Die Organisationsdebatte geht weiter

Nächster Versuch

von Tom Strohschneider (Lafontaines Linke Blog)

7-8/11

trend
onlinezeitung

Seit ein paar Wochen kursiert im Internet ein ziemlich langes Papier: „Neue Antikapitalistische Organisation? Na endlich!“ Man könnte diese Intervention der Sozialistischen Initiative Berlin-Schöneberg als neueste Wiederkehr des Immergleichen abtun, der Diskussionskreis schreibt es ja selbst. Das allein spricht aber nicht schon von sich aus gegen den Versuch, unter neuen Umständen mal wieder eine neue Antwort zu finden. In der Trend wird deshalb seit einiger Zeit über Sinn und Unsinn des Vorschlags diskutiert, in dieser Woche traf man sich zudem zum öffentlichen Streit. Ein „völlig substanzloser Organisationsversuch“ sei das Ganze, bekamen die Autoren des Na-endlich-Papiers zu hören, eine Parteigründungsdebatte sei „reine Fiktion“ beziehungsweise „Unfug“. Nein, wird einer der Autoren von der Jungen Welt zitiert, „wir gründen nichts und wollen auch nichts gründen.“ Es gehe vielmehr um die Debatte in einer Zeit, in der mit der Interventionistischen Linken eine Dachstruktur der radikaleren Linken ebenso in der Krise steckt wie die Linkspartei, an deren Gründungsprozess der eine oder andere aus der Na-endlich-Diskussion beteiligt war.
Redaktionelle Hinweise

Wir veröffentlichten in der Märzausgabe einen Beitrag der
„Sozialistische Initiative Berlin-Schöneberg“ zur Gründung einer antikapitalistischen Organisation. Darüber entwickelte sich eine Debatte, die durch das TREND TEACH IN seinen ersten Bilanzpunkt erfuhr. Die Statements wurden in der Juniausgabe des TREND veröffentlicht.

Es scheint so, als dass die Debatte weitergehen würde. In unserer Sommerausgabe 7-8/11 werden wir weitere Texte zu dieser Frage
publizieren.

Die "SchönebergerInnen" haben mittlerweile einen Blog eröffnet, der ebenfalls  die Debatte begleitet.

Mag sein, dass eine kleine Debatte im Internet und eine Diskussionsrunde mit 40 Teilnehmern nicht der Hebel sind, der in der Linken irgend etwas in wirkliche Bewegung versetzt. Interessant ist, was da geschrieben und gesprochen wird, auf seine Weise trotzdem – weil es für einen ganz bestimmten Übergangsbereich zwischen dem linken Flügel der Linkspartei und dem parteiungebundenen Spektrum durchaus aussagekräftig ist. Man könnte vielleicht sagen, die Spannung zwischen der Realität der Partei und dem eigenen Anspruch, der in einem „alten“ Sinne radikal ist (Festhalten am revolutionären Bruch, Klassenorientierung, Absage an Linksreformismus, Organisationsparadigma etc.), hat die einen jenseits der Partei ein Papier schreiben lassen, das auch an die anderen gerichtet ist, die sich (in der Regel) unter dem Dach der Antikapitalistischen Linken (noch) in der Partei organisiert haben.

Anders als man es aus vielen Ex-post-Reaktionen früherer Mitglieder kennt, wird die Linkspartei im Na-endlich-Papier mit einer gewissen Gelassenheit beurteilt, die dem politischen Urteil – „weder verteufeln, noch hochleben“ – jedenfalls zum Teil zu Gute kommt: Erstmals seit Jahrzehnten gebe es „eine wahlpolitisch relevante Partei links von der Sozialdemokratie“, die „schiere Existenz einer reformistischen Massenpartei ist für deutsche Verhältnisse ein Fortschritt“. Die Konflikte zwischen den Strömungen der Partei würden zunehmen, mehrheitsfähig sei aber keiner der konkurrierenden Pole, die Masse der Mitglieder nehme am Parteileben ohnehin nicht teil. „Die Politik der Partei in Ost und West unterscheidet sich erheblich. Man könnte meinen, es handele sich um zwei verschiedene Parteien“, heißt es in dem Papier weiter – wobei man in den alten Bundesländern eine„klassisch linkssozialdemokratisch bis sozialistische“ Politikrichtung sieht, während die Verbände in den neuen Ländern als „im Kapitalismus angekommen“ beschrieben werden. An dieser Stelle machen es sich die Autoren leider ziemlich einfach, denn selbst wenn die Kritik an Regierungsfokus, Prinzipienpreisgabe etc. richtig wäre, könnte man aus radikal linker Sicht dazu mehr sagen als: böse!

Nun richtet sich das Papier allerdings auch weniger an das Forum demokratischer Sozialismus als an den Flügel der Partei, der sich als der linke ansieht. Die Autoren gehen von „unvermeintlichen Differenzierungen“ aus, die zwar noch nicht, aber irgendwann auf der Tagesordnung stehen, wobei die Zukunft der Linkspartei als Organisation der „Kapitalismus-Zähmer“ gesehen wird, während man selbst für sich Radikaleres in Anspruch nimmt: „Wir sind ein Angebot für „Kapitalismus-Abschaffer“. Einer möglichen Entgegnung der „Linken“ in der Linken, hier werde sowohl zu früh als auch zu unrealistsich vorgegangen, wollen die Autoren schon einmal den Wind aus den Segeln nehmen. Mit vier Antworten: Erstens sei man selbst „weit davon entfernt, morgen an den Start zu gehen“. Zweitens könne es keinen falschen Zeitpunkt, weil sich die mitunter zu Sprüngen neigende Geschichte nicht an Kalender hält. Drittens könne ein attraktives und in einem unsektiererischen Verhältnis zur Linken stehendes Alternativangebot nicht schaden. Und viertens, heißt es im Na-endlich-Papier mit BLick auf zum Beispiel die italienische Erfahrung, reiche es eben nicht, sich auf „absehbare Brüche in den neuen linken Formationen (…) nur programmatisch-strategisch“ vorzubereiten, man müsse auch praktisch-organisatorisch gewappnet sein.

Zum Schluss noch ein Zitat aus dem Papier: „Seit frühester Jugend träumen wir nicht von Modelleisenbahnen, sondern von einer revolutionären Massenorganisation. Und wahrlich, wir haben das in den letzten Jahrzehnten – in teilweise unterschiedlichen Zusammenhängen – schon ein paar Mal probiert. Bisher ist es immer mehr oder weniger in die Hose gegangen. Warum also sollte es 2011 / 2012 anders laufen?“ Gute Frage. (tos)

Editorische Hinweise

Wir spiegelten den Text vom Blog des Autors: http://www.lafontaines-linke.de, wo er am 24.6. 2011 erschien.