Im Wartesaal Teil 5
BRD-
Lagerleben 1976-80

von Rolf Oerter und Helmut Stapf 

03/2016

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onlinezeitung

Die Situation entwickelte sich dramatisch, als im ersten Halbjahr 1980 über 70 000 Ausländer bei uns um Asyl nachsuchten. Das Bundeska­binett sah sich genötigt, zu drastischen Maßnahmen zu greifen: keine Arbeitserlaubnis für das erste Jahr des Aufenthaltes (seit September 1981: für zwei Jahre), Empfehlung von Sozialhilfe als Sachleistung, Errichtung von Kantinen-Streichung des Kindergeldes.
 
Diese Maßnahme produzieren einen enormen psychischen Druck bei den Asylbewerbern und stellen sie unter eine totale Verwaltung. Für Menschen, die ein Großteil ihrer Identität aus der Arbeit und der damit verbundenen Entlohnung gewinnen, bedeutet Arbeitslosigkeit eine große psychische Belastung.
So lassen sich zum Beispiel osteuro­päische Flüchtlinge zu der gesetzeswidrigen Zwangsarbeit nach dem Bundessozialhilfegesetz verpflichten, weil sie nicht wissen, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollen.
Im Wartesaal / Teil 1
Refugees in Nachkriegsdeutschland 1945 - 1957
Zahlen und Daten zur Unterbringung jüdischer Displaced Persons
Im Wartesaal Teil 2

Refugees in der BRD 1951
Bericht des Bundesministeriums für Vertriebene
Im Wartesaal Teil 3
Refugees in der BRD 1953
Auszüge aus dem Bericht des Bundesministeriums für Vertriebene

Im Wartesaal / Teil 4

Der anhaltende Flüchtlingsstrom 1955
Auszüge aus dem Bericht des Bundesministeriums für Vertriebene

Sie halten den Müßiggang nicht aus. In den Zeiten der Arbeitslosigkeit bildet die Eigenverantwortlichkeit für das Bereiten der Mahlzeiten eine wichtige Möglichkeit der Beschäftigung. Es bietet sich Gelegenheit zu Kontakten mit der deutschen Bevölke­rung beim Einkauf. Man kann die Speisen so zubereiten, wie man sie gewohnt ist. Vor allem aber ist man für eine bestimmte Zeit des Tages beschäftigt. Besonders hart werden von der Maßnahme der Kantinen­verpflegung die Frauen betroffen, die ihre Aufgabe darin sehen, ihre Familie mit Nahrung zu versorgen.

Die große Ausnahme in dem «Abwehrkampf» gegen die Asylbewer­ber bilden die Kontingentflüchtlinge aus Südostasien. Verweigerte die bayerische Staatsregierung noch die Aufnahme von Flüchtlingen (Süddeutsche Zeitung vom 23. August 1979) aus Argentinien mit dem Argument, es gebe keinen Platz für sie, so konnte sie schon in der Woche darauf die Zusage machen, zweitausend Flüchtlinge aus Viet­nam, Laos und Kambodscha aufzunehmen. Auch als das Bundeska­binett sich gegen die Asylbewerber die genannten drastischen Maß­nahmen einfallen ließ, waren die Kontingentflüchtlinge davon nicht betroffen. Selbst von seiten der Bevölkerung ist die Aufnahmebereit­schaft der Vietnamesen, Laoten und Kambodschaner nicht zu verglei­chen mit der Ablehnung der «normalen» Asylbewerber. Leicht finden sich Partner oder Familien, die bereit sind, die ersten Schritte der Eingliederung dieser Menschen in unsere Gesellschaft mitzubegleiten und ihnen Hilfen zu geben. Geld und Sachspenden gingen bislang in großem Umfang bei den Wohlfahrtsverbänden ein, und die in der Zwischenzeit von den Vietnamesen organisierten Kulturprogramme werden gerne von Deutschen besucht.

Sicher liegt die Aufnahmebereitschaft dieser Flüchtlinge aus Süd­ostasien an mehreren Umständen. Aber einer besteht darin, daß sie mediengerecht geflüchtet sind. Tage- und wochenlang wurden drama­tische Filmberichte über das Fernsehen frei Haus geliefert, in denen man sich die vollkommen überladenen Fischerboote der vietnamesi­schen Flüchtlinge anschauen konnte.

Lager im Regierungsbezirk Schwaben

Im Oktober 1976 wurde in Augsburg als erstes Lager für die Asylbe­werber die Hindenburg-Kaserne mit zweihundert Plätzen eingerichtet. Aufbauend auf die Erfahrungen des Lagers Neuburg richtete man auf den drei zur Verfügung stehenden Gängen pro Gang ein: eine Küche mit mehreren Gaskochstellen, zwei Duschen, Toiletten, einen Wasch­raum und einen Gemeinschaftsraum.

Die 40 Quadratmeter großen Räume wurden durch Trennwände in Zimmer zu 24 Quadratmeter (belegt mit fünf Personen maximal) und 16 Quadratmeter (belegt mit vier Personen maximal) unterteilt. Als Ende 1978 die Kapazität des Lagers zu klein wurde, wurden drei Räume neu eingerichtet, auf 45 Quadratmeter waren damals fünfzehn Personen untergebracht. Das sind drei Quadratmeter pro Person. Dieser Zustand hielt ein halbes Jahr an. Kurz darauf, im Februar 1979, wurde das sogenannte Familienlager in der Haunstetter Straße einge­richtet. Dorthin wurden die acht Familien mit den teilweise hier gebo­renen Kindern sowie die Osteuropäer verlegt.

Für die nun 270 Asylbewerber stehen an Personal zur Verfügung: der Lagerleiter und sein Hausmeister, zwei Sozialarbeiter, eine Verwal­tungsangestellte und ein Zivildienstleistender.

Zum Vergleich:

In der Zeit vom Dezember 1979 bis Dezember 1980 wurden insgesamt vier Wohnheime für Flüchtlinge aus Vietnam, Laos und Kambodscha eingerichtet. Sie alle haben eine ideale Größenordnung und über­schreiten nicht die Kapazität von achtzig Plätzen. Sprachkurse werden im Haus abgehalten. Für jedes Lager steht ein Sozialarbeiter zur Verfügung.

Was bei den «normalen» Asylbewerbern nicht möglich war, sie menschenwürdig unterzubringen, war auf einmal bei dieser Gruppe der Kontingentflüchtlinge möglich. Dies wird auch von den Men­schen, die das normale Asylverfahren durchlaufen, durchaus wahrge­nommen.

Leben im Lager

Um aufzuzeigen, wie Menschen mit dem Leben in einem Lager fertig werden, wollen wir über vier Asylanten berichten, die seit der Einrich­tung des Lagers 1976 dort lebten, und darzulegen versuchen, wie sie damit fertig geworden sind.

Abdul Rashid

Abdul Rashid ist mit den ersten Transporten ins Lager Augsburg gekommen. Er ist aus seiner Heimat geflohen, weil unter dem damali­gen Präsidenten Bhutto die Werkstätten seiner Familie sozialisiert wurden. Er hatte sich dagegen gewehrt und mußte nun als politischer Feind des derzeit herrschenden Systems seine Heimat verlassen. Zu­rückgelassen hat er auch seine Frau und sein Kind, das er nun schon seit über vier Jahren nicht mehr gesehen hat.

Da Rashid in Pakistan eine Collegeausbildung im metallverarbei­tenden Beruf gemacht hat, spricht er sehr gut Englisch und war von Anfang an einer der wichtigsten Ansprechpartner von Seiten der La­gerleitung und der Sozialarbeiter. Sicher sprechen etwa 50 Prozent der Inder und Pakistani im Lager etwas Englisch, aber nur wenige können sich differenzierter ausdrücken.

Für einen Pakistani ist Rashid relativ groß und kräftig. Seine Intel­ligenz, seine Ehrenhaftigkeit und auch seine körperliche Größe ließen ihm im Laufe der Zeit eine wichtige Rolle als Meinungsführer zukom­men.

Doch bis es soweit war, verstanden es andere, den Ton anzugeben. Weit weg von der Heimat spiegelte sich innerhalb kurzer Zeit dieselbe soziale Schichtung wie in der Heimat wider. Wer in Pakistan zu den führenden Schichten gehörte, hatte auch hier eine besondere Position, und diejenigen, die in der Heimat zu dienen hatten, taten es auch hier wieder. So gab es viele der Bessergestellten, die nie ein Essen selber kochten oder ihr Zimmer saubermachten, dafür hatten sie ja die anderen. Aus dieser sich im Lager wieder aufbauenden Schichtung scherten einige wenige aus. Sie waren besonders sprachgewandt, agil und auch ein Stück skrupellos. Sie bauten eine sogenannte Union auf mit Generalsekretär, Präsident und Vizepräsident. Jeder sollte Mit­glied werden und hatte eine bestimmte Abgabe abzuführen. Nutznie­ßer waren die Herren des Präsidiums, sie konnten sich auf diese Art und Weise trotz Sozialhilfe einen Wagen leisten und viel damit herumfahren. Als Gegenleistung boten sie ihre Dienste als social worker an und halfen beim Übersetzen gegenüber der Lagerleitung, den Sozial­arbeitern der freien Wohlfahrtsverbände und auch der Behörden. Dafür mußte allerdings nochmals extra bezahlt werden.

Dieser Tendenz, die Landsleute in dieser Art und Weise auszunut­zen, wirkte Rashid, so gut es ging, entgegen. Er überzeugte viele, daß sie sich nicht dieser Union anzuschließen brauchten, und so verlor die «Bewegung» nach etwa einem Jahr die Bedeutung.

Auffallend ist, daß die damaligen Führer der Union mit die ersten waren, die eine deutsche Frau heirateten, um auf diese Art und Weise ihren Aufenthalt unabhängig vom Asylverfahren in der Bundesrepu­blik zu sichern. Einer von ihnen versteht es, sogar noch daraus ein Geschäft zu machen. Zusammen mit seinem Schwiegervater ist er in die Heiratsvermittlung von Scheinehen eingestiegen. Der Preis für diese Scheinehe beträgt zur Zeit 10 000 DM, davon bekommt die Frau 2000 DM, der Rest ist für den Vermittler. Er verkauft auch schon Optionen auf künftige Scheinehen in Höhe von 2000 DM. Sein Pro­blem ist nur, genügend Frauen zu finden, die dieses makabre Spiel mitmachen. Weiter bedenken die beteiligte Frau und der heiratswillige Asylbewerber nicht, daß noch mal zusätzliche Kosten in nicht unbe­trächtlicher Höhe auf sie zukommen, wenn sie sich wieder scheiden lassen wollen.

Rashid war und ist ein ständiger Ansprechpartner für die Lagerlei­tung und die Sozialarbeiter. Er hilft, wenn er kann, beim Übersetzen für seine Landsleute (ohne etwas dafür zu verlangen) und beim Orga­nisieren von Veranstaltungen in dem Lager. Er ruft Versammlungen ein oder sammelt Gelder, um Feste vorzubereiten. In einem Fall sammelte er 15 000 DM, um sie der Witwe eines verstorbenen Pakistani nach Hause zu schicken.

Dieser Pakistani war an den Folgen eines Streits zwischen zwei religiö­sen Flügeln des Islam zu Tode gekommen. Begonnen hatte es damit, daß während einer Straßenbahnfahrt zur Nachtschicht Mitglieder der orthodoxen Sunniten und der Ahmadyia-Sekte in Streit geraten wa­ren. Man bezichtigte sich gegenseitig der Blasphemie. Dies führte dann so weit, daß Mitglieder der Ahmadyia-Sekte - teilweise mit Eisenstan­gen bewaffnet - in ein Zimmer der Sunniten eindrangen. Dabei bekam der eine einen Schlag mit der Eisenstange ab, so daß er halbseitig gelähmt war. Im Krankenhaus auf der Intensivstation lag er in einem Bett entfernt von den Fenstern ganz an der Wand. Angesichts seines damaligen Zustands ist es heute noch ein Rätsel, wie er aus dem Fenster gestürzt und an den Folgen dieses Sturzes gestorben ist. Ähn­lich verworren und undurchdringlich war die Situation für die Polizei in zwei ähnlichen Fällen, als zwei Inder aus den Fenstern des zweiten Stocks der Hindenburg-Kaserne von fünfzehn Meter Höhe auf das Pflaster gestürzt waren. Die wahren Hintergründe dieser Vorfälle sind nicht zu klären. Sind sie aus dem Fenster gestoßen worden? Sind sie vor lauter Angst aus dem Fenster gesprungen? Oder gibt es noch eine  andere Variante? In den beiden letztgenannten Fällen lag kein Streit zwischen Religionen oder verschiedenen Nationen vor. Auf jeden Fall war Alkohol mit im Spiel.

Rashid gehörte zu den ersten im Lager, die nach einem halben Jahr eine Arbeit gefunden hatten. Um besser zu verdienen, wechselte er bald seine Arbeitsstelle und konnte nun als Dreher und Fräser arbei­ten. Da er gut war, versuchte er auch bald, wieder eine Lohnerhö­hung zu bekommen, die ihm auch gewährt wurde. Dies blieb nicht geheim, und seine deutschen Arbeitskollegen wollten deswegen auch von seinem Meister einen besseren Lohn. Rashid war nicht bereit, auf den Vorschlag seines Meisters einzugehen und finanziell zurück­zustecken. Aus Gründen des sozialen Friedens wurde ihm dann ge­kündigt. Sechs Monate war er daraufhin arbeitslos, da er weiter in dem Metallberuf arbeiten wollte und eine bestimmte Gehaltsvorstel­lung hatte. Bei der jetzigen Firma ist er schon seit über zweieinhalb Jahren beschäftigt.

Im Lager wurden Sprachkurse von der Otto-Benecke-Stiftung an­geboten. Da die motiviertesten auch diejenigen waren, die sehr schnell eine Arbeit gefunden hatten, wurden an fünf Abenden Kurse mit je zwei Stunden angeboten. Rashid besuchte natürlich diese Sprachkurse. Obwohl die hier vermittelten Sprachkenntnisse nicht ausreichten, eine Weiterbildungsmaßnahme des Verbandes der Baye­rischen Metallindustrie zu besuchen, unternahm Rashid den Ver­such. Der Kurs diente als Vorbereitung zum Gesellenbrief als Dreher und Fräser. Voraussetzung war natürlich, daß die Industrie- und Handelskammer seine Ausbildung und Arbeitszeit in Pakistan aner­kannt hatte. Um es vorweg zu nehmen, er schaffte die Prüfung auf Anhieb.

