Editorial
Anmerkungen zur Einheit in der Aktion

von Karl-Heinz Schubert

10/2020

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Daimler, Mahle, Continental, Balluf und und und ... Es vergeht kein Tag, wo nicht weitere Alarmrufe laut werden - der Jobkill grassiert bundesweit und macht vor keiner Branche halt. Erfreulicherweise sind immer mehr  Arbeiter*innen in der BRD nicht mehr bereit, weitere soziale Verwerfungen hinzunehmen. Der Kampf um jeden Arbeitsplatz steht nun auf ihrer Tagesordnung.

Jetzt kommt es darauf an, dass die Klassenlinken die Kämpfe nutzen, um durch Aktionseinheiten aufeinander zuzugehen, um geeint die Klasse bei ihrer Organisierung zu unterstützen.  Dafür müssten allerdings  einige der liebgewonnenen ideologischen Leichen mal im Keller bleiben. Denn ob der Sozialismus auf dem XX.Parteitag der KPdSU verraten wurde oder schon durch die Niederschlagung des Aufstands in Kronstadt 1921, oder erst durch Honecker, während der Ulbricht noch okay war - all dies und mehr sind Fragen, die für den Klassenkampf im Hier und Jetzt soviel Bedeutung haben, als wenn es in Hannover schon wieder regnen würde.

Beziehungsweise um es grundsätzlicher mit den Worten von W.R. Gettél zu formulieren:

"Welche Form von Organisation oder Organisierung am besten geeignet ist, den Kapitalismus revolutionär zu überwinden, wird sich auf der Höhe der Entwicklung entscheiden."

Unter diesem Gesichtspunkt ist die  Frage nach dem Wie und Warum linker Gewerkschaftsarbeit  durch Mattis Molde richtig gestellt, aber die Antwort ist enttäuschend, denn sie besteht wieder nur aus einer Frage:

"Wer eine Alternative zum Kapitalismus will und nicht die Illusion hat, dass dies durch ein Wunder geschieht oder durch eine „neue Avantgarde whatever“, muss sich auch der Frage stellen, wie die Kernschichten des Proletariats aus der politischen und ideologischen Fessel befreit und für diese Alternative gewonnen werden können."

Die Antwort überlässt Mattis hingegen seinen Leser*innen.

Als eine Anwort darauf könnte die (Selbst-)Darstellung des Projekts "Betriebskampf.org" gelesen werden. In ihr fehlt leider jeder Hinweis auf die Bedeutung der Theorie als Werkzeugkasten zur Analyse des Terrains, auf dem die Lohnarbeiter*innen zu kämpfen gezwungen sind. Dieses Theorie-Praxis-Verhältnis kann kein voluntaristisches Konstrukt sein, sondern  - da es um  Erkenntnisse zur Umwälzung der kapitaiistischen  Verhältnisse geht - ein kollektiv organisierter (Arbeits-)Plan. Diese Feststellung führt mich wieder zum Ausgangspunkt meiner Überlegungen zurück.

Die derzeitigen Betriebskämpfe - wie auch die aktuelle verdi-Tarifrunde für den öffentlichen Dienst und den Nahverkehr - zeigen, dass die vorwärtstreibenden politischen Kräfte keine "Nur-Gewerkschafter*innen" sind, sondern in kommunistischen oder sozialistischen Gruppen organisierte Kolleg*innen. Jeder dieser Zirkel beansprucht für sich, auf richtige Weise das gesellschaftliche Terrain analysiert und entsprechend programmatisch umgesetzt zu haben. Diese Tatsache unterstreicht umso mehr die Dringlichkeit, das linke Sektierertum zu beenden und mit der Einheit in der Aktion zu beginnen.

Dass die theoretische Durchdringung kapitalistischer Wirtschaftsbereiche / -prozesse  mithilfe der Marxschen Kritik der Politischen Ökonomie zu strategisch wichtig werdenden Einsichten führen kann, zeigt Guenther Sandlebens Untersuchung der aktuellen, äußerst riskanten Geld- und Finanzpolitik der EZB, die darauf hinauslaufen kann, dass die mehr und mehr in Umlauf gebrachten Banknoten sukzessive ihre Geldeigenschaft verlieren - kurzum dass eine Inflation droht, in der sich soziale Konflikte verschärfen,  da die derzeitigen staatlichen Hilfsprogramme nicht mehr finanzierbar sind.

Eine politische Situation, worauf die zersplitterte revolutionäre Linke in der BRD  kaum inhaltlich und vor allem auch nicht organisatorisch vorbereitet ist.