Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Zur Medienpolitik des Sarkozy-Regimes
Versuch der Kontrolle über Rundfunk und Fernsehen - Die Entscheidung über die Spitze der Fernsehanstalt ist bereits gefallen

7-8/10

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onlinezeitung

Vor einigen Tagen berichteten wir an dieser Stelle über den Versuch von Präsident Nicolas Sarkozy, zu Lasten kritischer Inhalte (möglichst direkten) Einfluss auf die öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernseh-Anstalten auszuüben. (Vgl. „Großreinemachen“ beim öffentlich-rechtlichen Radio) Dieser Kontrollversuch muss im Zusammenhang mit dem Gesetz vom März 2009 betrachtet werden, das eine direkte Ernennung der Generalintendanten von öffentlich-rechtlichem Rundfunk (Radio France) und Fernsehen (France Télévisions, dieser Struktur unterstehen mehrere TV-Anstalten) durch den Staatspräsidenten vorsieht. 

In diesem Kontext war, als erster Rundfunk-Generalintendant, der aktuelle Chef von ,Radio France’ – Jean-Luc Hees – im Mai 2009 direkt durch Sarkozy ernannt worden. Es ist übrigens nicht ganz zutreffend, wie in dem Artikel ungenau formuliert, dass Nicolas Sarkozy Generalintendant Hess und („im Doppelpack“ mit ihm) den ihm untergeordneten Chef von ,Radio France Inter’ gemeinsam ernannt habe. Vielmehr hat Präsident Sarkozy den Generalintendanten Hees direkt eingesetzt, und dieser wiederum hat – wie er allerdings vor seiner Ernennung geplant und öffentlich angekündigt hatte, und wie allgemein erwartet worden war – den ehemals linken Streber Philippe Val zum Chef von ,Radio France Inter’ ernannt. (Der seit 1963 unter diesem Namen bestehende Sender ähnelt ungefähr dem ,Deutschlandfunk’.) 

In dem Artikel wird ferner angekündigt: „Die Personalentscheidung über die Nachfolge des bisherigen Direktors Patrick de Carolis wird am 24. August 10 gefällt werden. Bislang wurde die Ernennung eines jungen Günstlings von Nicolas Sarozy, des etwa 40jährigen Alexandre Bompard, erwartet. Seit wenigen Tagen ist nun jedoch der Name von Rémy Pflimlin, bislang Chef des Pressevetriebs-Unternehmens Presstalis, für den Posten im Gespräch.“ 

Kurz nach Erscheinen unseres Artikels war diese Vorhersage schon überholt: Die Entscheidung fiel nämlich bereits am 05. Juli dieses Jahres offiziell. Zwar wird die Ablösung des bisherigen Fernsehdirektors Patrick de Carolis tatsächlich erst Ende August stattfinden, der Name seines Nachfolgers steht aber nunmehr bereits fest. 

Tatsächlich handelt es sich bei ihm, wie vermutet, um den bisherigen Chef eines Pressevertriebs-Unternehmens, Rémy Pflimlin. Er galt allgemein als „Konsenskandidat“, da er eher das Image eines Technokraten geniebt und jedenfalls nicht sonderlich politisch umstritten ist – wofür es keinen Grund gibt, da er sich nie deutlich politisch profiliert hat. Seine Ernennung sorgte denn auch für keine Polemik, der im Vorfeld erwartete Streit um die Personalentscheidung blieb aus. (Vgl. http://www.leparisien.fr/) 

Pflimlin war nicht der Wunschkandidat Nicolas Sarkozys gewesen, der ihm viel lieber seinen jungen Günstling Alexandre Bompard vorgezogen hätte. Der 37-, bald 38jährige ist derzeit Chef des Radiosenders ,Europe 1’, kann allerdings keinerlei Erfahrung beim Fernsehen vorweisen.  

Dass Sarkozy auf seine Ernennung als Chef von ,France Télévisions’ – der gemeinsamen Sendeanstalt u.a. des öffentlich-rechtlichen zweiten und dritten Kanals des französischen Fernsehens, ,France 2’ und ,FR 3’ – verzichtet hat, liegt unterdessen vorrangig auch an den seit Ende Juni ausgebrochenen Korruptionsskandalen. Während die innenpolitische Debatte sich weitgehend um Korruption und Vetternwirtschaft in Regierungskreisen dreht (Stichwort: Steuer-Rückzahlung von satten 30 Millionen Euro an die Milliardärin Liliane Bettencourt, die zugleich Steuerhinterziehung in dreistelliger Millionenhöhe betrieb und die Ehefrau des Haushaltsministers als Vermögensverwalterin bei sich beschäftigte) hätte Sarkozy sich eine Ernennung seines persönlichen Günstlings derzeit kaum leisten können. Von vorneherein hätte dieser eine schwache Position als Generalintendant inne gehabt, da ihm keinerlei Legitimität zuerkannt worden wäre. Entsprechend wären ihm die Beschäftigten und die Gewerkschaften bei der Fernseh-Anstalt begegnet. Alexandre Bompard soll sein „Unglück“ am 29. Juni dieses Jahres per SMS erfahren haben; er wurde auf diese Weise benachrichtigt, als er drauf & dran war, sich zum Sommerfest „seines“ Radiosenders zu begeben, das eigentlich sein Abschieds-Umtrunk dort hätte werden sollen. (Vgl. http://abonnes.lemonde.fr

Allerdings: Auch wenn Alexandre Bompard (dem nun andere Perspektiven winken, eventuell soll ihm ab Herbst 2010 ein Ministerposten in Aussicht stehen) durch Sarkozy bevorzugt worden wäre – der Technokrat Pflimlin gilt gleichzeitig als „flexibler“ und stärker unterordnungsbereit. Vielleicht hat Nicolas Sarkozy also, aus seiner eigenen Sicht, doch keine so schlechte Wahl getroffen? 

Vgl. dazu besonders:

Editorische Anmerkung

Den Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.