Editorial
"Die Widersprüche sind unsere Hoffnung." (Brecht)

von Karl Mueller

12/2015

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Das Fremdwörterbuch aus der DDR von 1960 stellte auf Seite 133 zum Stichwort Dialektik fest: "von Marx und Engels begründet, von Lenin und Mao Tse-tung weiterentwickelt". Bekanntlich begannen jedoch SED und DKP in den frühen 1970er Jahre, die "Mao Tse-tung Ideen" zu verteufeln. Aus der weiterentwickelten Dialektik wurde nun eine "durch die Tradition des chinesischen Denkens geprägte naiv-elementare Dialektik" (Rolf Max, Zum politisch-ideologischen Wesen des Maoismus, Ffm 1974, S.17); die chinesische Kulturrevolution hieß nun "konterrevolutionärer Staatstreich"(Ebd.S.62).

Während feierten die bundesdeutschen K-Gruppen der 1970er Jahre in ihrer Mehrheit Mao als fünften Klassiker des Marxixmus-Leninismus und denunzierten das von der UdSSR geführte Lager als sozialimperialistisch. Die maoistischen K-Gruppen - bis auf die MLPD - gingen unter. Doch die ideologische Gegnerschaft blieb. Diese zeigte sich wieder in Redebeiträgen auf dem 21. Parteitag der DKP: "Revolutionsromantik (so schön die auch sein kann), Phrasen die am Bewusstsein der Arbeiterklasse vorbeigehen oder gar einer MLPDisierung Vorschub leisten, bringen uns aber auch nicht weiter."

Aus der Schweiz erreichte uns nun der Artikel "Das Prinzip der indirekten Wirkung", der sich der Dialektik annimmt, wie sie Mao Tse-tung verstand. Dabei geht es - wie sollte es anders sein - um den so genannten Grund- und Hauptwiderspruch. Der Grundwiderspruch ist für Mao der epochenbestimmende, der Hauptwiderspruch wirkt dagegen temporär, allerdings geerdet durch den Grundwiderspruch, dem "ökonomisch Kern",  womit die Arbeit, ihre Aneignung und Verwertung gemeint sind, die im historischen Prozess generell die Basis des gesellschaftlichen Ganzen bilden. Der Artikel endet mit dem ernstzunehmenden Hinweis, "dass das Wissen des Marxismus um den ökonomischen Kern der Gesellschaft nicht zu einem Hindernis für die Praxis in den Bewegungen, sondern zu einer Waffe für die Analyse – welche die Praxis bedingt – wird."

Für den "Dialektikfan" Bertold Brecht sind die Widersprüche nicht nur im objektiven Sinne die Form jeglicher Bewegung, sondern - wie sein bekanntes Gedicht "Lob der Dialektik" deutlich zeigt - auch für das subjektive Erleben prägend: "Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?"

Und genau an dieser Schnittstelle von subjektivem Erleben und Erkennen objektiver Bedingungen, kommt die DKP programmatisch und politisch praktisch, wie der o.a. DKP Parteitag mit seinem Leitantrag aufwies, nicht voran. "Seine Lage" zu erkennen, heißt eben nicht den ökonomischen Kern des imperialistisch-global agierenden Kapitalismus mit der Propagandaformel "staatsmonopolitischer Kapitalismus" von 1960 zu etikettieren, sondern eine Analyse des ökonomischen Kerns auf der Höhe der Zeit vorzulegen.

Dies steht bei der DKP erstmal nicht zu erwarten, wie auch die parteinahe Theorieproduktion aufweist. Exemplarisch dafür sei hier das Taschenbuch aus der Reihe "Basiswissen" des Papyrossa-Verlags "Staatsmonopolitischer Kapitalismus" von Binus, Landefeld, Wehr aus dem Jahre 2014 genannt, das bereits in der 2. Auflage vorliegt. Dieser Popularisierungsversuch schafft es nicht einmal, den Leninschen Monopolbegriff - quasi das theoretische Herzstück des StamoKap - schlüssig aus der Marxschen Kritik politischen Ökonomie herzuleiten und einer nachvollziehbaren Prüfung durch die Empirie der heutigen Verhältnisse zu unterziehen. Dass diese anspruchsvolle Aufgabe nicht mit so einem Traktätchen zu erledigen ist, kann bereits durch einen ideengeschichtlichen Rückblick nachvollzogen werden. Zur Illustration unserer These reprinten wir die Theorieskizze zur Monopoltheorie von Margaret Wirth aus den 1970er Jahren.

Damit die Widersprüche im Brechtschen Sinne wieder zu unserer Hoffnung werden, müssen nicht nur   Grund- und Hauptwiderspruch adäquat erkannt werden, sondern diese Erkenntnis muss sich mit dem subjektiven Erleben verbinden, wo allerlei "Neben"widersprüche ausgehalten und gelöst werden müssen. Nebenwidersprüche, die in Maos Lesart durch die sozialen und Klassenkämpfe zu antagonistischen werden und diese Unlösbarkeit auch wieder verlieren können, wenn sie zum Grund- oder Hauptwiderspruch kompatibel sind.

Nun war es auf dem 21. Parteitag der DKP nicht so, dass ein völliges Unverständnis dieses Zusammenhangs vorherrschte. Zum Beispiel stellte Klaus Stein von der Antragskommission fest:

"Die Arbeitenden selbst sind die wichtigste Produktivkraft, sie sind aber auf vielfältige Weise an ihrer Entfaltung gehindert. Arbeitslosigkeit, Kriege, Flucht, Hunger, verhinderbare Epidemien, Bildungsabbau, Ressourcenverschwendungen, um nur das zu nennen, legen Produktivkräfte brach. Das alles entzündet politischen Protest, der sich zu politischen Bewegungen entfalten kann."

Infolgedessen bemängelte er das Fehlen entsprechender Präzisierungen im Leitantrag. Doch wo es keine adäquate theoretische Analyse der gesellschaftlichen Widersprüche gibt, kann die dialektische Einheit von Theorie und organisierter politischer Praxis wie bei der DKP nur darin bestehen, "dass die Theorie wie ein Klotz am Bein mitgeschleift wird und die Entstehung einer adäquaten Praxis ständig behindert."(ebd.)

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Im Januar 2016 wird die TREND Onlinezeitung 20 Jahre ohne Unterbrechung erschienen sein. Sie ist damit das längste im Netz publizierte politische (deutschsprachige) Magazin und damit eine Art ideologischer Spiegel der BRD-Linken - ergänzt durch entsprechende Berichterstattungen aus anderen Ländern. Dabei ganz vorne zu nennen: Bernard Schmid seit Januar 2000 und Max Brym seit September 2002  dabei. Auch in dieser Ausgabe bekamen wir von ihnen wieder brisante außenpolitische Artikel: Bernard Schmid über die Demo zur Klimakonferenz am 29.11.2015 in Paris - und Max Bryms redegierte Berichte zur aktuellen politischen Krise in Kosova. Ebenso von Attila Steinberger über die Turkmenische Minderheit im Irak und Syrien.

Zur Zeit stehen wir mitten in der letzten Phase der Vorbereitung des Veranstaltungswochenendes im Januar 2016 zum 20. Jahrestag von TREND. Vom 29. bis 31. wird es eine Mischung von Gesprächsrunden, Veranstaltungen und Filmen geben, die sich thematisch auf den Titel des Wochenendes: Wir wollen nicht ein Stück vom Kuchen, wir wollen die ganze Bäckerei  beziehen

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