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Nr. 7-8/1998
 

From CO_GEGEN_BAYER@NADESHDA.gun.de

Werksschließung bei Bayer/USA: Gewerkschaftsfrei in sechs Schritten?

von Philipp Mimkes

Die USA sind für den Chemie-Multi Bayer der größte Auslandsmarkt und nach Deutschland der wichtigste Produktionsort. Allein in Amerika sorgen 24.000 MitarbeiterInnen für einen jährlichen Umsatz von 16 Mrd. Mark. Besonders angenehm für die Konzernlenker ist dabei der geringe Organisationsgrad der amerikanischen Belegschaften: Nur in sechs der insgesamt 52 Werke sind Gewerkschaften überhaupt vertreten, niedrige Löhne und geringer Widerstand bei Entlassungen sind die Folge.

"Der Verkauf des Zitronensäure-Geschäfts wird keine negativen Auswirkungen für die Belegschaften haben" verspricht Bayer-Chef Schneider auf der Hauptversammlung im Frühjahr. Die Bayer-Tochter Haarmann & Reimer (H&R) hatte zuvor bekanntgegeben, sich von dem Geschäftszweig zu trennen, da er nicht mehr zu den Kern-Aktivitäten des Unternehmens gehöre. KritikerInnen des Konzerns meinen aber, der wahre Grund für den Verkauf sei die Aufdeckung illegaler Preisabsprachen, die H&R über Jahre hinweg mit amerikanischen Konkurrenzfirmen getätigt hatte. Die amerikanische Kartellbehörde verhängte deswegen vor zwei Jahren Strafen von über 100 Mio. US $. Mitglieder der Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V. äußerten auf der Hauptversammlung am 30. April die Befürchtung, daß die ArbeitnehmerInnen für die kriminellen Tätigkeiten der Geschäftsführung haften müßten. Nur sechs Tage später, am 5. Mai, gibt Bayer den Verkauf der Zitronensäure-Sparte an die britische Firma Tate & Lyle bekannt. Da Tate & Lyle nicht alle Werke übernimmt, wird die Anlage in Elkhart/Indiana geschlossen. 200 Arbeitsplätze werden in den nächsten Monaten zerstört, weitere 80 im nächsten Jahr. Zwar werden Vorruhestandsregelungen angeboten, "aber auch Entlassungen sind unumgänglich", so Werksleiter Michael Weaber. Die übrigen Produktionsstätten in Elkhart stehen ebenfalls unter Druck, denn insbesondere für Konsumentenprodukte wie das in Elkhart produzierte Alka-Selzer gibt es Überkapazitäten. Mit den Worten "die Überkapazitäten sind ein Problem" bereitet Weaber offenbar weitere Schließungen vor. Schon vor zwei Jahren war eine Fabrik für rezeptfreie Medikamente in Mississippi dichtgemacht worden. Das Werk in Elkhart mit insgesamt 2.200 ArbeiterInnen gehört zu den wenigen Standorten in den USA, in denen Gewerkschaften vertreten sind. Andere amerikanische Regionen werben ansiedlungswillige Unternehmen schon mal mit Versprechen wie "garantiert gewerkschaftsfrei". Trudy Manderfeld, Vorsitzende der lokalen Gruppe der United Steel Workers of America in Elkhart befürchtet, daß Bayer die wenigen Standorte mit organisierten Belegschaften zurückfährt und auf lange Sicht schließen wird.

Wie ist die Situation in Elkhart zum gegenwärtigen Zeitpunkt und welche Stimmung herrscht unter den Arbeitern? Manderfeld: Die Stimmung in der Belegschaft ist trostlos und die Moral ist auf dem Nullpunkt. Niemand schenkt den Verantwortlichen bei Bayer noch Vertrauen, und Zukunftsängste sind weit verbreitet. Im Moment geht es um 200 Stellen, 77 der betroffenen Arbeiter sind in der Gewerkschaft. Im nächsten Frühjahr folgen weitere 80 Arbeitsplätze. Die betroffenen Gewerkschaftsmitglieder werden wohl die Möglichkeit bekommen, in anderen Abteilungen unterzukommen, was natürlich auch bedeutet, daß es dort in den nächsten Jahren kaum Neueinstellungen geben wird. Den Angestellten wird es weniger gut ergehen, ich glaube die wenigsten werden einen Ersatzarbeitsplatz angeboten bekommen. Das Alter der Belegschaft in Elkhart ist relativ hoch, für die meisten wird es sehr schwer, neue Jobs zu finden.

Was versucht die Gewerkschaft in dieser Situation zu erreichen? Manderfeld: Ende Juli beginnen die Verhandlungen mit der Geschäftsführung. Wir werden für die älteren Arbeiter eine Vorruhestandsregelung verlangen, die Einkommen und Versicherungen bis zur Rente abdeckt. Für die jüngeren verlangen wir bezahlte Umschulungen und Übergangsgelder. Möglicherweise könnte auch eine, "Job Börse" durchgeführt werden, zu der verschiedene Unternehmen aus der Region eingeladen werden.

Wie ist die Situation für die Gewerkschaften in den Bayer-Betrieben? Manderfeld: Bayer ist ein internationales Unternehmen, das breit diversifiziert ist, daher ist es für uns sehr schwer. Die von uns hergestellten Produkte werden auch in Billiglohnländern und in Betrieben ohne Gewerkschaften produziert. Alka-Selzer wird beispielsweise auch in Mexiko hergestellt und dorthin gehen alle Investitionen. Unsere Vitamintabletten stellt auch das Werk in Pennsylvania her, in dem es keine Gewerkschaften gibt. Man kann sich vorstellen, was das für unsere Arbeit bedeutet: wenn immer wir irgendwelche Forderungen stellen, wird mit einer Abwanderung zu den anderen Standorten gedroht.

Was glauben Sie, was mit den Fabriken mit gewerkschaftlich organisierter Arbeiterschaft auf lange Sicht geschieht? Manderfeld: Ich befürchte, daß diese Werke zum Abschuß freigegeben sind. Sie werden den letzten Profit rausziehen und dann weiterziehen. Und das, obwohl unsere Löhne viel niedriger sind als in den deutschen Werken. In Elkhart werden z.B. wichtige Wartungsarbeiten nicht mehr durchgeführt, so daß Rohre verkalken und Kühlkreisläufe beschädigt werden. Wir haben Schäden, die kaum noch behoben werden können und die meiner Meinung nach vorsätzlich verursacht wurden. Die Geschäftsführung kann dann später sagen, daß es zu teuer wäre, die Anlagen in Elkhart zu reparieren. Es gibt keine offiziell bekannten Pläne über die Abwicklung des Werkes, aber man braucht sich ja nur anzusehen, wohin die Investitionen fließen.


 

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Nr.7-8/1998