90 Jahre KPD - 40 Jahre KPD/ML
KPD-Gründung vorzeitig erfolgt
Leseauszug aus: Die Kampfzeit der KPD

von
Werner T. Angress

01/09

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Um die Weihnachtszeit des Jahres 1918 fanden in Berlin Straßen­kämpfe zwischen Regierungstruppen und einer Abteilung meuternder Matrosen, der Volksmarinedivision, statt. Bei diesen Zusammenstößen spielte der Spartakusbund vor allem deshalb keine maßgebliche Rolle, weil Rosa Luxemburg und ihre Freunde damit beschäftigt waren, ihre Politik einer Revision zu unterziehen. Eines der ersten Ergebnisse dieses Vorganges war die Entscheidung, sich am Wahlkampf zur Nationalver­sammlung zu beteiligen, nachdem Eberts provisorische Regierung den 19. Januar 1919 als Wahltag bestimmt hatte. Rosa Luxemburg legte am 23. Dezember die Gründe für ihr Umschwenken in dieser Frage in der »Roten Fahne« dar. 

»Jetzt stehen wir mitten in der Revolution, und die Nationalversammlung ist eine gegenrevolutionäre Festung, die gegen das revolutionäre Proletariat aufgerichtet wird. Es gilt also, diese Festung zu berennen und zu schleifen. Um die Massen gegen die Nationalversammlung mobil zu machen und zum schärfsten Kampf aufzurufen, dazu müssen die Wahlen, dazu muß die Tribüne der Nationalversammlung ausgenutzt werden. 

Nicht, um mit der Bourgeoisie und ihren Schildträgern zusammen Gesetze zu machen: um die Bourgeoisie und ihre Schildträger zum Tempel hinauszu­jagen, um die Festung der Gegenrevolution zu erstürmen und die Fahne der proletarischen Revolution auf ihr siegreich zu hissen — dazu ist die Beteili­gung an den Wahlen nötig (32).« 

Die Bekanntgabe über die Änderung ihrer Stellung zur Wahlfrage er­folgte zu einem Zeitpunkt, als sie gleichzeitig versuchte, wieder in der USPD an Einfluß zu gewinnen. Seit 1917, als diese Partei gegründet wurde, hatte die Spartakusgruppe unter ihrem, von Rosa Luxemburg so bezeichneten »Schützenden Dach«, ein etwas unbehagliches Dasein ge­führt. In der Praxis jedoch war der Spartakusbund seine eigenen Wege gegangen, und die Fäden, die ihn mit der Mutterorganisation verbanden, waren recht dünn geworden. Im Dezember 1918 hielten die Spartakus­leute die Zeit für gekommen, zwischen zwei Alternativen zu wählen: entweder wieder enge Kontakte mit der USPD, und das hieß in erster Linie mit ihrer Mitgliedschaft, herzustellen oder völlige Trennung von den Unabhängigen. Rosa Luxemburg und die meisten ihrer Genossen waren für die erste Lösung, da sie bemerkt hatten, daß viele Mitglieder der USPD neuerdings Anzeichen von Ungeduld über die Neigung ihrer Führer zeigten, Entscheidungen über brennende politische Fragen hinaus­zuzögern. Rosa Luxemburg hoffte, für den Spartakusbund aus dieser Unzufriedenheit Kapital zu schlagen. Somit trat sie an die Führer der USPD heran und riet ihnen eindringlich, noch vor den Wahlen zur Nationalversammlung einen Parteitag einzuberufen, um für den kom­menden Wahlkampf Pläne zu machen. Dieser Vorschlag wurde am 24. Dezember abgelehnt“(33). 

