Das globale ökologische Desaster und die Marxisten-Leninisten

Von Frank Braun und Jürgen Suttner, Köln/Siegen, Dez. 2013

01-2014

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Uns treibt der Gedanke, daß eine stärkere kommunistische Linke hierzulande nicht nur dem Gemeinwohl der kleinen Leute ganz gut täte, sondern endlich auch wieder eine wenigstens theoretische Option für die Aufhebung des Kapitalismus erschließen könnte.

In Zeiten eines globalen ökologischen Desasters mit seinen vielfältigen Erscheinungsformen glauben wir, gerade zu dieser Thematik sind Herzen und Hirne der Menschen auch für eine Perspektive jenseits des Kapitalismus anzusprechen - jedenfalls mindestens genauso gut wie im Hinblick auf die sozialen Fragen.

Hinweis!
Dieser Text ist quasi der 2. Teil eines Debattenvorschlags zur ökologischen Frage an KommunistInnen. Der 1. Teil ( Das globale ökologische Desaster und die KommunistInnen) richtete sich an die DKP.
Der TREND-Herausgeber  würde es politisch begrüßen, wenn es dem Autorenpaar mit ihren theoretischen Angeboten gelänge, KommunistInnen aus verschiedenen Zusammenhängen in dieser  Frage an "einen Tisch" zu bringen.

Das hat sicher damit zu tun, daß Eigenarten kapitalistischer Produktionsverhältnisse auf dem Gebiet der Ökologie derzeit sozusagen mit geballter Wucht auf uns niederprasseln. Die ökologische Krise gewinnt dabei ihre Schärfe zwar aus den Auswirkungen der Vernichtung natürlicher Lebensgrundlagen, aber sie wird wesentlich beschleunigt durch den systematischen Zwang zu kapitalistischer Überakkumulation und dem sie stets begleitenden Fall der Profitrate, kurz der kapitalistischen Krise. Beide Erscheinungsformen der herrschenden Produktionsverhältnisse repräsentieren ein System der Naturvernichtung, das sich als gesetzmäßige Begleiterscheinung dieser kapitalistischer Produktion herausstellt. Die Lösung der sozialen Frage ist damit ohne Lösung der ökologischen gar nicht denkbar.

Das ahnte schon Karl Marx in den 1840er Jahren und er ging noch einen Schritt weiter, als er schrieb: „Dieser Kommunismus (...) ist die wahrhafte Auflösung des Widerstreites zwischen dem Menschen mit der Natur und mit dem Menschen, die wahre Auflösung des Streits zwischen Existenz und Wesen, zwischen Vergegenständlichung und Selbstbestätigung, zwischen Freiheit und Notwendigkeit, zwischen Individuum und Gattung. Er ist das aufgelöste Rätsel der Geschichte und weiß sich als diese Lösung.“ 1

Wenn wir uns also in diesem Sinn für eine stärkere kommunistische Linke einsetzen, so haben wir dabei unter anderen zwei noch existierende Organisationen aus den Zeiten der 1960er bzw. 1970er Jahre im Auge. Zur DKP und ihren Einlassungen zum Thema ‚Mensch-Natur-Verhältnis’ hatten wir uns schon vor einiger Zeit geäußert.2 Von der MLPD ist zu vernehmen, daß sich dort schon seit Längerem ein Kollektiv um Antworten auf die Frage bemüht, welche Schlußfolgerungen für KommunistInnen aus der Analyse des ökologischen Desasters und seiner Wirkkräfte zu ziehen sind. Dieses Kollektiv empfiehlt sich damit gewissermaßen als Dialogpartner, obwohl eine Fertigstellung seiner theoretischen Arbeit noch aussteht. Die bisher erhältlichen Publikationen zeigen uns jedoch, daß es sich bei der MLPD um eine Kraft handelt, die der Ökologiefrage eine hervorgehobene Bedeutung beimißt – eine Einstellung, die wir ausdrücklich unterstützen.

Und da es sich bei dieser MLPD, gemessen an der Zahl der Aktivisten, um die derzeit wohl stärkste marxistisch-leninistisch orientierte Gruppierung mit einer kollektiven politischen Praxis handelt, fragen wir nicht nur nach deren theoretischen Ansätzen, sondern kümmern uns auch um deren Niederschlag in der ganz praktischen Organisationspolitik.

1. „Neuer hauptsächlicher Widerspruch im imperialistischen Weltsystem“

In einer der zum Thema Ökologie wohl maßgeblichen Veröffentlichung der Partei resümiert ein Redaktionskollektiv der MLPD nach längerer Analyse die Folgen globaler Naturzerstörung: „Beim Übergang zur globalen Umweltkatastrophe wird die Umweltkrise identisch mit der Allgemeinen Krise des Kapitalismus, weil sie mit der Neuorganisation der internationalen kapitalistischen Position zu einer gesetzmäßigen Erscheinung geworden ist (...) Mit der Bedrohung der Menschheit durch eine globale Umweltkatastrophe entstand ein neuer hauptsächlicher Widerspruch im imperialistischen Weltsystem: der Widerspruch zwischen der kapitalistischen Produktionsweise und den natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit.“ 3

Aufmerksame LeserInnen dieses Satzes fragen sich indes sicher auch nach wiederholter Lektüre, was die Autoren wohl damit sagen wollen.4 Da es andererseits aber nicht unbemerkt blieb, daß Mitglieder der MLPD seit einiger Zeit verstärkt zu ökologischen Themen unterwegs sind, scheint es sich um eine Art Kurswechsel zu handeln, ohne daß dies so benannt ist. Es fehlt immerhin ein Hinweis darüber, was denn nach Auffassung der MLPD der alte „hauptsächliche Widerspruch im imperialistischen Weltsystem“ war und was aus diesem geworden ist, wenn er nicht mehr allein „hauptsächlich“ oder überhaupt nicht mehr „hauptsächlich“ sein soll.5 Jedenfalls können wir mit dem genannten Resümee nicht viel anfangen und vermuten stattdessen, das Kollektiv der MLPD verbirgt hinter derartig verquastem Politdeutsch noch eine Menge an ungeklärten Fragen über die Bedeutung fortschreitender Naturzerstörung in Hinblick auf eine kommunistische Strategie und Taktik.

Ergiebiger sind da schon die in dieser Broschüre ausgerollten Ergebnisse einer Analyse, in der die Umweltzerstörung ins Verhältnis zur Entwicklung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse gesetzt wird.

Die AutorInnen gehen dabei davon aus, daß etwa ab den 1990er Jahren die Umweltkrise von einer bloßen „Begleiterscheinung“ zu einer „gesetzmäßigen Erscheinung der kapitalistischen Produktionsweise“ wurde und schlußfolgern, „daß kapitalistische Produktion und Konsumption nur noch auf der Grundlage chronischer krisenhafter Zerstörung der Umwelt funktionieren.“ 6

Zwei Gründe werden dafür ins Feld geführt: Erstens bleiben die Möglichkeiten für Maximalprofit hinter der Ausdehnung des Kapitals zurück, das Kapital unterliege eben einer Überakkumulation. Um sich unter diesen Bedingungen dennoch reproduzieren zu können, wird die rücksichtslose, systematische und allseitige Ausbeutung und Zerstörung von Naturresourcen zu einem geradezu ökonomischen Zwang und, so die MLPD-AutorInnen weiter, es habe „der Übergang zur globalen Umweltkatastrophe einen Punkt erreicht, an dem irreversible Schäden der globalen Stoffkreisläufe und des globalen ökologischen Gleichgewichts eingetreten sind (...) , die eine verheerende Eigendynamik entfalten und den Umschlag in die globale Umweltkatastrophe zusätzlich beschleunigen.“ 7 Beide Aspekte werden prägnant illustriert und das MLPD-Kollektiv schreibt am Ende seiner Analyse: „Der Kampf zur Rettung der natürlichen Lebensgrundlagen vor der Profitgier des internationalen Finanzkapitals wird neben dem Kampf für soziale und nationale Befreiung zur wichtigsten Aufgabe der internationalen sozialistischen Revolution. Ohne Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise ist die Umwelt heute nicht mehr nachhaltig zu retten.“ 8