Um dieses Ziel zu erreichen, war er von Anfang an bemüht, deutsche Freunde mit Fachwissen dazu zu gewinnen, ihn sprachlich und auch lehrstoffmäßig auf die Prüfung vorzubereiten. Er nahm seinen gesam­ten und darüber hinaus noch unbezahlten Urlaub, um sich auf die Prüfung vorzubereiten. Mit seiner Firma schloß er einen Vertrag, daß er sie nach der Prüfung zwei Jahre nicht verlassen werde. Dafür verpflichtete sich die Firma, ihn gezielt praktisch auf die Prüfung vorzubereiten.

Da er den Kurs bestehen wollte, war es für ihn unmöglich, weiter im Lager zu wohnen. Er teilte sein Zimmer mit zwei Personen. Für diese beiden war er ständig Fürsprecher, Dolmetscher, großer Bruder. Hinzu kam seine Rolle als Vermittler, Dolmetscher der anderen Paki-stani. Sie kamen ständig auf sein Zimmer, wollten seinen Rat oder seine Vermittlung. Streit gibt es ja oft genug, wenn Menschen so eng aufeinander leben wie in diesem Lager.

Es ist nicht leicht, für Bewohner des Lagers für Asylbewerber eine Wohnung im Stadtgebiet zu nehmen; denn aus «grundsätzlichen» Erwägungen läßt die Stadt Augsburg niemanden ohne besonderen Grund aus dem Lager ausziehen. Bei Zuwiderhandeln muß der Asyl­bewerber mit einer Strafanzeige und mit Strafen in Höhe bis zu 1400 DM rechnen.

Der von Rashid aus eigenen Mitteln finanzierte Kurs war für das Ausländeramt Grund genug, ihm eine Genehmigung zum Verlassen des Lagers zu erteilen. In seiner Wohnung genießt es Rashid nun, daß er die Nächte durchschlafen kann, weil er nicht dauernd durch Lärm in den Gängen gestört wird, daß nicht dauernd Menschen zu ihm in das Zimmer hineinstürzen können, um ihn mit ihren Angelegenheiten zu belästigen. Er genießt seine Privatheit.

Trotz alldem ist er noch viel bei seinen Kollegen im Lager und steht den Behörden für Dolmetscher- und Vermittlungsdiensten zur Verfü­gung.

Seine Chancen, im Asylverfahren anerkannt zu werden und seine Familie nachholen zu dürfen, schätzt er auf Grund der Anerkennungs­praxis des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flücht­linge und der Verwaltungsgerichte sehr gering ein. Er rechnet damit, daß er nach dem rechtsgültigen Abschluß seines Asylverfahrens nach Pakistan zurückkehren muß. Nur ein Prozent der Pakistani werden anerkannt. Die Zeit, die er noch hier sein kann, möchte er auf jeden Fall nutzen, um so viel wie möglich zu lernen - als Rüstzeug zum Aufbau seiner Existenz in Pakistan. Rashid hat während der Zeit des Asylverfahrens für sich klare Entscheidungen getroffen. Er hat sich Ziele gesetzt und sie mit Beharrlichkeit, Ehrgeiz und Fleiß erreicht. Er weiß, was er will, und er kennt seine Grenzen und Fähigkeiten. Er hat sich seine Identität in dieser neuen Umgebung wiederaufbauen kön­nen, wohl mit aus dem Grunde, weil er für viele seiner Landsleute zur Bezugsperson geworden ist. Er konnte deutsche Freunde gewinnen, die ihm helfen, sich hier in seiner neuen zeitweiligen Heimat zurecht­zufinden.

Ajit Singh

Ajit Singh kommt aus der nördlichen Provinz Punjab von Indien. Er ist geflohen, weil sein Bruder seine Landmaschinenwerkstatt an sich reißen wollte. Zu diesem Zweck gab der Bruder der Polizei Geld, die daraufhin bereitwillig Herrn Ajit Singh in der Heimat suchte und verfolgte. Dieser private Kampf mit seinem Bruder ist sicherlich für den Normalfall keine ausreichende Begründung für das Asylbegehren in der Bundesrepublik Deutschland. Nur kann er in der Zwischenzeit dokumentieren, daß die Polizei einen Haftbefehl gegen ihn erlassen hat und ihn ins Gefängnis stecken möchte. Sein erster Antrag auf Asyl wurde in zweieinhalb Jahren relativ schnell rechtsgültig abgelehnt, weil sein erster Anwalt seine Briefe nicht an die zuständigen Stellen  weitergeleitet hat. In diesen Briefen hat er seine Begründungen dem  Anwalt detailliert mitgeteilt.