Dieser negative Bescheid veranlaßte den Spartakusbund, nun den end­gültigen Bruch mit der USPD herbeizuführen. Starken Druck, sich zu einer solchen Trennung zu entschließen, hatte unlängst schon die Bremer Richtung der Linksradikalen, die sich jetzt Internationale Kommunisten Deutschlands nannten(34), auf die Spartakusführer ausgeübt. Obwohl die IKD in vielen grundsätzlichen Fragen mit dem Spartakusbund überein­stimmten, standen sich beide Gruppen doch recht mißtrauisch gegenüber, hatten sich oft befehdet und waren sich über so manche Fragen der revo­lutionären Taktik uneinig. Als nach dem 9. November die Frage eines Zusammenschlusses beider Organisationen an diese herantrat, verhielten sich IKD und Spartakus zunächst ablehnend. Besonders Johann Knief von der Bremer Gruppe und Leo Jogiches vom Spartakusbund zeigten sich störrisch. Nachdem nun aber die Trennung des Spartakusbundes von der USPD beschlossen war, fiel damit einer der schwerwiegendsten Hin­derungsgründe gegen eine Verschmelzung beider Gruppen zu einer neuen revolutionären Arbeiterpartei fort. Alle noch bestehenden Hindernisse wurden außerdem von Karl Radek, der vor dem Kriege lange mit den Bremer Linksradikalen eng zusammengearbeitet hatte und der am 19. Dezember 1918 als Vertreter der bolschewistischen Führung Ruß­lands illegal in Berlin eingetroffen war, aus dem Wege geräumt. Radek nahm am 24. Dezember an der 2. Reichskonferenz der IKD in Berlin teil und überzeugte die Delegierten davon, die alten Gegensätze zu den Spar­takusleuten zu begraben und sich mit ihnen zu vereinigen. Im gleichen Sinne wirkte er auch auf die Führer des Spartakusbundes ein, denen er die Gründung einer eigenen Partei, zusammen mit den IKD, nahe legte (35)». 

Rosa Luxemburg widerstrebte es zunächst, einen solchen Schritt zu unternehmen. Nicht nur, daß sie Radek, der der hauptsächliche Befür­worter des vorgesehenen Zusammenschlusses war, nicht mochte und ihm nicht traute, zeigte sie sich auch von den Einwänden Leo Jogiches' beein­druckt, der den Zeitpunkt für die Gründung einer kommunistischen Par­tei als verfrüht ansah. Schließlich gab sie jedoch ihre Zustimmung, denn sie sah, daß die meisten ihrer anderen Mitarbeiter, einschließlich Lieb­knecht, ihre und Jogiches' Befürchtungen nicht teilten. Am 29. Dezember 1918 trat eine Reichskonferenz des Spartakusbundes in den Gebäuden des preußischen Landtags in Berlin zusammen und beschließt die Gründung einer neuen Partei. Der offizielle Gründungsparteitag wurde am folgenden Tage eröffnet und hielt seine Sitzungen bis zum 1. Januar 1919 ab. Anwesend waren mindestens 83 Delegierte des Spartakusbun­des, 29 der IKD, 3 des Roten Soldatenbundes, l Vertreter der Jugend und 16 Gäste. Insgesamt waren 56 Orte vertreten(35a). 

Die eigentliche Gründung der neuen Organisation bereitete keine grö­ßeren Schwierigkeiten, und nach einer kurzen Debatte einigten sich die Delegierten auf den Namen »Kommunistische Partei Deutschlands (Spartakusbund)«, mit der geläufigen Abkürzung KPD(35b). Nachdem diese Formalität erledigt war, entspann sich die entscheidende Debatte über die Frage, ob die neue Partei an den Wahlen zur Nationalversamm­lung teilnehmen oder diese boykottieren sollte. Rosa Luxemburg hatte sich bereits am 23. Dezember zugunsten einer Beteiligung ausgesprochen und in der Zwischenzeit die Unterstützung der anderen Spartakusführer gewonnen. Aber als der Vorschlag auf dem Gründungskongreß zur Spra­che kam, traf er auf heftigen Widerstand. Rosa Luxemburg hatte einen der jüngeren Spartakusführer, den Rechtsanwalt Dr. Paul Levi, mit der Darstellung des Problems beauftragt. Seine Ansprache führte zu heftigen Reaktionen. Die Mehrzahl der versammelten Delegierten waren revolu­tionäre Fanatiker, die weder verstehen konnten noch wollten, warum die kleine Gruppe der Spartakusführer einerseits die Beteiligung an den Wahlen befürwortete, andererseits aber weiterhin die Nationalversammlung im Prinzip ablehnte. Diese Männer und Frauen glaubten immer noch, daß die Diktatur der Arbeiter- und Soldatenräte dicht vor der Tür stehe — trotz der jüngsten Entscheidungen des Rätekongresses —, und Rosa Luxemburg versuchte vergeblich, sie zur Vernunft zu bringen. 

