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trend onlinezeitung für die alltägliche wut
Nr. 7-8/1998
cl.antifa.aktion
ARCHIV.KIEL@CL-DITHM.comlink.de   (Archivgruppe Kiel)

wir dokumentieren:

Keine Selbstdarstellung der Kriegsmaschine in Kiel und anderswo!
Die Militarisierung nach aussen und innen bekämpfen, die Organisierung
der Gesellschaft den Kapitalisten entreißen, weniger geht nicht!


In Kiel wird am Dienstag, den 18.August 1998 um 16.oo Uhr (Rathausplatz)
eines von in diesem Jahr über hundert öffentlichen Bundeswehrgelöbnissen
stattfinden. Es sei denn, wir als GegnerInnen von Militarismus und
autoritärer Gesellschaftspolitik schaffen es, diesen in Zeremonien gegossenen
Akt der Barbarei zu verhindern.

Das Militär steht nicht in Frage
Wir sehen öffentliche Gelöbnisse keineswegs als feierliche Akte einer
demokratisch legitimierten Armee, wie uns die politische Klasse zu erklären
versucht. Die Bundeswehr würde auch gegen den Widerstand der Mehrheit der
Bevölkerung als zur Herrschaftsabsicherung notwendiges Gewaltinstrument
durchgesetzt werden.
Jeder bisherige Versuch, die Militarisierung der BRD zu verhindern oder den
Aktionsradius der Armee durch basisdemokratische Initiativen einzugrenzen,
wurde durch politische Hetzkampagnen oder brutale Repression unterdrückt.
Schon die Gründung der Bundeswehr mußte gegen den erklärten Willen eines
Großteils der Bevölkerung und mit einer bis heute für die BRD beispiellosen
Unterdrückungs- und Kriminalisierungskampagne durchgesetzt werden. 1953 schoß
die Polizei in eine Demonstration gegen die Remilitarisierung in Essen, wobei
Phillip Müller aus München erschossen und mehrere DemonstrantInnen verletzt
wurden. Neben diesem traurigen Höhepunkt des Staatsterrors mußten
AntimilitaristInnen unter anderem hunderte von Jahren Gefängnis ertragen
und über 15oooo Ermittlungverfahren über sich ergehen lassen bei dem Versuch,
den deutschen Imperialismus am dritten Anlauf, die Herrschaft über den
europäischen Kontinent zu erringen, zu hindern.
Bei zentralen Projekten des Kapitals (u.a. Eigentumsordnung, Atomenergie,
Militär) spielt die Meinung der Bevölkerung keine Rolle.

Innere Sicherheit - Militär und Gesellschaft
Der einzig erkennbare Zusammenhang zwischen Bevölkerungsmeinung und Militär
besteht darin, daß die Aktionen des Militärs in dem Maße agressiver werden,
wie die Akzeptanz autoritärer "Lösungen" von gesellschaftlichen Problemen
innerhalb der Bevölkerung steigt. Dementsprechend ist die gesamte Palette
der derzeitigen Debatten um innere Sicherheit auch als kriegsvorbereitende
Maßnahme zu sehen: Es gibt faktisch keinen gesellschaftlichen Bereich mehr,
in dem nicht ausschließlich nach autoritären Maßnahmen gerufen wird, um
scheinbare oder tatsächlich existente Probleme zu beseitigen. Die Forschung
nach den Ursachen von Problemen (mal unabhängig davon, was dabei herauskommt,
wenn VerursacherInnen nach Ursachen forschen...) gilt als nicht mehr zeitgemäß. Es wird
ein Bild von einer sauberen, weißen, friedliebenden und toleran-ten Gesellschaft gemalt,
das aufrechterhalten werden muß durch die gewaltsame Beseitigung all de-rer, die nicht in
dieses Bild passen: Sichtbare Armut in den Innenstädten, den Herzen der Konsum-welt, wird in die Randbezirke geprügelt, Flüchtlinge in Hunger, Folter und Tod abgeschoben, Kinder mit von der herrschenden Norm abweichendem Ver-halten in Knäste gesteckt oder mitsamt ihren
Eltern aus dem Land geschmissen.

