Kapitalkritik und Kapitalismuskritik
Grundlegende Verständnisfragen der Kritik der Politischen Ökonomie und des historischen Materialismus

von Robert Schlosser
7-8/07

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onlinezeitung

I) Allgemeiner Kapitalbegriff und Kapitalismuskritik

Es gibt eine unüberschaubare Menge an Variationen von Kapitalismuskritik. Selbst Münteferings Kritik der „Heuschrecken“ gilt manchen Zeitgenossen als Kapitalismuskritik. Was man nur noch ganz selten findet, ist eine Kapitalismuskritik, die sich bewusst an der Marxschen Kritik der Politischen Ökonomie orientiert, also mit dem darin entwickelten Kapitalbegriff arbeitet. Dieser besagt, dass das Kapital sich selbst verwertender Wert ist, nur einen Zweck verfolgt, die Produktion und Realisierung von Mehrwert.

Soweit das Kapital als Mehrwert produzierend bestimmt ist, gilt diese Bestimmung nicht für alle Einzelkapitale, sondern nur für bestimmte Einzelkapitale und das gesellschaftliche Gesamtkapital. Bestimmte Funktionen im Kreislauf des Kapitals verselbständigen sich zu besonderen, nicht Mehrwert produzierenden Sorten von Kapital, wie etwa das Handelskapital und das Bankkapital, Spezialisten für die Vermarktung von Waren und die Bereitstellung von Geldkapital.
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Im Verlauf der realen Zirkulation des Gesamtkapitals beanspruchen und realisieren diese unproduktiven Einzelkapitale einen Teil des gesamtgesellschaftlichen Mehrwerts. Bliebe es bei dieser Feststellung, so hätte ihre Existenz im Rahmen maximaler Verwertung eigentlich keinen Sinn, weil sie ja nur wie „Schmarotzer“ am Gesamtmehrwert mit zehren. Ihre positive Wirkung für die profitable Reproduktion des Gesamtkapitals erlangen sie z. B. dadurch, dass sie die Unschlagszeit des Kapitals verkürzen, den Markt erweitern und Geldkapital für die produktive Anlage in einzelnen Unternehmen bereitstellen können, dessen Größe die finanziellen Möglichkeiten des jeweiligen Einzelkapitals weit überschreitet. Auf diese Weise leisten die unproduktiven Kapitale einen Beitrag zur Ausdehnung, Erweiterung der Mehrwertproduktion. Im Sinne modernen Managements könnte man das Ganze als eine Art „outsourcing“ beschreiben. Das Mehrwert produzierende Kapital konzentriert sich auf sein „Kerngeschäft“, die Auspressung unbezahlter Mehrarbeit, die sich in Waren vergegenständlicht oder als Dienstleistung angeboten wird, und überlässt andere Funktionen Spezialisten, die diese Funktionen effektiver und billiger wahrnehmen können.

Das Unverständnis dieser Zusammenhänge war schon immer die Basis für alle möglichen zweifelhaften Kapitalismuskritiken. In der Kritik an der Verselbständigung des Finanzkapitals geht das bis hin zu reaktionärer Kritik, die sich mit rassistischen Ideologien paart.

Der allgemeine Begriff des Kapitals geht eben nicht auf in dem Begriff Kapitalismus. Das funktioniert schon in reiner Ökonomiekritik nicht und schon gar nicht wenn man an das Ganze der bürgerlichen Gesellschaft denkt, die ja nur von den ökonomischen Gesetzen der Verwertung von Wert beherrscht wird und nicht mit diesen identisch ist. Die Kritik der Politischen Ökonomie ist zentral für das Verständnis der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft, sie hat aber auch ihre Grenzen.....

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Editorische Anmerkungen

Robert Schlosser schrieb diesen Text im Juni 2007, der im Zusammenhang mit seinem Aufsatz Kommunismus - was sonst! Die Debatte geht weiter  gelesen werden sollte, so unsere redaktionelle Empfehlung.

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