Stadtumbau & Stadtteilkämpfe
Der "gläserne Sozialbaumieter"
Objekt der kapitalistischen Kostenstruktur
Ein Kommentar zum Gesetzentwurf über die Neuausrichtung der sozialen Wohnraumversorgung von Karl-Heinz Schubert (Teil III)

07/2015

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onlinezeitung

  • Eigenkapital bilden und Fremdkapital aufnehmen. § 3.6 des BerlBG
  • Damit die Tätigkeit der Anstalten in den Zielkranz der Vorgaben der Politik des Landes Berlin eingebunden ist, werden in Anlehnung an § 3 Absatz 6 BerlBG entsprechende Vorgaben aufgenommen. Kommentar zu § 13.7 des  Gesetzentwurfs über die Neuausrichtung
Der "Zielkranz der Berliner Eigenbetriebe" ist die Aufgabenstellung eines gewöhnlichen kapitalistischen Betriebes, der produzierend oder/und handelnd oder/und verleihend mittels kostenloser Aneignung fremder Arbeit gegen Lohnzahlung Profite generiert. Die Rechtsform eines Staatsbetriebes ändert an diesem ökonomischen Bewegungsgesetz gar nichts. So bleiben die Mieter*innen staatlicher Wohnungsbauanstalten, das was sie in der kapitalistischen Verwertung von Wohnraum schon immer waren: Kunden, die die nach kapitalistischen Prinzipien generierte Kostenmiete(1) zu bezahlen haben.
Den Gesetzentwurf über die Neuausrichtung der sozialen Wohnraumversorgung in Berlin kann mensch nur ablehnen!
     Siehe dazu von Karl-Heinz Schubert

Teil I des Kommentars

Diese Kröten sind nicht zu schlucken!
Teil II des Kommentars
Der revolvierende Fonds

Im folgenden werde ich aufzeigen, nach welchen sogenannten "sozialen" Gesichtspunkten, die Mieter*innen künftig in diesen staatskapitalistischen Wohnungsbauanstalten behandelt werden sollen, die in der Diktion des Gesetzentwurfs (GE) als "Menschen mit geringem Einkommen", "Bezieher von Transferleistungen" oder als "Haushalte mit Wohnberechtigungsschein" bezeichnet werden. Da es sich hier um Personen aus der Arbeiter*innenklasse handelt, die aufgrund kapitalismustypischer sozialer Verwerfungen (daher die sozialrechtliche Kodierung ihrer Klassenlage -sic!), die kapitalistisch generierte Kostenmiete nicht in voller Höhe bezahlen können, hieße die echte Reformalternative nicht subventionierte kapitalistische Kostenmiete, sondern "politische Miete"(2). Der GE optiert dagegen eindeutig für die Alimentierung einer kapitalistischen Kostenmiete:

"Die Preise für die Überlassung von Mietwohnungen und andere entgeltliche Leistungen
der Anstalten sollen sozialverträglich festgelegt werden und mindestens eine Kostendeckung sowie die Bildung ausreichender Rücklagen insbesondere für eine werterhaltende Instandhaltung ermöglichen."  (GE
§14 Absatz 4, Unterstreichung von mir)

1.

Grundsätzlich sind in der Geschichte des kapitalistisch betriebenen Sozialwohnungsbaus zwei Alimentierungswege entwickelt worden(3).

Erstens die direkte finanzielle Absicherung des kapitalistischen "Bauherrn" und "Vermieters" durch staatliche Finanzhilfen (div. Förderwege und -formen) und direkte Begünstigungen (Bürgschaften, Grundstücksüberlassung z.B. durch Erbpacht) zur Senkung der Kostenmiete.

Zweitens die indirekte Förderung/Sicherung der Verwertung des Immobilienkapitals durch finanzielle Zuwendungen an die Mieter*nnen. Stichwort: Subjektförderung, d.h. die geforderte Kostenmiete kann in voller Höhe bezahlt werden. Die Rendite bleibt gesichert.

