Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Aufkauf der Pariser Abendzeitung ,Le Monde’ besiegelt
Die Entscheidung zwischen den beiden Anbieter-Trios ist gefallen

7-8/10

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In Frankreich war es in den letzten Wochen relativ leicht, „die Welt zu retten“ oder „Herr der Welt“ zu sein. Jedenfalls verbal. Das Wortspiel schien gar zu verlockend und tauchte folgerichtig in vielfältigen Schlagzeilen der Medien auf; heißt die führende Tageszeitung des Landes doch ,Le Monde’, also eben wie „die Welt“. Und dieser Zeitung, sie ist liberal orientiert, ging und geht es wirtschaftlich sehr schlecht: Sie hat sich in den letzten Jahren finanziell erheblich übernommen, indem sie reihum andere Medien, aber etwa auch Druckereien aufkaufte. Im Namen ihrer „redaktionellen Unabhängigkeit“ führte sie eine Politik durch, deren Leitsatz lautete: „Wir müssen fressen, um nicht gefressen zu werden.“ Dabei hatte sie sich in jüngerer Zeit auch, da eine Kapitalaufstockung Not tut, bereits in hohem Ausmaß mit diversen Konzernen (via Kapitalbeteiligung) verstrickt. Vgl. dazu unseren früheren Artikel: Führungswechsel bei ‚Le Monde’ wird fortgeführ

 

Die Besonderheiten von ,Le Monde’

Die Pariser Abendzeitung ,Le Monde' gilt als wichtigste Qualitätszeitung des Landes. 1944 - wie andere Zeitungen - aus den Résistance heraus gegründet, hatte ,Le Monde' ursprünglich ein stark regierungsstarkes Profil; vor allem, nachdem Charles de Gaulle im Jahr 1958 die Präsidentschaft übernommen hatte. In jenen Jahren wurde die Zeitung ,Le Monde', aufgrund ihrer oppositionellen Linie zum Algerienkrieg, zwanzig Mal durch die Behörden beschlagnahmt. Aber nachdem der « sozialistische » Kandidat François Mitterrand 1981 die Präsidentschaftswahl gewonnen hatte, fiel es der Zeitung plötzlich schwer, noch auf kritischer Distanz zur Regierung zu bleiben. In jenen Jahren begann sie an Qualität zu verlieren.

Späterhin hat die Zeitung sich oft aktiv in die Politik eingemischt: 1995 unterstützte ihre Leitung indirekt den wirtschaftsliberal-konservativen Präsidentschaftskandidaten Edouard Balladur, und behinderte seinen Gegenkandidaten aus dem "eigenen Lager" Jacques Chirac durch gezielte Enthüllungen. 2005 betrieb die Zeitung erstmals eine offene Kampagne, zugunsten der Annahme des Europäischen Verfassungsvertrags bei der damaligen Volksabstimmung. Im darauffolgenden Jahr trug ,Le Monde' erheblich dazu bei, die bis dahin eher zweitrangige Politikerin Ségolène Royal zur Präsidentschaftskandidatin der französischen Sozialdemokratie aufzubauen.