Mit der letztgenannten Schlußfolgerung sind wir voll einverstanden. Allerdings bedarf die Herleitung dessen dringend einer Korrektur: Im Kapitalverhältnis ist schon immer gesetzmäßig die Zerstörung der Natur angelegt, hat schon immer stattgefunden, ist also gar kein neues Phänomen. Durch den Zwang des Kapitals, sich ständig auf erweiterter Stufenleiter reproduzieren zu müssen, wird auch die Naturzerstörung auf erweiterter Stufenleiter reproduziert – vor allem unter Krisenbedingungen. Der Zwang zur quantitativen Steigerung der Naturzerstörung schlägt allerdings im Moment in eine neue Qualität um - vielleicht meint das Redaktionskollektiv genau dies.

Denn tatsächlich ist es unter den gegebenen Umständen unmöglich, eine zeitgemäße kommunistische Strategie und Taktik zu entwickeln, ohne die enge Verzahnung von Kritik der herrschenden Ökonomie auf der einen und der herrschenden Ökologie auf der anderen Seite im Blick zu haben.

Das Redaktionskollektiv der MLPD legt sich damit auch dahingehend fest, daß es einen grünen Kapitalismus mit all seinen Szenarien eines ‚Dritten Weges’ nicht geben kann. Nicht weil Marxisten und Leninisten diesen Umweg nicht so toll fänden, sondern weil die derzeitige Entwicklungsphase des Kapitalismus in seinem imperialistischen Stadium das nicht zuläßt. Und es ist auch klar, wie es in der Broschüre heißt, daß nur so etwas wie eine „internationale Widerstandsfront zur Rettung der Umwelt vor der Profitgier“ wirkliche Abhilfe schaffen kann.

Allerdings werden neben diesem in dem Text weitere zwei programmatische Eckpunkte geschlußfolgert, denen wir so auf gar keinen Fall zustimmen können. Es heißt dann nämlich, man müsse „fortschrittliche Produktionsverfahren der Kreislaufwirtschaft“ durchsetzen, und zwar als „Teil des Klassenkampfes der internationalen Arbeiterklasse (...) im Bündnis mit allen Massenbewegungen“, um dann schließlich „den Kampf um die dringensten Sofortmaßnahmen zum Schutz der Umwelt“ mit der „Vorbereitung der internationalen sozialistischen Revolution“ zu verbinden.9

Wir empfinden dies als in der Summe zu dürftig, weil viel zu abstrakt, und auch substanziell nicht angemessen und wollen das im folgenden Abschnitt zunächst anhand der Darstellung der - weltanschaulich und methodisch - seltsamen Theoriebasis des MLPD-Redaktionskollektivs und sodann in einem weiteren Abschnitt auch auf der Ebene der politischen Schlußfolgerungen belegen.

2. ‚Einheit von Mensch und Natur und die solarbetriebene Kreislaufwirtschaft als materielle Vorbereitung des Sozialismus ...’

... so könnte eine Art Kurzresümee weltanschaulicher und methodischer Essentials der MLPD lauten – ironisch überspitzt zwar, aber ideell doch durchaus passend.

Es erschließt sich uns nicht, wie mit „Einheit von Mensch und Natur“ eine sinnvoller Begriff dessen gesetzt sein soll, was sich im Kapitalismus „als lebensnotwendiges Fundament“ 10 bis zur „höchsten Stufe der Einheit“11 entwickelt haben soll. Und erst recht nicht, wie dieses „Fundament“ dann im Sozialismus „der entwickelten Wissenschaft und Technik zur Herstellung und Höherentwicklung“ 12 auf die Sprünge helfen soll.

