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GELSENKIRCHEN, 28. Juni 1999

STERBLICHES UND UNSTERBLICHES VERGESSEN
HOLOCAUST


An welchen Merkmalen läßt sich ungesühnter Mord festmachen?

von DIETMAR KESTEN
7/8-99
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Seit Jahren streitet man um ein geplantes HolocaustDenkmal in Berlin. Jetzt, nach runden 10 Jahren, stimmte die Mehrheit des Bundestags für ein EISENMANN Säulenfeld. Im Grunde spitzt sich der Streit um ein zentrales Holocaust-Denkmal immer wieder auf die Ausgangsfrage zu: Kann man den Mord an ca.6 Millionen Juden, an Sinti, an Roma, an religiöse Minderheiten und politische Gegner überhaupt ästhetisch darstellen; dazu noch an einer sehr vorbelasteten zentralen Stelle? Mit dem Entwurf von EISENMANN soll sich angeblich die "beste Lösung" durchgesetzt haben, und er sei ein "sichtbares Zeichen gegen das Vergessen" (ELKE LEONHARD-SPD). MICHAEL ROTH (SPD) meint sogar, daß damit "ein Zeichen für die Zukunft gesetzt" wurde.

Der Kulturstratege der SPD, Staatminister MICHAEL NAUMANN, erklärt, daß "das Denkmal ein Zeichen der Trauer" sei. EISENMANN selbst meint in der ZEIT, daß "das Mahnmal der Gegenwart das Bewußtsein über die Bedeutung des Holocaust eröffnet." Gegen das Vergessen, das ist der zentrale Hintergrund, der scheinbar die Betrachter aus der Reserve lockt, wenn es darum geht, die Plötzlichkeit des Phänomens zu deuten, daß sich seit mehr als 50 Jahren einer sehr angenehmen Art des Nichterinnerns erfreut. Wer kann mit, wer kann ohne Vergessen leben? Welche Bedeutung hat das (politische) Bewußtsein vor dem Hintergrund der moralischen Appelle der Katharsis?

Es hat etwas Irreführendes und Entlarvendes, daß ausgerechnet eine Form des Symbolismus das angeblich authentische Verlangen darstellen soll. Die Bedeutung des Holocaust in einem Denkmal des Konsumprodukts, der Touristenattraktion und kommender "sehenswürdiger" Stadtbilder verwirklicht sehen zu wollen, gleicht einem Alptraum, der die Masse des Hirns Stück für Stück zerkleinert. Absurd! Die bewährte Vergessenstechnik schwingt sich auf zu einer Rettungsaktion, die mit den Chiffren der öffentlichen Moral zur bösen Gedächtnislast wird. Doch Vergessen und Verbrechen gehören auf"s innigste zusammen. Es scheint so, als ob die Parlamentarier diese einfache Wahrheit des politischen Spiels nicht begriffen haben.

Schleichwege und Ausweichmannöver haben dieses Wahrheitsspiel in den zurückliegenden Jahren bestimmt, und es kann kein Zufall sein, daß man sich jetzt auf einmal nach einer erfolgten Auslöschung der Erinnerung eines unfaßbaren Kapitels deutscher Geschichte aus den Köpfen mit einem überschäumenden Übermaß der Barmherzigkeit erinnert. Es ist eine seltsame Überlagerung von Kriegen und todbringenden Ideologien, die sich da vollzieht, die mit unaufhörlichen materiellen Anreizen die eigenen Mechanismen der Denkvorgänge außer Kraft setzt, die millionenfachen Mord zum Höhepunkt des politischen Ensembles werden läßt alle Lebenden und Toten koexistieren auf einmal friedlich nebeneinander. "Ein Zeichen für die Zukunft" das soll auf Veranlassung der Politk gesetzt werden.