Ein spezielles Phänomen bei ,Le Monde’ bestand darin, dass die Zeitung formell ihren Mitarbeiter/inné/n – oder jenem Teil von ihnen, der Anteile am Firmenkapital gezeichnet hatte – gehörte. Zwar wiegen die Mitarbeiter-Anteile, finanziell betrachtet, nicht sonderlich schwer. Aber durch ein relativ komplexes Netz ineinander verschachtelter Holding-Strukturen (das es üblicherweise minoritären Anteilseignern erlaubt, durch Allianzen mit Kapitalinhabern/-investoren auf mehreren Ebenen eine Stimmenmehrheit für sich zu organisieren) behielten die Mitarbeiter/innen bislang eine Sperrmöglichkeit für sich bei. So hielt die ,Société des Rédacteurs du Monde’ (SRM), die Mitarbeitergesellschaft der Zeitungsredakteure, bislang einen Anteil von 21,9 % an der Holding « Le Monde und assoziierte Partner », französisch abgekürzt LMPA. Zusammen mit weiteren Mitarbeitergesellschaften (der Angestellten, Techniker,…) stieg diéser Anteil an der LMPA auf 49,5 %. Hingegen hielten externe Kapitalinvestoren – « befreundete » Unternehmen sowie, in Höhe von 7,7 %, eine Art Lesergenossenschaft – zusammen 48 Prozent an der LMPA. Der Rest (die übrigen 2,5 %) war Eigenkapital der hauseigenen Herausgebergesellschaft von ,Le Monde’, SEM, also firmeneigenes Kapital. Dadurch behielten die Mitarbeitergesellschaften einen beherrschenden Einfluss auf die Struktur LMPA. Dieselbe wiederum hielt, auf einer weiteren Ebene, einen Anteil von 60,4 % an der Aktiengesellschaft (französische Société Anonyme) « Le Monde S.A. ». An Letzterer wiederum hielten als « Presseinvestoren » firmierende Unternehmen einen Minderheitenanteil von 39,6 %. Diese Aktiengesellschaft « Le Monde S.A. » wiederum hielt einen beherrschenden Anteil, in Höhe von 94,7 %, an der Herausgebergesellschaft SEM. Zu dieser kamen wiederum 2,65 % an Anteilen von « sonstigen Aktionären » hinzu. Die Kapitalanteile externer Investoren waren also, dank dieses Systems der Verschachtelung, auf verschiedene Strukturen (LMPA – Le Monde S.A. – SEM) aufgesplittert, bei denen sie jeweils in der Minderheit blieben. Dies wurde durch die Kapitalanleger beim ,Groupe Le Monde’ bislang auch bereitwillig akzeptiert.

Nunmehr wird künftig mit diesen Funktionsmechanismen Schluss gemacht werden: Die neuen Investoren werden eine klare und eindeutige Kapital-Mehrheit übernehmen.

Die Zeitung mit dem Namen ,Le Monde’ zu retten, dürfte, auch im Angesicht von Klimakatastrophe und Atomwaffen, jetzt schneller gehen als die Rettung des gleichnamigen Planeten – oder, falls sich niemand angeboten hätte, wäre es glatt unnötig geworden. Denn der Pressekonzern ‚Groupe Le Monde’ benötigt nämlich innerhalb weniger Wochen nun dringend frisches Geld. Sonst hätte die Tageszeitung, die in Paris am Nachmittag – mit dem Datum des folgenden Tages – und andernorts am nächsten Morgen verkauft wird, den Sommer nicht überleben können. Diese Jahreszeit ist bei Zeitungsbetrieben gleichbedeutend mit geringeren Einnahmen, zumal in Frankreich, wo das gesellschaftliche und politische Leben im August für einige Wochen fast völlig erlischt. Am 16./17. April dieses Jahres machte ein Artikel der Online-Zeitung ,Médiapart’ – die vom hinausgeekelten früheren Chefredakteur von ,Le Monde’, Edwy Plenel, geleitet wird – erstmals auf die sich anbahnende, akute finanzielle Notlage des Presseunternehmens aufmerksam. Er stand unter der Überschrift: <<,Le Monde’: Aufkauf oder Konkursanmeldung >>. (Vgl. http://www.mediapart.fr ) Daraufhin rief auch die Unternehmensspitze den wirtschaftlichen Notstand aus und forderte jetzt auch öffentlich zur Abgabe von Investitionsangeboten auf.