Im GE wird ganz offensichtlich der zweite Förderweg zu einem wichtigen Punkt des "Reform"vorschlages gemacht.  Allerdings wollen die Autor*innen des GE andere Fördertüren nicht zuschlagen. Schließlich muss die kapitalistische Verwertung von Wohnraum unbehindert weitergehen. Verklausuliert steht dazu im GE-Kommentar(4):

"Im Sinne der objektbezogenen, zusätzlichen Subventionierung zur einkommensorientierten Begrenzung der Miete soll der Wohnraumförderfonds in der Wahl des Förderinstrumentes frei sein. Sofern rechtlich möglich kann dies durch einseitige Maßnahmen des Darlehensgebers Land erfolgen oder durch Zuschussmittel oder eine Kombination der beiden Instrumente." (S.48)

Ausgehend von der oben zitierten sozialrechtlichen Dreiteilung notleidender Arbeiter*innen und ihrer Kinder übernimmt der GE das bundesweit übliche Förderprozedere(5) und splittet im vierten GE-Abschnitt diesen Personenkreis entsprechend subventionstechnisch auf:

Zwei Paragrafen befassen sich mit Personen mit eigenem Einkommen, die einen Wohnberechtigungsschein haben. Zum einem um jene, deren Einkommen in den staatlich festgelegten Einkommensgrenzen liegen bzw bis zu 40 % überschreiten(§30). Diese Überschreitung bis 40% ist im Berliner Sozialbauwohnwesen Standard:

 

Bundes-
Einkommensgrenze
(§ 9 Abs. 2 WoFG)

Berliner
Einkommensgrenze

 
Einpersonenhaushalt

12.000 €

16.800 €

 
Zweipersonenhaushalt

18.000 €

25.200 €

 
zuzüglich für jede weitere zum Haushalt rechnende Person

4.100 €

5.740 €

 
Zuschlag für jedes zum
Haushalt gehörende Kind

500 €

700 €

 
(6)  

Die kapitalistisch generierte Sozialbaukostenmiete liegt laut GE  in Berlin durchschnittlich bei 5,74 € pro m². Sie soll in allen Sozialwohnungen die Obergrenze für die "vertraglich geschuldete Einzelmiete" bilden. Alle zwei Jahre soll diese Obergrenze neu ermittelt werden.(S.46) Warum?

Dazu findet sich nichts im GE. Doch der Grund liegt auf der Hand. Die Sozialbaukapitalisten, ob staatlich oder privat, verlangen eine gesicherte, d.h. staatlich regulierte Mietrendite. Und weil ihre Zinsquelle das Eigen- und das Fremdkapital ist, darf davon ausgegangen werden, dass die Mietzinsen steigen, denn die Verschuldung - sprich der Anteil des Fremdkapitals - ist derart hoch(7), das bereits eine geringfügige allgemeine Zinsaufwärtsentwicklung, das fragile Gebilde gefährdet, wenn nicht Mieterhöhungen durchgezogen werden. Natürlich gibt es noch etliche andere renditegefährdende Gründe. 

Im Grunde ist dieses Konstrukt widersinnig, denn es findet ja auch Tilgung statt, sodass die zu verzinsende Schuldsumme ständig kleiner wird, was sich eigenlich in sinkenden (Kalt-bzw. Netto-) Mieten widerspiegeln müsste, wenn nicht die Devise lauten würde: "Eigenkapital bilden und Fremdkapital aufnehmen".

2.

In diesem geldförmigen Spiel der Verwertung von Wert ist der "Sozialbaumieter" ein Kostenfaktor, um den sich unsere Volksentscheidinitiatoren lediglich sorgen, dass er nicht mit seiner Kaufkraft als Mietzinszahler untergeht. Folglich handelt der § 31  von denen, deren Einkommen unter der staatlich fixierten Einkommensgrenze von 100 % liegen. Für sie soll der Mietzins um 10 % gesenkt werden. Laut Kommentar soll daher 5,14 €  pro m² gelten(S.47). Auch hier wird nach zwei Jahren neu ermittelt. Doch die  Ermittlung läuft nicht nur in Richtung Kostenmiete, sondern vor allem auch in Richtung Einkommen der Mieter*innen. Dazu unten mehr.