Gerade angesichts der aktuellen kolossalen Gefährdung des Lebens auf der Erde scheint uns, so wird eher Verwirrung gestiftet. Vielleicht haben die AutorInnen des Redaktionskollekivs der MLPD mit „Einheit von Mensch und Natur“ etwas anderes gemeint: Soll damit gesagt werden, daß Naturproduktivität Grundlage des menschliche Lebens ist ? Wenn das aber zutrifft, woran sinnvollerweise nicht zu zweifeln ist, so ist Natur als Grundlage und nicht als Einheit die richtige Bezeichnung. Bloß eine sprachliche Ungenauigkeit ? Wir glauben nicht: Ist Einheit als dialektische Einheit von Mensch und Natur gemeint, so wird dem in den weiteren Betrachtungen des MLPD-Redaktionskollektivs, wie wir zeigen werden, nämlich nicht Rechnung getragen.

Lenin schreibt: „Bedingung der Erkenntnis aller Vorgänge in der Welt in ihrer Selbstbewegung, in ihrer spontanen Entwicklung, in ihrem lebendigen Leben ist die Erkenntnis derselben als Einheit von Gegensätzen. Entwicklung ist Kampf der Gegensätze.“ 13 Wir finden das überzeugend und schlußfolgern: Da sich sowohl Natur als auch Gesellschaft in einem ständigen Veränderungsprozeß befinden, sich dabei immer wieder neu aufeinander beziehen und sich gegenseitig durchdringen, können wir das Mensch-Natur-Verhältnis nur als eine dialektische Einheit begreifen.

Das Redaktionskollektiv der MLPD sieht „(...) jede Produktion (als) Verbindung von Arbeit und Naturstoff“ 14 und dies gleichsam als Fortschreibung und Ergänzung des Bestehenden. Tatsächlich aber verändert der Mensch die durch Naturproduktivität hervorgebrachten Naturstoffe durch Arbeit zu seinen Zwecken. Mit dem Arbeitsprozeß muß der Mensch den Naturstoff als gegebenen Stoff verneinen, denn wie er ist, kann er ihn kaum für sich gebrauchen. Er, der Mensch, wandelt ihn durch Arbeit und mit Hilfe von anderen Naturkräften für seine Bedürfnisse um. Dies ist die Grundlage des Stoffwechsels des Menschen mit der Natur und der Begriff „Verbindung von Arbeit und Naturstoff“ erscheint da fast schon religiös harmonisierend.

Marx und Engels haben das so beschrieben: „So sehr diese Produktion die Grundlage der ganzen sinnlichen Welt ist, können wir gedanklich begreifen, daß wenn sie auch nur für ein Jahr unterbrochen würde, die ganze Menschenwelt seine eigene Existenz vermissen würde. Allerdings bleibt die Priorität der äußeren Natur bestehen.“ 15

Konsequenz: So, wie das Redaktionskollektiv der MLPD „Einheit von Mensch und Natur“ nur statisch idealisierend denken möchte, so bietet dieses Kollektiv vor allem in der von ihm geradezu als die Lösung gefundenen solaren Kreislaufwirtschaft „die internationalisierten revolutionären Produktivkräfte, die gegen die Produktionsverhältnisse rebellieren“ 16 auch bestenfalls nur ein statisch idealisierendes und beschränktes Bild von Revolutionierung der Verhältnisse an, weit entfernt davon, der Komplexität des Themas gerecht zu werden. Aber es geht noch weiter: Wenn „behutsame Veränderung der natürlichen Umwelt durch eine Kreislaufwirtschaft nach dem Vorbild der Natur“ 17 die „Einheit von Mensch und Natur“ auf einer höheren Stufe neu begründen soll, so deutet die darin enthaltene Redewendung „nach dem Vorbild der Natur“ auffällig auf weitere Momente von Idealisierung und damit wenig Erhellendes für ein Leben im Hier und Jetzt.

Ist Natur lediglich eine zu schonende und eigentlich außenstehende Instanz, ist sie nicht vielmehr eine produktive Kraft und folglich auch Koproduzent im gesellschaftlichen Produktionsprozeß ? Dies muß man sich klarmachen, wenn man gegen das herrschende Mensch-Natur-Verhältnis eine revolutionäre gesellschaftliche Perspektive entwickeln will. Grundsätzlich bewegt sich Natur gar nicht in einem sich immer wiederholenden Kreislauf, noch kann der gesellschaftlich produzierende Mensch etwa solarbetriebe Produktionsprozesse kreieren, die sich ständig in einem Kreislauf reproduzieren. Würde Natur sich nur in einem Kreislauf reproduzieren, dann kann es keine Natur geben. Das Wesen der Natur ist ja gerade, daß sie sich in einem dialektischen, also widersprüchlichen Prozeß entwickelt. Und auch technische Prozesse werden nie als geschlossener Kreislauf möglich sein. Es ist zwar notwendig, eine möglichst hohe Wiederverwertungsrate, eine vielfältige Nutzungskaskade und vieles mehr zu erreichen, aber es wird auch im Sozialismus Ausscheidungen im Produktionsprozess geben, in der die eingesetzte Arbeit - ob tote oder lebendige Arbeit - den Nutzen bei weitem übersteigt. Es werden produktions- und konsumptionsbedingte Verluste dabei nur zu minimieren, niemals aber vermeidbar sein. Die sinnvolle Kombination von gesellschaftlicher Produktion mit der Naturproduktivität ist entscheidend, um ein Versiegen der Springquellen der Natur zu verhindern. Und andererseits wird die Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit nur dann steigen können, wenn auch die Naturkräfte erhalten, ja sogar entfaltet werden. Es ist eben tatsächlich jeder gesellschaftliche Produktionsprozeß darauf angewiesen, in seinem Vollzug auch seine natürlichen und gesellschaftlichen Voraussetzungen zu reproduzieren.

Die MLPD kritisiert kleinbürgerliche Globalisierungskritiker, weil diese zwar die unbestreitbaren Destruktivkräfte des Imperialismus sehen würden, aber die angeblich bereits vorhandenen materiellen Voraussetzungen zur Vorbereitung einer künftigen Gesellschaft ignorierten.18 Es ist aber in unseren Augen keineswegs so, daß das Kapital revolutionäre technischen Voraussetzungen für den Sozialismus schafft, die dann einfach von den gesellschaftlichen Produzenten zu übernehmen sind. Wissenschaft und Technik sind – jetzt und im Sozialismus - von Klasseninteressen geprägt und es wäre daher ein großer Fehler anzunehmen, daß es auf diesem Gebiet nicht auch Klassenkampf gäbe.

Solche Art MLPD-Kritik ist also in unseren Augen unproduktiv, sie verweist auf ein geheimnisvolles Portfolio von brauchbaren Errungenschaften, ohne zu sagen, worum es sich dabei konkret handeln soll. Richtiger wäre es wohl, vor allem auf die Begrenztheit gesellschaftlicher Wirkung zum Beispiel globaler solarer Energieerzeugung hinzuweisen, denn dabei kann es sich bestenfalls nur um einen Teilaspekt für eine neu zu begründende dialektischen Einheit von Mensch und Natur unter neuen, nicht mehr kapitalistischen Produktionsverhältnissen handeln. Und auch unter neuen Verhältnissen müssen die Produktivkräfte erst durch einen revolutionären Prozeß freigelegt und entfesselt werden.

Die Betrachtungen der MLPD-Autoren zum Thema ‚Mensch-Natur-Verhältnis’ kommen mit einer ideologisch und methodisch stark idealisierenden Schlagseite daher. „Einheit mit, Vorbild nach der Natur“ mag zwar manchem Naturbewegten der 1980er Jahre gefallen, bietet aber - erst recht für heute - keine günstige Ausgangsbasis für eine glaubhafte und wirkmächtige politische Perspektive im Sinne einer kommunistischen Ökologie.

3. ...und eine politisch eher unbrauchbare Orientierung

Zu mehr politischer Substanz als in den oben genannten Eckpunkten zum Ausdruck kommt, wäre das Redaktionskollektiv der MLPD wohl gelangt, hätte es sich ganz konkret und nüchtern an der Macht des Faktischen orientiert.