»Ich habe die Überzeugung, Ihr wollt Euch Euren Radikalismus ein bißchen bequem und rasch machen ... Es ist nicht die Reife und der Ernst, die in diesen Saal gehören. Es ist meine feste Überzeugung, es ist eine Sache, die ruhig überlegt und behandelt werden muß. Wir sind berufen zu den größten Aufgaben der Weltgeschichte, und es kann nicht reiflich und gründ­lich genug überlegt werden, welche Schritte wir vor uns haben, damit wir sicher sind, daß wir zum Ziele gelangen ... Einer von den Genossen ... hat sich auf Rußland berufen ... In Rußland war die Situation, als man die Nationalversammlung ablehnte, ein bißchen ähnlich der heutigen in Deutsch­land Aber habt Ihr vergessen, daß vor Ablehnung der Nationalversamm­lung im November [1917] etwas anderes stattgefunden hat, die Machtergrei­fung durch das revolutionäre Proletariat. Habt Ihr vielleicht heute schon eine sozialistische Regierung, eine Trotzki-Lenin-Regierung? ... Wir wollen innerhalb der Nationalversammlung ein siegreiches Zeichen aufpflanzen, gestützt auf die Aktion von außen.  Wir wollen dieses Bollwerk von innen heraus sprengen.  Wir wollen die Tribüne der Nationalversammlung, und auch diejenige der Wählerversammlungen(36).« 

Ihre Worte erhielten nur schwachen Beifall. Auch Karl Liebknecht, dessen Rede etwas apologetisch aufgezogen war, plädierte vergebens für die Wahlbeteiligung, indem er hervorhob, daß man als Revolutionär das Par­lament als Propagandatribüne benutzen müsse, um dadurch das Parla­ment zu diskreditieren und schließlich zu zerstören. Die Mehrheit der Delegierten ließ sich nicht überzeugen und sprach sich mit 62 gegen 23 Stim­men gegen die Wahlbeteiligung aus(37). 

Das Ergebnis dieser Abstimmung bestätigte Luxemburgs und Jogiches Bedenken, daß die Gründung der Partei vorzeitig erfolgt war. Auch war es unter diesen Umständen kaum befriedigend, daß das von der neuen Partei angenommene Programm im wesentlichen mit den von Rosa Luxemburg am 14. Dezember veröffentlichten allgemeinen Grundsätzen übereinstimmte, da man ja nun den Sinn dieser Grundsätze bei der Ab­stimmung über die Wahlbeteiligung schamlos mißachtet hatte. Die Ent­scheidung, die bevorstehenden Wahlen zu boykottieren, bedeutete prak­tisch eine Zurückweisung von Rosa Luxemburgs grundlegender Konzep­tion darüber, wie eine radikale Minderheit revolutionäre Politik betrei­ben sollte. Sie zeigte auch, wenigstens andeutungsweise, daß viele Dele­gierte nicht abgeneigt waren, sich auf politische Abenteuer einzulassen, eine Haltung, die im Parteijargon »Putschismus« hieß. Das Argument jedoch, daß die Spartakusführer sich hätten widersetzen und notfalls die neue Partei schon damals spalten sollen, wie es Lenin in Rosa Luxem­burgs Lage getan hätte, kann nicht überzeugen(38). 

Rosa Luxemburg war nicht Lenin und teilte viele seiner Ansichten darüber nicht, wie man eine revolutionäre Partei führen solle. Es war eine Sache für sich, die Trennung von der SPD zu vollziehen. Diesen Schritt hat sie aktiv und mit vollem Herzen unterstützt, weil die Streit­fragen, die diese Partei zerrissen hatten, auf unversöhnlichen politischen Prinzipien basierten. Aber es fiel ihr nicht ein, eine Organisation, die sie gerade mitgegründet hatte, nur wegen Unstimmigkeiten über die Taktik oder das Prinzip der Parteidisziplin zu spalten. 

Es war ihr Mißgeschick, und ebenso das der neuen Partei, daß es bei dem vorliegenden Dilemma keinen  Ausweg .gab. Dadurch, daß sie sich in das Unvermeidliche fügte, ermutigte sie und die anderen Spartakusführer unbeabsichtigt den bereits im Entstehen begriffenen Einfluß der verantwortungslosesten Elemente in der Partei(39). 

