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Aus CONTRASTE Nr. 174:

INTERVIEW ZUM ZEHNJAeHRIGEN JUBILAeUM DES ID VERLAGES

Loving the Buchproduktion
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Ergaenzend zu unserem Beitrag "Vom Informationsdienst zum ID Verlag" von Bernd Huettner in CONTRASTE Nr. 171 laesst Jochen Knoblauch (Knobi) fuer CONTRASTE Andreas Fanizadeh vom ID-Verlag persoenlich zu Wort kommen.

Knobi: Herzlichen Glueckwunsch zu Eurem zehnjaehrigen Verlagsjubilaeum. Nun wurde ja im Zuge dessen einiges ueber den ID Verlag geschrieben. Hatten all diese Artikel ueberhaupt was mit Eurer taeglichen Verlagsarbeit zu tun?

Andreas Fanizadeh: Manchmal mehr, manchmal weniger. Der ID Verlag wurde Ende der 80er Jahre gegruendet. Vorangiges Ziel war, der heimatlosen autonomen und militanten Linken ein publizistisches Sprachrohr zu geben. Am Anfang standen Antifa-Recherchen, eine 800-seitige Mega-Ausgabe mit den gesammelten Schriften der Revolutionaeren Zellen/Rote Zora oder Buecher wie Geronimos "Feuer und Flamme" zur Geschichte der Autonomen. Hinzu kamen im Laufe der Jahre kulturkritische und neomarxistische Schriften. Eine angriffsfaehige Linke muss sich fuer alle Phaenomene in der Gesellschaft interessieren, fuer politische wie kulturelle gleichermassen. Veraenderung hat schliesslich etwas mit dem eigenen Leben, dem Alltag im Hier und Jetzt zu tun. Man kann kein radikaler Kritiker von Kapital und Herrschaft sein, aber in den szenekulturellen Umgangsformen und Geschlechtskonstruktionen auf vorbuergerlichem Niveau bleiben. Als Verlag versucht ID deswegen zum Beispiel fuer schwarze Techno-Theorien, den Weather Underground, oder die Kampagne "kein mensch ist illegal" gleichermassen zu interessieren. Kitsch-Linke empfinden dies offensichtlich manchmal als harten Angriff. Die verstehen da keinen Spass. Um auf Deine Eingangsfrage zurueckzukommen: das, was zum Beispiel kuerzlich in dieser Zeitung hier ueber uns stand, hat relativ wenig mit uns zu tun. Schliesslich koennen wir ja keine Guerilla gruenden, nur um ein paar kitschlinken Journalisten die Spannung zurueckzubringen.

Knobi: Der ID Verlag hat in diesen zehn Jahren die Belegschaft gewechselt. Glaubt Ihr denn auch, dass ein Verlag der linksradikale Literatur verlegt, nur mit jungen Menschen zu betreiben ist, die quasi eher in der Szene zu finden sind?

Andreas: Am Ausgang der 80er Jahre gab es ein aktives undogmatisch-militantes Umfeld, auf das sich der ID Verlag publizistisch beziehen konnte. Das ist im Verlauf der Jahre weitgehend weggebrochen, entsprechend standen und stehen wir vor einigen Schwierigkeiten. Natuerlich haben unsere MitarbeiterInnen einen gewissen politisch-kulturellen Hintergrund, sonst kann man so einen Verlag nicht machen. Alter und Erfahrung sind aber sehr unterschiedlich. Unsere festen MitarbeiterInnen sind zwischen 25 und 38 Jahren alt und haben sich in verschiedenen Bereichen das noetige Wissen angeeignet: Fremdsprachen-, Gesellschafts-, Kunststudium, Buchhaendlerausbildung, Buchhalterlehre, autonome Politik usw... Im Programmbereich gab es bei uns immer eine starke Kontinuitaet, letztlich zwei Leute, von denen ich der eine bin. Personelle Veraenderungen sind vor allem vor dem Hintergrund einer brutalen Oekonomie zu sehen, die zuviel Arbeit fuer zuwenig Geld fordert.

Knobi: Euer Zeitschriftenprojekt "Die Beute" hat ja nun auch einige Turbulenzen erlebt. Wie wichtig ist fuer Euch dieses Projekt und wie seht Ihr die Chancen, dass jetzt die Beute "Neue Folge" sich etablieren kann?

Andreas: Die alte Beute sollte so ein idealtypisches ID Projekt sein. Eine aktivistische Redaktionsgruppe, die in der Lage ist, die verschiedenen Interessen, die vielfaeltigen Moeglichkeiten von Kritik in einer Zeitschrift zu vereinen. Der Anspruch war letztlich zu hoch, Gruppe und Konzept haben sich in vier Jahren verbraucht. Ein Schuldenberg begann sich aufzutuermen, Teile der Redaktion schieden aus. Wir mussten gegensteuern und haben von einer vierteljaehrlichen Erscheinungsweise auf eine halbjaehrliche umgestellt. Die beiden ersten Ausgaben der "Neuen Folge" im Buchformat mit jeweils 240 Seiten "Zur Subversion des Kulturmanagements" und zur "Linken nach '68" sind inhaltlich sehr gelobt worden. Zum ersten Mal seit Jahren schreiben wir mit der Beute keine roten Zahlen mehr. Es gibt offensichtlich einen harten Kern von etwa 3.000 KaeuferInnen, die an einer Gesellschaftskritik von Diederichsen bis Ebermann interessiert sind. Dafuer, dass wir auf linker Seite in der BRD quasi konkurrenzlos sind, ist dies aber zu wenig. Unserer Meinung nach haetten einige mehr die Beute-Lektuere bitter noetig, aber Anti-Intellektualismus und Geiz sind maechtige Gegner.

Knobi: Eben fiel das Wort etablieren. Einen Verlag zu machen, der einen Drahtseilakt vollfuehren muss zwischen linker Non-Profit-Ideologie und Rentabilitaet, denn so ein Verlag hat ja auch einen Apparat, wie Buero, Lager, VerlagsvertreterInnen, Werbung, etc., was alles Geld kostet, muss sich ja auch tragen. Wie geht Ihr damit um?

Andreas: Anfangs hatten wir hinten in den Buechern oft noch einen Anhang drin: "Dieses Buch ist nicht zu teuer!" Da haben wir unseren LeserInnen versucht, die Buchoekonomie zu erklaeren, warum in der Regel 70% vom Ladenpreis eines Buches im Handel haengen bleibt usw. Mit der Zeit wird man das aber leid, es aendert sich nichts. Auch Linke orientieren sich an den Preisen von Rowohlt & Co. und die wenigsten sind bereit, eine materialistische Vorstellung von der Produktionskette zu entwickeln. Ich habe unzaehlige Leute getroffen, die Buechermachen fuer etwas ganz besonderes halten. Quasi geblendet von der Aura des Kulturgutes, vom hochkulturellen Mysthizismus, von Begriffen wie Schoepfung, Genie, Werk. Vom Schweiss der Produktion, der grauen Arbeit in grauen Bueros, von Buchhaltung, Verpackung oder Existenznoeten freier Intellektueller kein Wort. Auf der anderen Seite halten gerade viele Linke aus der populistischen Abteilung intellektuelle Arbeit gleich fuer so glaenzend, dass man sie ihrer Meinung nach erst gar nicht bezahlen sollte. Sind wir nicht alle gegen Arbeitsteilung, wozu brauchen wir Berufsintellektuelle, muessen die halt was ordentliches Arbeiten, oder? Die autonome Linke hat leider kein Verhaeltnis zu intellektueller Arbeit und Kollektivitaet entwickelt, entsprechend sind ihre Intellektuellen laengst woanders untergekrochen bzw. konnten sich gar nicht erst entwickeln. Mit all dem plagen sich linke Verlage wie der ID natuerlich herum. Dazu kommen noch die weniger erfolgreichen Kollegen, die ihren oekonomischen Misserfolg in eine geradezu absurde inhaltliche Staerke umluegen.   Die tun dann gerade so, als sei es das Prinzip linken Buchhandels, auf keinen Fall etwas verdienen zu duerfen. Dabei hoffen natuerlich alle auf hoehere Auflagen, groessere Bedeutung und sorglosere Oekonomien, egal was sie fuer Maerchen von ihrem antikapitalistischen Buchbetrieb erzaehlen. Puritanische Miesepeter und die Prediger mit den Durchhalteparolen, nicht einmal im Comic gibt's bei denen was zu lachen.

Knobi: Neben der linksradikalen Literatur habt Ihr seit Jahren auch "Kunst"-Buecher produziert. Linksradikale Politik und Kunst - sind das zwei verschiedene Richtungen?

Andreas: Ich habe es vorhin schon einmal gesagt: fuer uns gehoert die Beschaeftigung mit Kunst, Kultur und Politik zusammen. Und wir streiten uns wiederum gerne mit anderen und untereinander ueber die verschiedenen Vorstellungen von "linker" Kultur. Wir haben in der Vergangenheit versucht, oppositionellen Minderheiten aus unterschiedlichen Bereichen eine Plattform zu geben. Wir versuchen aus den jeweiligen Gebieten das avancierteste an Kritik herauszufischen. Mal sind das Internet-AktivistInnen mit Ihrer Form der "Netzkritik", ein anderes Mal machen wir "Loving The Alien", ein Buch zu Poptheorie, schwarzer Musikgeschichte und aktueller Antirassismus-Diskussion. Und in der Beute veroeffentlichen wir selbstverstaendlich KuenstlerInnen. Zur Zeit bringen wir gerade ein Buch von Isabelle Graw heraus, der Herausgeberin der Koelner Zeitschrift "Texte zur Kunst". Linke koennen sich doch dafuer interessieren, was eine mit feministischen Anspruch auftretende Kunstkritik heute zu sagen hat? Ich behaupte ja nicht, dass man immer gleich die Position teilen muss. Mache ich bei unseren politischen Buechern ja auch nicht immer. Aber zur Kenntnis nehmen, kann man es doch schon einmal persoenlich, was in angrenzenden Szenen so los ist. Natuerlich, wenn man sich nicht fuer gegenwaertige Kunstdebatten interessiert, hat man hier Pech gehabt. Ist ja aber auch nicht so, dass wir nicht genuegend andere, "traditionellere" Themen im Programm haetten...

Knobi: Die naechsten zehn Jahre: Gibt es da groessere Wuensche und Projekte?

Andreas: Was den Verlag anbetrifft: entweder, dass wieder eine staerkere emanzipatorische Linke auf den Plan tritt, mit und fuer die wir produzieren und unseren Spass dabei haben - natuerlich im internationalen Massstab, so dass man etwas rumkommt; oder dass bald, sehr bald, ein linker Maezen auftaucht, dem es allein mit seinem Geld zu langweilig ist und der uns die Arbeit machen laesst, die zu machen ist. Mit der Verbindung von Pop-Kultur, politischem Aktivismus, linker Zeitgeschichte und neomarxistischer Theorie haben wir in den 90ern den richtigen Weg eingeschlagen. Der Verlag hat zahlreiche Verbindungen geknuepft und eine relativ grosse Organisationskraft. Die Anbindung zum noch vorhandenen linken Buchhandel und zur Szene ist sehr gut. Unsere Buecher sind mittlerweile ueber die Barsortimente im ganzen Land erhaeltlich und auch ueber die Praesenz im buergerlichen Feuilleton koennen wir nicht klagen. Da wir aber weder Koch-, Talkshow oder Fussballbuecher verlegen und nicht jedes Jahr ein Benefiz-Konzert von Blumfeld oder eine Beute-Benefiz-CD von DJ Melanie und den Goldenen Zitronen geschenkt bekommen, bin ich schon froh, wenn es uns naechstes Jahr ueberhaupt noch gibt. Das ist aber jedes Jahr so. Also Leute, es liegt an Euch, kauft linke Buecher.

Knobi: Guter Schlusssatz. Danke.

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