Ajit Singh ist eine auffallende Persönlichkeit. Er gehört der Reli­gionsgemeinschaft der Sikh an. Zu den Glaubenslehren dieser Religionsgemeinschaft gehört, daß kein Haar am Körper geschnitten werden darf. Deswegen trägt er seine Haare zusammengebunden unter dem Turban, und seinen langen Bart hat er in einer Bartbinde zusam-I mengerollt. Als drittes äußeres erkennbares Zeichen trägt er einen Silberring am rechten Arm. Er besitzt das Selbstbewußtsein, diese 6 Zeichen seiner Religion auch in unserer Umgebung zu zeigen. Er genießt es sogar, die Aufmerksamkeit der Deutschen durch sein Auftreten auf sich zu ziehen.

Im Gegensatz zu ihm legten über 90 Prozent seiner Glaubensbrüder diese äußeren Zeichen der Religiosität ab. Bedeuten in der Heimat diese Zeichen der Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft einen zen­tralen Anteil der Identität, so stehen bei uns die wenigsten dieses Anderssein durch. Bei den Mitgliedern der Religionsgemeinschaft der Sikh wird am deutlichsten, welche Schwierigkeiten der Anpassung bestehen und welches Maß an Identitätsverlust auftreten kann. Ähn­liche Zerfallserscheinungen oder auch Absetzbewegungen sind bei den Moslems aus Pakistan zu beobachten, nur gibt es hier keine so offen­sichtlichen Zeichen. Weniger stark treten die Abfalltendenzen vom Glauben bei der Ahmadyia-Sekte auf. Das mag daran liegen, daß einmal die Gruppe hier in Augsburg sehr eng zusammenhält, sich gegenseitig stützt, um vor allen Dingen gegenüber der sehr viel größe­ren Gruppe der Sunniten bestehen zu können. Bei den Ahmadyias war die Verfolgung auf Grund ihrer Glaubenszugehörigkeit das Flucht­motiv.

Für Singh ist die Religion etwas, aus dem er seine ganze Kraft ( schöpft. Er hat Würde. Das bringt er schon beim Tragen seiner religiö­sen Symbole zum Ausdruck. Dagegen ist die Würdelosigkeit seiner Landsleute und Glaubensbrüder eine sehr starke Belastung, die ihn psychosomatisch reagieren läßt. So lange er im Lager lebte, nahmen seine Erkrankungen zu und wurden immer schwerwiegender. Dies war dann auch der Grund für die Ausländerbehörde, ihm die Erlaubnis zu [(erteilen, sich ein eigenes Zimmer im Stadtgebiet Augsburg zu nehmen.

Die Würdelosigkeit seiner Landsleute beschreibt er so, daß sie sich nicht gegenseitig respektieren, auch sich selber nicht: «Sobald sie ' beisammen sind, fangen sie an, schlecht voneinander zu reden. Unter j der Lebenssituation im Lager spielt für sie der Whisky - Kolonialerbe der Briten - eine sehr große Rolle. Als Reaktion auf das Schlechtmachen kommt es nicht selten vor, daß man Freunde und Kollegen zum Saufen einlädt. Diese fühlen sich durch den geschenkten Whisky dazu verpflichtet, ihrem Gönner bei seinen Strafaktionen behilflich zu sein.» Singh fühlt sich seinen Landsleuten und Glaubensbrüdern sehr stark verpflichtet. Eben weil die Würde ein so zentraler Wert für ihn ist, versucht er auch, ein Stück Würde für seine Landsleute zu gewin­nen. Er setzte sich für seine Leute bei den Behörden und Ämtern ein und stand ihnen regelmäßig bei Schlichtung von Streitigkeiten zur Verfügung. Bei einem Gartenfest organisierte er ein Essen für alle Teilnehmer dieses Festes. Auch in seiner Wohnung wurde er weiter mit den Problemen seiner Freunde überschüttet. Dauernd war jemand bei ihm und wollte Hilfe von ihm haben. Und er gab sie.

Diese ständige Belastung führte erneut zu psychosomatischen Er­krankungen und sie wiederum bedingten, daß er seine Arbeit verlor. War er bei seiner ersten Firma noch ein Jahr, so wechselte er darauf in kurzen Abständen zu vier weiteren Firmen. Als er so richtig am Ende war, half ihm eine deutsche Familie wieder auf die Beine. Er ließ nun nicht mehr jeden zu sich kommen und fand auch eine Arbeit, in der er seine Fähigkeiten und Kenntnisse als Werkmaschinenschlosser voll mit einbringen kann. Er hat wieder Spaß an seiner Arbeit, und Über­stunden machen ihm vom Körperlichen her überhaupt nichts mehr aus.

Abraham Ipek

Ipek stammt aus Ostanatolien, Türkei. Er gehört zu der Minderheil der syrisch-orthodoxen Christen. Ihre Nachbarn dort sind die Kurden.