Mit diesem Vorschlag liegt die Initiative bei den unteren Einkommen sogar über den Mietkostenplänen des Berliner Senats. Die Berliner Morgenpost meldete am 9.5.2015 , dass die Berliner SPD plane,  "dass kein Mieter einer Sozialwohnung mehr als 30 Prozent seines Einkommens für die Miete ausgeben soll."  30 %  einer 40m² großen Sozialbauwohnung würde demnach bei einem Einpersonenhaushalt, der mit 11.000 € Jahresnettoeinkommen unter dem Limit liegt,  auf eine monatliche Mietzahlung von 275 € kommen. Laut GE wären es 205,60 €. Jedoch fehlen hier die pauschalen Betriebskostenvorschüsse, die mit 2,00-2,50€ (8) hinzugerechnet werden müssen. So dass nach Maßgabe des GE eine monatliche Miete von 285,60 - 305,60 € herauskäme.

Übrigens stellt sich die Sachlage für untere Mittelschichtler*innen(9) mit einem Einpersonenjahresnettoeinkommen von 16.800 €, zu denen auch das Heer der akademisch gebildeten Prekären gehört, die das Bild der Initiative prägen,  deutlich anders dar. Ihre monatliche Miete gemäß GE-Mietobergrenze (5,74 €) plus Betriebskostenpauschale würde zwischen 309,60 und 329,60 € betragen. Es verblieben hier zum "Leben" monatlich rund 1070 €, während es  im ersten Fall deutlich weniger wären, nämlich rund 611 €.

Ein Schelm, wer aufgrund dessen bei solchen Vorschlägen in Richtung Klientelpolitik denkt?

Im Übrigen sind die zuvor erwähnten Sozialbau-Mietpreise letztendlich Schall und Rauch. Unsere GE-Initiatoren überlassen nämlich im §39 und §40 dem Senat sowieso das Monopol zu ihrer Festsetzung per "Rechtsverordnung"!

Nahezu revolutionär liest sich dagegen der Vorschlag, den der GE für  "Bezieher von Transferleistungen" - derb und kurz formuliert-  für "Hartzer" im §32 bereithält. Dieser Teil der proletarischen Klasse, soll nicht mehr an Monatmiete zahlen müssen, als ihm staatlicherseits via Jobcenter oder Sozialamt fürs Wohnen zugebilligt wird. Laut GE soll es sich zur Zeit in Berlin um 5 € pro m² handeln.(S.47) Die Differenz zur renditeträchtigen kapitalistischen Kostenmiete soll durch staatliche Fördermittel ausgeglichen werden, ganz gleich wie hoch die preisrechtlich zulässige Renditemiete einmal ausfallen wird. Selbst die bürgerlichen Medien merkten, wer bei dieser Gesetzesinitiative der eigentliche Nutznießer sein wird. Der RBB titelte trefflich: "Für die Armen gedacht, für die Reichen wie gemacht."

3.

"Die Aufhebung der Anonymität, der direkte Kontakt, die entstehende soziale Kontrolle durch die stärkere Nähe und Bekanntschaft führen dazu, dass viele Hartz-IV-Empfänger sich doch in die Verantwortung nehmen lassen."

Zu dieser Erkenntnis will der (ehemalige) Bürgermeister von Neukölln, Klaus Buschkowsky, gekommen sein, als er von den Erfahrungen aufsuchender Sozialarbeit durch dezentrale "Jobcenter-Filialen" in seinem Bezirk gehört hat, schreibt er auf S.357 in seinem Buch "Neukölln ist überall"(10). Ganz in diesem Sinne ist offensichtlich auch die Denke der Initiatioren des GE gepolt, wenn es um "Hartzer" wie im §32 geht.

Spezielle Firmen, die von den staatlichen Sozialbaubesitzern (GeWoBAG, Stadt und "Schand" usw.) eigens für dieses Klientel gegründet und geführt werden sollen, erhalten laut GE den Auftrag, direkt vor Ort durch aufsuchende Sozialarbeit nach Art Buschowskys Jobcenter-Filialen für die Durchsetzung des Arbeitszwangs zu sorgen.(11), damit - wie Buschkowsky es zynisch ausdrückt -die "Hartzer" sich "aus der liebevollen Umarmung des Jobcenters lösen"(12). Sozusagen an der Basis mitwirkend, stehen den Sozialarbeitern des städtischen Vermieters laut GE "Bezirksmieterräte" zur Seite. Sie kümmern sich nicht nur um die "Ordnung im Haus"(13), sondern auch laut GE-Kommentar: "um stadträumliche Probleme, wie zum Beispiel Gentrifizierung oder Probleme ähnlicher Siedlungstypen und Baujahrgänge"(S.43)  - eben solche, wie sie "Hartzer" beim Wohnen haben.