Bis am Freitag, den 11. Juni hatten interessierte Investoren ursprünglich Zeit, um dem Pressekonzern ein Angebot zur erwünschten Übernahme zu unterbreiten. Drei Tage später verlängert die „Redakteurgesellschaft“ SRM, die einen Teil der Zeitungsredaktion vertritt und bislang noch eine Sperrminorität bei wichtigen Entscheidungen ausübt - sie wird künftig zugunsten „normaler“ Unternehmensstrukturen, bei denen der Kapitalinhaber oder „Geldgeber“ entscheidet, wegfallen – die Frist jedoch um eine Woche verlängert. Bis zum Montag, den 21. Juni um Mittag also durften potenzielle Anleger also ihre Investitionsangebote, die eine Begründung enthalten müssen, unterbreiten. Am darauf folgenden Montag, den 28. Juni sollten dann die Redakteursgesellschaft (welcher wohl zum letzten Mal eine wichtige Grundsatzentscheidung vorbehalten sein wird) und der Aufsichtsrat, der die bisherigen externen Investoren vertritt, darüber entscheiden, wer den Zuschlag erhält. Der glückliche Gewinner – so sieht es der Masterplan vor - würde dann sofort zehn Millionen Euro auf den Tisch lege müssen, bevor über alles Weitere gesprochen wird. Laut der offiziellen Formulierung handelt es sich dabei um die Bedingung, um für eine Dauer von drei Monaten „in Exklusiverhandlungen mit dem Presseunternehmen einzutreten“.

Die Direktion hatte es, angesichts roter Zahlen vor ihren Augen, sogar noch eiliger gehabt und drängte auf eine Abgabe der definitiven Angebote bis am Donnerstag, 24. Juni. Doch wollten die Redakteure sich nicht die Chance verbauen, noch in letzter Minute etwaige Dossiers eintrudeln zu sehen, die sonst aus Zeitgründen verhindert worden wären.

Konkret lagen bis zum Stichdatum zwei Angebote vor. Mehrere Interessenten hatten bereits einige Tage vor Torschluss, unter Berufung auf den hohen Zeitdruck, das Handtuch geworfen. Das gilt für den schweizerischen Pressemogul Ringier, in der Deutschschweiz als Herausgeber von Boulevardzeitungen bekannt, und für den italienischen Geschäftsmann Carlo de Beniditti. Aber auch das in Spanien ansässige multinationale Presseunternehmen PRISA, das noch bis Anfang Mai 10 lange Zeit als einziger seriöser Interessent für einen Einstieg bei ,Le Monde’ gegolten hatte (vgl. unseren o.g. letzten Artikel zum Thema), schien zunächst aufgegeben zu haben. Anfang Juni 10 bat ihre Direktion bei dem Pariser Pressekonzern um eine Verlängerung der Frist bis im September dieses Jahres, was jedoch aufgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit für absolut unrealistisch gehalten wurde. Kurz darauf wurde jedoch enthüllt, dass PRISA sich inzwischen mit dem verbleibenden Bieter Claude Perdriel und dessen Verbündeten, dem französischen Telekommunikationskonzern Orange.fr, arrangiert hatte. Diese drei Alliierten legten nun also ein gemeinsames Angebot vor.

Der Herr der Toilettenhäuschen

In Anbetracht der jüngsten Entwicklung (Rückzug einiger Interessanten, Absprachen zwischen Bietern auf der anderen Seite) befanden sich am Ende noch zwei Angebote im Raum. Auf der einen Seite stand das Gespann des französischen Mäzens Pierre Bergé mit dem Geschäftsbanker Mathieu Pigasse von der Lazard-Bank, das seit kurzem ein Trio zusammen mit dem Gründer des Internet— und Telekommunikations-Unternehmens Free.fr, Xavier Niel, bildet. Auf der anderen Seite stand der 84jährige frühere Pressemogul des Mitte-Links-Spektrum, Claude Perdriel, dem das sozialliberale Wochenmagazin ,Le Nouvel Observateur’ gehört. Letzteres besteht zu über 60 Prozent aus Werbung, größerenteils für Luxusprodukte. Daneben kontrolliert Perdriel auch noch andere Printmedien, etwa auch das Wirtschaftsmagazin ,Challenges’, oder die Wissenschaftszeitschrift ,Sciences’. Hätte Perdriel den Zuschlag erhälten, dann wollte er (wie bislang bereits den ,Nouvel Obs’) auch den ,Le Monde’-Konzern zu voraussichtlich 60 Prozent übernehmen und in eine Filiale seines Mischunternehmens SFA umwandeln, dessen Hauptaktivität aus der Herstellung von... Toilettenhäuschen besteht.