Gewaltphantasien
Der Kern der kapitalistischen Gesellschaft, die sogenannte bürgerliche Mitte
ruft nach dem "starken Mann" für "harte Maßnahmen" und packt immer häufiger
selbst mit an. Die Perversität der Gewalt-phantasien (vor allem) deutscher
"Saubermänner" als Motor dieser Entwicklung drückt sich besonders an der immer
breiteren "Diskussion" um Todesstrafe und Lynchjustiz aus, die als Aufhänger
ausgerechnet die (sexualisierte) Gewalt gegen Kinder benutzt. Gerade in dem
Bereich, der so fest wie kaum ein anderer in der Gesellschaft verankert und
akzeptiert ist, solange die Gewalt im Rahmen der Familie passiert. Hier
stehen sie in vorderster Front, die Ausüber alltäglicher sexualisierter,
emotionaler und physischer Gewalt, emotional kochend und zum töten bereit.
Dieser Mob marschiert in nicht wesentlich anderer Zusammensetzung ebenso vor
Flüchtlingsunterkünften auf - oder wo ihn die herrschenden Strategen sonst
gerade haben wollen, beklatscht von ängstlicheren ZuschauerInnen und mit dem
stolzen Gefühl, ausführendes Organ einer schweigenden, zustimmenden Mehrheit
zu sein.
Daß hierbei eine gewisse Wesensverwandtschaft zu den staatlich herangezüchteten
Mördermaschinen der Bundeswehr gibt, ist gewollt, um die Notwendigkeit
militärischer Aggression nach außen und damit auch den Militärapparat an sich
in der Bevölkerung tiefer zu verankern.

Geschichte ist vorbei, sie kann neu beginnen
Die Tatsache, daß die deutsche Bevölkerung bereits das Regime der Massenmörder
unter der Führung Adolf Hitlers und der deutschen Industrie aktiv getragen
hat, gilt mittlerweile als bewältigt und für die heutige Situation ohne
Bedeutung. Dieser historische Befreiungsschlag ermöglicht es den
staatstragenden Organisationen, sich unter der Volksgemeinschaftsformel
"Sicherung des Standortes Deutschland" zu vereinigen und den gesamten Globus
als mögliches Zielgebiet militärischer Einsätze ins Visier zu nehmen.
Es geht bei Einsätzen der deutschen Armee um bewaffnete Wirtschafts- und
Strukturpolitik. Der "neue" Auftrag der Bundeswehr wird in den
"Verteidigungspolitischen Richtlinien von 1992" auch ohne viel Umschweife
formuliert, wenn es unter anderem heißt: "Aufrechterhaltung des freien
Welthandels und des ungehinderten Zuganges zu Märkten und Rohstoffen in
aller Welt im Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung"...oder:
"Einflußnahme auf die internationalen Institutionen und Prozesse im Sinne
unserer Interessen und gegründet auf unsere Wirtschaftskraft, unseren
militärischen Beitrag und vor allem unsere Glaubwürdigkeit als stabile,
handlungsfähige Demokratie." Am deutschen Wesen, am Anblick deutscher
Flugzeuge, Panzer und Gewehrläufe soll wiedermal die Welt genesen. Derzeitiges
außenpolitisches Zielgebiet: Südosteuropa. Die angestrebte wirtschaftliche,
politische und militärische Kontrolle des "südosteuropäischen Raumes" wird
innenpolitisch hinter Tarnbegriffen wie "friedenserhaltenden",
"friedenssichernden", oder "friedensschaffenden" (neudeutsch für offenen
Krieg) Maßnahmen versteckt und über einen durch nichts gefüllten angeblichen
Humanismus legitimiert.
Wir bezweifeln nicht, daß die politische Zerstückelung Süd-Ost-Europas in
kleine, durch völkisch nationalistische Ideologien verseuchte Staaten der
Sicherung des Standortes Deutschland nützt. Teile und herrsche ist eine zwar
sehr alte, aber immer noch sehr effektive Strategie, um große Menschenmassen
wirtschaftlich und politisch zu kontrolieren.
Genauso wenig Zweifel besteht darin, daß wir die Sicherung des BRD-Wohlstandes
durch Zerstörung und Ausplünderung anderer Regionen und Menschen nicht
hinnehmen und gestern, heute und morgen bekämpfen werden! Da können noch so
viele CDU/CSU/FDP/SPD/GRÜNEN-Politikermasken von Friedensblabla (siehe oben)
Maßnahmen reden, es ist und bleibt: IMPERIALISMUS!