"Bei Haushalten mit Leistungsbezug nach SGB II, SGB XII, Asylbewerberleistungsgesetz oder Grundsicherung im Alter sind Zwangsräumungen aufgrund von Mietrückständen ausgeschlossen." (GE § 13.5)

Dieses Schutzgebot für "Hartzer", das im Geist christlicher Nächstenliebe geschrieben zu sein scheint,  erweist sich bei genauerem Hinsehen nur als populistische Gesetzeslyrik. Denn im GE-Kommentar heißt es dazu, dass die Zwangsräumung nur deswegen ausgeschlossen wird, da bei dieser Personengruppe "die Kosten der Räumung und der neuen Unterbringung durch die öffentliche Hand zusätzlich gezahlt werden müssten".

Solche Kostenrechnungen für staatliche Fürsorgeleistungen ergeben sich zwangsläufig, wenn ein GE sich ökonomisch nicht nur auf die kapitalistischen Geschäftsgrundlagen bezieht, sondern sie auch in deren Logik zu formen versucht.

"Trotz ihres sozialen Versorgungsauftrages haben sich die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften mit etwa 5.000 Räumungen in den letzten fünf Jahren (20 Prozent aller Zwangsräumungen) als eine feste Größe im Berliner Verdrängungsgeschehen etabliert."(14)

Obgleich der GE im §1 als Gesetzesziel verkündet, dass die nachfolgenden Punkte der "Erfüllung des Verfassungsauftrages nach Artikel 28 Absatz 1 der Verfassung von Berlin" dienen, worin Wohnen verfassungsrechtlich als individuelles Raumnutzungrecht definiert wird, das staatlicherseits zu erfüllen ist, behandelt der GE die Wohnung stattdessen als eine durch das BGB regulierte Ware. Und in dessen Sinne bedeutet das Nichtzahlen des Mietzins bzw. die Mietminderung einen Vertragsbruch, wodurch die Zwangsräumung in den Stand eines legitimen Rechtsmittels gehoben wird. Diese Perversität tritt im GE besonders hervor, da nach Willen der Gesetzesinitiatoren die privatkapitalistischen städtischen Wohnungsbaugesellschaften in städtische Anstalten rückverwandelt werden sollen, die weiterhin wie privatkapitalische Vermieter handeln werden - allerdings ein wenig sozialverträglicher.

4.

Buschkowskys Verständnis von Fördern und Fordern affirmierend, fehlt folglich im Gesetzentwurf auch nicht die Aufhebung des Schutzes für personenbezogene Daten(15). Denn in Zeiten der Krise bedarf es besonders eines uneingeschränkten Zugriffs auf die Daten von kapitalistisch ausgegrenzten oder benachteiligten Personen, an deren Wohnraum"förderung" systemkonservierende Stadtpolitik (leider) nicht vorbeikommt.

"Soweit dies zur Sicherung der Zweckbestimmung des Wohnraums und zur Einhaltung von Förderbestimmungen erforderlich ist, sind die Verfügungsberechtigten und die Nutzungsberechtigten verpflichtet, der zuständigen Stelle auf Verlangen die erforderlichen Auskünfte zu erteilen, Einsicht in Unterlagen zu gewähren und die Besichtigung von Grundstücken, Gebäuden und Wohnraum zu gestatten. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt." (Abschnitt 5, § 47.5 - Unterstreichung von mir) (16)

Die geförderten Nutzungsberechtigten sind kein anderer als der in §§30 -32 GE aufgeführte Personenkreis. Doch es geht in diesem GE nicht nur um die Aushebelung des Artikel 13 GG , sondern vor allem durch die Pflicht zur Auskunftserteilung und Einsichtsgewährung - also um die Schredderung des Abwehrrechts gegen die Ausforschung personenbezogener Daten. Grundsätzlich wären solche Auskünfte nach Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) § 4, Abs.1 nur möglich, wenn zuvor der "Betroffene eingewilligt hat". Normalerweise "ergibt sich aus dem Mietvertrag und den zwischen den Vertragsparteien vereinbarten Rechten und Pflichten"(17) , welche Daten im Einzelnen erhoben werden dürfen.

