwarten, bis eine Regierungsbeteiligung ins Haus steht. Die Dynamik der Ereignisse wird grundsätzliche Bedenken schmerzloser beseitigen als dies eine quälende Debatte vermöchte. Ein Argument könnte sein: die Gefahr einer Großen Koalition, falls Grüne und SPD keine gemeinsame Mehrheit mehr haben sollten. Da kommt das Bekenntnis zu militärischen Missionen noch früh genug. Bleibt es zunächst nur ein Lippendienst, weil aktuell kein Bombardement oder dergleichen ansteht, hätten die innerparteilichen Gegner einer solchen Festlegung schlechte Karten. Ihnen würde vorgehalten, wegen einiger belangloser Wörter eine linke Regierung zu verhindern.

Natürlich kann man fragen, ob eine solche Orientierung - konkrete Koalition statt eines angeblich abstrakten Pazifismus - überhaupt richtig oder nicht schon im Ansatz falsch ist. Vielleicht werden sich dann Leute finden, welche die Zustimmung zu Militäreinsätzen zwecks Abwendung größter Übel nicht nur taktisch, sondern auch prinzipiell bejahen. Nur heraus mit der Sprache! Wem nichts anderes einfällt, kann ja auf den Kriegseintritt der USA 1941 verweisen und von einem Imperialismus mit menschlichem Antlitz sprechen. (Für diesen heißen Tip zahlen Sie bitte 298,00 DM auf mein Spendenkonto zugunsten der Reinhard-Opitz-Subskription. Von Dieter Klein erwarte ich das Doppelte.)

Natürlich geht mich das alles im Grunde nichts an. Ich diskutiere im vorliegenden Fall lediglich immanent die Angelegenheiten einer Partei, zu welcher mir der Zugang wohl auf immer verwehrt bleiben wird: Ich habe nicht gedient.

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