Die Umweltschutzbewegung der letzten gut dreißig Jahre ist im Großen und Ganzen ohne die DGB-Gewerkschaftsbewegung über die Bühne gegangen. In manchen Bereichen und zu manchen Zeiten mußte sie direkt gegen die jeweilige Gewerkschaftsführung antreten und sowieso immer auch gegen die bürgerlichen Parteien als gesellschaftliche Sprachrohre des Monopolkapitals. Die Grünen gesellten sich im Lauf der 1980er Jahre als solcherart Sprachrohr dazu. Es gab nicht wenige Versuche, das zu ändern, aber nur einzelne gewerkschaftliche Gliederungen stießen zum Beispiel dann auch zur Anti-AKW-Bewegung. Das war aber die Ausnahme und auf den ersten Blick erscheint diese Konstellation dann als ein bereits programmiertes Dilemma. Der zweite Blick aber, der auf die Erfolge der Umweltschutzbewegung hierzulande gerichtet ist, eröffnet ein anderes Bild. Wie kaum sonst hat die Umweltschutzbewegung so viele Menschen buchstäblich in Bewegung gebracht wie hier bei uns. Zu der Macht des Faktischen gehört eben auch, daß es sich bei den Hunderttausenden, die seit den 1970er Jahren allein hierzulande gegen die Vernichtung von Natur auf die Straße gingen, um Teile der ArbeiterInnenklasse handelt. Und es ist ja wohl Klassenkampf, wenn unter anderem die Enteignung der Energiemonopole gefordert wird und der Ausstieg aus AKW-Technologie sowie der Energiegewinnung via Ausbeutung und Verbrennung fossiler Ressourcen ?

Die Frage ist also angebracht, wie anders das denn aussehen soll, was da von der MLPD als „Teil des Klassenkampfes der internationalen Arbeiterklasse im Bündnis mit allen Massenbewegungen angestrebt wird ?

Sind die Ausführungen des MLPD-Redaktionskollektivs von der Absicht getragen, die Umweltschutzbewegung möge eben auch konsequenten Klassenkampf betreiben und konsequenter gegen die Vernichtung der Natur vorgehen ? Dann bitte, es steht den MLPD-Mitgliedern frei, in den vorhandenen, sehr vielfältigen Organisationsformen der Umweltbewegung mitzuwirken. „Hic Rhodus, hic salta!“, heißt es dann immer bei den Klassikern. D.h. in diesen Bewegungen müßte eine Gruppe wie die MLPD doch wohl präsent sein, will sie in ihrem Sinn glaubwürdig für die Führung durch die revolutionäre ArbeiterInnenklasse und für eine revolutionäre Perspektive auch in der ökologischen Frage wirken. Ist sie aber nicht und war sie nicht !

Und da kann der Verweis auf „kleinbürgerlichen Führungsanspruch“ und „längjährige Dominanz kleinbürgerlicher Aktivisten“ 19 in diesen Bewegungen die eigene Abwesenheit nicht rechtfertigen. Erklärbar wird aus unserer Sicht höchstens, daß die MLPD wohl eine ziemlich verstaubte Vorstellung von Klassengesellschaft bzw. dem Bild der ArbeiterInnenklasse von heute besitzt. Ebenso, daß die Mittel der MLPD, im Meinungswettstreit in diesen Bewegungen weltanschaulich und politisch wirkmächtig zu sein, wohl eher beschränkt sind.

Dabei sind die Bedingungen dort gar nicht so schlecht. Auch nicht im Fall von ‚Castor Schottern!’. Dort, in den vorderen Reihen, konnte man sich nicht nur stets einen kalten Hintern holen, sondern man konnte auch sehr schnell mit den Organen des bürgerlichen Staatsapparats in Konflikt geraten. Wahrhaft eine gute Schule des Klassenkampfs. Und es dürfte unter denjenigen, die dabei waren, stets ein bedeutsamer Anteil von GewerkschafterInnen gewesen sein – prozentual sicher mehr als bei jedem Spiel der Fußball-Bundesliga. Und Internationalismus spielte und spielt in den Umweltschutzbewegungen auch sehr oft eine Rolle, wie zum Beispiel dieser Tage der grenzüberschreitende Protest gegen den Weiterbetrieb des belgischen AKW-Schrottreaktors Tihange oder wie im Herbst 2013 bei dem gut besetzen Sonderzug von Brüssel nach Warschau quer durch die Republik anläßlich des Weltklimagipfels. 20