Indem die Pflicht zur Selbstauskunft  qua Gesetz vor das Zustandekommen des Sozialbaumietvertrages platziert wird, hört der Vertrag für Sozialbaumieter*innen auf, frei verhandelbar zu sein. Was im Klartext heißt: Selbstauskunft oder Verzicht auf die Sozialbauwohnung. Andererseits ist die staatskapitalistische Wohnungsanstalt durch den Staat bereits im Besitz wesentlicher Personendaten, weil die Sozialwohnungsbewerber*innen ihre relevanten Personendaten schon bei Erlangung eines Wohnberechtigungsschein (WBS) dem Staat preisgeben mussten(18).

Handelt es sich um einen privaten Sozialwohnungsvermieter, so erhält er den WBS, aber nicht die dazugehörigen Daten. Solche Daten könnte er erst nach Abschluss der Mietvertrages erhalten, wenn z.B. einkommensabhängige Fördermittel direkt an ihn ausgezahlt werden (siehe weiter unten).

Mit der Selbstauskunftspflicht über die im Haushalt Lebenden gem. GE §45 Absatz 2:

"Ist zu erwarten, dass dem Haushalt alsbald weitere Personen im Sinne des Absatzes 1 auf Dauer angehören werden, so gelten diese bereits als Haushaltsangehörige. Im Fall der Schwangerschaft von Haushaltsangehörigen gelten auch die ungeborenen Kinder bereits als Haushaltsangehörige. Zum Haushalt rechnen nicht Personen, von denen zu erwarten ist, dass sie alsbald und auf Dauer den Haushalt verlassen."

wird ein soziales Kontrollnetz über die Sozialbaumieter*innen gespannt, mit dem durch die Öffnungsklausel in GE § 9 Datenschutz keine Grenzen mehr gesetzt sind (die folgenden Unterstreichungen von mir):

"(1) Die zuständige Stelle kann Daten über geförderten Wohnraum, seine Nutzung und die Bindungen im Rahmen der Förderung, die Parteien eines Mietvertrages und die Eigentümer oder sonstigen verfügungsberechtigten Personen verarbeiten."

"(2) Soweit dies für die Förderung von Wohnraum oder zur Feststellung der Wohnberechtigung erforderlich ist, haben Finanzbehörden und Arbeitgeber der zuständigen Stelle Auskunft über die Einkommensverhältnisse derjenigen Personen zu erteilen, von deren Einkommen die Förderung oder die Wohnberechtigung abhängt; vor einem Auskunftsersuchen soll der betroffenen Person Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden."

"(3) Fördermittel, die in Abhängigkeit vom jeweiligen Haushaltseinkommen der Mietpartei gewährt werden, können auch dann an den geförderten Verfügungsberechtigten ausgezahlt werden, wenn diese aus den geleisteten Zahlungen Rückschlüsse auf das Haushaltseinkommen der Mietpartei ziehen könnte."

Übrigens hinter der schlichten Formulierung "Daten verarbeiten" verbirgt sich der Aufgabenkanon, wie er im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) § 3. 3 und 4 beschrieben ist (19).

Blieben die städtischen Wohnungsbaugesellschaften weiter privatkapitalistisch, dann könnten bestimmte Schnüffeleien, die hier nicht explizit erwähnt werden, aber üblich sind, bei ihnen nicht stattfinden. Im Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz von Sachsen-Anhalt vom 01.04.2003 - 31.03.2005 wurde diesbezüglich klargestellt, dass eine vom Sozialamt an die städtische  Wohnungsbaugesellschaft übermittelte Namensliste von Sozialhilfeempfänger*innen, um zu überprüfen, ob eine rechtswidrige Inanspruchnahme von Sozialhilfe vorliegt, unzulässig ist. Hätte es sich dagegen um Anstalten öffentlichen Rechts gehandelt, so wie die Initiatoren des GE die städtischen Wohnungsgesellschaften haben wollen, dann wäre die Schnüffelei im Einklang mit dem BDSG gestanden.

