Kommunismus neu begründen
Einige Überlegungen zu einer aktuellen Debatte

von
Peter Nowak

01/11

trend
onlinezeitung

In diesen Tagen Wochen zeigte sich einmal mehr die paradoxe Logik der Mediengesellschaft. Da organisierte das Ums-Ganze-Bündnis im Dezember 2010 einen Kommunismuskongress mit Linken aus dem In- und Ausland und die Medien ignorierten ihn unisono. Ich bekam mehrere Absagen, als ich Zeitungen für die ich arbeitete, einen Kongressbericht anbot.

Es bedarf keiner großen Prophetengabe um schon jetzt zu prognostizieren, dass das Wochenende der Onlinezeitung TREND unter dem Obertitel „REFORM & REVOLUTION - Wege aus dem Kapitalismus“ ebenfalls von den Medien mit Missachtung bedacht werden dürfte. Denn auch dort werden sich Linke treffen, die sehr unterschiedliche Vorstellung von den Wegen aus dem Kapitalismus haben. Doch sie eint die Vorstellung, dass sie ohne Kritik an kapitalistischer Verwertung, Staat und Nation nicht weit führen dürften.

Alles Kategorien, die in dem Text der ostdeutschen Sozialdemokratin Gesine Lötzsch keine Rolle spielen. Ihr Text, der von jeden SPD-oder Grünenpolitiker verfasst sein konnte, löste eine Kommunismusdebatte aus, die bis heute nicht zu Ende ist. Der Grund: Die Redaktion der traditionsmarxistischen jungen Welt, hatte in der Überschrift nach Wegen zum Kommunismus gefragt und Lötzsch hatte ihre sozialökologischen Ziele als einen Weg dahin angepriesen. Denn schließlich, so ihre Eingangsthese, führen viele Wege zum Kommunismus. ob in oder außerhalb der Regierung. Lötzsch versuchte also als Vorsitzende der Linkspartei allen Strömungen dieser Partei gerecht zu werden.

Und schon heulen Medien und Politike_Innen aller Couleur auf. Die CSU will sogar ein Verbot der Linkspartei prüfen, eine Front aus extrem Rechten von Republikanern bis Pro-Berlin und mittendrin die Ex-CDU-Politikerin Vera Lengsfeld, die schon lange nach Rechts weit offen ist, rufen zu einer Demonstration gegen den Kommunismus auf. Im Internet tobt sich der rechte Mord ganz unverhüllt aus. Lötzsch wird darin erinnern, was mit Rosa Luxemburg passiert ist und ihr wird mit Ähnlichen gedroht. Für diese rechte Meute macht es auch keinen Unterschied, ob die Verfasserin etwas mit Kommunismus zu schaffen hat. So wie die Nazis auch noch die bekanntesten Antikommunisten unter den Sozialdemokraten verfolgten, nur den selbsternannten Bluthund Noske haben sie verschont, so würden ihre heutigen Epigonen auch heute alle, die Kommunismus auch nur als Begriff akzeptieren, verfolgen und notfalls ermorden.

Gemeinsam mit dem rechten Mob

Doch wie reagieren Personen, von denen man eigentlich annehmen müsste, dass sich mit solchen Bestrebungen nicht gemein machen? Da formuliert ein Julian S. Bielicki eine Austrittserklärung aus der Linkspartei mit Argumenten aus dem Arsenal der alten und neuen Rechten. „Seit dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts überzogen dutzende von Banden, die sich meistens irgendwie „links“ nannten, den Süden von Russland, wo die Staatsmacht schwächer war, als in Moskau oder St.Petersburg, wird bei Bielicki die Vorgeschichte der Februar- und Oktoberrevolution umgelogen, so wie sie in unzähligen Traktaten aus der russischen Exilszene seit 1917 verbreitet wird. Kein Wort von den antisemitischen Banden, die damals mit Unterstützung des Zarenregimes für Pogrome an der jüdischen Bevölkerung auf russischem Territorium verantwortlich war.