Nach dem Ersten Weltkrieg ließen sich die syrisch-orthodoxen Christen oder auch Assyrer von den Engländern als polizeiliche Hilfstruppen anwerben, um gegen die Kurden zu kämpfen. Die Erinnerung daran ist bei den Kurden noch sehr frisch. Da auch die Kurden als völkische Minderheit vom türkischen Staat benachteiligt werden, ge­ben sie den Druck an diese kleinere Gruppe weiter. Es finden über griffe, aber auch Kapitalverbrechen statt, wie Mord, Vergewaltigung Raub. Man zerstört den Christen vielfach die ökonomische Basis, zun Beispiel indem man den Winzern ihre Rebstöcke abschneidet und ihnen die Viehherden stiehlt. Die Reislamisierung der siebziger Jahre hatte wohl einen geringen Einfluß auf die ständig zunehmenden Übergriffe von Seiten der Kurden.

Der türkische Staat tut nichts, um diese Mißstände zu beseitigen Auch wenn die Täter von Seiten der christlichen Bevölkerung der Polizei genannt werden, entläßt man sie schon nach wenigen Tagen aus dem Gefängnis.

In der Zwischenzeit sind so viele Menschen aus ihrer alten Heim  ihrer alten Heimat geflohen, daß der Rest wohl kaum seine völkische und religiöse Iden-tät auf Dauer bewahren kann.

Mit seiner Familie ging Ipek schon vor zehn Jahren den Weg, den viele aus seiner Heimat gegangen sind, er versuchte nämlich sein Glück in Istanbul. Dort hoffte er, sich eine neue Existenz aufbauen zu kön­nen. Auf Grund seines christlichen Vornamens wurde er als Christ erkannt. Er bekam kaum eine Arbeit und wurde von der muslimischen Bevölkerung gemieden. Allein ging er 1976 in die Bundesrepublik und stellte hier den Asylantrag. Seine Familie mit damals drei Kindern ließ er 1977 folgen. In der Zwischenzeit wurde er sogar vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge im Widerspruchsausschuß anerkannt. Die Gründe dafür waren, daß er sehr häufig mit seiner Familie in der Presse abgebildet worden war, wenn es darum ging, die Zustände im Lager Augsburg zu dokumentieren. Im türkischen Strafgesetzbuch gibt es Paragraphen, die es verbieten, nachteilig über die Türkei im Ausland zu sprechen. Strafen für ein solches («Vergehen» sind Gefängnis bis zu fünf Jahren, Aberkennung der bürgerlichen Rechte und häufig Namensänderung der Kinder. Der Beauftragte der Bundesregierung legte gegen diese Entscheidung des Bundesamtes beim Gericht Klage ein. Das Zittern um die Ungewisse (Zukunft geht weiter. Ipek hat seine Großfamilie zu Hause verlassen. Die Sippe ist, wie in den meisten orientalischen Ländern, die soziale Versicherungsgemeinschaft und sichert die «Rente» für die Eltern. Trotzdem forderte ihn der Vater auf, auf keinen Fall in die Türkei nach Ostanatolien zurückzukehren.

In Augsburg leben zur Zeit zweihundertzehn Familien dieser religiö­sen und ethnischen Minderheit aus der Türkei. Das sind über tausend Personen. Über die Hälfte von ihnen sind hier als Asylbewerber. Von den etwa hundert Familien müssen drei im Lager für Asylbewerber wohnen. Die Ausländerbehörde wehrt sich aus formalen Gründen dagegen, daß sich diese Familien eine Wohnung im Stadtgebiet Augs­burg nehmen. Die Nachteile für die Kinder, während wichtiger Ent­wicklungsphasen unter Lagerbedingungen heranwachsen zu müssen, interessieren hier nicht.

Die Familie Ipek bekam öfters das Angebot von deutschen Freunden, die ihnen beim (illegalen) Suchen einer Wohnung behilflich sein woll­ten. Herr Ipek lehnte aus ökonomischen Gründen ab. Zum anderen befürchtet er, daß seine Chancen, als politischer Flüchtling anerkannt zu werden, geringer würden, wenn er die deutschen Behörden gegen sich hätte. Die ökonomische Situation hat sich dadurch verschärft, daß seit Oktober 1980 das Kindergeld für seine nun fünf Kinder ^eingestellt worden ist. Zur Zeit liegt er mit seinem Einkommen knapp unter dem Mindestsatz des Bundessozialhilfegesetzes. Vom Sozialamt mag er trotzdem keine Hilfe annehmen.

Die Assyrer haben sich in Augsburg organisiert, in einer Kirchenge­meinde sowie einem Verein. Erklärtes Ziel der hier zusammengeschlos­senen ausländischen Arbeitnehmer und Asylbewerber ist es, hier eine neue Heimat zu finden. Der erste Schritt gilt der Wohnung der eigenen ethnischen und religiösen Identität. Sprachkurse in Aramäisch (der Sprache Jesu) sind organisiert und werden durchgeführt. Gottesdien­ste im syrisch-orthodoxen Ritus werden von einem Geistlichen gehal­ten.

