Südossetien
Drehscheibe des imperialistischen Great Game

von der Gruppe Internationale SozialistInnen

7/8-08

trend
onlinezeitung

Seit 1992 sorgt die Ossetienfrage für Unruhe auf dem Kaukasus. Wie jeder andere Nationalismus ist auch der ossetische Nationalismus Bestandteil eines imperialistischen Machtspiels, das durch die internationale Krise noch komplexer geworden ist.

Die Gründe für den georgischen Angriff auf die autonome Kaukasusregion und des Eingreifens der russischen Armee auf Seiten der ossetischen Nationalisten liegen weitaus tiefer als die gegenwärtige Gerüchteküche uns weismachen will.

Zunächst ist die Ossetienfrage ein Ausdruck des Konflikts zwischen Georgien und Russland. Russland kann nicht zulassen, dass Georgien stärker an die USA heranrückt und sein erklärtes Ziel erreicht, als NATO-Mitgliedstaat die Rolle eines Erfüllungsgehilfen der USA auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion zu spielen. Dies würde mit der Ukraine auf eine antirussische Front an der südlichen Grenze Russlands hinauslaufen. Durch ihren jüngsten Gewaltakt versucht die georgische Regierung, die Westanbindung zu beschleunigen und fordert explizit eine US-Intervention. Sie hofft das Ossetienproblem in ihrem Sinne zu lösen, gegenüber dem russischen Feind Tatsachen zu schaffen und als Brückenkopf westlicher Interessen auf dem Kaukasus anerkannt zu werden – mit allen politischen und wirtschaftlichen Vorteilen, die ein solcher Status mit sich bringen würde. Der Konflikt in Südossetien könnte für die USA eine Möglichkeit sein, in Gestalt des Saakaschwili-Regimes den Einfluss Russlands zurückzudrängen und Zugang zu den Transportwegen der Energievorkommen der Region zu bekommen. Aus diesem Grund kristallisiert sich der Konflikt zwischen Russland und Georgien (bzw. den USA) in der beiderseitigen Notwendigkeit, die am Schwarzen Meer gelegenen Gebiete zu kontrollieren.
Diese Gebiete werden zukünftig für die Errichtung von Gas– und Ölpipelines wichtig, die Energie nach Europa transportieren, und müssen daher von der Einflussnahme von Konkurrenten freigehalten werden. Russland plant mit hohen Investitionen die Errichtung einer Gaspipeline, die es ermöglicht, Gas vom Kaspischen über das Schwarze Meer nach Europa zu liefern. (…) Der kritische Punkt bei diesem Projekt liegt an der Ostküste des Schwarzen Meeres – in Südossetien und auch Daghestan. Der Plan sieht vor, (…) die Pipeline über südossetisches Gebiet zu verlegen und an den russischen Häfen des Schwarzen Meeres enden zu lassen. Hier hört der Konflikt auf ein regionaler zu sein, und nimmt die Dimension eines innerimperialistischen Konfliktes zwischen Russland und den USA an. Mit dem Ziel, die Hegemonie über die Region zu erlangen, üben sie Druck auf Verbündete aus, strafen Widersacher ab, initiieren Aggressionen und militärische Vergeltungsschläge, um so die besten Ausgangspositionen für die Durchsetzung ihrer Interessen zu erlangen. Es kommt somit nicht von ungefähr, dass die georgische Militäraktion amerikanische Unterstützung hatte. Erinnern wir uns, dass die US-Regierung das 2000 Mann starke Kontingent georgischer Soldaten im Irak direkt nach Südossetien ausflog, und die russische Reaktion unmittelbar, geplant und äußerst gewalttätig folgte.

Die tragischen Ereignisse in Ossetien zeigen folgendes auf:

1. Dass in der Phase des Imperialismus jede Forderung nach nationalen Rechten, egal unter welchem Vorwand, unter welchem politischen Banner und mit welcher Begründung sie vorgetragen wird, unweigerlich in das innerimperialistische Machtspiel eingebunden ist. Sie kann keine andere Dynamik entwickeln, als die Interessen lokaler Bourgeoisen in der imperialistischen Hackordnung zu verfolgen.

2. Dass die fortschreitende ökonomische Krise, die die kapitalistische Welt erfasst hat, die Konkurrenz und die Konfliktpotentiale auf allen internationalen Märkten, seien es nun die Finanzmärkte oder die Märkte für strategische Rohstoffe, enorm verschärft hat und die Anwendung von Gewalt nicht ausgeschlossen ist.

3. Dass die sog. regionalen Krisen aufs Engste miteinander verknüpft sind und ununterbrochen mit Gewalt „gelöst“ werden. Wie noch nie ist Aufrüstung und Krieg zum Instrument imperialistischer Politik geworden.

In dieser historischen Periode ist das Proletariat mit immer weiteren Angriffen konfrontiert. Für hunderte Millionen Menschen hat der Kapitalismus nur Armut und Hunger zu bieten, wenn er sie nicht mit Panzern verheizt. Verwüstungen sind das Ergebnis bewaffneter Konflikte, wo immer die grundlegenden Interessen des Kapitals bedroht sind. Sie sind eine Grundbedingung, um ein Wirtschaftssystem, welches auf Profit und Ausbeutung basiert am Leben zu erhalten. Die Ereignisse im kleinen Südossetien sind die die tragischen Manifestationen einer immer barbarischer werdenden Welt, aus der nur die entschlossene Wiederaufnahme des Klassenkampfes einen Ausweg bieten kann.( F.D.)

Siehe auch:

Krieg in Georgien
Ein Kampf um die Kontrolle der kaspischen Öl- und Gasvorkommen
Stellungnahme des Internationalen Büros für die revolutionäre Partei
(August 2008)

 

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten wir von den AutorInnen.