Wer oder was hinderte die MLPD, in solchen Bewegungen mitzuarbeiten und zu zeigen, wo der Bartel den Most herholt ? Wie soll an so einem großen Ziel wie „Vorbereitung der internationalen sozialistischen Revolution“ auch nur ernsthaft gedacht werden können, wenn solcherart der Wald vor lauter Bäumen nicht erkannt wird ?

Als Konsequenz betreibt die MLPD seit Monaten den Aufbau einer „Umweltgewerkschaft“ 21. Die soll dann quasi modellhaft „überparteilich und weltanschaulich offen sein, auf antifaschistischer Grundlage arbeiten, demokratisch und finanziell unabhängig organisiert werden“.

Gegen solche Kriterien ist sicher nichts einzuwenden, ganz im Gegenteil. Deren Realisation aber ist offenkundig eine Angelegenheit, die erst praktisch solidarisch erstritten und nicht per Erklärung herbeigewünscht werden kann. Sie bedingt zudem eine auch eigene Formen von Transparenz und Öffnung, freilich mit dem Risiko verbunden, daß der frische Wind von außen das Innere ganz schön durcheinander bringen kann. Angesichts des bisher eher schwierigen Verhältnisses der MLPD zu Bündnisbewegungen sind wir uns gar nicht sicher, ob die Initiative für eine „Umweltgewerkschaft“ tatsächlich zusammen mit dieser Art Öffnung betrieben wird. Das eine ohne das andere geht aber nicht.

Das gilt auch für den von der MLPD sehr häufig angeführten „modernen Antikommunismus“ 22, den sie mal in Gestalt staatlicher Verfolgung, mal als Ausdruck kleinbürgerlichen Geistes in der Umweltbewegung ausmachen will.

Ausdrücklich wollen wir davor warnen, beides miteinander zu vermischen und sozusagen in einem Atemzug zu nennen ! Widersprüche in den Bündnisstrukturen u.a. der Umweltbewegung, sind solche, die durch den Wettstreit der Meinungen geklärt oder zumindest thematisiert werden müssen. Allemal aber sind diese Widersprüche, diese Argumente der politischen Konkurrenz in solidarischer Auseinandersetzung ernst zu nehmen, um am Ende nicht in einer selbst gewählten Isolation zu landen oder diese zu verstärken. Was Letzteres betrifft, hat die MLPD unserer Ansicht nach eine reichhaltige Erfahrung, sie sollte aus deren produktiver Verarbeitung kräftig lernen. Auch dadurch, daß sie aktiv zu einer Stärkung der kommunistischen - oder auch marxistisch-leninistischen – Linken über die Grenzen der eigenen Partei hinaus beiträgt.

4. Öffnung der Diskussion um eine zeitgemäße kommunistische Ökologie – ein Vorschlag

Die in diesem Text angerissenen Fragen sind keineswegs erschöpfend beantwortet. Unser Textfragment soll wenigstens einen Beitrag dazu leisten, die begonnene Diskussion weiter zu führen und eine kommunistische Praxis gegen die Umweltzerstörung generieren zu helfen (...)“, so äußerten wir uns in unserem Aufsatz zu den Ansichten führender GenossInnen der DKP in Hinsicht auf die Überwindung des herrschenden Mensch-Natur-Verhältnisses. Das gilt in Bezug auf unsere Kritik an den Überlegungen des mehrfach zitierten MLPD-Redaktionskollektivs ebenso.