Ipek möchte auf jeden Fall in der Bundesrepublik bleiben. Er hat große Angst davor, nach Anatolien zurückkehren zu müssen. Er sagt, daß er im Falle der Ablehnung und Abschiebung sich und seine Familie umbringen werde.

Aus dieser Angst heraus möchte er vergessen machen, in welchem Dorf, in welchem Bezirk und in welchem Land er geboren ist. Er sagte sich von seiner Religion los und hat aus diesem Grunde seine Kinder katholisch taufen lassen, obwohl ein syrisch-orthodoxer Priester am Ort ist. Er hat keine innere Beziehung mehr zu seiner Heimat, in der er aufgewachsen ist. Und er will am liebsten keine Beziehungen mehr zu den Menschen haben, die ihm hier auf Grund der gleichen Herkunft eine Heimat geben könnten. Er hat sich von seinen religiösen Idealen gelöst und weiß nicht, welchen er jetzt folgen kann. Damit hat er einen Teil seiner Identität zerstört, er hat sich entwurzelt und sich der Grundlage beraubt, auf der er neue Beziehungen in Augsburg auf­bauen könnte. Dazu kommt seine Entscheidung, so lange im Getto des Lagers zu leben, bis er endgültig anerkannt ist.

Unter dieser Situation des sich Abkapseins hat seine Familie zu leiden, besonders seine Frau. Er läßt ihr keine Freiheit, er kauft alles ein, denn sie darf kein Geld verwalten. Er beschimpft sie, schlägt sie und duldet keinen Widerspruch. Wenn Besuch kommt, müssen seine Kinder in Reih und Glied auf dem Sofa Platz nehmen; seine Frau und er nehmen an dem Tisch Platz. Nur er allein redet. Selten weiß er etwas Positives zu berichten, meistens jammert er. Zum Jammern gibt es viele Gründe. Da ist einmal die Ungewißheit seines Asylverfahrens, das ihn eher zu Selbstmordgedanken führt, als daß er nach irgendwelchen anderen Alternativen suchen würde. Dann sind es die Nachbarn im Familienlager, ein afrikanisches Ehepaar. Dieses hat in seinem Le­bensstil total auf Konsum gesetzt: Stereoanlage, Alkohol, viele Besu­cher. Dadurch werden die Kinder oft mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen und können nicht mehr einschlafen. Zudem liegt ge­meinsames Bad und Toilette noch neben den Zimmern der Familie Ipek. Ein weiterer Punkt zu klagen ist der Streit mit einer anderen Familie im Lager, die aus demselben Ort der Türkei kommt. Betroff sind vor allem die etwa gleichaltrigen Kinder beider Familien, die nicht mehr miteinander spielen dürfen.

So autoritär sich Ipek seiner Familie gegenüber verhält, so devot ist er gegenüber Deutschen. Nicht selten gibt er einen Handkuß als Ergebenheitsgeste. Diese «Haltung» macht ihn dagegen bei seinem Arbeitgeber beliebt. Er hat erst seine zweite Arbeitsstelle, seit er in Augsburg ist. Er macht alle Arbeiten, die ihm aufgetragen werden, und natürlich arbeitet er, wie die meisten Asylbewerber, in Schicht.

Zafar Iqba

In Pakistan gehört Zafar Iqba der National-Awami-Partei an. Diese Partei war zum Zeitpunkt der Flucht verboten. Er organisierte für sie »Demonstrationen und führte sie an. Ihm wird auch zur Last gelegt, Rempeleien angefangen zu haben (Widerstand gegen die Staatsgewalt). Wer in Pakistan einer verbotenen Partei angehört und für sie tätig ist, muß mit mehrjährigen Gefängnisstrafen sowie mit achtzig Peitschenhieben auf den Rücken rechnen. Da die Polizei immer noch auf der Suche nach ihm ist, verkehrt er brieflich mit seiner Familie nur über Kontaktmänner. 'Iqba leidet sehr unter der Trennung von seiner Frau und seinem Kind, das er noch nicht gesehen hat. In all den Jahren im Lager Augsburg wird sein Gesichtsausdruck immer trauriger. Manchmal ! gelingt es ihm nicht mehr, Tränen zu unterdrücken.

In der Enge des Lagers ist es ihm nicht möglich, Menschen zu finden, denen er Vertrauen schenken kann. Obwohl er mit Menschen aus seiner Heimat zusammen ist, die gleiche Sprache sprechen kann, sto-Jen sie ihn ab. Er fühlt sich von ihnen angewidert. Denn sie sind laut, de streiten oft wegen Kleinigkeiten, und es mangelt ihnen an Hygiene, indet er. Er braucht Zuwendung. Als Ersatz schlichtet er die Streitig­keiten seiner Landsleute. Da in der Zwischenzeit alle anderen aus dem Lager gezogen sind, die eine Art Meinungsführer darstellten, fühlt er sich nun verpflichtet, Streitigkeiten zu schlichten. Und die Streitigkei­ten nehmen zu.

Seit Bestehen des Lagers ist eine bestimmte Entwicklung der Zahl der Streitigkeiten zu beobachten. Am Anfang, als viele arbeitslos waren und Asylbewerber noch nicht als wertvolle und billige Arbeitskraft fvon der Wirtschaft erkannt worden waren, gab es viele Aggressionen. Manche Streitereien endeten sehr blutig. In den ersten Wochen und Monaten gab es hauptsächlich Kämpfe zwischen den verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppierungen. Dies ließ allmählich nach, und die Streitereien fanden jetzt hauptsächlich innerhalb der einzelnen Gruppen statt. In den Jahren 1978 und 1979 war es recht ruhig, fast alle Asylbewerber des Lagers waren in der Arbeit. Im Jahre 1980 wuchs die Zahl der Streitereien wieder. Als Grund dafür wird von den Lagerbe­wohnern die Schichtarbeit genannt. Durch die verschiedenen Schich­ten, in denen die einzelnen Zimmerbewohner arbeiten, kommt es zu gegenseitigen Störungen. Einer kommt etwa später nach Hause und macht das Licht an. Die anderen wollen schlafen, weil sie in der Frühschicht arbeiten. Außerdem gibt es Spannungen zwischen den alten Lagerbewohnern und denjenigen, die im letzten Jahr erst hinzu­gekommen sind. 1980 häuften sich die rechtskräftig abgeschlossenen Ablehnungen im Asylverfahren. Dies erzeugt Unsicherheit und führt zu Aggressionen. Manche sehen eine Ursache für die wachsenden Streitigkeiten darin, daß viele jetzt Geld haben, um Feste zu feiern. Diese enden oft in Streitereien wie zu Hause in Pakistan. Sicherlich ist auch die zunehmende Fremdenfeindlichkeit in Deutschland, wie sie sich 1980 entwickelt hat, nicht ohne Wirkung auf die Menschen einer solchen Getto-Situation geblieben. Als letzter Grund mag angeführt werden, daß die Dauer des Lageraufenthalts mit der Unwürdigkeit der Unterbringung und Orientierungslosigkeit als Folge der Unsicherheit im Asylverfahren zu Persönlichkeitszerfall geführt hat.

Diese Streitigkeiten zu schlichten, kostet Iqba sehr viel Kraft. So fanden sich zum Beispiel nachts um zehn Uhr zwanzig Personen auf seinem sechzehn Quadratmeter großen Zimmer ein, um bis drei Uhr morgens zu diskutieren. Am nächsten Morgen mußte er in die Früh­schicht. Kraft kostet ihn auch die Beziehung zu einem ehemaligen Zimmerkollegen. Dieser ist wegen seiner Frau, die aus Pakistan nach­gekommen war, aus dem Lager ausgezogen. Ihm gegenüber fühlt er sich verpflichtet, und er tut für ihn alles, was dieser von ihm verlangt. So muß er ihn regelmäßig besuchen und auch Gesprächspartner für dessen Frau sein, er muß Verbindung aufnehmen zu Deutschen, zu denen der ehemalige Zimmerkollege keinen «Draht» mehr hat, und wenn dieser im Krankenhau ist, muß er dafür sorgen, daß seine Frau bei anderen Bekannten unterkommt, damit sie nachts nicht allein ist.

Seine Kraftquelle ist die Religion, ist der Islam. Sie hält ihn am Leben. Die Religion ist sein Ideal, für das es sich zu leben lohnt. Der Islam ist seine Heimat, ein wichtiger Teil seiner Identität.

Viele seiner Kollegen brauchen allerdings das Lager als eine Art Heimersatz. Hier finden sie Menschen aus ihrer Gegend und mit ihrer Religion, mit denen sie ihre Heimatsprache sprechen können. Mit ihnen erleben sie keine bikulturellen Mißverständnisse. Hier finden sie auch Wärme, die ihnen jedoch keinen Ersatz für die Geborgenheit der (Groß-)Familie bieten kann. In all dem Unbekannten ihrer Umgebung find die Menschen in diesem Lager ein Stück Vertrautheit, das sie rauchen, um nicht vollkommen in der Fremde unterzugehen. Auf der anderen Seite entsteht so eine Getto-Situation. Die Insassen nd unfähig, mit Deutschen in Kontakt zu treten, und dies führt zu ihrer Ablehnung durch die Bevölkerung. Beziehungen und Kontakte nach außen können im Laufe der Zeit immer weniger von den Sozial­arbeitern im Lager vermittelt werden. In der Arbeit ist Iqba seinem Arbeitgeber treu geblieben. Seit über drei Jahren ist er bei derselben Firma. Er arbeitet Schicht und ist jederzeit bereit, an einem Samstag oder Feiertag eine zusätzliche Schicht einzulegen.

Editorischer Hinweis

Der Text wurde entnommen aus: Herbert Spaich (Hg.) Asyl bei den Deutschen, Reinbek 1982, 137-147