Nicht alle gehen bei ihrem antikommunistischen Furore soweit in die Geschichte zurück. Ein Rekurs auf den Mauerbau reicht in der Regel, um den Kommunismus zu erledigen, wie es der Publizist Albrecht Lucke in einen Beitrag in der Wochenzeitung Freitag  versucht.

„Im 50. Jahr des Mauerbaus noch einmal „Wege zum Kommunismus“ beschreiten zu wollen, ist an politischer Dummheit kaum zu überbieten“, so Lucke. Dabei dürfte er wissen, dass der Mauerbau mit Kommunismus nichts, mit der deutschen Geschichte umso mehr, zu tun hat. Die Mauer war nur deshalb zu verteidigen, weil damit die potentiellen Opfer Deutschlands sicherer leben. Sie war ein steinernes Zeugnis dafür, dass Deutschland und seine Bewohner, die mehrheitlich schwiegen oder mitmachten als 6 Millionen Juden vernichtet wurden, nicht einfach nach wenigen Jahren wieder mitmischen konnten in der Weltpolitik als wäre nichts gewesen. Man braucht kein Kommunist, nicht einmal ein Linker sein, um diesen Zusammenhang zu begreifen. Dass solche Überlegungen in Deutschland heute höchstens noch in der Monatszeitschrift konkret formuliert werden können, zeigt viel mehr über die deutsche Vergangenheitspolitik als die ganzen Sonntagsreden der politischen Klasse.

Das K-Wort austreiben

Auch Ambros Waibel will in der Taz der Linken und linken Bewegung das böse K-Wort austreiben:

"K" steht hier für das, was manche noch Kommunismus nennen. "Kommunismus" ist aber ein veralteter und provinzieller Begriff. Er steht nicht nur im Westen Deutschlands, wie Gregor Gysi anlässlich der Lötzsch-Debatte meinte, für Unfreiheit und Verbrechen (und für manch irrationale Ängste), sondern auch in Polen. Wer mit dem Begriff "Kommunismus" denkt und politische und gesellschaftliche Ziele beschreibt, lebt in der Vergangenheit. Nicht umsonst nannten sich die Sozialdemokraten und Kommunisten einst so - und nicht Jakobiner.“

Nun dürfte selbst jeden halbwegs mit Marx’schen Schriften vertrauten Leser bekannt sein, dass es bei dem Kommunismus nicht um aus taktischen Gründen umbenanntes Jakobinertum sondern um eine völlig andere Bewegung handelte, die weniger theoretisch noch klassenmäßig auf einen Nenner zu bringen sind. Waibel meint dann noch Kommunisten als Freunde des chinesischen und iranischen Regimes ab watschen zu können.

Hier wird schon die Methode der ganz neuen Kommunistenbanner deutlich. Kommunismus soll mit Berliner Mauer, iranischen Islamokraten und letztlich mit Stalin kurzgeschlossen und erledigt werden. Dass sich seit Jahrzehnten Kommunisten und Kommunisten mit einer Gesellschaft jenseits von Staat, Nation und kapitalistischer Verwertung befassen und dabei wieder bei Marx sind, um einen verbürgten Ausspruch von Rosa Luxemburg zu verwenden , wird bewusst verschwiegen. Denn ein solcher Kommunismus konnte bei den Millionen Menschen, die tagtäglich vom Nominalkapitalismus ausgebeutet werden, Anklang finden. Deswegen kein Wort über den Ums-Ganze-Kongress und deswegen auch die Missachtung des Trend-Wochenendes. Allerdings laufen Diskurse nicht nach vorgegebenen Mustern ab und auch die aktuelle Kommunismusdebatte könnte einen Raum öffnen, um über Wege aus dem Kapitalismus nachzudenken, wie am Wochenende 21./22.1.2011 geplant ist.
 

Editorische Anmerkungen

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