Die Organisationsdebatte geht weiter

Revolutionäres Minimalprogramm
 

von Wal Buchenberg

7-8/11

trend
onlinezeitung

Irgendwo gibt es wieder eine „Organisationsdebatte“. Organisationsdebatte ist eine Debatte, in der Kommunisten und Sozialisten darüber klagen, wie wenig sozialen und politischen Einfluss sie haben. In der Regel läuft diese Debatte darauf hinaus, bei den jeweils anderen Kommunisten und Sozialisten die Gründe für die eigene Einflusslosigkeit zu suchen.

Diese Debatte wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn sich nicht Robert Schlosser aus Bochum zu Wort gemeldet und versucht hätte aus der unsäglichen Organisationsdebatte eine sinnvolle Programmdebatte zu machen. Robert Schlosser schlug folgendes Minimalprogramm vor:

Gäbe es eine politische Organisation, die konsequent

Redaktionelle Hinweise

Wir veröffentlichten in der Märzausgabe einen Beitrag der
„Sozialistische Initiative Berlin-Schöneberg“ zur Gründung einer antikapitalistischen Organisation. Darüber entwickelte sich eine Debatte, die durch das TREND TEACH IN seinen ersten Bilanzpunkt erfuhr. Die Statements wurden in der Juniausgabe des TREND veröffentlicht.

Es scheint so, als dass die Debatte weitergehen würde. In unserer Sommerausgabe 7-8/11 werden wir weitere Texte zu dieser Frage
publizieren.

Die "SchönebergerInnen" haben mittlerweile einen Blog eröffnet, der ebenfalls  die Debatte begleitet.

· für die Rente mit 60,
· eine Begrenzung der Arbeitszeit auf 30 Stunden die Woche bei vollem Lohnausgleich,
· eine Begrenzung von Nacht- und Schichtarbeit auf „unökonomisch“ sinnvolle und notwendige Bereiche,
· für eine Selbstverwaltung der Sozialversicherungen durch die Versicherten, Bestreitung der Kosten durch das Kapital und Beseitigung aller privaten Sozialversicherungen,
· für die Anhebung des Arbeitslosengeldes I und Verlängerung der Dauer seiner Auszahlung,
· für die Abschaffung der indirekten Steuern und drastische Erhöhung der direkten Steuern auf hohe Einkommen,
· für unendgeldlichen öffentlichen Nahverkehr,
· für gebührenfreies Studium,
· für eine einheitliche Ganztagsschule bis zum 10. Schuljahr streiten würde,

um nur einiges zu nennen, wofür es sich im Kapitalismus zu streiten lohnt, dann wäre das sicher eine antikapitalistische Organisation, die aber keineswegs sozialistisch zu nennen wäre, weil sie mit all diesen Forderungen das System der Lohnarbeit (noch) nicht grundsätzlich in Frage stellt. Antikapitalistisch wäre diese Organisation allerdings, weil alle diese Forderungen und Ziele bzw. jede einzelne von ihnen, nur im erbitterten Kampf gegen das Kapital durchgesetzt werden könnten.
Sie wäre außerdem eine Klassenorganisation von LohnarbeiterInnen, weil sie mit solchen Forderungen Ziele formulierte, die nicht nur im Gegensatz zu den Interessen des Kapitals stehen, sondern – auf dem Boden der bestehenden Gesellschaft – grundlegende soziale Interessen aller LohnarbeiterInnen zum Ausdruck bringen. Sie könnte damit – indem sie für die LohnarbeiterInnen in allen gesellschaftlichen Streitfragen Partei ergreift - beitragen zu einem „Parteibildungsprozess des Proletariats“, dem einzig möglichen und realistischen nächsten Schritt, den man hierzulande tun könnte; nicht ausgehend von den aktuellen Wünschen der modernen LohnarbeiterInnen, sondern von deren objektiven Arbeits- und Lebensbedingungen, die kontinuierlich weiter nach den ökonomischen Bedürfnissen des Kapitals zugerichtet werden.
In all diesen Forderungen und Zielen kämen insofern sozialistische Tendenzen zum Ausdruck, weil sie prinzipiell soziale Ein- und Vorsicht und nicht das ökonomische Kalkül von kapitalistischer Privatwirtschaft und Staat zu ihrem Leitfaden machten.

Soweit der Vorschlag von Robert Schlosser.
Bis auf die letzten drei Punkte kann und will ich diese Forderungen voll unterstützen. Bis auf die letzten drei Punkte handelt es sich jedoch nur um ein rein gewerkschaftliches Programm. Es betrifft mehr oder minder nur das Arbeitsleben. Überspitzt formuliert könnte man sagen, Schlossers Minimalprogramm sei ein „unpolitisches“ Minimalprogramm. Im ML-Jargon: Es sei ein „ökonomistisches Programm“.

Meiner Ansicht nach wird durch wenige Ergänzungen aus Robert Schlossers Minimalprogramm eine runde (revolutionäre) Sache:

- Kommunalisierung und Demokratisierung von Energieversorgung, Lebensmittelversorgung und Transportwesen,
- Kommunalisierung und Demokratisierung des gesamten Bildungswesens,
- Kommunalisierung und Demokratisierung aller Staatsfunktionen, einschließlich der Militärgewalt.


Kommunalisierung heißt, dass die Verwaltung und Produktion möglichst aller/vieler gesellschaftlicher Aufgaben auf lokaler Ebene organisiert wird.

Demokratisierung heißt, dass alle Gesellschaftsmitglieder die unmittelbare Verantwortung und direkte Kontrolle über alle Gemeinschaftsaufgaben übernehmen.

Kommunalisierung und Demokratisierung unterstützen und ergänzen sich. Damit wird die Funktionsweise einer nachkapitalistischen Gesellschaft mit emanzipierten, selbstbestimmten Individuen nach dem Muster der Pariser Kommune vorbereitet.

Siehe auch: Marx und Engels über Übergangsforderungen.

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Text vom Autor, nachdem er ihn in seinem Marx-Forum am 4.7.2011 veröffentlicht hatte.