Wer also wirtschaftlich gezwungen ist, eine Sozialbauwohnung zu bewohnen, der wird sich nach dem Willen der GE-Initiatoren personendatenmäßig regelmäßig entblößen müssen:

"Die nach §§ 30 bis 32 erforderlichen Bescheinigungen oder Bescheide sind alle zwei Jahre zu erneuern." (GE §35.2)

Besondere Verfahren sollen hier für "Hartzer" gelten, deren Bezüge, Beihilfen, ggf. Einkommen usw variieren können:

"An Stelle einer zweijährigen Regelüberprüfung, wie in den §§ 30 und 31, wird hier eine Neuanpassung der Miethöhe nur bei Änderung des Kostenübernahmebescheides des Jobcenters bzw. der anderen zuständigen Stellen vorgeschrieben." (Kommentar zu GE §31.2, S.47)

Dass die soziale Kontrolle wirklich allumfassend gemeint ist,  verrät der GE schlussendlich an einer Gesetzesstelle im 3. Abschnitt des GE, welche Leser*innen möglicherweise im Hinblick darauf leicht übersehen können:

"Die Mieterräte nach Absatz 1 und 2 haben über personenbezogene Daten Vertraulichkeit zu wahren. Dies gilt auch für Organisations- und Personalangelegenheiten, sowie persönliche Belange einzelner Mieterinnen bzw. Mieter." (§23.9)

Während die eine Mietvertragspartei "Sozialmieter"  keinerlei Chancen hat, ihre Daten zu schützen, obgleich sie gewichtige wirtschaftliche Gründe ins Feld führen kann, wird der anderen Vertragspartei, der staatskapitalistischen Wohnungsanstalt, genau dieses Schutzrecht ausdrücklich zuerkannt:

"Von der Veröffentlichung kann abgesehen werden, soweit durch die Veröffentlichung ein wesentlicher wirtschaftlicher Nachteil entstehen würde." (§ 27.1)

Anmerkungen

1) Wohnungsbau und Wohnungsvermietung werden im Kapitalismus von drei sich gegenseitig bedingenden Prozessen der Kapitalverwertung bestimmt: 1) Der Boden als stoffliche Produktionsvoraussetzung für den Wohnungsbau, dessen Preis die kapitalisierte Grundrente ist. 2) Der Produktionsprozeß der Wohnung, d. h. die Höhe des vorgeschossenen Kapitals; also die Höhe der Baukosten als formeller Ausdruck von Wert und Mehrwert. 3) Das Vermieten der Wohnung als Leihkapital in Warenform und die Verzinsung dieses Leihkapitals. Zusammen bilden sie unabhängig von der Nachfrage den bestimmenden Grund des Mietpreises bzw. in kapitalistisch-betriebswirtschaftlichen Sinne die Kostenmiete.

2) Die Höhe der "politischen Miete" wird aufgrund von Kriterien festgelegt, die keine Rücksicht auf die Entstehungskosten eines einzelnen Hauses nehmen, sondern sich von gesamtgesellschaftlichen Kennziffern leiten lassen, die das Wohnen als Teil gesamtgesellschaftlicher Reproduktion vom Standpunkt der Arbeiter*innenklasse aus begreifen. Beispielweise könnte die Miete aus dem Verhältnis eines statistischen Warenkorbes zur Personenzahl, zur Wohnraumgröße und zum Nettoeinkommen abgeleitet werden. Es wäre aber auch denkbar, wie im „roten Wien“ der 1920er Jahre zu verfahren und die Miete an die Kosten der Instandhaltung der Mietsache zu koppeln.

3) Siehe dazu: Günther Schulz, Wohnungspolitik im Sozialstaat, Deutsche und europäische Lösungen 1918-1960, Düsseldorf 1993

4) Zitate aus dem Gesetzentwurf, wenn sie nicht den entsprechenden Paragrafen zitieren, werden sie nachfolgend mit der Seitenzahl des GE ausgewiesen.

5) gemeint sind hier: WoFöGV BE 2014 Verordnung über die Abweichung von den Einkommensgrenzen des § 9 Absatz 2 des Wohnraumförderungsgesetzes vom 3. Dezember 2013, Gesetz über die soziale Wohnraumförderung, Fassung von 2001/2006.