Beide Anbieter schätzten die Summe, die sie investieren müssen, auf 80 bis 100 Millionen Euro; inzwischen ist auch schon mal von 80 bis 120 Millionen die Rede. Claude Perdriel hatte erklärt, er werde sie über eine Holding aufbringen, zu der andere Finanziers beitragen werden. Dabei wäre ein solcher Preis allerdings noch sehr günstig, um die Kontrolle über eine solch renommierte Zeitung wie ,Le Monde’ zu erlangen - die bislang noch erfolgreich ,Agenda Setting’ betreibt, also durch die Reihenfolge, Gewichtung und Rangordnung ihrer Schlagzeilen die Prioritätensetzung anderer Medien wie etwa der Abendnachrichten des Fernsehens oder auch die Gegenstände von Hochschulvorlesungen und Prüfungsthemen beeinflussen kann.

Zum Vergleich: Der Aufkauf der Kontrolle über ,Le Figaro’ – die auflagenstärkste konservative Zeitung in Frankreich, die bei Themen der Außenpolitik oft eine Qualitätszeitung, bei innenpolitischen Themen jedoch ein propagandistisches Käseblatt ist – kostete den Luftfahrt- und Rüstungsindustriellen Serge Dassault im Jahr 2004 die Kleinigkeit von 230 Millionen Euro. (Vgl. dazu ausführlich Militärisch-industrieller Komplex? (trend 4-04) Einen ähnlich hohen Preis kostete auch 2007 die Wirtschaftstageszeitung ,Les Echos’, als diese durch Bernard Arnault, einen mit Nicolas Sarkozy (desssen Trauzeuge er war) befreundeten Unternehmer, übernommen wurde. (Vgl. http://www.acrimed.org )

Claude Perdriel hatte zunächst explizit zur Bedingung erhoben, dass er nur dann beim ,Groupe Le Monde’ einsteigen werde, falls er Denis Olivennes - den er derzeit die redaktionellen Geschicke des Nouvel Observateur leiten lässt – an seine neuen Betätigungsort mitbringen dürfe. Olivennes sollte zum Chef des Presseunternehmens werden. Bislang gilt er beim Nouvel Observateur als „sehr interventionsfreudiger“ Herausgeber, der also stark in das redaktionelle Geschehen eingreift. Im Frühsommer 2009 führte er höchstpersönlich das Interview mit Staatspräsident Nicolas Sarkozy, das unter den Journalisten des Wochenmagazins heftig umstritten war, weil es als weitgehend distanz- und kritiklos erschien. Dennoch wurde es ins Blatt genommen. Olivennes hat auch eine politische Vergangenheit als Leiter der ,Fondation Saint-Simon’, einer Stiftung, die versuchte, Einfluss auf die französische Sozialdemokratie zu nehmen, um sie zur Übernahme neoliberaler Dogmen und radikaler Markt-Apologetik zu bewegen. Anfang 2007 war Olivennes bei der zunächst anonym bleibenden Gruppe Les Gracques aktiv. Diese versuchte die französischen Sozialisten im Falle eines Wahlsieges zu einem Bündnis mit der Mitte-Rechts-Partei Mouvement Démocrate (MoDem) von François Bayrou, statt mit den übrigen Linksparteien, zu überreden und zu drängen.

Einige Zeit darauf war jedoch von Olivennes nicht mehr so viel die Rede, denn Perdriel trat in der zweiten Juniwoche mit einem - zunächst namentlich nicht genannten - „Minderheitsaktionär“ an seiner Seite auf. Allgemein wurde jedoch seit Tagen vermutet, es handele sich um den Chef des Konzerns France Télécom-Orange, Stéphane Richard. Am Mittwoch, den 16. Juni bestätigte Claude Perdriel dies dann auch offiziell. Am Sonntag, den 20. Juni trat dann auch der in Spanien ansässige multinationale Pressekonzern PRISA – vgl. oben -, als Dritter im Bunde, noch hinzu. Hinter dem Wieder-Auftauchen der Spanier von PRISA wurde vielfach die Hand von Alain Minc, eines wirtschaftsliberalen Ideologen und Beraters von Nicolas Sarkozy, vermutet.

Seinerseits unterstützte das linksnationalistische Wochenmagazin ,Marianne’, aus so genannten patriotischen Gründen, zunächst publizistisch das Angebot von Claude Perdriel: Die Rettung von ,Le Monde’, und ihr Verbleib in französischen Händen, sei eine nationale Augabe. (Vgl. http://www.marianne2.fr )

Sarkozy: Der Herr der Finsternis meldet sich zu Wort...

Und hier kommt eine weitere Figur ins Spiel, die sich gerne zum „Herrn der Welt“, in jedem denkbaren Sinne, aufschwingt: der französische Präsident Nicolas Sarkozy. Er machte offen Druck auf die Entscheidungsträger bei ,Le Monde’, dass sie das von ihm als „Begünstigung der Linken“ eingestufte Angebot von Pigasse/Bergé/Niel ausschlagen.

Wie der Herausgeber der Pariser Abendzeitung, Eric Fottorino, am 10. Juni 10 enthüllte, hatte Sarkozy ihn eine Woche früher unter einem Vorwand – um angeblich über einen Leitartikel zu diskutieren – angerufen und in den Elysée-Palast bestellt. Dort machte er vor allem Xavier Niel denkbar schlecht, unter Berufung auf die erste Aktivität, mit denen der Geschäftsmann früher einmal Geld verdient hatte. Es handelte sich um das ,Minitel Rose’, eine Sonderform von Telefonsexdienst. Unter diesem Vorwand betrieb Präsident Sarkozy eine regelrechte Kampagne gegen Niel, den er nur noch „den Mann, der mit Peepshows anfing“ nannte. Eher als diese Tätigkeit dürfte Sarkozy aber in Wirklichkeit missfielen, dass Niel heute auch zwei Online-Zeitungen sponsert, Médiapart und Bakchich, die dem Staatspräsidenten verhasst sind und ihm auch nicht gerade Zuneigung entgegenbringen.

Gleichzeitig drohte Sarkozy aber auch unverhohlen damit, der Staat werde die Aussicht gestellte finanzielle Unterstützung für die Modernisierung der Druckerei von ,Le Monde’ – 20 Millionen Euro sollen dafür fließen – noch einmal überdenken, falls das Presseunternehmen eine schlechte Entscheidung treffe.

Im Hintergrund steht eine nicht wirklich diskrete politische Einflussname: Stéphane Richard ist nicht nur mit Sarkozy befreundet, sondern arbeitete noch vor einem Jahr auch im Wirtschaftsministerium unter seiner Ministerin Christine Lagarde. Orange ist als Unternehmen identisch mit der französischen Telekom, die zwar 1997 privatisiert und in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden ist – als deren größter Einzelaktionär (mit einem Anteil von 24 Prozent, der also deutlich unter die Mehrheitsschwelle abgesunken ist) aber noch immer der französische Staat im Aufsichtsrat sitzt. France Télécom tritt lediglich im Mobiltelefonsektor unter dem Firmennamen Orange.fr auf, und betreibt unter diesem Markennamen auch Internetportale und einen der größten Serverbetreiber in Frankreich. In den letzten Monaten war das Unternehmen in der Öffentlichkeit aber vor allem durch die seit anderthalb Jahren dauernde Selbstmordwelle von abhängig Beschäftigten, die die „modernern“ Arbeitsbedingungen dort – vor allem in den ,Call Centers’ von Orange – nicht ertragen, im Gespräch. (Vgl. dazu ausführlich: Barbarisierung der Arbeitsverhältnisse)