In vorliegendem Text haben wir eine Menge Kritik geübt und auch viele Fragen gestellt und sind bei der Beschäftigung mit den Texten der MLPD selbst auf neue, hier noch nicht angesprochene Fragen gestoßen. Wir hoffen mit dem Redaktionskollektiv der MLPD, daß am Ende seiner Arbeit die in unseren Augen zutreffenden Erkenntnisse eines Zusammenhangs zwischen Imperialismus und Naturzerstörung nicht verwässert, sondern weiter konkretisiert werden können. Wir hoffen auch, daß andererseits das Kollektiv der MLPD in den politischen Schlußfolgerungen mehr essentielle Begründung für ein intensives Engagement in den vorhandenen Umweltschutzbewegungen liefern kann und die Partei das dann auch praktisch umsetzt.

Der MLPD möchten wir vorschlagen, in einer oder auch mehreren internen Tagungen oder/und auch öffentlichen Veranstaltungen zum Thema „Das globale ökologische Desaster und die Marxisten-Leninisten“ einen Gedankenaustausch stattfinden zu lassen, um zu prüfen, ob wenigstens in der theoretischen Arbeit Formen der Kooperation möglich sind. Unser Ziel ist dabei, die Diskussion um eine zeitgemäße kommunistische Ökologie so weit wie möglich zu öffnen, damit in naher Zukunft tatsächlich eine stärkere kommunistische Linke auf diesem Terrain aktiv ist.

Kontakt direkt über frank.braun@netcologne.de oder j-suttner@t-online.de

Anmerkungen

1 aus Karl Marx, ‚Philosophisch-Ökonomische Manuskripte’, MEW Bd. 40, S. 536

2 vgl. dazu unseren Diskussionsbeitrag um das ‚Mensch-Natur-Verhältnis’ in der DKP; siehe dazu bei ‚trend-online 12/2013’ unter http://www.trend.infopartisan.net/trd1213/t141213.html

3 aus „Rettet die Umwelt vor der Profitwirtschaft“, S. Engel u.a., Gelsenkirchen, 2012, S. 22/23. Bei dieser Broschüre soll es sich lt. Redaktionskollektiv um Auszüge aus dem in der MLPD zirkulierenden Buch „Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution“ vom gleichen Autorenkollektiv handeln.

4 Vielleicht ist diese Formulierung ja auch eine parteiinterne Chiffre, die nur verstehen kann, wer die alten und neuen ‚hauptsächlichen Widersprüche’ im Parteileben der MLPD kennt, aber das ist wieder eine anderes Thema.

5 Die Verwirrung dürfte noch kompletter sein, orientierte man sich nur an der Kapitelüberschrift. Dort heißt es nämlich in einem unverständlichen Satzkonstrukt: „Die Bedeutung durch eine globale Umweltkatastrophe als neuer hauptsächlicher Widerspruch im imperialistischen Weltsystem.“

6 siehe „Rettet die Umwelt...“, S. 7

7 siehe „Rettet die Umwelt...“, S. 7

8 siehe „Rettet die Umwelt...“, S. 25

9 siehe „Rettet die Umwelt...“, S. 27

10 siehe „Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution“, Verlag Neuer Weg, 2011, S. 188

11 „Die Gefahr der Umweltkatastrophe“, S. Engel 2013, Rebell Heft 6, S. 13

12 siehe „Morgenröte ...“, S. 154

13 aus Lenin, Philosphische Hefte, LW Bd. 38, S. 339

14 siehe „Morgenröte ...“, S. 188

15 aus Marx/Engels, „Die Deutsche Ideologie“, MEW Bd. 3, S. 44

16 siehe „Morgenröte ...“, S. 10

17 siehe „Ist die Erde noch zu retten?“, Verlag Neuer Weg, 2011, S. 22

18 siehe „Morgenröte ...“, S. 150

19 siehe „Rettet die Umwelt...“, S. 29

21 siehe „Die Gefahr der Umweltkatastrophe“, S. Engel 2013, Rebell Heft 6, S.27 sowie http://www.umweltgewerkschaft.org

22 siehe „Rettet die Umwelt...“, S. 29

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Text von den Autoren zur Veröffentlichung in dieser Ausgabe