6) Tabelle übernommen von http://www.stadtentwicklung.berlin.de

7) Der größte Berliner staatliche Sozialwohnungs- und Baukapitalist, die GeWoBAG (sechs Tochtergesellschaften und 70.000 Wohnungen), weist in seinem Konzernabschluss 2013 S.34/35, ein neuerer liegt z.Z. öffentlich nicht vor, 1.901.607.468,42 Euro Schulden aus, für die Zins und Tilgung zu leisten sind. An Eigenkapital verfügt der Konzern über 1.973.607.468,42 Euro, worin 3.758.145,46 Euro Mietzinseinnahmen als flüssiges konstantes Kapital enthalten sind, während der überwältigende Rest aus fixem konstanten Kapital (z.B. Immobilien) besteht.

8) Berechnungen von Kotti und Co aus dem Jahre 2014.

9) zum Mittelschichteinkommen siehe: http://www.arm-und-reich.de/verteilung/mittelschicht.html

10) Heinz Buschkowsky, Neukölln ist überall, Berlin 2012 - Ein Konspekt von mir gibt es unter:  Überwachen und Bestrafen - Stadtpolitik in den Zeiten der Krise

11) siehe dazu GE § 12.4.: "Errichten und Betreiben einer gemeinschaftlichen Wohnberatungsstelle, wodurch die Anstalten in diesem Zusammenhang zielgerichtete Sozialarbeit in den bewirtschafteten Wohnungsbeständen im Sinne des § 11 SGB XII leisten."

12) Heinz Buschkowsky, ebd.

13) siehe dazu GE § 23, Gebietsmieterräte, bes. Abs. 2 und 5.2

14) Zwangsräumungen und die Krise des Hilfesystems / Eine Fallstudie in Berlin, Berlin 2015, S. 18

15) Heinz Buschkowsky, a.a.O., auf S.366 äußert sich der Autor prinzipiell über Datenschutz im Umgang mit "Hartzer" in folgender Weise: "Das Vor-Ort-Prinzip in anderen Städten hat mich überall beeindruckt. Wenn wir tatsächlich in die Alltagsgeschehnisse eingreifen wollen, müssen die staatlichen Akteure den Sozialraum kennen, wissen, wie er tickt, und vor allem schnell sein. Staatliche Reaktionszeiten von mehreren Monaten sind wirkungslos. Aus all den Gründen rede ich Möglichkeiten der Vernetzung das Wort, wie sie etwa im Safety House in Tilburg und im Transfer Informatie Punt in Rotterdam bestehen. Eines ist dafür aber zwingend notwendig. Der Datenschutz in seiner bisherigen Form müsste novelliert werden. Es müssten zumindest, wie in den Niederlanden, Möglichkeiten geschaffen werden, durch öffentliche Verträge einen Datenfluss zwischen den beteiligten Stellen zu gewährleisten." (Unterstreichung von mir)

16) "Zuständige Stelle" siehe §49: "Die für die Durchführung der Regelungen in Abschnitt 5 zuständige Stelle richtet sich nach dem Allgemeinen Zuständigkeitsgesetz. Sofern Aufgaben an die Bezirke übertragen werden, sind diese mit den hierfür erforderlichen Personal- und Sachmitteln auszustatten."

17) Deutscher Mietgerichtstag 2006. Thema: Mietrecht und Datenschutz. Referent: RA Dr. Michael Beckhusen, S. 5

18) siehe: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung u. Umwelt Berlin, Wohnberechtigungsschein (WBS)

19) Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) § 3 Weitere Begriffsbestimmungen

(3) Erheben ist das Beschaffen von Daten über den Betroffenen.
(4) Verarbeiten ist das Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren und Löschen personenbezogener Daten. Im Einzelnen ist, ungeachtet der dabei angewendeten Verfahren:
1. Speichern das Erfassen, Aufnehmen oder Aufbewahren personenbezogener Daten auf einem Datenträger zum Zweck ihrer weiteren Verarbeitung oder Nutzung,
2. Verändern das inhaltliche Umgestalten gespeicherter personenbezogener Daten,
3. Übermitteln das Bekanntgeben gespeicherter oder durch Datenverarbeitung gewonnener personenbezogener Daten an einen Dritten in der Weise, dass
a) die Daten an den Dritten weitergegeben werden oder
b) der Dritte zur Einsicht oder zum Abruf bereitgehaltene Daten einsieht oder abruft,
4. Sperren das Kennzeichnen gespeicherter personenbezogener Daten, um ihre weitere Verarbeitung oder Nutzung einzuschränken,
5. Löschen das Unkenntlichmachen gespeicherter personenbezogener Daten.

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe.