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Nr. 7-8/1998


USA: 54 Tage Streik bei General Motors

Vom 5. Juni bis zum 29. Juli wurden zwei Werke des US-amerikanischen
Automobilkonzerns General Motors in der Stadt Flint im Bundesstaat
Michigan bestreikt.
Der Arbeitskampf endete mit einem Abkommen, das die zentralen
Streitpunkte ungelöst lässt (siehe zweiten Artikel). Inprekorr bringt
einen Bericht über den Streik, der vor dem Ende des Kampfes verfasst
wurde, weil dieser Kampf ein wichtiges Beispiel für die Gegenwehr der
ArbeiterInnen angesichts von "Verschlankung" und "Outsourcing" ist, mit
denen nicht nur General Motors im weltweiten Konkurrenzkampf gewinnen
will.

Von Dianne Feeley


Mehr als 3400 ArbeiterInnen der Michigan Metal Fabricating Facility in
Flint, einem Karosseriewerk von General Motors (GM), traten am 5. Juni
in den Streik. Die Bezirksgruppe 659 der United Auto Workers (UAW -
Vereinigte Automobilarbeiter, größte Autogewerkschaft der USA) stimmte
im Januar für einen Streik wegen Gesundheits- und Sicherheitsfragen.
Die Bundeszentrale der Gewerkschaft billigte die Streikaktion
allerdings erst, nachdem das Management neue Blechformer, die für Teile
des für 1999 geplanten Pickup-Lastfahrzeugs von GM benötigt werden, aus
der Fabrik abtransportieren ließ. Die Former ließ man heimlich während
eines traditionellen dreitägigen Feiertagswochenendes verschwinden und
zum GM-Werk in Mansfield in Ohio bringen. Mindestens einer der
Blechstempel wurde während des Transports zerstört.

Im letzten Jahr hatten GewerkschafterInnen der Canadian Auto Workers
(CAW) das GM-Werk in Oshawa in Ontario besetzt, als sie mit einem
ähnlichen Problem konfrontiert waren. Sie demontierten und versteckten
die Blechformer, bevor sie die Verhandlungen mit der Geschäftsleitung
aufnahmen. Aber in Flint unternahmen weder die lokalen noch die
regionalen GewerkschaftsvertreterInnen vorbeugende Maßnahmen. Jedoch
zwei Tage vor dem Streik, als das Management versuchte Regale mit
Metallteilen abzutransportieren, blockierten 300 ArbeiterInnen,
darunter auch Beschäftigte aus benachbarten Fabriken, die beladenen
LKWs. Später wurden die Regale mit der Eisenbahn fortgeschafft.

Sobald die Blechformer nach Mansfield gebracht worden waren,
kontaktierte der dortige Gewerkschaftsbezirk die Bezirksgruppe 659.
Aber er löste keinen Sympathiestreik aus, weil dies nach dem Vertrag
zwischen GM und der UAW nicht erlaubt ist. Die Bundesführung der UAW
hätte ihn ermächtigen können, wegen fortdauernder Verletzungen von
Sicherheits- und Gesundheitsvorschriften in den Streik zu treten, um
das Werk in Ohio lahmzulegen, aber dies geschah auch nicht.

Die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit bei GM machte Überstunden, um
die ArbeiterInnen in dem Karosseriewerk als unvernünftig und
unproduktiv darzustellen. In vielen Fabriken ist es eine lange
Tradition, dass den Produktionsgruppen ein tägliches Produktionssoll
(Quote) zugewiesen wird. Sie, es sind keine FließbandarbeiterInnen,
haben dann die Freiheit, das Soll so zu schaffen, wie sie möchten.
Einige bevorzugen ein furioses Arbeitstempo, um frühzeitig fertig zu
werden, während andere erst zum Schichtende das Soll erfüllt haben.
Solange die Produktionsgruppen die Vorgaben einhalten, gilt die Arbeit
als zufrieden stellend erledigt. Aber im "schlanken" System der
heutigen Fabrik, fordern die Vorarbeiter eine kontinuierliche
Produktion. Die ArbeiterInnen der einen Schicht sollen mit denen der
anderen konkurrieren und alle werden angestachelt, das Ergebnis von
gestern zu übertreffen. Diese Verdichtung des Arbeitstages und die
Versuche der ArbeiterInnen das Vorgabesystem zu erhalten, sind einer
der Hintergründe des Kampfes im Karosseriewerk.

ZWEITE STREIKFRONT

Am 11. Juni traten 5800 Mitglieder der UAW-Bezirksgruppe 651 in den
Streik, die auf der anderen Seite der Stadt bei Delphi East arbeiten,
einer größeren GM-Fabrik für Zubehörteile, die Ölpumpen, Tachometer und
andere Kleinteile herstellt.

Ende Juni wurden 26 von 29 GM-Montagewerken in Nordamerika sowie über
100 Zubehörfabriken, einschließlich unabhängiger Zulieferer, die für GM
produzieren, geschlossen. Ungefähr 150.000 ArbeiterInnen wurden nach
Hause geschickt, obwohl nur 9300 streikten. Dass dieser relativ kleine
Streik solch einen Dominoeffekt auf das gesamte GM-Gefüge in
Nordamerika ausübt, ist ein Ergebnis der "just-in-time-Produktion", die
Lagerhaltung auf ein Minimum reduziert. Die Stilllegungen kosteten GM
jeden Tag 75 Millionen Dollar an verlorenen Profiten.

Die zwei Streiks in Flint, dem Ort des Sitzstreiks von 1937, der zur
Gründung der UAW führte, richteten sich gegen Arbeitsbedingungen,
Gesundheits- und Sicherheitspraktiken sowie die
Arbeitsplatzunsicherheit infolge von Produktionsauslagerungen und
Vertragsarbeit. Das sind nicht nur lokale Fragen, sondern betreffen die
Umstrukturierung des Arbeitsprozesses zum Ende des 20. Jahrhunderts. GM
zog seine Zusicherung zurück, 300 Millionen Dollar in das
Karosseriewerk zu investieren, mit der Behauptung, die Gewerkschaft
würde sich der Änderung der Arbeitsabläufe zur Steigerung der
Produktivität widersetzen (was Erhöhung des Arbeitstempos und der
Verringerung des Personals bedeuten würde).

Die Streikposten der Bezirksgruppe 659 meinten, GM "vergleiche bei den
Maßnahmen zur Produktivitätssteigerung Äpfel mit Birnen". Sie
erklärten, dass ihre Fabrik größere Teile produziere, Motorhauben,
Kotflügel und Motorbetten für Kleinlastwagen, während die anderen
Karosseriewerke erheblich kleinere Teile herstellten. Sie verwiesen auf
die zahlreichen Zugeständnisse, die sie in den letzten zehn Jahren
gegenüber dem Management gemacht hätten und unterstrichen, dass all
dies nicht zu Arbeitsplatzsicherheit, sondern zu immer neuen
Forderungen von GM geführt hätte. Ein Streikender sagte, "nach zehn
Jahren 'Kooperation' hat das Unternehmen entschieden, dass wir immer
noch nicht genug gegeben hätten, und es sich deshalb berechtigt fühlte,
Verträge und schriftliche Versprechen zu brechen, für die wir fast zwei
Jahre verhandelt hatten".

GENERAL-MOTORS-LAND

Der satirische Film "Roger and Me" (läuft auch heute noch regelmäßig in
deutschen Programmkinos und im Fernsehen, d.Ü.) von Michael Moore aus
dem Jahr 1989 dokumentiert die Fabrikstilllegungen, die während der
80er Jahre die Stadt Flint zerstört haben. Aber trotz der fast 50.000
in den letzten zwanzig Jahren wegrationalisierten Arbeitsplätze ist
Flint heute immer noch die Heimat von 33.000 GM-Beschäftigten und
bleibt weiterhin die größte Ansammlung von GM-ArbeiterInnen in der
Welt. 65 Prozent der örtlichen Wirtschaft hängen von GM ab und die
angekündigten Fabrikschließungen und Entlassungen könnten dies
innerhalb von fünf Jahren auf 35 Prozent reduzieren.

Die Streikenden in Flint spürten, dass sie jetzt hart bleiben mussten,
bevor die Jobs verloren gegangen sind. Sie beklagten sich, dass die
Gewerkschaft in der Zusammenarbeit mit der Unternehmensleitung zu weit
gegangen sei und dass das Management dem ausgehandelten Ergebnis nicht
gerecht geworden ist.

Es sind nicht mehr die 70er oder 80er Jahre, in denen die US-Wirtschaft
einen Abschwung erlebte. Stattdessen verfügt GM über mehr Geld als
Wissen, was damit anzustellen ist. Trotzdem fordert der Konzern heute
weitere Entlassungen und Produktionsauslagerungen. Als Antwort gab es
eine Streikwelle. 1996 bis 1997 verlor GM 1,5 Milliarden Dollar in neun
Streiks, von denen die meisten um Forderungen nach Neueinstellungen
gingen.

Letztes Jahr gab GM zu aller Überraschung bekannt, dass das Buick City
Montagewerk in Flint 1999 nach Abschluss der Produktion des laufenden
Modells geschlossen würde. Dies offenbarte den GM-ArbeiterInnen, dass
es keine Beziehung zwischen Qualität und Produktivität einerseits und
der Arbeitsplatzsicherheit andererseits gibt. Das Modell LeSabre aus
Buick City hat zahlreiche Qualitäts-Auszeichnungen für das
bestverarbeitete inländische Fahrzeug und als eines der
bestverarbeiteten in der Welt erhalten. Gleichzeitig ist Buick City das
zweitproduktivste Montagewerk von GM.

Parallel zur Ankündigung der Werksschließung von Buick City bestätigte
der Konzern die Stilllegung der Chevrolet-V-8-Motorenfabrik in Flint.
In den zwei Fabriken war ein Abbau von mehr als 5.000 Arbeitsplätzen
vorgesehen. GM versprach zwar den Bau eines neuen Motorenwerks irgendwo
in der Region um Flint, aber dort werden nur 800 Arbeitskräfte
beschäftigt. Letztlich versprachen die Stadt- und Bundesstaatsregierung
ein Paket an Steuernachlässen, das jeden Arbeitsplatz bei GM mit
153.000 Dollar subventionierte. Wobei sich GM bereits
Steuerermäßigungen von zwei Milliarden Dollar aus den Gemeinden in der
Flint-Region erfreut.

GM behauptete, dass die Arbeitsplätze abgebaut und die Arbeitsabläufe
geändert werden müssten sowie die Möglichkeit gegeben sein muss, Arbeit
an Zulieferer von außen auszulagern. Die Investitionen in vielen US-
Fabriken von GM wurden verzögert und von den Gewerkschaften gefordert,
die Bündelung von Arbeitsklassifikationen zuzulassen. Letzteres
bedeutet, dass jeder Arbeiter in der Lage sein muss, verschiedene
Tätigkeiten zu verrichten, wo immer und wann immer es nötig ist. Diese
"flexiblere" und schlanke Belegschaft steht ebenso unter dem Druck,
verstärkt Mehrarbeit zu leisten.

GM ist auch dabei, einige seiner Zubehörfabriken zu verkaufen. Der
zweite in Flint bestreikte Betrieb ist Teil der Delphi-Abteilung von
GM, dem weltgrößten Produzenten von Autozubehör mit einem Umsatz von
27,8 Milliarden Dollar 1997. Delphi ist gerade in einem Fusionsprozeß
mit einer anderen GM-Abteilung, Delco-Electronics. Delphi-Delco wird
intelligente Systeme für elektronische Motorsteuerung entwickeln sowie
Steuer- und Bremssysteme. Das sind hochtechnologische,
computergesteuerte und höchst profitable Produktionslinien. Alle Teile
von Delphi, die diesen Kriterien nicht mehr entsprechen, sollen
verkauft oder stillgelegt werden.

Die Trennung von vielen Zubehörwerken soll es GM ermöglichen, die Teile
zukünftig von Betrieben einzukaufen, die nicht gewerkschaftlich
organisiert sind. Nur zehn Prozent der US-amerikanischen ArbeiterInnen
in der Autoteile-Zuliefererindustrie sind gewerkschaftlich organisiert.
Sie verdienen weniger als 70 Prozent von dem 20-Dollar-Stundenlohn der
in der UAW organisierten ArbeiterInnen und genießen beachtlich weniger
zusätzliche Leistungen. Zusätzlich haben die meisten UAW-ArbeiterInnen
lokale Verträge, die regeln, wie viele Stunden maximal am Tag und an
wie vielen Samstagen gearbeitet werden muss. In nicht gewerkschaftlich
organisierten Fabriken ist die Spanne an flexibel zu arbeitenden
Stunden größer, obwohl selbst die in der UAW organisierten
Beschäftigten gezwungen sind, bis zu fünfzig Stunden in der Woche und
mehr zu arbeiten.

In Brasilien hat GM Zulieferer von außen dazu genutzt, verschiedene
Komponenten für neue Autos vor der Auslieferung vorzumontieren - nach
dem Vorbild der japanischen Produktionsverfahren. Zum Beispiel
schickten die Zulieferer teilweise vormontierte Armaturenbretter
anstatt Tachometer, Benzinuhren, Radios und Handschuhfächer. Dies
verringerte den Umfang der Lagerfläche in den Montagefabriken und
reduzierte die Anzahl der MontagearbeiterInnen. An der Wall Street wird
dies "Effizienz" genannt.

STRUKTURELLE PROBLEME BEI GM

Nach Beginn des Streiks berichtete die New York Times, dass GM und die
UAW im Stillen darüber gesprochen hätten, in den Vereinigten Staaten
eine Fabrik nach dem Muster der brasilianischen Werke zu bauen. Diese
Anlagen sind Form eines L oder T gebaut, um die große Anzahl an
Laderampen unterzubringen, die zur Bedienung der vielen Fremd-
Zulieferer benötigt werden.

1997 erzielte GM einen Profit von 6,7 Milliarden Dollar. In den letzten
beiden Jahren bezahlte es mehr als 22 Millionen Dollar an die
Spitzenmanager plus noch einmal 35 Millionen Dollar in Form von
Vorzugsaktien. Jack Smith, der Vorstandsvorsitzende, Präsident und
oberste Manager von GM, erhielt 1997 eine Gehaltserhöhung um 26
Prozent: von 3,4 Millionen auf 4,3 Millionen Dollar, gemischt als
Gehaltszahlung und Bonusaktien. Aber mit den Maßstäben der Wall Street
bewertet, liegt die Profitrate von GM bei schlappen drei Prozent und
sein Marktanteil ist von den 50 Prozent der siebziger Jahre auf 32
Prozent geschrumpft. Im Vergleich zu Ford ist GM weniger "effizient".
Und obwohl in den letzten zwölf Jahren die Belegschaft um 212.000
zurückgestutzt wurde, hat GM laut Wall Street immer noch "zu viele
ArbeiterInnen und Fabriken".

Deshalb ermutigten die Börsianer GM, bei den Verhandlungen mit der UAW
hart zu bleiben. In der ersten Streikwoche wurden zwei interne GM-
Protokolle der Presse zugespielt, offensichtlich um das Vertrauen in
die Gewerkschaft zu untergraben. Sie enthüllten die Pläne von GM, den
Ausstoß an in Mexiko montierten Autos in den nächsten vier Jahren zu
verdoppeln und das Montagewerk in Lordstown, Ohio, mit 6300
ArbeiterInnen im Jahr 2003 zu schließen.

Dennoch sind die Streikenden zuversichtlich. Obwohl die UAW nicht zu
organisierten Unterstützungskundgebungen und massenhaften Streikposten
aufgerufen hat, kamen Abordnungen von AutoarbeiterInnen aus
verschiedenen Bezirksgruppen ebenso wie andere GewerkschafterInnen
zusammen, um bei den Streikposten zu helfen. Und die Zahl der Autos und
Lastwagen, die hupend ihre Unterstützung der Streikenden bezeugten,
beweist, dass Flint den Arbeitskampf mitträgt - auch wenn der
Bürgermeister der Stadt dies nicht tut.

Am Ende des ersten Quartals 1998 hockte GM auf einem 13,6 Milliarden
Dollar Geldberg. Trotz all dieses Geldes kann es sich GM dennoch nicht
leisten, den Verkaufsstart 1999 vom Chevrolet Silverado und des
Großraum-Pritschenwagens GMC Sierra zu verzögern. Die Kleintransporter
machen 15 Prozent des Umsatzes von GM in Nordamerika aus und jedes
dieser Pickup-Fahrzeuge bringt einen Reingewinn von 7000 Dollar. Ein
schneller Verkaufsstart ist nötig, um Ford zu überholen und den ersten
Platz bei den Marktanteilen zurückzugewinnen.

Seit Jahresanfang arbeiten GM und seine Zulieferer daran, alle Fehler
bei der Umstellung auf die neuen Modelle auszumerzen. Das bedeutet,
dass die Kleintransporterfabrik in Oshawa, Ontario ab Anfang November
auf Hochtouren laufen muss - ungefähr sechzig Fahrzeuge pro Stunde. Die
Werke in Pontiac, Michigan und Fort Wayne, Indiana folgen kurz darauf.
Die Lahmlegung der nordamerikanischen Produktion von GM würde das
stören, was die Business Week beschreibt als "Eine Produkteinführung,
die zu versieben sich GM nicht leisten kann".

DIE MACHT DER STREIKENDEN

Die UAW-Streikenden sollten in einer Position maximaler Stärke sein.
Wenn die Gewerkschaft ihre Position nicht bereits mit den
"Partnerschafts"-Projekten mit GM, Ford und Chrysler untergraben hat.
Business Week fragt, warum GM und die UAW nicht die gleiche Art
Abkommen ausarbeiten wie es Ford mit der Gewerkschaft getan hat. Laut
Business Week trifft der Vorsitzende von Ford, Alexander T. Trotman
jeden zweiten Monat mit dem UAW Vizepräsidenten zum Frühstück zusammen
und deshalb gibt es "keine unangenehmen Überraschungen". Als Ford
letztes Jahr seine Thunderbird-Fabrik in Ohio geschlossen und 2.500
ArbeiterInnen entlassen hatte, gab es keinen Protest durch die UAW.
Stattdessen handelte die Gewerkschaft einen Bonus von 45.000 Dollar für
diejenigen ArbeiterInnen aus, die in eine Transporter-Fabrik in
Kentucky umgesetzt werden sollten.

Ein Großteil des Arbeitsplatzabbaus bei Ford und Chrysler fand in den
80er Jahren statt und als Ergebnis davon konnte Ford GM in der
Produktivität übertreffen: 33,3 Fahrzeuge pro gewerblicher Arbeitskraft
gegenüber 27,3 bei GM. Es ist auch wahr, dass die UAW-Abteilung bei GM
nicht die gleiche enge und tiefgehende Beziehung zum Unternehmen hat
wie die Ford-Gewerkschaft. Aber es wäre töricht zu glauben, dass der
"Arbeitsfrieden" erreicht wurde, gerade weil die Ford- und Chrysler-
ArbeiterInnen nicht in den Streik getreten sind.

Es ist klar, dass der Kampf gegen den Arbeitsplatzabbau bei GM in einer
Zeit stattfindet, wo es auf dem Arbeitsmarkt eng ist und in der das
Unternehmen horrende Gehälter an das Management zahlt und diejenigen,
die arbeiten, mit Billiglöhnen abspeist. Es ist eine explosive
Situation, die sich in den Industrie-Analysen der Börse zeigt, die von
der Notwendigkeit eines Arbeitsplatzabbaus von 30.000 bei GM sprechen.
Der Rat, den die Börse allerdings erteilt, ist, dass GM sein Ziel nur
erreichen wird, wenn ein neuer mehr kooperativer Pakt mit der
Gewerkschaft ausgehandelt wird.

Für die GM-ArbeiterInnen sieht die Antwort ziemlich anders aus. Sie
beinhaltet die Ablehnung der sozialpartnerschaftlichen Absprachen mit
den Konzernleitungen und den Kampf gegen die Verschlechterung der
Arbeitsbedingungen und gegen die Ausdehnung der Mehrarbeit. Es ist auch
die Ausarbeitung einer Strategie erforderlich, wie der unorganisierte
Zubehör-Bereich gewerkschaftlich organisiert werden kann. Und das
bedeutet auch, enge Verbindungen zur CAW in Kanada und zu den
kämpfenden unabhängigen Gewerkschaften in Mexiko aufzunehmen, um eine
gemeinsame Strategie zu entwickeln. Gewerkschaftsfunktionäre die
militante Töne anschlagen um dann doch im Schoß der Bosse zu enden,
müssen abgelöst werden.

Eine Beendigung der Streiks in Flint wird offensichtlich nicht alle
Probleme lösen, die durch den Streik offenkundig wurden. Aber ebenso
wie im Fall des Streiks bei United Parcel Service können die Menschen
überall im Land sehen, dass eine vielfältige Gruppe von arbeitenden
Menschen im Streik ist: Afro-Amerikaner, Latinos und Weiße, Männer wie
Frauen. Die Streikenden erläuterten ihre Anliegen den Reportern
offenkundig kenntnisreich bezüglich der Probleme mit ihren Jobs und
bereit gegen Ungerechtigkeit zu kämpfen. Einige von ihnen sind die
dritte Generation Autoarbeiter mit Gespür davon, wie die Gewerkschaft
in Flint gegründet wurde. Sie sprachen von der Gier des Konzerns. Sie
formulierten noch keine Forderungen nach kürzerer Wochenarbeitszeit und
gegen Lohnverluste. Stattdessen betonten sie, dass sie gute
Arbeitsplätze für ihre Kindern sichern wollten.


Dianne Feeley ist Mitglied von Solidarity.

Aus: International Viewpoint Nr. 302 Übersetzung und Bearbeitung: Thies Gleiss


Vorabdruck aus: Inprekorr 323 (Internationale Pressekorrespondenz)
Nachdruck gegen Quellenangabe und Belegexemplar erwünscht

E-Mail: inprekorr@oln.comlink.apc.org
Bestellungen: Verlag Neuer Kurs, Dasselstr. 75-77, D-50674 Köln
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