Reaktionen aus der französischen Linken auf die Revolte im IRAN
In Frankreich verfolgt die linke Presse die Protestbewegung im Iran überwiegend mit Aufmerksamkeit und Solidarität

von Bernard Schmid

7/8-09

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onlinezeitung

In Frankreich verfolgt die linke Presse die Protestbewegung im Iran überwiegend mit Aufmerksamkeit und Solidarität. In den letzten Tagen fanden auch eine Reihe von Solidaritätsaktionen statt, an denen zwar meist mehrheitlich Iraner/innen teilnehmen, zu denen aber auch französische Organisationen mobilisierten.

Aus inhaltlichen Gründen könnte man zwar die iranische Oppositionsbewegung der Volksmujjahedin - deren „Nationaler Widerstandsrat“ unter Mariam Radjawi seinen internationalen Sitz im Pariser Umland hat - unberücksichtigt lassen, da diese Bewegung selbst fanatisch und antidemokratisch auftritt. Ihr Personenkult um Mariam Radjawi erinnert geradezu an nordkoreanische Verhältnisse, und die engen Beziehungen, welche die Organisation in jüngerer Vergangenheit zum Regime Saddam Husseins im Irak unterhielt, dürften nicht zu ihrer Einstufung als demokratisch beitragen. Allerdings hat die Organisation dadurch, dass sie ihre internationalen Auftritte - nachdem sie ihrer Basen im Irak, wo sie einst Verbindungen zur regulären Armee unterhielt, verlustig wurde - heute auf Frankreich konzentriert, dort heute eine erhebliche Mobilisierungskraft. Am vorletzten Samstag (20. Juni o9) konnte sie Zehntausende Menschen zu einem Meeting in Villepinte im Pariser Umland mobilisieren, deren Teilnehmer sie allerdings aus ganz Europa zusammenkarrte. Da diese Bewegung sich aber nach außen hin gern als „demokratische“ und „die Frauenrechte verteidigende“ Organisation hinstellt, kann sie zu ihren Großveranstaltungen oft auch Gäste etwa aus französischen NGOs anziehen.

Am vergangenen Freitag (26. o6.) demonstrierten tagsüber die beiden französischen Gewerkschaftsverbände CGT und SUD-Solidaires vor der iranischen Botschaft in Paris. Ihre Kundgebung war zwar schon vor dem angefochtenen Wahlausgang vom 12. Juni 2009 geplant worden und stand ursprünglich im Zeichen der Solidarität mit iranischen Gewerkschafter/innen, die am 1. Mai dieses Jahres inhaftiert worden waren. Selbstverständlich wurde aber der Bogen zum aktuellen Geschehen gespannt. Am Vorabend hatten am selben Ort rund 1.000 Menschen demonstriert, mehrheitlich Iraner und vor allem sehr viele Iranerinnen, aber auch Menschen aus Antirassismus- und Internationalismusorganisationen oder aus der französischen KP. Am Mittwoch Abend hatten Vertreter von KP, Grünen und Sozialdemokratie an einer Saalveranstaltung der Bürgerrechtsvereinigung ‚Le manifeste des libertés’, die von Menschen maghrebinischer Herkunft mit antifundamentalistischer Ausrichtung gegründet worden, teilgenommen. Dort sprachen auch die Soziologin Chahla Chafiq, die auch ein Buch über politische Gefangene im Iran verfasste, und die ‚Persepolis’-Zeichnerin Marjane Satrapi, sowie der Regisseur Mohsen Makhmalbaf. In allen Fällen ging es um Unterstützung für die Protestierenden im Iran.