Das letzte größere Problem des Gründungsparteitags betraf die Stel­lung der KPD zu den Revolutionären Obleuten. Diese radikale Gruppe war aus der Gewerkschaftsbewegung hervorgegangen, speziell den Berli­ner Metallarbeitern, und verfügte außerhalb der Hauptstadt über so gut wie keine Ortsgruppen. Diese Obleute hatten sich 1914 als eine Anti-Kriegsbewegung gebildet und agitierten innerhalb der Gewerkschaften. Als im Sommer 1916 die ersten Massenstreiks ausbrachen, trafen die Revolutionären Obleute die ersten aktiven Vorbereitungen für die er­wartete Revolution. Im Gegensatz zu den Spartakusleuten sahen sie den Schlüssel zur Revolution nicht in der Massenaktion, sondern in der kon­spirativen Arbeit einer kleinen Gruppe von Kämpfern. Mit Ausnahme ihrer allgemeinen Befürwortung einer proletarischen Diktatur, die durch Revolutionäre Räte errichtet werden sollte, waren ihre politischen Ziele verschwommen. Sie bewunderten die Bolschewiki, hatten aber als Orga­nisation keinen Kontakt mit den russischen Revolutionären; auch hatten sie sich keiner revolutionären Theorie verschrieben, wie sie etwa der Marxismus darstellte. Sie verließen sich bei der Werbung neuer Anhän­ger vor allem auf die Belegschaften der Fabriken, besonders auf Gewerk­schaftsmitglieder, und sahen die Sammelpunkte für kommende revolutio­näre Aktionen in den Betrieben und nicht in irgendeiner bestimmten Par­tei. Obwohl sie Gewerkschaftsmitglieder blieben und nominell der USPD angehörten, betrieben sie ihre Politik unabhängig von beiden(40). 

Die Beziehungen zwischen den Revolutionären Obleuten und dem Spartakusbund waren vor der Revolution in Deutschland alles andere als freundschaftlich gewesen. Eine Annäherung zwischen den beiden Grup­pen erfolgte erst zwei Monate vor dem Zusammenbruch der Monarchie, und ein gewisses Maß von Zusammenarbeit wurde nach dem 9. Novem­ber 1918 unvermeidlich, besonders als die Spartakusleute erkannten, daß die Revolutionären Obleute energische und erfolgreiche Verfechter des Rätesystems waren. Trotz dieses Umstandes führten die unterschied­lichen Anschauungen, taktischen Maßnahmen und Zielsetzungen der bei­den Gruppen wiederholt zu heftigen Auseinandersetzungen(41). 

Zumindest ein Vertreter der Revolutionären Obleute nahm als Gast am Gründungsparteitag teil, der Metallarbeiter Paul Eckert. Verhand­lungen über einen möglichen Beitritt der Obleute zur neu gegründeten KPD fanden aber am 31. Dezember 1918 außerhalb des Kongresses statt. Die Kommission der KPD wurde von Karl Liebknecht geführt, die der Revolutionären Obleute von Georg Ledebour, Richard Müller und Ernst Däumig. Aus dem Bericht, den Liebknecht dann im Laufe des Tages den Delegierten des Gründungsparteitags gab, geht deutlich hervor, daß die Obleute sehr starke Bedenken gegen einen Beitritt zur KPD hatten, was aus ihren Bedingungen zu solch einem Beitritt hervorging. Sie forderten, daß der Kongreß den Beschluß, sich nicht an den Wahlen zur Nationalversammlung zu beteiligen, aufhebe; daß die Revolutionären Obleute innerhalb der Partei, im Vorstand, in den Kommissionen usw. volle Parität erhielten; daß alle Straßenaktionen der KPD vorher mit den Obleuten vereinbart würden und ohne diese keine Aktion in Berlin unternommen werden dürfe; daß die Obleute entscheidenden Einfluß auf Presse und Flugblätter der Partei haben müßten und daß der Name der Partei ge­ändert werden müsse, d. h. der Zusatz »Spartakus« müsse entfallen. In der dem Bericht Liebknechts folgenden Diskussion zeigte es sich, daß der Kongreß auf diese Bedingungen keineswegs eingehen wollte. Schließlich wurde einstimmig eine Resolution angenommen, die die Schuld für das Scheitern der Verhandlungen einigen »scheinradikalen Mitgliedern der bankrotten USPD«, also Ledebour, Müller und Däumig, zuschob, zu­gleich aber die Hoffnung aussprach, daß die Massen des revolutionären Proletariats Groß-Berlins dennoch den Weg zur KPD finden würden. Es war das erste, aber keineswegs das letzte Mal, daß die KPD praktisch eine „Einheitsfront von unten“ propagierte. Jedenfalls waren alle Aus­sichten für eine Verschmelzung mit den Revolutionären Obleuten auf organisatorischer Grundlage zerschlagen(42). 