Umbau ist Neuaufbau
Zum Leidwesen deutscher Militär- und Wirtschaftsstrategen ist die Bundeswehr
bis 1989 weder politisch noch militärisch in der Lage gewesen, Kleinkriege
bis auf die Ebene des Überfalls auf einen Kleinstaat zu bewältigen. Die
Niederlage des NS-Regimes hatte diplomatische und militärische Fesseln
zur Folge, die erst nach 1989 nach und nach abgebaut werden konnten. So
durfte z.B. die Bundeswehr bis dahin keinen eigenen Generalstab bilden,
daß heißt, die BRD hat bis heute kein Gremium zur nationalen Koordinierung
ihrer Armeeverbände. Die BRD hat es trotz vielfältiger Versuche nicht
geschafft, ein eigenes Atomwaffenarsenal aufzubauen (momentan wird
versucht, die Hand an die Kontrolltafeln eines Teils des französischen
Arsenals zu bekommen. Alternativ wird in Garching bei München ein
"Versuchsreaktor" gebaut, der atomwaffenfähiges Material produziert).
Der Marine war es verboten, Schiffe über eine gewisse Größe hinaus zu bauen.
Es durfte keine Raketenforschung betrieben werden (sie wurde unter anderem
nach Brasilien und in den Irak verlagert). Militärische Verbände mit
Spezialausbildung und der Fähigkeit zu begrenzter Kriegsführung gab es
praktisch nicht und jede NATO-Hauptsiegermacht hatte größere
Truppenkontingente in der BRD stationiert.

Zukurzgekommen und unterdrückt
Wie schon vor dem ersten und zweiten Weltkrieg ist Deutschland aus der Sicht
der eigenen Eliten ein zukurzgekommener und ungerecht behandelter Staat, der
seine Interessen besonders agressiv und fordernd gegen den Rest der Welt
durchsetzen muß. Daraus resultiert unter anderem ein giganti-sches
Aufrüstungsprogramm, daß den "Verteidigungshaushalt" in den nächsten Jahren
nahezu verdoppeln wird.
Für die Beschaffung neuer Ausrüstungen für alle Waffengattungen hat die
CDU/CSU/FDP- Regierung ein Rüstungspaket beschlossen, das einen Umfang von
2oo Milliarden DM hat. Mit der Auslieferung dieser Waffen durch den
militärisch-industrieellen Komplex, geführt von Daimler Benz
(Herstellung), Siemens (Elektronik) und Deutscher Bank (Finanzierung)
sowie mit Beendigung der Aufstellung und Ausrüstung sogenannter Krisenre-
aktionskräfte (KRK- 50000 Mann) ist die BRD in der Lage, Regionen wie den
zur Zeit heftig umkämpften Kosovo komplett militärisch zu unterwerfen. Im
Moment ist sie dazu noch nicht in der Lage.In den Szenarios, die im Nato-
Rat durchgespielt werden, wäre die BRD mit einem Einsatz von 20- 40000
Soldaten auf eine Teilmobilisierung regulärer Verbände angewiesen, die
u.a. auch aus Wehrpflichtigen bestehen würden.
Das Risiko, daß in Leichensäcken zurückkehrende zwangsrekrutierte Soldaten
Protest hervorrufen, ist größer, als wenn bezahlte Berufsmörder in Ausübung
ihrer Pflichten sterben. (In den USA hieß das bis vor kurzem "Vietnam-Syndrom")
Deswegen werden zur Zeit Szenarios, in denen Wehrpflichtige mobilisiert werden,
tendentiell abgelehnt.
Wie und wo auch immer, der erste große Kampfeinsatz von Truppen
(wahrscheinlich im Kosovo) des remilitarisierten deutschen Imperialismus steht
kurz bevor und die Bundeswehr präsentiert das Gewehr, um ihre Akzeptanz
öffentlich zum Ausdruck zu bringen.

Die zur Zeit sehr schwachen internationalistischen (nicht im Sinne der
"Globalisierung" der Wirtschaft, sondern im Sinne gemeinsamen solidarischen
Handelns) und antimilitaristischen Kräfte in Deutschland werden nicht in der
Lage sein, einen Überfall von Bundeswehr und anderen Armeen im Rahmen der
Weltpolizeiorganisationen UNO und NATO durch Sabotage oder kollektive
Verweigerung zu verhindern.
Unser Augenmerk richtet sich im Moment darauf, den politischen Einheitsbrei der
staatstragenden Organisationen zu durchbrechen und ihre "wir müssen helfen"-
Ideologie als das zu denunzieren, was es ist: Rassistisch-imperialistische
Aggression!

Wir fordern alle verbliebenen progressiven Kräfte auf, den Kampf um die Hirne
und Herzen der Menschen aufzunehmen und den Militarismus mit all seinen
mörderischen Konsequenzen so weit wie möglich in seine Schranken zu weisen,
und sei es nur aus purem Selbstschutz. Denn eins ist klar: Die Militarisierung
der Aussenpolitik geht einher mit der Militarisierung der Innenpolitik, wie
die innenpolitische Entwicklung der letzten Jahre zeigt .

Für den organisierten Vaterlandsverrat!
Krieg dem Krieg!
Autonome Gruppen Schleswig Holstein


Treffen für den 18.8. in Kiel:
14.00 Asmus-Bremer Platz
Autonomer-Infostand

 

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