Zu der letzten Veranstaltung hatte auch die KP-nahe Tageszeitung ‚L’Humanité’ aufgerufen. Diese berichtet fast täglich mit Sympathie über die Proteste im Iran.
Seit dem vorletzten Sonntag befanden sich in Paris zudem sechs aus dem Iran stammende Gewerkschafter im Hungerstreik, die die Freilassung von seit dem 1. Mai inhaftierten Aktivisten im Iran fordern. Zu diesem Zweck waren sie in Räumlichkeiten der KP im 11. Pariser Bezirk untergebracht. Neben der französischen KP unterstützten auch Aktivist/inn/en der radikal linken ‚Neuen Antikapitalistischen Partei’ (NPA) im 11. Pariser Bezirk den Hungerstreik und die Aktionen der iranischen Gewerkschaftsmenschen. Am vergangenen Freitag Abend führten die Hungerstreikenden, nach einer Woche, eine Veranstaltung zum Abschluss ihrer Streikaktion durch und kündigten den Fortgang der Kampagne an.

Auch die beiden radikal linken Wochenzeitungen Lutte Ouvrière (LO, Arbeiterkampf) der gleichnamigen trotzkistischen Partei sowie Tout est à nous (TEAN) - früher Rouge - vom Nouveau Parti Anticapitaliste, NPA, setzten die Proteste auf ihre Titelseite.

Lutte Ouvrière schrieb, dass „Viele (im Iran) die Diktatur im Iran nicht mehr ertragen können“; warnte aber auch davor, dass bürgerliche Kräfte aus den Mittel- und Oberklassen den Protest ausschließlich auf Forderungen „gegen das mittelalterliche Korsett des Regimes“ (so die Formulierung der Zeitung) und für individuelle Freiheiten kanalisieren könnten. Da die ärmeren Iraner unmittelbare Überlebenssorgen hätten, drohten sie sonst abseits zu stehen, was das Regime stärken würde. TEAN, die Zeitung des undogmatisch-linksradikalen NPA, sieht den Protest als mögliche Keimzelle „einer neuen Revolution im Iran“, die als demokratische Revolution betrachtet wird. Die „Reformer“fraktion innerhalb des Systems wird scharf kritisiert, aber betont, die Protestbewegung sei nicht auf deren Unterstützung beschränkt, sondern schieße über ihre Ziele positiv hinaus. Die Zeitung fokussiert ihre Aufmerksamkeit vor allem auf Streiks im Iran, wie derzeit im Transportsektor, die den demokratischen Protest mit der Ausbeutung und der sozialen Lage verbinden könnten. Innerhalb des NPA gab es zuvor noch eine kurze, kontroverse Diskussion: Während eine Minderheit eher eine Art pro-westlicher „orangene Revolution“ heraufziehen sah, betonten eine Mehrheit und vor allem die selbst aus dem Iran stammenden Mitglieder, es handele sich um eine demokratische Bewegung, die aus den Widersprüchen des Iran selbst entstanden sei.

Absolute Spinnerpositionen gibt es auch. Die üblichen Verdächtigen: Thierry Meyssan…

AUF DER ANDEREN SEITE finden sich jene Pseudo-Intellektuellen, die sich auf das Aufdecken vermeintlicher imperialistischer Verschwörungen spezialisiert haben und nun den Iran als deren neuestes Opfer betrachten. So berichtet der prominent gewordene Verschwörungsideologe Thierry Meyssan auf der Homepage des von ihm geleiteten Voltairenet, „die CIA“ habe die Geschehnisse im Iran durch „die Manipulation des Mobiltelefonnetzes“ in die Hand genommen: Über die Handys von Iraner/inne/n habe sie falsche Nachrichten, etwa über den Ausgang der Wahlen und einen vermeintlichen Sieg des „Reformer“kandidaten Mir Hossein Mussavi, verbreitet. Zudem, so Meyssan, „mobilisiert die CIA anti-iranische Aktivisten (militants anti-iraniens) in den USA und Grobbritannien“. Zwar habe, so Meyssan, „die Destabilisierung funktioniert", dennoch sei nicht sicher, ob die CIA die Demonstranten nun zu dem bringen könne, „was diese zu tun keinerlei Lust haben: das Regime zu ändern und die islamische Revolution abzuschlieben“ (vgl. http://www.voltairenet.org/article160639.html  )

Denselben neuesten Dreck aus der Feder von Thierry Meyssan gibt es inzwischen auch auf Deutsch. Und zwar erschienen seine Ergüsse über „Die CIA und das Iran-Experiment“ - wie könnte es auch anders ausfallen – in den Spalten des ostprovinziellen Stalinoblättchens junge Welt (jW), das jedenfalls in internationalen Fragen oft karikaturhafte Positionen unter dem Motto <Der Feind meines US-Feindes ist notwendig mein Freund (oder aber ich halte zumindest jegliche kritische Bewertung über ihn bewusst zurück)> einnimmt. In internationalen Fragen ist man es insofern gewohnt, dass dieses Blättchen sich die Wirklichkeit zurecht lügt und insbesondere übelste Diktaturen (stalinistische oder auch brutal antikommunistische) aufgrund ihrer tatsächlichen o. vermeintlichen Anti-US-Positionen schönredet. Allerdings erschien der Artikel Meyssans dort in einer schauderhaft schlechten Übersetzung mit teils grottenfalsch übertragenen Passagen; sei es, dass Begriffe falsch übersetzt werden (aus dem französischen ‚militants’ werden, statt „Aktivisten“, fälschlich „Militante“), sei es, dass vor allem im Schlussabschnitt grammatikalische Handlungssubjekte miteinander vertauscht oder verwechselt werden. So schrieb die jW in ihrer Übersetzung fälschlich, die CIA wolle das iranische Regime  nicht selber stürzen; während Thierry Meyssan selbst in Wirklichkeit – in der Sache jedoch zu Unrecht – behauptet hatte, die Demonstranten im Iran ihrerseits hätten „keinerlei Lust“ (im Original: ‚aucune envie’), dieses Regime zu stürzen, und würden allenfalls durch Destabilisierungsmanöver der CIA und gegen ihre eigenen Intentionen (sic!) dazu getrieben... (Deutschsprachige Quelle hier: http://www.jungewelt.de/2009/06-29/047.php )

Der Verschwörungsspinner Thierry Meyssan, der sonst im libanesischen „Exil“ zu leben vorgibt, war bereits früher negativ aufgefallen; u.a. durch seine gemeinsame Reise mit dem Antisemiten Dieudonné M’bala M’bala und Vertretern der französischen extremen Rechten nach Beirut im Spätsommer 2006. (Vgl. http://www.trend.infopartisan.netl) Jene Reise besiegelte seine Annäherung, aber insbesondere auch jene des früheren Antirassisten Dieudonné (nach seinem antisemitischen ‚Coming-out’ ab den Jahren 2004/05), an die extreme Rechte. Jene hatte freilich bereits früher eingesetzt, da Meyssan seine Bücher zum Verschwörungskack betreffend den 11. September bereits 2001/02 u.a. zusammen mit dem rechtsextremen Ideologen Emmanuel Ratier ausgearbeitet hatte. (Vgl. http://www.nadir.org/

In ähnlicher Weise sieht es der französischsprachige Belgier Michel Collon, Journalist und Chefideologe der maoistisch-stalinistischen Partei der Arbeit Belgiens (PTB), der auch in Frankreich seine Schriften zu verbreiten versucht - und in Deutschland Kontakte u.a. zu Jürgen Elsässer unterhält, Letzterer versuchte den Verfasser dieser Zeilen schon im Jahr 1996, mit Michel Collon in Verbindung zu setzen... Auch auf seiner Homepage stellt man den Iran als Opfer eines imperialistischen Manövers hin - vgl. http://www.michelcollon.info- und übernimmt die dümmliche „Der-Feind-meines-Feindes-ist-mein-Freund“-Position, die (jedenfalls im Hinblick auf den Iran, nicht auf sonstige Konflikte übertragbar) in dieser Konstellation von Hugo Chavez eingenommen wird.

Editorische Anmerkungen

Der Text erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.