Stichwort RAF

Das Unbehagen mit der RAF
INFO Berliner Undogmatische Gruppen

04/07

trend
onlinezeitung

Es existiert ein Unbehagen mit der RAF, das sich äußert

1. im schlechten Gewissen gegenüber einer Praxis, deren notwendiges Mißlingen heimlich bedauert wird. Aber wenn es schon falsch ist, was besser richtig wäre, daß man den ganzen Dreck mit Schießpulver hochgehen lassen könnte, - dann übersteht das widrige Realitätsprinzip als Traum. Er ist solidarisch mit seiner Unmöglichkeit, denn in ihr verkörpert sich eine erfahrbare Ohnmacht. Die Gefangenen der RAF wollen Symbole dafür sein und sind es auch, so wie sie es zuvor als Gejagte waren. Solidarität mit der RAF heißt soviel wie Solidarität gegen die unverwundbare Allmacht der Staatsgewalt, die die intellektuelle Rebellion sich buchstäblich totlaufen läßt. Solidarität mit der RAF ist ideologischer Ausdruck einer wirklichen Lage.

2.besteht ein Unbehagen in der Überlegung, ob der Mummenschanz einer 20köpfigen Roten Armee nicht tieferliegende Ursachen hat, nämlich einer möglichen Wanderschaft der politischen Mittel von links nach rechts und die Solidarisierung auf der Verdrängung dieses Tatbestands aufbaut. Inhalt und Form der RAF-Pistole lassen gewisse Vergleiche zu: formal elitär und gewaltsam, inhaltlich die Totalisierung der Staatsgewalt fördernd, liegt die Parallele zum italienischen Links-Rechts-Terror allzu nahe, Offenbar muß man zur Kenntnis nehmen, daß im Rahmen der Klassenauseinandersetzungen Praxisebenen bestehend, auf denen sich die Gegensätze berühren können, Ein Kadertyp der Organisation wie die RAF ist von den Masseninteressen nicht materiell bestimmbar frei; weil er sich

1. per Definition aus dem Unterschied zu ihnen bildet,
2. weil auch eine Organisation von ein paar tausend Leuten nicht unmittelbar von Klasseninteressen abhängig zu machen ist, sondern sie interpretiert.

Rundheraus kann so eine Organisation fleißig Katastrophenpolitik machen ohne daß sie eingeht; es müssen. nur genügend Leute da sein, die die Arbeit tun. Somit sind gewisse Voraussetzungen da,d aß diese Leute zum Spielball fremder Interessen werden. Dies ist mit der RAF geschehen. Nachprüfbar ist ihre Gedankenwelt zusammengesetzt aus Elementen, die sich samt und sonders in der APO befunden haben, ohne daß diese zur Roten Armee geworden wäre. Es sind Stadtguerillakonzepte diskutiert und richtig befunden worden, Brandsätze geflogen und Polizisten verhauen worden, ohne daß sich das zur Ausschließlichkeit verdichtet hätte. Aus der Lebens- und Interessenslage der rebellischen Intelligenz gingen zwar kommunistische Verbandsstudenten, aber keine Rotarmisten hervor. Willy Brandt war nicht der Zar Nikolaus. Aus der Desperadoaktion der Baaderbefreiung wurde durch künstliche Mobilisierung einer in Reserve liegenden Bürgerkriegsarmee eine entsprechende Rote Armee. Hinter diesem Namen verbargen sich aber eine Handvoll Individuen mit dem Rücken zur Wand, die aus herbei geklaubten Theoriebrocken einen Mythos zusammenflickten, an den sie glauben begannen.  Vom Standpunkt der Baaderbefreiung 'hätte eine normale Polizeifahndung genügt, wenn nicht das naturwüchsige Interesse vorgelegen hätte,

1.die sich zersetzende APO in einem Volksfeind zu versinnbildlichen.
2. Sie lärmend zur Strecke zu bringen.
3. Nun für alle Fälle gewappnet zu sein und
4.dies ohne alle rechtsstaatlichen Fisematenten und liberales Geseire.

Die Inszenierung des Staatsschauspiels ist der Ausgangspunkt, die RAF die Folge. Wenn die RAF nach rechts driftet, dann deshalb, weil sie mit gewaltigem Kraftaufwand von Rechten reproduziert wurde. Gegen die politischen Notwendigkeiten des Kapitals und den politischen Einsatz seiner Gewaltpotenzen sind die Individualitäten von ein paar Zig Einzelnen machtlos. Sie verwandeln sich in Marionetten. Die Motivation einiger Psychen und Hirne wird gleichgültig, weil sie widerstandslos aufgesogen werden in politische Generalstabspläne einer souverän herrschenden Klasse.

Das Problem heißt: warum hat die Linke einem der Polizeiarmee entfliehenden Häuflein ihren Mythos abgekauft. Indem sie sie kritisierte, hat sie ihr geglaubt, daß sie die Strategie war, für die sie sich hielt. Genau wie sie einem Dutzend Altstudenten geglaubt hat, das ZK der Kommunistischen Partei zu sein.
 

Editorische Anmerkung

Aus: INFO Berliner Undogmatische Gruppen, Nr. 35 vom 2.12.1974, OCR-Scan Red trend.

Tagespiegel vom 18. November 1975
Auf eine richterliche Anordnung hin wurden in der Tiergartener Stephanstraße die Räume eines so genannten Wohnkollektives und eine Kreuzberger Wohnung durchsucht. Die Durchsuchungen galten zwei Ausgaben einer Zeitschrift, in der nach Polizeiangaben zu strafbaren Handlungen in Zusammenhang mit der Erhöhung der BVG-Tarife aufgefordert wurde. Insgesamt wurden 200 Exemplare der Zeitschrift "Info - Berliner Undogmatische Gruppen" beschlagnahmt. Außerdem wurde auf Grund eines richterlichen Beschlusses eine Druckerei in der Ahornstraße in Steglitz durchsucht. Hier wurden drei Druckfolien sichergestellt. Die Zeitschrift hatte nach der Freilassung von Peter Lorenz ein Spottlied auf die Polizei veröffentlicht, das wenig später auf zahlreichen Flugblättern von Angehörigen der "Bewegung 2. Juni", den mutmaßlichen Entführern, abgedruckt worden war. Gefälschte BVG-Sammelkarten wurden von Unbekannten in den Bezirken Neukölln, Kreuzberg, Schöneberg und Tempelhof an Passanten verteilt und außerdem in zahlreiche Hausbriefkästen gesteckt. Die Staatsschutzabteilung bittet die Bevölkerung, die Sammelkarten bei der Polizei abzugeben und nach Möglichkeit Hinweise auf die Verteiler zu geben.

Zum Thema RAF  sind bisher im TREND laut GOOGLE 127 Texte erschienen und in der letzten Ausgabe: