Marxistische Arbeiterschulung
Kursus Politische Ökonomie
Antworten auf die Kontrollfragen aus Heft 2
09/04

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I. Kapital und Mehrwert

1. Die historischen Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise sind: a) die persönliche Befreiung des unmittelbaren Produzenten (Abschaffung der Leibeigenschaft) und b) die Enteignung des unmittelbaren Produzenten von seinen Produktionsmitteln. Der Lohnarbeiter ist im Doppelsinne frei — juristisch frei und frei von Produktionsmitteln.

2. Der Uebergang von einfacher Warenproduktion zum Kapitalismus vollzog sich nicht als friedliche Verwandlung, sondern als gewaltsamer Enteignungsprozeß (die sogenannte ursprüngliche Akkumulation).

3. Die kapitalistische Produktionsweise muß auf Grundlage der Werttheorie untersucht werden, weil das Kapitaluerhällnis nicht eine Verletzung des Wertgesetzes ist, sondern eine Entwicklung dieses Gesetzes darstellt. Ferner ist diese Betrachtungsweise deshalb wichtig, weil sie die theoretische Grundlage gibt für die Erkenntnis, daß es unmöglich ist, den Kapitalismus zu liquidleren, ohne die Warenproduktion überhaupt abzuschaffen.

4. Der Mehrwert kann deshalb nicht aus der Zirkulation stammen, weil der Austausch kein wertschaffender Prozeß ist, — er ist nur Formverwandlung des Wertes (der Wert wird im Austausch aus Warenform in Geldform verwandelt und umgekehrt). Zweitens: entstände der Mehrwert aus der Zirkulation, also nur infolge des Austausches ungleicher Werte, — so mußte sich ein Teil der Kapitalistenklasse auf Kosten des anderen Teiles bereichern: die gesamte Kapitalistenklasse kann aber nicht auf diese Weise ihr Gesamtkapital verwerten. Die Theorie des Mehrwerts soll jedoch erklären, woher das Einkommen der gesamten Kapitalistenklasse entspringt und wächst.

5. Das Geld verwandelt sich in Kapital durch Kauf der Ware Arbeitskraft, deren Verbrauch seitens des Kapitalisten darin besteht, daß der Arbeiter einen weit größeren Wert schafft, als der Wert seiner Arbeitskraft beträgt.

6. Der Wert der Arbeitskraft wird durch die zu ihrer Reproduktion gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit bestimmt, d. h. durch die Arbeitszeit, die notwendig ist für die Produktion der notwendigen Lebensunterhaltsmittel des Arbeiters. Der Gebrauchswert der Arbeitskraft besteht an und für sich in der nützlichen Arbeit, die der Arbeiter leistet. Für den Kapitalisten jedoch besteht ihr Gebrauchswert in der Fähigkeit des Arbeiters, Tauschwert und darin Mehrwert zu erzeugen. Die Arbeitskraft ist die Gesamtsumme aller Eigenschaften, die den Arbeiter befähigen, eine bestimmte Arbeit zu leisten. Man kann Arbeitskraft besitzen und nicht arbeiten (ein Arbeitsloser); die Arbeit ist in Bewegung gesetzte Arbeitskraft.

7. Der Mehrwert ist der Wert, den der Arbeiter über den Ersatz des Wertes seiner Arbeitskraft hinaus erzeugt, oder: die Differenz zwischen dem von dem Arbeiter erzeugten Wert und dem Werte seiner Arbeitskraft.

II. Kritik des Begriffes „Wert der Arbeit" und der damit zusammenhängenden bürgerlichen und sozialdemokratischen Auffassungen über die ökonomischen Beziehungen zwischen Proletariat und Bourgeoisie (Fragen auf S. 54)

1. Die Arbeit ist gar nicht „Ware", sie ist der Gebrauchswert der Ware Arbeitskraft, die Arbeit seihst schafft den Wert, deshalb kann sie keinen Wert haben.

2. Die Behauptung, daß die Arbeit einen Wert hat, ist in der Tat Verneinung der Arbeitswerttheorie: hätte die Arbeit selbst einen Wert, dann entsteht die Frage, wodurch dieser Wert bestimmt wird. Wird er durch den Wert der von dem Arbeiter verbrauchten Lebensmittel bestimmt, dann befinden wir uns in einem fehlerhaften Kreislauf: der ^Wert der Ware wird durch die Arbeit bestimmt und der Wert der Arbeit durch den Wert der Ware der Wert der Ware wird also durch den Wert der Ware bestimmt, was wahrhaftig keine Erklärung ist. Zweitens bedeutet die Auffassung, daß die Arbeit einen Wert hat, Ableugnung der Ausbeutung: wenn die Arbeit einen Wert hat und zu ihrem Wert bezahlt wird, dann entsteht der Kapilalprofit nicht aus der Aneignung fremder Arbeit, sondern aus anderer Quelle. Entspringt der Kapitalprofit daraus, daß die Arbeit unterbezahlt wird, dann bedeutet der Kapitalismus nicht Entwicklung, sondern Verletzung des Wertgesetzes, dann wäre es möglich, den Kapitalismus abzuschaffen, ohne die Warenproduktion aufzuheben. Der Begriff „Wert der Arbeit" führt also zur Rechtfertigung und Verewigung des Kapitalismus.

3. Die Theorie der drei Produktionsfaktoren behauptet, daß der Wert des Produktes aus dem Kapital, aus der Erde und aus der Arbeit stammt. Somit bestünde kein Gegensatz zwischen Kapitalisten, Grundbesitzern und Arbeiterklasse. Die Einkommen dieser drei Klassen fließen aus drei selbständigen Quellen, die Arbeiterklasse wird nicht ausgebeutet, jeder von den drei Produktionsagenten ist Teilnehmer eines Geschäfts. Die Theorie der drei Produktionsfabtoren ist deshalb Theorie der Klassenharmonie.

4. Wenn sozialdemokratische Theoretiker die Auffassung vertreten, daß nicht die Arbeitskraft, sondern die Arbeit selbst gekauft und verkauft wird (Nölting), daß der Kampf zwischen Bourgeoisie und Proletariat ein Verteilungskampf ist und daß der Arbeiter an einer „möglichst weitgehenden Steigerung der Produktivität interessiert ist" (Braunthai), geben sie die Marxsche Theorie auf und stellen sich auf den Boden der bürgerlichen Oekonomie.

5. Die Auffassung, daß die Arbeit einen Wert hat, ist mit dem Sozialismus deshalb unvereinbar, weil sie behauptet, daß das Kapilalverhältnis kein Ausbeutungs-, sondern Verteilungsverhältnis ist und daß es zwischen Kapital und Arbeit keinen Gegensatz gibt. Dann bestünde keine Notwendigkeit, den Kapitalismus zu vernichten, sondern nur die Aufgabe, ihn zu „verbessern", zu reformieren.

6. Die Marxsche Lehre vom Werte der Arbeitskraft dagegen deckt das Geheimnis der kapitalistischen Ausbeutung auf und zeigt, daß die Gegensätze zwischen Kapital und Lohnarbeit unüberbrückbar sind, daß es daher auf den revolutionären Umsturz des Kapitalismus und den Aufbau der sozialistischen Gesellschaft ankommt.

III. Konstantes und variables Kapital

1. Der Produktenwert setzt sich aus dem Werte der verbrauchten Produktionsmittel und dem von dem Arbeiter neuerzeugten Werte zusammen.

2. Der Wert der Produktionsmittel wird auf das fertige Produkt übertragen, die Produktionsmittel spielen in der Wertzusammensetzung des Produktes eine passive Rolle. Die Arbeitskraft dagegen spielt im Produktionsprozeß eine aktive Rolle — die Arbeit (der Gebrauch der Arbeitskraft) schafft einen neuen Wert.

3. Die Uebertragung des Wertes der Produktionsmittel auf das Produkt geschieht nicht von selbst, es ist die konkrete Arbeit, die ihn überträgt, während die abstrakte Arbeit den neuen Wert schafft.

4. Der in Produktionsmittel umgesetzte Teil des Kapitals, dessen Wert sich im Produktionsprozeß nicht vergrößert, sondern durch seine Uebertragung auf das Produkt erhalten wird, ist konstantes Kapital. Der in Arbeitskraft umgesetzte Kapitalteil nimmt im Produktionsprozeß zu, und zwar dadurch, daß seine Konsumtion — die Arbeit — einen größeren Wert erzeugt, dieser Kapitalteil ist also veränderlich (variabel) und heißt deshalb variables Kapital. Er ist die Quelle des Mehrwerts.

IV. Kapital und Mehrwert als historische Kategorien

1. Kapital ist ein gesellschaftliches Verhältnis, das in der Ausbeulung von Lohnarbeit besteht und eine sachliche Form annimmt (Produktionsmittel, Arbeitsl:raft, Geld, Waren).

2. Das Kapital ist eine historisch begrenzte, vorübergehende Kategorie, denn es liegt nicht in der Natur der Produktionsmittel, Kapital zu sein. Die Entwicklung des Kapitalismus steigert den Grundwiderspruch der kapitalistischen Produktionsweise — den Widerspruch zwischen gesellschaftlidier Arbeit und kapitalistischer Aneignung — derart, daß endlich die Kapitalisten enteignet und die gesellschaftlichen Produktionsmittel in gesellschaftlidies Eigentum überführt werden (durch die proletarische Revolution). Die Produktionsmittel hören dann auf, Kapital zu sein.

3. Das Kapital ist ein gesellschaftliches Verhältnis in sachlicher Form. Diese sachliche Form ist die Erscheinungsform des Kapitals, in der das soziale Wesen des Kapitals verschleiert wird. Es scheint so, daß Produktionsmittel an und für sich Kapital sind und daß in ihrer Natur als Produktionsmittel die Fähigkeit steckt, Profit abzuwerfen Darin besteht der Fetischcharakter des Kapitals, der sich aus der Besonderheit der Produktionsverhältnisse im Kapitalismus ergibt, und zwar daraus, daß die kapitalistischen Produktionsverhältnisse die gesellschaftlichen Beziehungen nicht als solche direkt ausdrücken, sondern als "sachliche Verhältnisse der Personen und gesellschaftliche Verhältnisse der Sachen" . Der Fetischcharakter des Kapitals wurzelt also in dem Warenfetischismus.

Arbeitsplan

Zweites Thema: Kapital und Mehrwert (Schluß)

V. Mehrwertrate und Ausbeutungsgrad.

VI. Der absolute Mehrwert.
1. Der Begriff des absoluten Mehrwerts. — 2. Die Grenze des Arbeitstages. — 3. Der Kampf um die Länge des Arbeitstages.

VII. Der relative Mehrwert.
1. Die Produktion des relativen Mehrwerts. — 2. Die Produktion des relativen Mehrwerts und die Verschlechterung der Lage der Arbeiter: a) Frauen- und Kinderarbeit; b) Verlängerung des Arbeitstages; c) Intensität und Produktivität der Arbeit;d) Rationalisierung und Unterjochung des Arbeiters; e) Die Schranken des technischen Fortschritts im Kapitalismus.

VIII. Die Produktionsverhältnisse in der Sowjetunion.
1. Das Wesen der Produktionsverhältnisse in den Staatsbetrieben — 2. Form der Produktionsverhältnisse in den Staatsbetrieben der Sowjetunion.


Editorische Anmerkungen

1930 erschienen im 14tägigen Abstand die Hefte der Marxistischen Arbeiterschulung, die insbesondere den kleineren Gruppen und Einzelnen, die nicht eine der MARXISTISCHEN ARBEITERSCHULEN besuchen konnten, zur Selbstschulung dienen sollten.

Herausgegeben wurden die Hefte von Hermann Duncker, Alfons Goldschmidt und K.A. Wittvogel. Sie erschienen im Verlag für Literatur und Politik, Berlin, Wien 1930.

Der OCR-gescannte Text stammt aus dem 2. Heft, S. 65-67und wurde dem Reprint des Politladens Erlangen in seiner 4. Auflage 1971 entnommen.