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Editorial

Maulhelden

Von Karl-Heinz Schubert

7/8-99
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trend
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Anti-Quariat
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Der Versuch, das Partisan.net aus einer ZweipersonenGbR in einen Verein mit demokratischen Strukturen zu überführen, ist nach einem halben Jahr zäher Bemühungen gescheitert. Damit hat Günter Langer leider recht behalten. Im Dezember vorigen Jahres hatte er vor der Gründung eines solchen Vereins gewarnt. Er meinte, daß eine Formalisierung bzw. Verrechtlichung menschlicher Beziehungen nur das Mißtrauen der Beteiligten in scheinbar faire Bahnen lenkt. Der Verein stünde daher in einem unaufhebaren Widerspruch zum Prinzip der Selbstorganisation gleichberechtigter Individuen.

Dieser Argumentation konnte ich mich damals schon nicht anschließen und habe auch jetzt, wo Günter Langer im Resultat recht zu haben scheint, meine Zweifel. Seine Argumentation geht nämlich von der Annahme aus, daß es möglich sei, einen freien formlosen Zusammenschluß entlang frei gewählter Interessenslagen zu schaffen, wenn die MacherInnen es nur wollen. So erstrebenswert dieses Konzept auch sein mag, es ist voluntaristisch und damit die tatsächlichen Verhältnisse - zumindest die des Internets - außer Betracht lassend. Sein Konzept bleibt m. E. eine Utopie, weil ökonomische und rechtliche Zwänge entgegenstehen.

Konkret: Das Telekommunikationsgesetz ist so konstruiert, daß trotz vorhandener kollektiver Rechtsform eines Providers (Verein oder eine Genossenschaft), die Regreßnahme immer gegen die einzelne Person erfolgt, so daß ihre Zugehörigkeit zu einem Kollektiv und ihre dortige Weisungsgebundenheit davor nicht schützt, wie im Strafrechtsfall Felix Sommer (CompuServe) von der BRD-Justiz deutlich gemacht wurde.

Diese Sachlage wurde ausführlich im Partisan.net-Zusammenhang erläutert und durchgesprochen. Es wurde klar herausgearbeitet, daß Vereinsrecht und Internetrecht nicht kompatibel sind, da keiner Person zugemutet werden kann, Beschlüsse eines - auch höchst demokratisch gewählten - Gremiums auszuführen, wenn die Verantwortung mit dem Beschlußgremium nicht geteilt werden kann. Daher war in der Frage der Zwangslöschung der Rabehltexte unser zentrales Argument: Die Inhaber der Domain übernehmen als Einzelpersonen weder die rechtliche noch die politische Verantwortung für rechtsextremistische Texte und untersagen daher ihre Verbreitung auf dem Partisan.net Server.

Sofort begannen die Maulhelden der Kalaschnikow-Gruppe loszuposaunen, daß sei undemokratisch, Providerwillkür usw. usf. Über eine Löschung könne nur der Verein entscheiden usw. usf. Zum Wohl der Demokratie müsse die geballte Macht der PartisanInnen dem Provider entgegengestellt werden.

Der Zweck dieses Theaterdonners war klar: Kalaschnikow wollte ihre politische Linie "Promotion für und Diskurs mit Rechts" wieder unter dem Partisan.net Label verbreiten können. Da diese "Rechtenschützer" (Interim) bereits aus anderen linken&radikalen Zusammenhängen rausgeflogen waren, larvierte man flugs die eigentlichen Absichten mit dem Vorwurf, dem Partisan.net ermangele es wegen "Karl-Heinz Schubert und seinen Günstlingen" an Demokratie. Auf ihrer Website verlautbarten sie, wenn im Partisan.net eine "kollektive politische Führung" gewählt worden wäre, dann hätte dort Demokratie geherrscht.

Das Führungspersonal für dieses schöne ZK hätten sie gerne gestellt. Dies konnten wir verhindern. Und das war gut so. Nach dem  31.7.1999 wird die Kalaschnikow-Gruppe das Partisan.net endgültig verlassen haben.

Leider machte das Vergießen von Krokodilstränen für Demokratie im Partisan.net auf den ehemaligen, z.Z. noch amtierenden Vereinsvorsitzenden, Erhard Kleps, einen tiefen Eindruck. So trat er dem Chor der Maulhelden bei. Als Partitur brachte er eine Aus- und Rücktrittserklärung mit, worin er in der Pose des Opfers behauptete, gerade noch der Erpressung durch den Provider entronnen zu sein. Dankend veröffentlichte Kalaschnikow seine Erklärung. Kleps untersagte aber  bedauerlicherweise die Veröffentlichung dieser Realsatire. Sein Argument: Dritte würden die Erklärung nicht verstehen. Wohl wahr(*).

All diese operettenhaften Bemühungen zahlten sich nicht aus. Am 29.9., dem Tag, wo mittels geballter PartisanInnenmacht die politische Abrechnung mit dem Partisan.net Provider erfolgen sollte, erschienen sechs Leute zum angekündigten Laienspiel im El Locco. Sie brachten nichts zustande, außer sich Mitgliederversammlung zu nennen, die dann ganz schnell die eigene Auflösung beschloß. Anzumerken bleibt hier nur: Unsere Maulhelden, die am lautesten geschrien hatten, die GbR träte ihre demokratischen Rechte mit Füßen, waren weder in der Lage noch Willens, die banalsten Spielregeln des bürgerlichen Vereinsrechts einzuhalten. Und so besteht der Verein noch weiter und harrt seiner demokratisch einwandfreien Auslösung oder Fortführung.

Insgesamt hat uns diese Vereinsgeschichte einen guten Einblick in die Niederungen menschlichen Verhaltens gewährt. Und so könnte Günter Langer doch Recht behalten haben. Oder sollten unsere Argumentationen beide richtig sein? Richtig dadurch, indem man sie aufeinander bezieht. Diese Frage wird hoffentlich am 6. Juli auf dem öffentlichen Ratschlag des Partisan.net beantwortet werden können. Von ihrer seriösen Beantwortung wird abhängen, wie es mit dem Partisan.net im Hinblick auf Selbstorganisation und Electronic Publishing strukturell weitergeht.

DAHER: Maulhelden bitte zu Hause bleiben!

*) Das AZ Wuppertal, was dem Tempo der Berliner Ereignisse offensichtlich nicht richtig hinterkommt, hält diesen Text des Erhard Kleps noch im Internet online.

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