In Zukunft, so malte es die Unternehmensspitze von Orange aus, sollten die Inhalte von Le Monde dazu dienen, die Gefäße von SMS zu füllen – von Onlineportalen mit ständig aufbereiteten Agenturmeldungen und aktuellen Artikel bis zu SMS-Abos, die es erlauben sollen, gegen Entgelt ständig informiert zu bleiben und Alerts (Warnnachrichten) über wichtige Ereignisse zu beziehen. Eine andere Frage wäre dabei gewesen, ob die Pariser Abendzeitung dann auch noch so kritisch wie jüngst, im April dieses Jahres, über Arbeitsbedingungen und Suizide bei dem Unternehmen berichten wird.

Anders als Stéphane Richard stehen Bergé, Pigasse und Niel eher der Sozialdemokratie nahe. Der 41jährige Banker Mathieu Pigasse arbeitete etwa früher unter einem gewissen Dominique Strauss-Kahn, damals sozialdemokratischer Minister und heute Direktor des IWF in Washington, im Wirtschafts- und Finanzministerium. Zeitweise war er auch unter Strauss-Kahns Nachfolger im Ministerium, Laurent Fabius, noch tätig. Pigasse hat im August 2009 das Kulturmagazin ,Les Inrockuptibles’ zu 80 Prozent aufgekauft, dessen Gründer und bisheriger Leiter Christian Fevret inzwischen von Bord geekelt worden ist und im März 2010 seine Koffer packte. Ab kommenden Herbst soll das Magazin vollkommen umgemodelt und von der Kulturzeitschrift zum Newsmagazin umstrukturiert werden. Und der reiche Kultur- und Politik-Mäzen Pierre Bergé finanziert bis heute der früheren rechtssozialdemokratischen Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal ihre Büroräume in Paris.

Die offene Einmischung Sarkozys hat einen kleinen Aufschrei erregt. Die französische KP verglich ihn in einem Kommuniqué mit Silvio Berlusconi.

....und fällt auf die Schnauze

Doch dann wurde daraus letztendlich nichts: Am Donnerstag, den 24. Juni 10 entschieden sich die internen Aktionäre von ,Le Monde’ – da wären v.a. die verschiedenen Mitarbeitergesellschaften – mit Mehrheiten von 90 bis 91 Prozent zugunsten des Angebots des „Trios BNP“ (Bergé, Niel, Pigasse). Allein die zu den internen Aktionären zählende ,Gesellschaft Beuve-Méry’, die die Familienmitglieder und Erben des Zeitungsgründers von 1944 (Hubert Beuve-Méry) umfasst, wich von diesem Votum ab und stimmte einsam und allein für das Angebot von Claude Perdriel, Orange und der Spanier von PRISA.

Daraufhin zog das letztgenannte Gespann sein Angebot zurück, wenngleich es formell noch für die Abstimmung im Aufsichtsrat (der die externen Aktionäre vertritt) am Montag, 28. Juni auf dem Tisch liegen blieb. Allgemein wurde vermutet, dass die externen Aktionäre – die theoretisch ein Stimmenpatt zum Votum der internen Anteilseigner hätten herstellen können – sich gegen ein circa 90prozentiges Votum der Mitarbeitergesellschaften nicht hinwegsetzen würden. Erwartungsgemäß bestätigte dann auch dieser Aufsichtsrat die Entscheidung zugunsten der Annahme des Investorplans von Bergé/Niel/Pigasse.

Die unmittelbare Einflussnahme, die Nicolas Sarkozy auszuüben versucht hatte, ist also gescheitert. Es sei denn, es handelte sich eher um ein Ablenkungsmanöver für andere Schandtaten... Die nähere Zukunft der Zeitung ,Le Monde’ hingegen gilt es abzuwarten und zu beobachten.
 

Editorische Anmerkung

Den Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.