Nachdem die meisten Punkte der Tagesordnung erledigt waren, befaßten sich die Delegierten mit der Frage der Parteiorganisation. Hugo Eberlein, einer der jüngeren Spartakusführer, referierte über diese Ange­legenheit vor dem Kongreß. Nachdem er die rhetorische Frage gestellt hatte, ob die neue Partei nur ein Klub für Wahlpropaganda oder aber eine politische Kampforganisation sein wolle, ging er sofort dazu über, seine Ansichten darüber vorzutragen, wie eine politische Kampforganisa­tion beschaffen sein sollte. Die lockere Organisationsform des Spartakus­bundes, der niemals einen legalen Status besessen hatte, war nicht länger tragbar. Die bevorstehenden Kämpfe erforderten eine straffere Führung, als sie der Spartakusbund benötigt hatte. Um dem gerecht zu werden, schlug Eberlein vor, die lose und improvisierte Gliederung der Führung, wie sie bisher bestanden hatte, durch die Neubildung einer offiziellen und gewählten »Zentrale« zu ersetzen. Aber er betonte sogleich, daß dieses Organ kein diktatorisches Gremium werden dürfte. Den kommu­nistischen Ortsgruppen in den verschiedenen Landesgebieten sollte volle Autonomie zugestanden werden. Ferner sollte die »Zentrale« keine Be­rechtigung erhalten, über die örtlichen Parteipublikationen eine strenge Kontrolle auszuüben. Die Hauptaufgabe der »Zentrale« würde darin bestehen, die jeweilige Lage im Reich im Auge zu behalten und die poli­tische und ideologische Leitung zu übernehmen(43). 

In der anschließenden Debatte, die der Wahl der »Zentrale« voraus­ging, regte ein anderer Spartakusführer, Ernst Meyer, an, die »Zentrale« durch einen »Reichsausschuß« zu ergänzen, der aus Vertretern der ver­schiedenen Länder gebildet werden sollte. Dieser Vorschlag wurde jedoch nicht aufgegriffen. Die Delegierten kamen dann überein, alle Mitglieder der alten Spartakusführungsgruppe in die neue »Zentrale« zu »wählen«, und dazu noch einen Vertreter der Linksradikalen, Paul Frölich. Ihre Funktion sollten sie bis zum nächsten Parteitag bekleiden. Neben Frölich gehörten zur »Zentrale« Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Leo Jogi-ches, August Thalheimer, Hermann und Kate Duncker, Wilhelm Pieck, Ernst Meyer, Paul Levi, Hugo Eberlein und Paul Lange(44). 

Anmerkungen 

32) Die Rote Fahne, Nr. 35, 20. Dezember 1918.

33) Frölich, Rosa Luxemburg, S. 311-312; Wilhelm Pieck, Gesammelte Reden und Schriften, l, Berlin 1959, S. 437; Willy Brandt und Richard Löwen­thal, Ernst Reuter, Ein Leben für die Freiheit, München 1957, S. 119. Daß die Führung des Spartakusbundes zumindest stark mit einer ablehnenden Antwort gerechnet hatte, geht daraus hervor, daß sie schon am 22. Dezem­ber 1918 den Beschluß faßte, zum Jahresende eine Reichskonferenz nach Berlin einzuberufen. Weber, Gründungsparteitag (Einleitung), S. 32; Illu­strierte Geschichte der deutschen Revolution, Berlin 1929 (Neudruck Frankfurt/Main 1968), S. 264; Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Band III, S. 167.
34) Siehe oben, Anm. 19.

35) Illustrierte Geschichte der deutschen Revolution, S. 263-264; Richard Löwenthal, The Bolshevisation of the Spartacus League, in: St. Anthony's Papers No. 9. International Communism, London 1960, S. 26-27; Warren Lerner, Karl Radek. The Last Internationalist, Stanford, Calif. 1970, S. 80-81; Schüddekopf, Karl Radek in Berlin, S. 135; Günter Benser, Das Verhältnis der Bremer Linksradikalen zur Spartakusgruppe, in: Die Grün­dung der Kommunistischen Partei Deutschlands, Berlin (Ost) 1959, S. 113-122, spricht sich günstig über die Bremer Gruppe aus, erwähnt aber Radek nicht. Und: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 3, S. 166-168, erwähnt weder die IKD noch Radek in diesem Zusammenhang. Über Ra­dek selber und seinen Werdegang, s. unten, 2. Kapitel.

35 a) Da es nicht ganz klar ist, ob die 11 Mitglieder der Spartakus-Zentrale in die Zahl der 83 Delegierten miteingeschlossen waren, können vom Spar­takusbund 94 Delegierte am Gründungsparteitag teilgenommen haben. Siehe dazu Weber, Gründungsparteitag (Einleitung), S. 9, Anm. 6; S. 34-35, einschließlich Anm. 88; und im Protokoll, S. 49, einschl. Anm. 2, und S. 165, einschl. Anm. 87.

35 b)  S. zu diesem Punkt Weber, Gründungsparteitag (Einleitung), S. 38-40, und im Protokoll, S. 66-67.

36) Rosa Luxemburgs Rede ebenda, S. 99-104, Herv. im Original; Levis Rede ebda., S. 88-96, und die darauf folgende Diskussion S. 96-135.

37) Liebknechts Rede ebenda, S. 124-129; das Resultat der Abstimmung, das eigentlich die Annahme eines Antrags von Rühle war, sich nicht an den Wahlen zu beteiligen, S. 135. Siehe auch Webers Kommentar zu diesen Vorgängen im Gründungsparteitag (Einleitung), S. 40-43; sowie Löwen­thal, Bolshevisation, S. 27-28.

38) Rosenberg, Entstehung u. Geschichte, S. 322. Zur Reaktion Luxemburg: und Jogiches' zu dieser Entwicklung s. Brandt u. Löwenthal, S. 120; We­ber, Gründungsparteitag (Einleitung), S. 42-43; Illustrierte Geschichte der deutschen Revolution, S. 266 (für Jogiches). Zu Levis Meinung s. Charlotte Beradt, Paul Levi. Ein demokratischer Sozialist in der Weimarer Republik Frankfurt/Main 1969, S. 26-27.

39) Rosenberg, Entstehung u. Geschichte, S. 322; Stampfer, Die ersten vier­zehn Jahre, S. 89. S. auch die Kritik von Peter Lösche, Der Bolschewis­mus im Urteil der deutschen Sozialdemokratie 1903-1920. Mit einem Vor­wort von Georg Kotowski. Bd. 29 der Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin beim Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Univer­sität Berlin, Berlin 1967, S. 199-200.

40) Tormin, S. 41-44.

41) Ebenda, S. 42-44.

42) Weber, Gründungsparteitag (Protokoll u. Anhang), S. 262-263, 268-283, 289-291, 345. S. auch: Die Rote Fahne, Nr. 2, 2. Jan. 1919; Brandt u. Löwenthal, S. 120; Flechtheim, S. 46; Tormin, S. 112-113; Waldman, S. 156-157; Illustrierte Geschichte der deutschen Revolution, S. 267; Ed­ward Halle« Carr, A History of Soviel Russia: The Bolshevik Revolution 1917-1923, III, New York 1953, S. 106, meint, daß Rosa Luxemburgs Miß­trauen den radikalen, hitzköpfigen und ungeschulten Revolutionären Ob­leuten gegenüber der wirkliche Grund gewesen sei, warum es nicht zu einer Einigung zwischen der KPD und den Rev. Obleuten gekommen sei. Das geht aus ihren diesbezüglichen Bemerkungen, über die Die Rote Fahne, Nr- 2, 2. Jan. 1919, berichtete, nicht hervor.

43) Weber, Gründungsparteitag (Protokoll), S. 239-252. Die Rote Fahne, Nr. 2, 2. Jan. 1919.

44) Weber, Gründungsparteitag (Protokoll), S. 257-262. Die Rote Fahne, Nr. 2, 2. Jan. 1919. Es ist wohl bemerkenswert, daß 6 von den 12 Mitgliedern der ersten KPD-Zentrale das Doktorat hatten: Hermann Duncker, Paul Levi, Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Ernst Meyer und August Thalheimer. S. Weber, Gründungsparteitag (Anhang), S. 313, 322, 324, 325, 333; sowie Otto Wenzel, Die Kommunistische Partei Deutschlands im Jahre 1923, Phil. Diss., Berlin (West), S. 124, Anm. 1.

Editorische Anmerkungen

Werner T. Angress, Die Kampfzeit der KPD, Düsseldorf 1973, S. 43-50

Der Autor ist ein jüdischer Antifaschist, der im II. Weltkrieg auf Seiten der US-Armee den Hitlerfaschismus bekämpft hat. Er gehörte zu den "Ritchie Boys"

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