Inmitten dieser Trauerjahre mit Feiern, Festen, Trauerreden, dem Jugoslawien-Krieg, der sozialen Standortfrage, ist Verhüllen eben angenehmer als Enthüllen. Denn im menschlichen Geist ist nichts natürlicher wie das Vergessen, das tatsächliche Vergessen, das Verdrängen, das Verleugnen, das Verzerren um gleichsam alles von ihnen gestaltet zu sehen, um damit die Wirkung der trockenen Rezepte zu unterstreichen. Vergessen der Zeit und der Grenzen, Elixir des Lebens, die Bannung des Todes und seine Drohungen da kann es keine "Zeichen für die Zukunft" geben; denn die Rolle des Staates in der Geschichte löscht Vergangenheit und Zukunft immer wieder aus, weil er sich niemals aus den Katakomben, den Labyrinthen und den Gefängnissen der Gegenwart befreien kann.

Am schwierigsten ist es, der Öffentlichkeit zu sagen, daß es der Zynismus der Macht ist, der den gesamten Gesellschaftskörper durchläuft, der die Wirkung von Geständnissen hätte, wäre er denn ausgesprochen. Und man braucht höchste Willenskraft und Raffinesse, nahezu einen detektivistischen Spürsinn, um gegen die Strategien des Vergessens anzukommen. Die "wunderbare Heilung" der Verbrechen; seit dem Mittelalter begleitet sie uns wie ein Schatten; die Folter des Geständnisses sie hilft ihnen weiter; denn die blutigsten Mächte sind darauf angewieseneine verbrecherische Wahrheit, die sich auftut, die zwischen den Worten aufsteigt, sich in den Taten niederschlägt. Das ist eine rührige Art des Philosophierens: Die feierlichen Trauerriten sind den Politikern dermaßen in Fleisch und Blut übergegangen, daß sie vermutlich damit ihr ganzes Leben verbringen könnten; es sind ja keine Geständnisse, die abgeliefert werden, sie haben sich nur als eine Art Verfahren durchgesetzt, und dadurch, daß man sich selbst erpreßte, ist man zum billigen Geständnistier geworden.

Denn es geht gar nicht um die Aufhebung des Verdrängens, es geht um Beruhigung, es geht auch nicht um Selbstprüfung, die unter den flüchtigen Eindrücken der Alltäglichkeit wie Rituale erscheinen müssen es geht um Wirkung der Macht, die im Formwandel der Lust am Erzählen durch die jüngste Geschichte geistert. Das Geständnis befreit; die Macht zwingt zum Schweigen; die Wahrheit gehört nicht zum Ordnungsgefüge der Macht, sondern steht der politischen Geschichte der Wahrheit diametral entgegensie ist die falsche Form der Überlieferung der auf den Kopf gestellten Erinnerung an die tatsächlichen Verbrechen.

Daher ist das Vergessen von Verbrechen gleichzusetzen mit dem Verleugnen von Verbrechen. Die Menschen sind Auguren des Vergessens. Nicht nur weil die Erinnerung an die Ungeheuerlichkeit versagt, an das Unaussprechliche, sondern weil Aggressionen unser Erbteil sind, und wir nach Kriegen und Kämpfen, die in unserer unmittelbaren Umgebung stattfinden, das Alltagsgeschäft unserer Armseligkeit betreiben. Während es Nacht wird, kritzeln wir den berühmten Spruch auf ein Blatt Papier: "Fangen wir noch einmal an, und sagen die Wahrheit!" Sollte dieser berühmte Spruch, den man besser verschwiegen hätte, tatsächlich dieses tausendjährige Joch abschütteln können? Sühne soll helfen, das Haßpotential zu entleeren, gleichsam einem Gefäß, die Techniken des Schöpfens immer wieder neu anzuwenden, bis sie langsam wieder zur alten Blüte heranwachsen, bis wir wieder Kriege, Unbeherrschtheiten und Egomanie brauchen.

Das kann kein Denkmal bewerkstelligen die innere List dieses Denkmals ist die Zensur, die Untersagung des Sagens und des Denkens für alle Zeiten, ein Mahnmal für den Maulkorb, ein ungeheuerliches Verbot dieser Zivilisation, in Stein gehauen, vom Winde umweht: Wessen man sich erinnert und was man vergessen hat, was sich verbirgt, woran man nicht denkt und was man nicht zu denken denkt!

Ein Denkmal tilgt keine Schuld, kauft niemanden frei, reinigt kein Individuum, erlöst ihn selbst von seinen Verfehlungen nicht es ist in Wirklichkeit ein Hindernis der Wahrheit, daß das Stelenfeld verhüllen wird es geht an der diskursiven Verbindung des Sprechenden mit dem, wovon er spricht, vorbei.

Und wenn das als unendliche Aufgabe erscheint: Die Lust am Erzählen und Zuhören ist mit ihm immer wieder verdrängt; im Grunde wird es in eine paradoxe Form des Unwillens zur Wahrheit hineingepreßt.

Unser Vergessen, die allgemeine Matrix dieser Methode, bereitet das nächste Verbrechen vor. Das Eingraben von Namensschildern als Element des Vergessen in einer Mahnmal-Idee zum Ausdruck zu bringen, gehört mit zu den vielen Irrtümern, Naivitäten und Moralismen, die die Moderne zum Ausdruck gebracht hat: Wahre Schuld zu bekennen, ist ein dauerhafter Akt. Wenn die Bilder des Krieges, des Begehrens, die Verdopplung der Lokalisierung des Zwangs, der auf dem ganzen Erdball sein Unwesen treibt, sich in Zwangsvorstellungen, der Scheußlichkeit kein Ende zu bereiten, niederschlägt, dann beginnt erst die eigentliche Verirrung des Geistes. Wie armselig klingen die Sätze von ANTJE VOLLMER (amtierende Parlamentspräsidentin): "Damit hat der Deutsche Bundestag entschieden, ein Mahnmal zu errichten." Die Gültigkeit der Introspektion für ein ganzes Volk wenn es das wäre, dann läßt sich jede Verantwortung wie eine Klette leicht abschütteln. Sie ginge leicht vorüber wie die christliche Beichte.

Aber Archive des Vergessens kann man nur bewahren, wenn sie nicht sofort wieder aufgelöst werden. Und die abendländischen Gesellschaften haben begonnen, eine neues Netzwerk aufzubauen Denkmäler in Bosnien, im Kosovo und anderswo: Überall bösartige Zustände für Scheußlichkeiten kann sich niemand entschuldigen, weder bei den Toten noch bei den Überlebenden!

Sühne, Heil, Haß und Tod Körper ohne Leben, Köpfe ohne Geiste daher das Zittern und Beben der Wörter, die sich zum Bekennen emporschleichen, weil die Modelle der Geständnisse abzulaufen beginnen, und die Inhalte in abgrundtiefe Schluchten eingegraben werden sollen, weil Menschsein Vergessen der Vergangenheit, der Gegenwart und womöglich auch der Zukunft ist. Und weil der Fehler das Vergessen ist, ist jede Gesellschaft, jede Politik und jede Individualität dazu verdammt, sie beständig zu wiederholen, bis in alle Ewigkeiten, dem von den Göttern bestraften PROMETHEUS gleich, dem jeden Tag auf"s neue unter unbeschreiblichen Schmerzen die immer nachwachsenden Eingeweide weggefressen werden, und immer wieder lassen die neuen Qualen der modernen Geschichte die alten vergessen. Doch die Kausalmacht des Vergessens ist eine psychische Störung, die das 20. Jahrhundert mit dem aufsteigenden Kapitalismus wie die Schlaganfälle der Alten, den Nervenkrankheiten, den schlechten Angewohnheiten der Kinder, den Schwindsüchten der Erwachsenen, Degenarationen ganzer Völker mit sich herumschleppte. Damit erschöpft sich die Technik des Geständnisses über die ungesühnten Bluttaten.

Sie konstituieren sich zweiseitig: Gegenwärtig und unvollständig. Bevor Entscheidungen getroffen wurden, mußte alles den Prozeß der Entschlüsselung durchlaufen. Erst wenn das Vergessen lange genug gewährt hatte und tief genug geworden war, konnte das unwillkürliche Gedächtnis tätig werden, und ohne Kontrolle der Vernunft und Willenskraft aus diesem Abgrund des Vergessens Ungeahntes zutage fördern. Es heilte von den Ängsten der Zeit und des Todes und wird von den Menschen, die sich ihm anvertrauen, als Bußsakrament eingelöst. Es war mitunter in den letzten 50 Jahren leicht, diese therapeutische Operation mit dem klinischen Abhorchen zu verbindender Operateur war der Staat und das Stethoskop war das Volk: Den Geständniszwang mit der Methode der verschmähten Sinne einzufordern ein fudamentales Merkmal dieses Vergessensdramas.

MARCEL PROUST hat in seinem Romanwerk "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" sich der Willensanstrengung unterworfen, sich von dem Vergessen nicht zu verabschieden, es als gewaltiges "Gebäude der Erinnerung" zu bewahren. Gedächtnisinhalte sind immer Gedächtnisbilder meinte er, und mit Sinnschärfe und Dauerhaftigkeit können die Erinnerungserlebnisse wachgerufen werden

Aber wer kann mit all diesen Erinnerungen leben, mit den alten, mit den neuen Verbrechen? Wenn FISCHER nach Beendigung der NATO-Luftangriffe auf Jugoslawien und dem Morden im Kosovo leichtgläubig zu verstehen gibt, daß "uns kein Verbrecher entgehen wird", ist das dann nicht das Ende der Vergessensdemut?

Das vor allem ist der blinde Fleck in der Geschichte des Vergessenswas wir anderen angetan haben, hat nur Gewicht in den malenden Zeitströmen, die ein Vergessen nach dem anderen aufsaugenStaatsrepräsentanten sind sich selber blind. Sie halten sich für besser, für klüger, für intelligenter als andere; sie haben kein abgewogenes Urteil über sich selbst. Sie setzen, bevor sie sich im Spiegel betrachten, ein edles Gesicht auf, das sie anschließend beurteilen, wenn sie sich an das Volk wenden, manchmal unerwartet oder betrunken, sehen sie sich plötzlich, als wären sie fremd, so alt, wie sie sind, verlebt, verlottert, verlogen, mit erloschenen Augen, und sie erschrecken tödlich. Besserwisserei! Es ist die Verlogenheit, die Hartnäckigkeit des Vergessens die schwierige Warheit der Fegefeuer zu entdecken. Das bringt die kollektiven Lügen hervor, die aus Legenden bestehen: Kein Einspruch gegen das VergessenKunst im Weltgericht. Eine Art Kapitulation vor den Opfern bricht sich Bahn: Leiden sind immer präsent, und sie müssen vor dem eigenen Gewissen behandelt werdenohne Versprechungen und ohne Illusionen; das ist ihr einziger Daseinsgrund.

Doch wer die schmerzhafte Arbeit des Erinnerns leugnet, der hat die dazugehörige Erbitterung über die Geisterstunden, die Stunden jener Toten, die nicht zur Ruhe kommen, weil das Unrecht nicht eingelöst werden kann, das man an ihnen beging, (weder durch Architektonik noch durch ModellPlanungen) dem Gesamtzweck angepaßt. Wer Denkmäler als Repräsentationsmodell begreift, der hat Kunst in das alltägliche Leben des Unvermeidlichen eingefügt. Das ist eine seltsame Form von Kunst. Ihr Wurzeln reichen tief in die Geschichte des Abendlandes: Verwerfung, Ausschließung, Versperrung, Maskierung der Mensch handelt in der Regel danach, was die Macht ausspricht. Selbst mit dem Erinnern an das Vergessens ist die Entzauberung der Welt nicht mehr aufzuhalten.

Die Erinnerung daran wird kollektiv abgesessen; das Vergessen ist nur in Sperrgebieten der Denkmalkunst zu besichtigen du sollst nicht berühren, du sollst dich nicht erinnern, du sollst nicht darüber sprechen und schon gar nicht sollte es existieren. Entsage dem Erinnernin den Schatten des Geheimen liegt das Nichterlaubte, das Nichtformulierbare begraben. So geht es nur eine Zeitlang gut, bis die Lügnerfreuden diese Reflexion bedient, bis die politischen Institutionen neue Gewalt vorbereiten, ausüben, aufbereiten und zur Endgültigkeit bringen. Was ist sterbliches und unsterbliches Vergessen? Anscheinend wird immer nur um die Gunst der Stunde gebuhlt. Der Strom des Vergessens durchzieht die Gedächtnislandschaft, so fließt auch LETHE, der Strom des Vergessens. Man muß die Übermacht der geschichtlichen Erinnerung begreifen, die ein menschliches Leben von der Geburt bis zum Tode begleitet. Erst dann kann das Vergessen unsterblich gemacht werden, wenn man sich nicht den verwegenen Ausfällen verwehrt, die das bürgerliche moralische Recht romantisch verklärt. Wer etwas vergißt, muß auf eine peinliche Warum-Frage gefaßt sein.

Doch die Redner an den jeweiligen Orten des Vergessens deponieren die Gedächtnislandschaft an einem einzigen Ort und fassen sie als Bilder auf. Das ist höchst erstaunlich, weil die Wasser des LETHE-Stroms das Vermögen haben, die Erinnerung zu erhalten, die nach dem Mythos mit verstärkender Kraft die Diesseitswelt an allen Orten abbildet. Überall dort, wo die Vergeßlichkeit der Welt den Machthungrigen in die Hände spielt, passiert das fortwährende gleiche Drama: Das Gedächtnis ist zur Verdammung des Vergessens bereit.

Die Politik erinnert sich daran gerne; denn schließlich erklärt sie es zum "Staatsfeind Nr. 1". So ist Vergessen "Auge um Auge, Zahn um Zahn" darauf beruht im ganzen System das Inferno, die Strafen und das Prinzip der Vergeltung die Machtbeziehung der Logiken des politischen Vergessens! Alle Hüllen, die fallen, suchen sich im Kräfteverhältnis zwischen Unwissenheit und Wissen, zwischen Vergessen und Erinnern einen Ankerpunkt. Das sind ganze Konzeptionen einer umfassenden Strategie des Vergessensund die Politik hat ein Netz um das Vergessen gespannt: Das Gesetz des Vergessens hat sich auch bei ihr zwischen dem damaligen Ereignis und der heutigen Vergegenwärtigung geschoben, und somit sind viele Erinnerungen verwischt oder ausgelöscht. Auf jeden Vergessensschub folgt das Erdbeben der tatsächlichen Ereignisse; und was tatsächlich vergessen wurde, bleibt auch vergesssen, für immer vergessen.

KANT bezeichnete die Vergeßlichkeit als "ein durchlöchertes Faß" und immer wieder wird sie Merkzettel für einen lebenspragmatischen Imperativ bleiben: Das hereinbrechende Verhängnis des Vergessens ist die Nacht, in die der Mensch eintaucht. Nur mit versteinerten Minen kann man die Ergötzung der Dunkelmänner, der politischen Steinmetze betrachten. Ihr Vergessen in der Welt der Moderne, der Welt der Information, ist schon beinahe zum Vergessenskult mutiert: Vergeben, vergangen, vergessen. Selbst die Opfer der SHOAH verblassen dahinter. Vergessen wird so schnell herbeigeschafft wie weggeschafft.

Der Informations-Vergessensfluß als Nebenfluß des LETHE.

Und im Sinnestaumel der nächsten Vergessensbegegnung neigt sich die Kurve diesen Mechanismen erneut zu: In doppelter Reihe werden Statuen aufgebaut, die Öffentlicheit hergestellt, Bildauer und Maler reichen sich die Hände und das, obwohl die Toten, alle Lebenden unter der gleichen Asche begraben sind und werden. Wer wollte noch davon reden können, daß das labyrinthische, aus 2700 Betonstelen bestehende Mahnmal, eine Bedeutungt hat? Auf dem Leben liegt eine gewaltige Last die Verbrechen der Moderne als permanent schwelenden Konflikt mit unbekanntem Ausgang zu begreifen.

Das erst mündet ein in ein examplarisches Drama des Erinnerns und Vergessens. Vergessen ist nicht politisches Gutdünken über die Verbrechen und Verbrecher des Faschismus. Es muß immer eingefordert werden, und es muß immer bleibend sein kein Stein, kein Mahnmal, kein Denkmal, keine Statue kann das je erreichen.

"NIEMALS WERDE ICH DIESES NÄCHTLICHE SCHWEIGEN VERGESSEN, DAS MIR FÜR ALLE EWIGKEITEN DIE LUST ZUM LEBEN GENOMMEN HAT!" (ELIE WIESEL)

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